VIER

Die Musik knallte aus den ramponierten Boxen. Manchmal war Marcos Stimme kaum zu hören, geschweige denn, dass man die Texte verstand. Aber das störte mich nicht. Ich genoss einfach die Atmosphäre, die zuckenden Spots und die wandernden Lichtflecken der Diskokugel. Hin und wieder nippte ich an einer Cola und federte zum Rhythmus der Musik in den Knien. Richtig zu tanzen, traute ich mich nicht, darum hielt ich mich am Rand der Tanzfläche auf und beobachtete die anderen.

Christiane hatte sich mit Isabel, der Schwester des Bassisten, ganz nach vorn zum Podium gedrängt, wo sie ekstatisch tanzten. Mir fiel auf, dass Marco immer wieder einmal zu ihnen hinsah. Ob er wusste, dass auch ich im Saal war?

Der Club war rappelvoll, heiß und stickig. Jedes Mal, wenn Marco ein neues Lied anstimmte, stieg ein Johlen und Kreischen aus der Menge auf. Ich fragte mich, wie viele der Mädchen wohl für ihn schwärmten.

Auf einmal fühlte ich mich nicht mehr wohl in meiner Kleidung: der engen Jeans und dem kurzen Oberteil. Was hatte ich mir eigentlich erhofft? Die Musik hörte ich plötzlich nur noch wie von Weitem, so als stünde ich draußen und schaute durch ein Fenster herein.

Als der Auftritt zu Ende war, wurden Platten aufgelegt. Christiane und Isabel kamen auf mich zu, strahlend und verschwitzt.

»Tolle Stimmung, was?«, rief Christiane.

Ich nickte.

»Warum hast du nicht getanzt?«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Wollt ihr was trinken?« Isabels Freund Mathias tauchte auf, mehrere Gläser in den Händen balancierend.

»Danke, ich hab noch!«, rief ich. Aber er verstand mich nicht oder tat so als ob, denn schon hatte ich ein neues Glas.

»Die Boxen sind ’ne Katastrophe!«, schrie Mathias über die Musik hinweg.

»Schlecht ausgesteuert!«, bestätigte Christiane. »Aber die Arschlöcher waren trotzdem klasse. Nicht wahr, Sybille?«

»Und ob!« Ich nickte.

Als die Musiker ihre Instrumente weggepackt hatten, kamen Marco und Diethard, der Bassist, zu uns. Mathias lief sofort los, um auch für sie Getränke zu holen.

Wir stießen auf den gelungenen Auftritt an. Christiane schlug Diethard auf den Rücken und schrie ihm etwas ins Ohr. Ich lächelte Marco zu und wollte gern sagen, wie gut mir ihre Musik gefallen hatte, aber es war einfach zu laut.

»Kommt, wir tanzen!«, rief Isabel, und alle folgten ihr auf die Tanzfläche.

Bis auf mich. Ich blieb stehen und sagte: »Ich kann ja auf die Getränke aufpassen.« Aber keiner hörte mich.

Sie legten los, und ich schaute zu. Christiane war ständig in Diethards Nähe. Ich hatte nicht gewusst, dass sie ein Auge auf ihn geworfen hatte. Aber vielleicht wollte sie auch nur flirten. Isabel und Mathias gaben ein gutes Tanzpaar ab, leicht und locker bewegten sie sich zur Musik. Ganz anders Marco. Sein Tanzstil war hölzern und ziemlich eintönig, was ihn selbst aber nicht zu kümmern schien. Ich musste schmunzeln: Ein Musiker, der so schlecht tanzt, war bestimmt eine Seltenheit.

Als er merkte, dass ich ihm zusah, machte er eine auffordernde Geste.

Ich schüttelte den Kopf. Weil ich noch schlechter tanzte als er.

Als das Stück vorbei war, stellte er sich zu mir: »Tanzt du nicht gern?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Warum bist du dann hier?«

»Wegen eures Auftritts.«

»Wie bitte?«

»Wegen eures Auftritts!«, schrie ich.

Er grinste breit. »Echt wahr?«

»Ja, ich wollte euch hören.«

Das schmeichelte ihm sichtlich. »Und? Hat’s dir gefallen?«

»Ja.« Ich hätte gern noch etwas Fachkundiges hinzugefügt, aber von Musik verstand ich so gut wie nichts.

»Dann komm doch öfter. Ich sag dir Bescheid, wenn wir wieder mal wo spielen.«

Ich nahm einen Schluck Cola, damit er nicht sah, dass ich rot wurde. Das war nun wirklich eine persönliche Einladung!