17. Fiona
J
etzt habe ich mir selbst und auch Kim endlich eingestanden, was ich für Kim empfinde und dann kommt Julia mit Regeln daher. Dummerweise hat sie recht, selbst wenn ich mich gerade noch etwas dagegen sperren will.
»Was für Regeln meinst du?«
»Mann, Fiona, stell dich nicht blöder als ich bin. Das liegt doch auf der Hand. Solange Kim noch deine Schülerin ist, dürft ihr nicht miteinander schlafen. Ihr dürft euch auf keinen Fall von irgendwem erwischen lassen. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.«
»Hast du, Mama.«, knurre ich ärgerlich, weil mir das, was Julia ausspricht, nicht gefällt.
Aber sie hat ja leider mal wieder so was von recht. Das wurmt mich gleich noch mehr. Mist! Verdammter!
»Nach außen hin müsst ihr weiterhin so tun, als wärt ihr einfach nur Lehrerin und Schülerin. Treffen könnt ihr euch bei mir. Aber ihr werdet nicht alleine sein. Das müsst ihr mir versprechen.«
Ich schaue Kim an. Kim schaut mich an. Wir nicken.
»Versprochen.«
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Julia erleichtert aufatmet.
»Gut. Dann wird ja hoffentlich nichts schief gehen.«
Das hoffe ich allerdings auch. Wie es nach Kims Abschied aus der Schule aussehen wird … nun, das steht wohl noch in den Sternen. Schließlich lässt sich die Tatsache, dass Kims Mutter meine Schulleiterin ist, weiterhin nicht von der Hand weisen. Daran ändern auch Kims Pläne für die Zukunft nichts.
Mir gefallen meine Sorgen nicht. Deshalb schiebe ich sie weit weg und beschließe, den Abend lieber zu genießen, statt mich trüben Gedanken hinzugeben.
D
er gestrige Abend hat sich ganz anders entwickelt als gedacht. Das ist auch gut so. Ich bin so glücklich eingeschlafen wie sehr lange nicht. Kim ist süß. Sie denkt, dass ich ihr Herz in der Hand habe. Aber … sie hat eben auch mein Herz in der Hand. Und das fühlt sich erstaunlicherweise ziemlich gut an.
Auch wenn ein kleiner Rest Angst immer noch in meinem Hinterkopf rumort. Allerdings wird die Stimme der Vernunft immer leiser. Gott sei Dank. Ich will nicht mehr vernünftig sein. Vernünftig war ich mehr oder weniger mein ganzes Leben lang. Wird Zeit, dass sich das ändert.
Kim ist viel zu süß, um vernünftig zu sein.
Mit einem Lächeln auf den Lippen stehe ich vor dem Spiegel und fühle mich ausnahmsweise nicht hässlich. Vielleicht bin ich ja doch nicht die kleine graue irische Maus, für die ich mich immer gehalten habe. Kim gibt mir mit allem, was sie sagt und tut das Gefühl, ein besonderer Mensch zu sein. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, womit sie diese Einstellung nährt. Schön finde ich es trotzdem.
Meine Kim. Süße, bildhübsche, liebenswürdige und blutjunge Kim. Mein Mädchen.
Hach, geht es mir gut. In nicht ganz einer Stunde stehe ich ihr wieder gegenüber. Ihr und den restlichen Schülerinnen.
Mir ist nicht ganz klar, warum, aber heute habe ich das Bedürfnis, wenigstens einen Hauch Make-up aufzulegen. Ein bisschen Puder auf Wangen und Nase. Meine Wimpern setze ich mit wasserfester Maskara in Szene. Wenn Kim und ich schon nicht offen miteinander flirten können, soll sie wenigstens etwas zum Schauen haben. Da die Temperaturen ungewöhnlich hoch sind, entscheide ich mich für ein leichtes Sommerkleid aus hellblauem Leinenstoff. Dieses Kleid liebe ich, habe es allerdings noch nie in die Schule ausgeführt.
Sonst trage ich eher gediegene Farben und Schnitte. Aber … hey, es ist warm draußen. Warum also mich in viel zu warme Jeans quälen?
Hallo? Natürlich mache ich das nur, um nicht zu sehr zu schwitzen. Einen anderen Grund für meine Kleiderwahl gibt es nicht. Punkt.
Mit meiner Umhängetasche über der Schulter bleibe ich noch kurz vor dem Spiegel neben der Eingangstür stehen und betrachte mich prüfend.
Doch. Passt.
M
eine gute Laune hält den ganzen Tag an. Die meisten Kollegen haben mich mit Lob überschüttet. Einigen Männern sind die Augen beinahe aus dem Gesicht gekullert, so sehr haben sie mich angestarrt. Mein persönliches Highlight war trotzdem Kims Reaktion. Sie stand vor mir. An der Tafel. Und hat kein Wort raus gebracht.
Sie hat gefiept wie ein kleines Mäuschen und wenn sie doch mal etwas gesagt hat, klang ihre Stimme ziemlich erstickt. Das hat mir gefallen. Sehr sogar. Ihren Mitschülerinnen hat sie erzählt, dass sie eine Halsentzündung hat, aber ich … ich weiß es besser.
Das Leben ist schön.
Wenn man verliebt ist und das Herz die ganze Zeit auf Hochtouren arbeitet, ist es gleich noch schöner. In so einer Phase gibt es nichts, was die Laune trüben könnte. Alles perlt an einem ab wie Regentropfen am frisch polierten Lack eines Autos. Ich habe mein Auto zwar noch nie poliert, eine Vorstellung, wie es aussehen würde, habe ich aber trotzdem.
Verliebt sein ist ein unbeschreibliches Gefühl. Wenn dann die Gefühle auch noch erwidert werden … Was kann es Schöneres geben?