Kapitel 42

Mittwoch, 14. September

Anton hatte das Rückenteil des Bettes ein Stück hochgefahren. Der Teller mit dem Frühstück stand auf seinem Schoß, darauf zwei Scheiben Brot mit gekochtem Schinken und eine mit Leberwurst. Alle drei Scheiben waren mit einem s-förmigen Streifen Mayonnaise verziert. Das iPad leuchtete auf der Bettdecke. Auf dem Nachttisch lag das Exemplar von 17 , das Anton von Hans Gulland bekommen hatte. Magnus hatte es kurz durchgeblättert und sich die Bilder angesehen.

Von seinem Stuhl aus blickte er Anton an. Dessen Gesicht hatte wieder etwas Farbe angenommen. Von einem Beutel über dem Bett führte ein Schlauch hinunter zum Venenport in seiner Hand.

»Du bekommst also Chemo, wie ich sehe«, sagte Magnus.

Anton biss von seinem Butterbrot ab.

»Chemotherapie ist nichts gegen das hier. Der reinste Sprengstoff. Der Beutel darf nicht länger als eine Stunde im Licht stehen, sonst ist der Inhalt nicht mehr zu gebrauchen. Jetzt verstehst du vielleicht, wie schlecht es mir geht.«

»Du scheinst aber heute schon in besserer Form zu sein.«

»Besser?« Anton hob die Augenbrauen. »Besser?«

»Vergiss es. Und, schon Besuch gehabt heute?«

Anton berichtete, dass Elisabeth und Alexander am Abend zuvor vorbeigekommen waren und dass er mit seinen Eltern gesprochen hatte, um sie über die Situation zu informieren.

Magnus griff erneut nach dem Exemplar von 17 .

»Ich hab zu Hause ein bisschen drin rumgeblättert. Hast du es gelesen?«

»Etwa die Hälfte«, erwiderte Anton schmatzend. »Ist schon interessant, ganz falsch liegt Hans Gulland nicht. Und dabei ist er kein alter Hase, ist ja gerade mal vierundzwanzig.« Anton schluckte. »Genauso alt wie Hellum war, als er 2002 die drei Frauen umgebracht hat.«

»War er da nicht älter?«

»Nee.« Anton nahm einen neuen Bissen. »Allerdings kommt er in dem Buch ganz gut weg. Gulland lässt keinen Zweifel daran, dass Hellum ihn fasziniert. Das Interessanteste ist bis jetzt, dass Hellum offenbar am meisten darauf abfährt, wenn er über Leben und Tod seiner Opfer bestimmen kann. Wenn er die Angst der anderen steuert, so als ob er über einen Schieberegler verfügen würde.«

»Herrje …«, sagte Magnus und legte das Buch wieder weg.

»Schade, dass sie ihn damals in Ila nicht erschlagen haben. Hast du mit Martin Fjeld gesprochen?«, fragte Anton.

Magnus erzählte von seinem Besuch bei Otto Stenersen und von den Notizen, die sich der einsame alte Mann am Vorabend von Hellums Flucht gemacht hatte.

»Interessant«, sagte Anton. »Was meint Hox dazu?«

»Ich hab heute Abend mehrmals versucht, ihn anzurufen, es meldet sich aber nur die Mailbox.«

Eine Falte erschien auf Antons Stirn.

»Aber es kann doch wohl nicht sein, dass die Hellum-Gruppe nichts darüber weiß?«

Magnus zuckte mit den Schultern und erzählte Anton, dass die Gruppe mittlerweile nur noch aus einer Person bestand.

»Ich bin überhaupt nicht überrascht«, sagte Anton. »Aber was haben die da zwei Jahre lang getrieben?«

»Hox macht jedenfalls einen ziemlich gründlichen Eindruck auf mich. Das mit Otto Stenersen lässt sich vermutlich ganz natürlich erklären.«

»Sollte es auch.« Anton hielt Magnus den Teller hin. »Hunger?«

Magnus lehnte dankend ab. Anton stellte den Teller mit den Essensresten auf den Nachttisch. Stopfte sich das Kissen hinter den Kopf und entspannte den Nacken.

»Also gehen wir mal davon aus, dass bei dieser Geschichte nichts aus einem Impuls heraus geschehen ist«, sagte Magnus. »Dann muss derjenige, der Hellum geholfen hat, bis zum Schluss regelmäßig Kontakt mit ihm gehabt haben.«