Der Lensmann stöhnte. Die Google-Suche nach Nathan Sudlow hatte über fünfunddreißigtausend Treffer ergeben.
»Schreiben Sie es in Gänsefüßchen«, sagte Magnus.
Die Finger des Lensmanns flogen über die Tastatur. Er fügte dem Namen die Anführungszeichen hinzu und drückte auf Enter .
Die neue Suche resultierte in knapp dreißig Treffern. Der Lensmann klickte den obersten Link an. Es handelte sich um einen amerikanischen Auskunftsdienst. Der Link zeigte die Kontaktinformationen zu einem Nathan Sudlow aus Chicago, Illinois, an. In einer Spalte am Rand stand, dass er in den Dreißigern war.
»Zu jung«, sagte Magnus. »Gehen Sie noch mal zurück.«
Der Lensmann stand auf.
»So was können Sie besser als ich.«
Magnus übernahm seinen Platz und klickte auf den Pfeil, der zurück zur Google-Suche führte. Schnell navigierte er durch die Treffer. Nach einer Minute hatte er die ersten zehn aufgerufen. Die meisten davon waren mit einem Familienstammbaum verlinkt, bei dem ein Nathan Sudlow auf einem bereits im Jahr 1926 abgestorbenen Ast auftauchte. Der unterste Treffer führte zu einem Instagram-Profil und zeigte mehrere Fotos eines Mannes in den Zwanzigern. Auf mehreren der Bilder trug er eine Feuerwehruniform. Auf anderen saß er mit Menschen zusammen, die anscheinend seine Familie waren.
Magnus klickte die nächste Seite mit Treffern an. Der oberste Link auf Seite 2 zeigte: Liste der zum Tode Verurteilten im Staat Texas . Magnus klickte auf den Link. Eine neue Seite erschien. Ganz oben stand, dass derzeit 228 Personen darauf warteten, vom Bundesstaat Texas mit dem Tod bestraft zu werden, und dass seit 1819 insgesamt 1392 Menschen in Texas hingerichtet worden waren. Bis auf neun waren alle Männer gewesen.
Die Seite war in einzelne Spalten mit Informationen eingeteilt. Jeder Name ließ sich anklicken. Magnus scrollte nach unten. Hunderte Namen flogen über den Schirm. Als er zu S gekommen war, machte er langsam weiter. Dann hielt er inne.
Name: Sudlow, Nathan
Geboren: 10. Oktober 1947
Verurteilt für: 4 Morde
Zeit und Ort des Verbrechens: 20. November 1994, Waller, Texas
Opfer: Nir Kruplin, Mark Johnson, Brett Redmond und Steven Paley
Zum Tode durch Giftinjektion verurteilt am 13. Juni 1995
Der Mund des Lensmanns war ein dünner Strich geworden. Er kratzte sich die Nase.
»Wann ist der Amerikaner vom Schiff verschwunden?«, fragte Magnus.
»Am Vormittag des 14. November.«
»Es ist kein Problem, innerhalb von sechs Tagen von hier nach Texas zu gelangen.« Magnus blickte auf das Geburtsdatum. »Sudlow war siebenundvierzig im Jahr 1994. Ich glaube, wir haben Nathan Lockhart gefunden.«
Er drehte sich mit dem Stuhl zur Seite herum. »Und auch wenn er einen anderen Namen benutzt hat, bin ich mir ziemlich sicher. Aber warum hat er das getan?«
Magnus klickte auf den Namen. Eine fast leere Seite erschien. Die Seite kann nicht angezeigt werden , stand oben. Magnus’ Handy klingelte. Er hatte die Nummer nicht gespeichert, erkannte aber die ersten sechs Ziffern. Es war ein interner Anschluss des Polizeipräsidiums in Grålum.
»Torp«, meldete Magnus sich.
»Wann hast du zuletzt mit Lars Hox gesprochen?«
Anton war am Apparat.
»Was machst du im Präsidium?«
»Antworte auf meine Frage.«
»Gestern gegen elf. Was ist denn los?«
»Öffne bitte deine Anrufliste. Sofort.«
Magnus öffnete die Liste der geführten Telefonate. Der Anruf von Lars Hox war um 23:02 eingegangen, das Gespräch hatte zwei Minuten gedauert.
»Hat er was Besonderes gesagt?«
»Er meinte, Gillesvik hätte wohl gemerkt, dass er beschattet wird. Dann wurde das Gespräch unterbrochen.«
»Einfach unterbrochen?«
»Er hat aufgelegt. Wirkte gestresst. Sagte, dass etwas im Gange sei. Dass Licht in der Garage eingeschaltet worden sei. Und dann hat er aufgelegt.«
»Scheiße.«
»Was ist denn?«
»Er hat gestern Abend versucht, mich zu erreichen, aber ich hab geschlafen. Jetzt kommen wir nicht zu ihm durch. Sein Handy ist ausgeschaltet. Oder er ist irgendwo in einem Funkloch. Wir wissen es noch nicht. Hier gibt’s große Probleme mit dem Funknetz infolge des Unwetters. Eine Streife ist bei ihm zu Hause gewesen, aber er macht nicht auf. Ich hab denen gerade gesagt, sie sollen zurückfahren und reingehen.«
»Hä?« Magnus stand auf. »Wo ist er denn?«
»Er ist weg.«
»Was meinst du mit weg?«
»Weg wie verschwunden . Das Gleiche gilt für sein Auto.«
»Habt ihr versucht, den Wagen zu orten?«
»Der gehört zur taktischen Ermittlungseinheit und lässt sich nicht orten.«
»Und was machen wir jetzt? Gillesvik festnehmen?«, fragte Magnus.
»Wir haben nicht genug für eine Festnahme, aber ich habe eine Streife geschickt, die ihn zur Vernehmung abholen soll. Ich habe vier Stunden Zeit, um ihn dazu zu bringen, etwas zu sagen, was uns weiterhilft. Nimm den ersten Flieger. Ich brauche dich hier.«
Anton legte auf.
»Und … was ist los?«
Der Lensmann hatte sich wieder an den Computer gesetzt.
»Ehrlich gesagt weiß ich es nicht.«
Magnus blickte auf das Handy in seiner Hand.
»Seltsam …«, sagte der Lensmann und glotzte dabei auf den Bildschirm.
Magnus sagte nichts. Er dachte an das Gespräch mit Hox am Abend zuvor. Ihm schwante Übles.
»Ist das zu glauben?« Der Lensmann drehte sich zu Magnus und sah ihn an. »Jetzt hab ich zehn andere Namen angeklickt, und überall stehen alle möglichen Details. Wen sie auf welche Weise ermordet haben, wann sie hingerichtet wurden und so weiter. Bei Sudlow steht hingegen nur, dass er zum Tode verurteilt wurde. Ich glaube, ich nehme mal Kontakt zur Vollzugsbehörde in den USA auf. Das ist doch nicht zu glauben.«
»Gut … «, erwiderte Magnus in Gedanken versunken. »Tun Sie das.«
»Verfluchter Mist.« Der Lensmann drückte auf verschiedene Tasten. »Hier steht nichts. Nicht mal, ob er noch lebt.«