Kapitel 57

Donnerstag, 15. September

Magnus’ Augen brannten. Er hatte nicht mehr als anderthalb Stunden am Stück geschlafen, und alles zusammengerechnet vielleicht das Doppelte. Als er um 05:10 wach wurde, schaffte er es nicht, die Augen noch einmal zuzumachen. Er stellte sich unter die Dusche, suchte sich einen Anzug heraus und machte sich auf den Weg nach Sarpsborg. Unterwegs hielt er an einer Tankstelle und besorgte sich etwas zum Frühstück.

Noch vor einer Woche hatte sein Frühstück aus Haferbrei mit einem Hauch Zimt und einem Schuss Magermilch bestanden, ergänzt von einem Proteinshake. Danach hatte er im Laufe des Tages fünf oder sechs kleinere Mahlzeiten, bestehend aus Wildreis mit Geflügel, Thunfisch, Lachs, Scampi oder Frikadellen, zu sich genommen. Nach drei Tagen bei der Kripo waren der Haferbrei und der Proteinshake durch Snacks von der Tankstelle ersetzt worden. Magnus dachte an Martin Fjeld, der ihm geraten hatte, das Training nicht zu vergessen. Er musste vor Ablauf der Woche etwas mit seinem Körper tun. Am Freitag oder am Samstag. Dann würde er sich für die Zeit ab Montag einen neuen Trainingsrhythmus ausdenken.

Es war vier Minuten nach sechs, als Magnus in Sarpsborg ankam. Noch eine halbe Stunde bis zum morgendlichen Verkehrschaos. Vor dem Narvesen-Kiosk am Busterminal vor dem Storbyen-Einkaufszentrum stand ein Mann und lud Zeitungsbündel aus einem Lieferwagen.

Magnus kam am Restaurant Festiviteten vorbei und fuhr weiter durch die Stadt, ehe er in den Schotterweg einbog, der zum alten Borregård-Gelände führte. Aus den Schornsteinen der etwas weiter entfernt liegenden Fabrikgebäude stieg Qualm in den Himmel. Magnus machte sich über das Baguette und den Kaffee her und stieg dann aus dem Wagen in die Morgendämmerung. Der Himmel war sternenklar, die Luft kühl. Hinter allen Fenstern war es dunkel. Er schloss auf und nahm die Treppe in den zweiten Stock.

Lars Hox lag in dem provisorischen Schlafzimmer im Bett. Nachdem Magnus ein paarmal die Deckenlampe hatte aufblitzen lassen, wurde der Kollege wach. Er drehte sich im Bett herum und grunzte.

»Wie spät ist es?«, fragte er mit belegter Stimme.

»Gleich halb sieben.«

»Was machst du so früh hier?« Hox fluchte leise in sich hinein. »Ich bin erst um drei ins Bett gekommen.«

»Wohnst du etwa hier?«

»Kannst du das Licht ausschalten?«

Magnus betätigte den Schalter und wiederholte die Frage.

»Zeitweilig. Wenn viel zu tun ist.«

»Und was hat dich letzte Nacht bis drei Uhr wachgehalten?«

Lars Hox setzte sich auf. Er stellte die Füße auf den Boden und rieb sich das Gesicht.

»Dieser Mist mit Otto Stenersen ist mir die ganze Zeit im Kopf herumgegangen. Und dann dachte ich: Was haben wir sonst noch übersehen? An welchen anderen Stellen haben wir geschlampt? Denn eine Zeitlang sind hier ja ’ne Menge Köche um den Brei versammelt gewesen. Fehlt eigentlich nur noch, dass mein Kopf rollt, wenn das Ganze mal vorbei ist.«

Magnus’ Handy signalisierte den Eingang einer SMS . Die kam von Skulstad: Der Helikopter sammelt euch um 08:30 am Festplatz in Sarpsborg auf. Bitte Meldung bestätigen.

Magnus schickte eine kurze Rückmeldung. Verstanden.

Ein lautes Knacken ertönte, als Lars Hox aufstand.

»Verdammtes Scheißbett.« Mit schleppenden Schritten trat er auf die Tür zu, blieb vor Magnus stehen und blickte mit schmalen Augen auf das Handydisplay. »Was ist das?«

Magnus erzählte von dem Besuch beim Dänen am Abend zuvor, von der Landkarte und von dem Helikopter, der sie in zwei Stunden abholen würde.

»Meine Güte. Besten Dank, dass ich informiert werde.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Nachdem ein halber Tag rum ist.«

»Ich … Ich dachte mir, ich informiere dich jetzt. Das mit dem Helikopter ist eben erst in die Wege geleitet worden.«

»Du hast also drei Tage lang dein eigenes Süppchen gekocht? Wenn das wegen der Sache mit Otto Sternersen ist und du deshalb kein Vertrauen zu mir hast, dann sag es mir. Denn wenn das so ist, dann packe ich meinen Kram zusammen und verschwinde auf der Stelle«, fauchte Hox.

»Es …«

»Und falls du Angst davor hast, dass nicht du im Rampenlicht stehst, wenn die Sache mal abgeschlossen ist, kannst du ganz beruhigt sein.« Er beugte sich vor, kam mit dem Gesicht ganz nah an das von Magnus heran und zischte: »Darauf scheiße ich nämlich.«

»Genau wie ich.«

»Ach, tatsächlich?«

»Ich sch…«

»Arbeiten wir jetzt bei dieser Ermittlung zusammen oder nicht?«

»Doch. Tun wir. Tut mir leid.«

»Gut.« Hox setzte ein breites Lächeln auf und klopfte Magnus auf die Schulter. »Dann geh ich jetzt duschen, und danach finden wir diesen Mistkerl.«