Kapitel 82

Samstag, 17. September

»Gar nicht so schlecht«, sagte Anton schmatzend und nahm sich noch ein Stück Pizza.

Sie saßen im Lagezentrum. Mit Ausnahme der Beamten im Arrestbereich im Erdgeschoss war so gut wie niemand mehr im Präsidium. Alle anderen waren mit Martin Fjeld unterwegs, der die Suche koordinierte.

»Fühlt sich total falsch an«, sagte Magnus. »Da sitzen wir hier und essen Pizza, während Lars Hox vermisst wird.«

»Alles, was möglich ist, wird getan. Und essen muss man schließlich.«

»Was glaubst du? Was mag passiert sein?«

»Ich weiß nicht. Aber es sieht nicht sehr rosig aus, so viel steht fest.«

»Hast du mal drüber nachgedacht, wie problematisch das wird, wenn sich herausstellt, dass Gillesvik tatsächlich die Wahrheit gesagt hat? Dass Hox nicht mehr da war, als er zurückkam.«

»Genau das macht mir Sorgen. Ich glaube nämlich, dass er die Wahrheit gesagt hat.«

»Demnach haben wir es wieder mit Hans Gulland zu tun.« Magnus schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin da mit Hox einer Meinung. Der Typ mag vielleicht etwas gestört sein, aber ich glaube nicht, dass er ein Mörder ist.«

»Wie es aussieht, absolviert er bloß einige Termine im Zusammenhang mit seinem Buch. Ich habe heute Morgen den Bericht des Überwachungsteams gelesen. Er war gestern Abend und die ganze Nacht zu Hause.«

»Ich weiß«, sagte Magnus. »Dann können wir ihn wohl streichen.«

»Du hast gesagt, die Aussagen der drei jungen Männer auf dem Hurtigruten-Schiff seien etwas fadenscheinig? Was den Sturz von dieser Monica ins Wasser betrifft.«

»Die waren auffallend gleich. Ich erinnere mich noch an eine meiner ersten Schichten bei der Streifenpolizei in Fredrikstad. Da war jemand mit einem Messer angegriffen worden, und es gab drei Zeugen. Und obwohl ja alle drei dasselbe gesehen hatten, waren ihre Aussagen ganz verschieden. In groben Zügen waren sie natürlich gleich. Aber nicht in Bezug auf die Details. Jeder sieht und registriert die Dinge eben unterschiedlich.«

»Stimmt.«

»In den Aussageprotokollen dieser drei Männer wirkte es beinahe so, als wären sie gemeinsam vernommen worden, was aber nicht der Fall war.« Er trat auf die Tür zu. »Warte mal kurz, dann kannst du dir das selbst anschauen.«

Drei Pizzabissen später kam Magnus mit einer Mappe zurück. Er ließ sie vor Anton auf den Tisch fallen und zog die Unterlagen heraus.

Die oberste Seite war eine Zusammenfassung der Ereignisse in Verbindung mit dem Todesfall. Das Ergebnis lautete, dass es sich um einen selbstverschuldeten Unglücksfall handelte.

»Die drei obersten sind die Aussagen der jungen Männer«, erklärte Magnus und sicherte sich das letzte Pizzastück.

»Mmh«, grunzte Anton und legte die Zusammenfassung zurück auf den Tisch.

Die nächste Seite war das Vernehmungsprotokoll eines gewissen Jaran Opsahl. Anton las es durch, während er auf seinem letzten Pizzastück herumkaute.

»Verstecken«, sagte er leise. »Seltsam, so was auf einem Schiff zu spielen. Besonders draußen an Deck bei vermutlich zwanzig Grad minus.«

»Klar. Aber die Menschen werden nie aufhören, im besoffenen Zustand Dummheiten anzustellen.«

Anton legte die Aussage von Jaran Opsahl auf die Zusammenfassung und griff nach der nächsten Seite. Sein Blick ruhte auf der mit Maschine geschriebenen Aussage. Nachdem er sie durchgelesen hatte, verstand er, was Magnus meinte. Die Aussage war genauso kurz gefasst wie die vorherige. Fast genau gleich. Mit Ausnahme der Information, wer vorgeschlagen hatte, Verstecken zu spielen. Jaran Opsahl hatte ausgesagt, es sei Monica gewesen.

Die Vernehmungen waren früh morgens durchgeführt worden. Alle mussten noch Alkohol im Blut gehabt haben.

Antons Blick glitt zum Anfang der Seite. Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer. Der Name stand ganz oben links. Anton merkte, wie sich die Muskulatur seines Gesichts versteifte. Er hörte auf zu kauen.