Leotychidas von Sparta bestellte mich ein. Er war der Oberkommandant der Flotte, aber er war auch der König von Sparta, dazu ein alter Verbündeter Athens in vielerlei Hinsicht. Seit dem Abmarsch des Heeres hatte er Sparta nicht verlassen, weil er genau wie Gorgo wusste, wie brüchig das Bündnis war, aber sobald er erfahren hatte, dass die Roten Umhänge die Täler von Megara erreicht hatten, war Leotychidas mit seinen Schiffen bei Ägina gelandet. Er verbarg ein Grinsen, als er mich kommen sah, und ich grüßte ihn im Namen von Pausanias.

«Ihr fragt Euch jetzt bestimmt, warum wir keinen spartanischen Boten gefunden haben», sagte er trocken.

Themistokles nickte. «Dann hätte Euch niemand getraut», sprach er. Da ging mir auf, dass er recht hatte, wie es oftmals der Fall gewesen war. Denn ein Mittler aus Platäa garantierte, dass keine Verschwörer am Werk waren, die Athen in den Rücken hätten fallen können. Zumindest nicht, solange ich alle Sinne beisammenhatte.

Dann erstattete ich den Befehlshabern der Flotte einen vollständigen Bericht von den Geschehnissen der zurückliegenden drei Tage. Xanthippos hatte auf eigene Faust Seekrieger beigesteuert, ohne Befehle abzuwarten, und auf Geheiß von Aristeides die athenische Phalanx aufs Festland gebracht. Aber der König von Sparta war mit allem einverstanden.

Im Vergleich zum Landheer gab es kaum Diskussionen bei der Flotte, was auch gewiss daran lag, dass jemand wie Adeimantos nicht zur Flotte gehörte, und nach Salamis hatte sich etwas grundlegend geändert. Die Athener und Männer aus Ägina, die seit jeher

Aber es gab noch einen Aspekt. Es fühlte sich irgendwie anders an als im Jahr zuvor. Artemision und Salamis hatten Siege gleichsam zur Tradition werden lassen. Archilogos und ein Dutzend anderer Trierarchen aus Ionien ließen uns wissen, dass die Ionier geradezu darum bettelten, die Freiheit zu erlangen.

Beim Landheer zögerten manche Befehlshaber, sobald es darum ging, die Barbaren Mann gegen Mann anzugreifen. Die Spartiaten sehnten «den Wettstreit» zwar herbei wie eine Liebesnacht mit Aphrodite, aber die Korinther und Kämpfer aus Arkadien blieben in diesem Punkt zurückhaltender.

In der Flotte redeten die Rudermannschaften hingegen die ganze Zeit davon, es den Feinden endlich zu zeigen und den Krieg zu beenden. Tatsächlich erlebte ich, dass bei den Ruderern so etwas wie Stolz und Klassenbewusstsein aufkamen – die «kleinen Leute», die «gesellschaftlich keinen Wert besaßen», wussten längst, dass die Freiheit Griechenlands in hohem Maße von kräftigen Armen und starken Rücken abhing. Jeder Trierarch auf der Kommandoplattform wusste, dass er den Feind schon dreimal auf See bezwungen hatte.

Und weil ich ein Maulheld bin, möchte ich hinzufügen, dass sich unser kleiner Raubzug im Frühjahr positiv auf das neue Selbstbewusstsein der Verbündeten ausgewirkt hatte. Vielleicht habe ich übertrieben, als ich die Hilflosigkeit der feindlichen Flotte bei Kos beschrieb, vielleicht habe ich das zu sehr aufgebauscht und den Eindruck vermittelt, der Feind sei träge und kraftlos gewesen. Aber betrachten wir es realistisch, aus der Behaglichkeit unserer Ruhebänke, mit einem guten Becher Wein,

Aber sie hatten keine Schiffe entsandt. Als dann klar wurde, dass die Griechen die belagerte Stadt von See aus unterstützen und versorgen würden …

Nun, da bliesen die Perser die Belagerung ab. Aus meiner Sicht bedeutete das, dass sie Angst vor uns hatten – und in dieser Ansicht bestärkte mich der andere eingefleischte Pirat: Kimon.

Und bei Poseidon, meine Freunde, in jenem Sommer wollten wir den Persern wahrlich Grund geben, sich zu fürchten. Mag sein, dass Leotychidas, als er von seiner Ruhebank in Sparta Politik betrieb, den Untergang Athens billigend in Kauf genommen hat. Aber als der König von Sparta dann Oberbefehlshaber der Flotte wurde und die Perser quasi vor der Nase hatte, wollte er nichts lieber als die Sache in den Griff zu bekommen und die Feinde zu vernichten – um den größten Sieg in der Geschichte der Menschheit zu erringen.

Bei den Göttern, mit dem Herzen war ich bei der Flotte. Die Geschwader hatten sich ihre Lorbeerkränze wahrlich verdient. Die Ruderer und Seeleute waren Veteranen, sie hatten die dunklen Tage überstanden und kannten sich, einer konnte sich auf den anderen verlassen. Die Spreu hatte sich vom Weizen getrennt. Die Deckmannschaften und Epibatai waren fest entschlossen, Maßstäbe zu setzen. Inzwischen sprachen die Athener offen davon, das persische Reich zu zerschlagen und die ionischen Städte von der Knechtschaft zu befreien. Nur die Spartaner wanden sich aufgrund alter Rivalitäten.

Ich wäre am liebsten mit der Flotte in See gestochen. Immerhin befehligte ich eines der besten Schiffe, obwohl auch Athen und Ägina über ausgezeichnete Triremen verfügten. Aber

Ein solcher Plan ließ aus meiner Sicht nichts zu wünschen übrig. Es war genau das aggressive Vorgehen, das Kimon und ich seit vier Jahren befürworteten. Auf diese Weise hätten wir Vergeltung geübt für Lade und den Krieg beendet. Und gewiss hätten wir Ionien befreien können.

Es war also das, was ich herbeisehnte, und ich wusste, dass es auch Briseis’ Wunsch war. Tatsächlich erkannte ich bald, dass die Umsetzung dieses Plans die Handschrift von Jocasta, Briseis und Gorgo trug.

Aber ich sollte nicht daran teilhaben.

Denn man schickte mich zurück zum Landheer, damit die Befehlshaber dort über den zeitlichen Ablauf und die Absichten der Flotte informiert waren.

Kimon sollte mit den Hippeis reiten, und ich würde mit den Platäern in die Schlacht ziehen, während jüngere Trierarchen die Gefechte auf See austrugen, von denen wir «Piraten» geträumt hatten.

Wirklich, ich war kurz davor, vor Wut zu platzen.

Aber vielleicht war das auch meine beste Stunde, menschlich gesehen. Man wollte die Freiheit der Ionier und Vergeltung für Lade, und ich tat meine Pflicht, wie man es von mir erwartete. Und aus welchem Grund? Weil im letzten Sommer des Langen Krieges viele Männer von meinem Kaliber ihre verdammte Pflicht taten. Natürlich war ich beleidigt, dass die Flotte mich nicht haben wollte. Ich hatte das Gefühl, dass man all meine Taten bei Artemision und Salamis vergessen hatte. Ja, ich bin engstirnig und

Aber …

Ich wusste auch, dass wir erledigt waren, wenn entweder das Heer oder die Flotte unterlag. Mochten in der Flotte noch so viel Hochstimmung und Selbstvertrauen herrschen, eine einzige Fehlentscheidung genügte, und der Bund war in Gefahr. So schnell hätte alles zu Ende sein können.

Daher schluckte ich meinen Stolz und meine Wut herunter. Ich ging hinunter zum Strand und befahl meinen Leuten mit lauter Stimme, mein Schiff ins Wasser zu schieben. Ich weiß noch, dass Seckla mir eine Hand auf die Schulter legte, und plötzlich hatte ich Tränen in den Augen und kam mir wie ein Arsch vor.

Brasidas betrat die Plattform des Steuermanns. «Und, was gibt’s?», wollte er wissen.

Ich zuckte mit den Schultern. «Wir schließen uns dem Heer an», antwortete ich.

Er machte ein eigenartiges Gesicht. Obwohl seine Mundwinkel leicht nach unten zeigten, wie bei einem Stirnrunzeln, lag ein Leuchten in seinen Augen, als hätte er ein strahlendes Lächeln aufgesetzt. «Zum Heer? Ausgezeichnet!»

Ich denke, dass ich ihn verwundert ansah oder fluchte – oder beides.

«Ich habe die Platäer doch trainiert», meinte er. «Da möchte ich bei ihnen sein.»

Wirklich, seine Worte führten dazu, dass ich mich schämte.

 

Wir ruderten den ganzen Abend gegen den Wind und erreichten Piräus vor Sonnenuntergang. Erneut hatten die Menschen aus Attika nach und nach die schwelenden Trümmer ihrer Stadt und ihren Grund und Boden in Besitz genommen.

Unterdessen lieferten Schiffe Getreide an, auch Vieh, und natürlich weitere Siedler und Bewohner Athens.

Es war seltsam, aber all das führte dazu, dass ich einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen hatte. Diese Menschen gingen davon aus, dass wir die Meder besiegen würden! Sie hatten keine Angst, ihre in Trümmern liegenden Städte und Siedlungen wiederaufzubauen.

Wie bereits beim letzten Mal.

Während des ganzen langen Abends, als wir erst in westlicher, dann in nördlicher Richtung zum Haus meines Schwiegervaters ritten – seht es mir nach, Freunde, aber ich spreche jetzt vom Vater meiner ersten Frau Euphoria –, während des ganzen Abends also sahen wir überall Menschen bei der Arbeit. Auf die Schnelle wurden Schuppen oder Unterstände errichtet, neue Pferche für Schafe und Ziegen entstanden. Und in gewisser Hinsicht erkannte ich die Sinnlosigkeit des Ares. Es gab zwei Dinge, für die die Perser keine Zeit gehabt hatten – erstens hatten sie an den Olivenbäumen keine breiten Streifen der Rinde entfernt.

 

 

Zweitens hatten die Perser nicht die kreuz und quer durch die Landschaft verlaufenden Steinmauern eingerissen, die das beste Weideland einfassten. Natürlich hatten sie dafür keine Zeit gehabt! Für beide Aufgaben hätte man zahllose Männer benötigt, ja, es hätte Wochen gedauert, den Bäumen und der Landschaft überall in Attika diesen Schaden zuzufügen. Aber da sie derlei Dinge unterlassen hatten, verlor ihr vorübergehender Sieg an Bedeutung. Die Meder hatten große Tempelbauten zerstört, aber die Olivenhaine waren unangetastet geblieben.

Im Haus meines Schwiegervaters trafen wir nur Sklaven an. Seine Gemahlin Niobe war schon lange tot, und Aleitos, Euphorias Vater, ritt trotz seines Alters mit den Hippeis oder stand Seite an Seite mit den Hopliten. Aber seine Haussklaven kannten mich noch, und während sie dabei waren, die mittleren Dachsparren wegzuräumen, die bei dem Brand auf den Mosaikboden gekracht waren, waren sie so aufmerksam, mir Suppe anzubieten. Es schmeckte weitaus besser als alles, was ich bei den Spartanern bekommen hatte. Man wies uns Schlafplätze für die Nacht zu.

Ich glaube, ich gebe das nicht ganz richtig wieder. Wir hatten vier Pferde, bei mir waren Brasidas, Leukas und Aten. Seckla und ich hatten noch überlegt, ob es sinnvoll wäre, die ganze Mannschaft losmarschieren zu lassen, Ruderer und Seeleute, über die Berge. Den Weg kannten wir ja, wir hatten schon einmal auf jener Strecke gemeinsam gekämpft. Mit der Besatzung der Lydia hätten wir weitere zweihundert Bewaffnete in die Phalanx gebracht.

Allerdings ahnten Seckla und ich, dass man mich eventuell sofort wieder zurückschicken würde. Außerdem hoffte ich –

Aber wenn es uns gelänge, ihre Flotte zu vernichten und die Herrschaft über die Meere zu erringen, nun, dann wäre Xerxes nicht imstande, jemals zurückzukommen – das waren meine Gedanken. Und selbst wenn er zurückkehrte, dann erst sehr viel später, vielleicht sogar so spät, dass sich meine Enkel – deine Kinder, Thygater – keine Sorgen zu machen bräuchten.

Aber vergiss eines nicht, meine Liebe. Vergiss nicht, dass sich Leotychidas und Aristeides wie auch Pausanias alle in einem Punkt einig waren: dass die große Schlacht von Hopliten geschlagen werden musste. Denn wenn Ruderer Griechenland befreiten – du liebe Güte, was wäre dann aus den Aristokraten geworden, oder aus mir? Trotzdem, auch wenn ich heute ein kleiner Tyrann bin, so hätte ich doch willentlich einen Staat zugelassen, in dem selbst Ruderer wählen durften.

 

Verlasse ich gerade wieder die Furche meiner Erzählung, ja?

 

Nun denn. Als wir am nächsten Morgen aufstanden, tat mir wirklich alles weh. Meine fehlenden Finger plagten mich mit einem Phantomschmerz, meine Oberschenkel brannten vom Reiten. Das

Nein, ich habe mich eigentlich nie damit abgefunden, älter zu werden.

Während wir über die Schulter des Kithairon-Gebirges ritten, trieben sich dort eine Menge Geister herum. Seltsam eigentlich, denn nicht alle Geister waren von den Toten. Ich kannte die Stelle, an der ich erfuhr, dass Empedokles in Gefangenschaft geriet. Ich wusste noch genau, wo ich das Mädchen Apollonasia liebte, das ein Bein nachzog und das mir auf geheime Weise von Apollon gesandt wurde. Ich wusste, wo sich mein Vater einst gegen die Spartaner stemmte und wo mein Bruder starb. Dieser Pass über das Gebirge war, vom Anfang bis zum Ende, erfüllt von Erinnerungen, und an einer Stelle, als ich den Blick zu den Baumkronen hob, machte ich mir bewusst, dass ich mich auf ebenjenem Weg befand, von dem ich vor so vielen Jahren abgekommen war, um mich von einem Felsvorsprung ins Meer zu stürzen. Und so fragte ich mich, warum ich nicht auch meinen fliehenden Schatten sah, der am Tod meiner geliebten Euphoria verzweifelt war …

Wir erreichten den Scheitelpunkt des Passes, jenen Ort, wo Händler und Kaufleute ihre Fuhrwerke wenden, um langsam den Weg auf der anderen Seite des Berges in Angriff zu nehmen. An jener Stelle beeilen sich die Leute, die zu Fuß sind, die langsamsten Tiere zu überholen, auch die überladenen Saumtiere oder lahmen Pferde. Erinnert ihr euch? Hier stießen wir einst auf den Leichnam des Jungen. Dort begegnete ich auch Tiraios zum ersten Mal, als er noch ein einfacher Kesselflicker war.

Am höchsten Punkt des Passes zweigt ein selten benutzter Pfad nach Westen ab, der sozusagen auf der Schneide des Berggrats verläuft. Nach vielen Kehren gelangt man zum Gipfel des Kithairon, zwischen den Wolken.

Ich hatte eine plötzliche Eingebung. Ein Gefühl, das einen

Ich wandte mich Brasidas und Leukas zu. «Bedaure», sagte ich, «aber ich muss mit diesem ausgezeichneten Pferd bis nach oben reiten, bis zum Gipfel.»

Brasidas schwieg.

Leukas hingegen runzelte die Stirn. «Wieso das?»

«Dort stehen die Altäre meiner Sippe», erklärte ich. «Ich werde Opfer darbringen.»

Brasidas nickte. «Das ist gut», meinte er.

Leukas seufzte. Ich vermute, dass er einst ein einfaches Leben als Fischer führte, obwohl ich ihn eigentlich nie danach gefragt habe, und genau an der höchsten Stelle des Passes dachte ich, dass ich ein richtiger Arsch war, weil ich meinen Gefährten nie nach seinem früheren Leben gefragt hatte.

«Leukas?», fragte ich.

«Anführer?», hörte ich ihn mit seinem Akzent aus Albion.

«Wie war eigentlich dein Leben, ehe du zu uns kamst?»

Wir folgten dem Verlauf des Berggrats. Es war Jahre her, dass ich dort oben gewesen war. Meistens hatte ich die Strecke zu Fuß zurückgelegt, gemächlich oder im Laufschritt, oder ich hatte den anderen Weg hinauf zu den Altären genommen, vom Grabmal des Leitos aus. Der Pfad über den Berggrat erwies sich in vielerlei Hinsicht als schwieriger.

Aber wir setzten den Weg mit unseren Tieren fort und sahen, wie der Fels steil abfiel. Es war ein schöner Nachmittag. Ich fragte mich, ob Leukas beschlossen hatte, kein Wort über sein altes Leben zu verlieren.

«Nun, du weißt ja, dass ich versklavt wurde», meinte er.

Ich nickte.

Brasidas hörte derweil genau zu und machte ein Gesicht, als wäre der Mann aus Albion aus einer anderen Welt – was ja durchaus nicht abwegig gedacht ist. «Vielleicht solltest du zurückkehren und die Landbesitzer erschlagen und selbst Stammesältester werden», sagte Brasidas.

«Bei Poseidons Speer! Warum das?», rief Leukas. «Ich will mich doch nicht über die Leute stellen, bei denen ich aufwuchs. Vergiss es.»

«Du könntest trotzdem die Herrschaftsform ändern», sagte Brasidas im selben Tonfall, als sei das die vernünftigste Sache von der Welt.

«Wieso?»

Brasidas seufzte. «Damit dir Gerechtigkeit widerfährt.»

Leukas schüttelte den Kopf. «Wenn wir die Meder besiegen», sagte er, «dann werde ich – eine gewisse Person fragen, ob sie

Brasidas fing meinen Blick ein, als ich mich Leukas zuwandte.

«Kann bei diesem Spiel jeder mitmachen?», fragte er. «Darf ich auch mitspielen?»

«Du müsstest reden», sagte ich. «Laut und vernehmlich.»

Er zeigte nicht einmal den Anflug eines Lächelns. «Ehe ich zu euch stieß, war ich Söldner im Dienste von Syrakus. Mehrmals stand ich den Karthagern Auge in Auge gegenüber, und ich war der Ansicht, mich im Dienst mehr als bewährt zu haben. Aber sobald ein Lob ausgesprochen wurde, kamen andere in den Genuss. Mir wurde nichts zuteil. Ich träumte davon, nach Lakonien zurückzukehren. Und als ich es tat, musste ich feststellen, dass es nicht länger mein Zuhause war. Ich konnte nicht mehr dorthin zurück.»

Leukas lachte. «Seht ihr? Ich muss gar nicht erst in die alte Heimat, um zu wissen, dass ich dort nicht mehr hingehöre.»

Brasidas musterte den Mann aus Albion eine Weile, vielleicht für die Dauer von zweihundert Herzschlägen, während unsere Pferde den Weg über den zweiten Abschnitt des Berggrats in Angriff nahmen. Wir gelangten zu den Bäumen, die einen größeren Hang einnahmen.

«Ich denke, dass du mir vielleicht etwas Wichtiges erzählt hast, Leukas», sagte Brasidas. «Ich will immer noch zurück nach Sparta, ein paar Leute erschlagen und ein Unrecht wiedergutmachen.»

Ich glaubte schon, endlich herauszufinden, warum er sich abseits hielt, warum Männer wie Bulis und Sparthius

«Was ist dir widerfahren?», fragte ich ihn direkt.

Brasidas schüttelte energisch den Kopf.

«Tut nichts zur Sache», beschied er mir. «Aber das, was Leukas sagt, zählt. Eine Ehefrau, ein geregeltes Leben. Söhne und Töchter. Gute Gespräche mit Männern, die meine Standesgenossen und Freunde sind. Einen Feind erschlagen? Hat keinen Wert. Ein Unrecht wiedergutmachen?» Sein Blick ging in Richtung der Peloponnes. Vom Berggrat aus konnte man sich zumindest einbilden, bis nach Sparta blicken zu können. «Bald werden all diejenigen tot sein, die das schmutzige Geheimnis kennen, das ich für mich behalte.» Er ließ ein Schulterzucken folgen. «Und offen gestanden, es ist längst zu spät, um je das Unrecht wiedergutzumachen, das mir einst widerfuhr.» Wir ritten weiter. «Und heute habe ich für Gorgo nichts als Bewunderung übrig, für eine Frau, auf die ich mit Verachtung herabblicken sollte.»

Ich weiß es nicht mehr genau, aber vielleicht unterhielten wir uns während der gesamten Strecke. Es ist mir aber nicht in Erinnerung geblieben. Ich erinnere mich jedoch an den Moment, als wir absitzen mussten. Ein Sturm hatte offenbar in jener Höhe gewütet – vielleicht waren das auch die Anzeichen dafür, dass der alte Gott jenes Berggipfels seinem Zorn freien Lauf gelassen hatte. Die Eichen lagen kreuz und quer am Boden, wie Strohhalme, die im Wind fliegen, wenn der Bauer auf dem Dreschplatz die Spreu vom Weizen trennt.

«Kithairon», entfuhr es mir laut. Der Pfad entschwand zwischen den umgeworfenen Baumstämmen. Der Sturm musste bereits im Vorjahr gewütet haben.

Leukas fluchte in seiner Sprache. «Da kommen wir nicht weiter.»

Ich betrachtete die Baumstämme eine Weile, schritt auf und ab. «Doch, wir kommen vorbei», meinte ich. «Von hier aus sind es nur

Wie dem auch sei, ich bahnte mir, das Pferd am Zügel, einen Weg an den umgestürzten Bäumen vorbei. Einmal mussten wir zu dritt einen Stamm zur Seite wälzen, ein andermal fluchte ich und wünschte, ich hätte eine Axt gehabt. Aber nach zwei Stunden hatten wir die zwei Stadien bergauf geschafft.

Dort stand der Altar meiner Familie, unterhalb des letzten Steilhangs, genau im Schatten des Gipfels.

An dem Altar ist eigentlich nichts Besonderes. Habe ich ihn überhaupt schon einmal beschrieben? Es ist ein großer Stein, ein Findling, geformt von den Göttern oder den Gewalten der Natur, aber an einer Seite hat jemand einen Raben in den Stein gemeißelt, für die Korvax-Sippe, und in der alten böotischen Schrift steht dort «Herakles». Der Stein weist oben eine natürliche Mulde auf, die seit jeher rostbraun verfärbt ist von all dem Blut der Opfer. Ein paar Schritte abseits, schon hügelaufwärts, im Schatten einer enormen Eiche, lagen die Reste der Asche von den Brandopfern. Nicht zu vergleichen mit der Asche an den Kultstätten auf Delos oder bei Olympia, aber auch die Aschereste der Korvax-Sippe können sich sehen lassen.

Als junger Mann, noch erhitzt vom Lauf mit Kalchas, blickte ich oft erstaunt auf den Aschehaufen und dachte darüber nach, was es bedeuten mochte, dass meine Vorfahren so viele Tiere geopfert hatten. Nicht nur Tiere. Als Junge fand ich einmal einen menschlichen Oberschenkelknochen in der Asche und wunderte mich.

Aber bei dem Sturm war der Nordhang unterhalb des Gipfels am schwersten in Mitleidenschaft gezogen worden, fast alle Bäume dort waren umgestürzt, in Richtung Platäa. Es war unheimlich. Ich fühlte mich nackt und ungeschützt auf dem Gipfel und blickte weit ins Land hinein nach Norden, bis zum Tanzplatz des Ares, nach Theben und zu den Bergen, die hinter der Stadt aufragen. Ich fühlte mich wie ein Gott und musste an Miltiades denken, an dem Abend nach Marathon, als wir oben bei dem Heiligtum des Herakles standen.

Und der alte Kithairon schickte mir ein Reh, einen jungen Bock, der gerade einmal zwei, drei Winter erlebt hatte. Dieses Tier lief sozusagen fast in meinen Speer, es fand nicht einmal eine Jagd statt. Ich fasste das als Zeichen der unsterblichen Götter auf und trug den Bock von der Stelle, wo die Eichen umgestürzt waren und wo ich das Reh getötet und ausgenommen hatte, hinauf bis zum Altar. Leukas hatte unterdessen ein Kaninchen gefangen, ein junges, gesundes Tier. Auch das ein Zeichen!

Auf dem uralten Altar schichtete ich einen kleinen Haufen aus dem Fell, dem Fett und ein paar Knochen des Tiers auf, stimmte die alten platäischen Gebete an, von denen einige sehr düstere, andere aber auch sehr schöne Verse haben. Brasidas, der immer schon ein Ohr für alte Lieder hatte, stimmte mit ein. Der alte Paian zu Ehren des olympischen Zeus, ein wirklich altes Loblied, war so

Danach nutzte ich mein Kopis als kleines Beil, zerkleinerte das Brennholz weiter und begann, ein Feuer zu entfachen. Endlich brachte ich Kithairon mein Opfer dar, auch Zeus, und während der Rauch von dem brennenden Fett aufstieg – was den Göttern, wie man sagt, am besten gefällt –, sang ich den platäischen Hymnus zu Ehren von Kithairon, während Aten in weiser Voraussicht schon einmal die besten Stücke des Rehfleischs für die Abendmahlzeit briet.

Leukas und Brasidas trugen Buschwerk zusammen, und mit unseren Speeren errichteten wir einen kleinen Unterstand, der allerdings keinem starken Wind oder Regenfällen standgehalten hätte. Es sollte eher ein Symbol sein. Da wir Hochsommer hatten, bestand ohnehin kaum Gefahr, von Regen überrascht zu werden.

Natürlich bekam ich mit, was meine Gefährten um mich herum taten, doch ich sang weiter und führte das Ritual zu Ende. Allerdings hielt ich mich dabei nicht an die Vorgaben, die mir einst Aristeides beibrachte, obwohl ich ein paar seiner aristokratischen Gesten befolgte. Und obwohl ich insgesamt die Gepflogenheiten meiner Sippe beachtete, wich ich von dem Ablauf des Rituals ab, den mir mein Vater beibrachte, und hielt mich im Großen und Ganzen an das, was Kalchas mich einst lehrte. Kalchas entstammte, wie ihr euch vielleicht erinnert, dem alten böotischen Adel, wurde dann zum Priester beim Grabmal des Helden Leitos ernannt und war gleichsam durchdrungen von der geheimen und oftmals blutigen Vergangenheit unseres böotischen Volkes. So brachte ich ein Trankopfer auf den Schatten des Kalchas aus und rief laut seinen Namen, und jene Nacht des Opfers war so erfüllt von heiliger Macht, dass ich wirklich glaubte, Kalchas an meiner

Während das rote Blut über den steinernen Altar floss, brachte ich erneut Trankopfer dar, für meinen Vater und all die Ahnen aus der Korvax-Sippe, die hier oben gebetet hatten und längst zu Staub zerfallen waren. Ich gedachte meiner Mutter und meiner ersten Frau, meines Onkels Simon, auch des Simonides, des Vaters meines Vaters. Dann ging ich die Reihe unserer Ahnen durch, von Simonides’ Vater Heraklides über dessen Vater Kineas und immer weiter zurück, wobei ich auch die Ehefrauen und Mütter mit einschloss, wie es Sitte ist bei der Korvax-Sippe.

Ich vergaß keinen Namen.

Bis ich bei unserem Ahnherrn Herakles angelangte.

Aber ich war noch nicht fertig, sondern fügte neue Namen hinzu: Briseis, Tochter des Hipponax, Hektor, Sohn des Anarchos und mein Ziehsohn, Hipponax, der Sohn von mir und Gaiana, beide Söhne von Briseis, auch Penelopes Sohn Antigonos, Sohn des Antigonos von Thespeia, der bei den Thermopylen fiel, an der Seite des Königs von Sparta.

Und dann, ohne es beabsichtigt zu haben, zählte ich andere Namen auf. Als Erster kam mir Paramanos in den Sinn, dann Harpagos und Agios, schließlich kam mir eine ganze Flut von Namen über die Lippen. Namen von Männern, die ich in den Tod geführt hatte. Ich konnte meinen Tränen keinen Einhalt mehr gebieten. Ich weinte, und meine Tränen tropften in die Flammen, aber die Stimme des Paian blieb trotzdem kräftig – weil Brasidas hinter mir stand und sang. Ja, so habe ich es in Erinnerung behalten. Die Nacht war voller Stimmen, voller kräftiger Stimmen von Männern und Frauen, die zu früh gestorben waren und ein hartes Leben geführt hatten.

Dann wusste ich, wofür ich betete, und es ging nicht mehr nur um meine Söhne oder die Mitglieder meiner Sippe.

Ich hob meine Arme dem Himmel entgegen, wie die alten Priester, wandte mich allen vier Himmelsrichtungen zu und bat die Götter, Griechenland zu retten. Und bei mir waren ein Spartaner, ein Mann aus dem fernen Albion und ein ägyptischer Junge, und alle erhoben ihre Stimme mit mir. Und all die Toten, die um den Gipfel des Kithairon schwirrten, trugen mit ihren schrillen Schattenstimmen ihren Teil zum Lobgesang bei.

Ich warf das tote Kaninchen ins Feuer und senkte das Haupt.

Als ich schließlich die Arme sinken ließ und den Kopf wieder anhob, blickte ich nach Norden, weit über die Ebenen von Böotien.

Die Dunkelheit hatte uns umschlossen.

In der Ferne brannten Feuer.

Solange ich lebe, werde ich vermutlich nie wieder so einen Ausblick genießen können, und oft habe ich mich gefragt, ob dieser Blick vom Kithairon ein Geschenk der Götter war. Denn ich konnte das Tal des Asopos erkennen. Ich konnte das Grüne Platäa sehen, halb verborgen am Fuße des Gebirgszugs, aber ich konnte auch sehen, wie sich der Asopos durchs Land schlängelte, auch die kleinen Nebenflüsse und Bachläufe, die die Ebene von Böotien bewässern. Und ich sah Feuer.

Zahllose Feuer.

Ich konnte das Lager der Perser sehen, auf der anderen Seite des Asopos, bei der Straße, die nach Theben führt. Aber ich konnte auch das griechische Lager sehen, in dem ebenfalls jede Menge Feuer brannten. Beide Heere waren riesig. Es war beinahe unglaublich, als ich mir vergegenwärtigte, aus welchen Ländern all diese Kämpfer stammten. Fast kam es einem so vor, als habe sich die Menschheit, von Äthiopien bis Indien, bei den sanften Hügeln des Grünen Platäa eingefunden. Man konnte die Lagerfeuer nicht zählen, sie waren dichter gesät als die Sterne am samtschwarzen Himmel und erstreckten sich bis weit in den Norden.

So standen wir eine Weile schweigend da. Es bedurfte keiner Worte, daher sagte auch keiner etwas, wir blickten nur hinaus in die Nacht, zu dem griechischen Lager und dem persischen Lager, vergegenwärtigten uns die jeweilige Position der Heere und die Ausmaße der Heerlager. Die Perser lagerten bei der Straße nach Theben, ihre Feuer zogen sich weit über die Ebene. Das Lager der Griechen war fast unter uns, im Schatten des Gebirges und zwischen all den Anhöhen und Hügelketten, wo die Straße von Athen über den Pass hinabführt in die Ebenen von Erythrai.

Aten rief vom Feuer, das Essen sei fertig.

Das brach den Zauber, und Brasidas und ich lachten leise.

Vielleicht war der Zauber aber nicht ganz verflogen, denn nachdem wir gegessen – ein Bratenschmaus – und weitere Trankopfer dargebracht hatten, hüllten wir uns gegen den Wind in unsere Mäntel und teilten uns den Behälter mit gutem Wein, den Aten den ganzen Weg bis zum Gipfel geschleppt hatte – er war wirklich ein feiner Junge. Wir ließen das irdene Gefäß herumgehen, als wäre es ein edler Kylix aus Gold. Und obwohl wir alle fromme Männer waren, machten wir uns über Leukas lustig, als er unabsichtlich zu viel Wein auf dem Boden verteilte.

Nach einer Weile war die Anspannung zu groß für weitere Neckereien, und so verfielen wir in Schweigen. Die Rituale hatten mich ermüdet. Ich starrte in die Flammen. Ich fühlte mich – gereinigt.

«All diese Namen», sagte Leukas. «Männer, die du erschlagen hast?»

Brasidas musterte ihn mit strengem Blick.

Leukas brachte das indes nicht aus der Ruhe. «Ich weiß, wer Paramanos war», sagte er. «Ein paar andere Namen kann ich auch zuordnen.»

Brasidas gab einen grunzenden Laut von sich. Vielleicht sollte

Es ist seltsam, wenn zwei Freunde gleichzeitig versuchen, dir zu helfen, nur aus unterschiedlichen Gründen. Brasidas glaubte, dass es besser für mich wäre, wenn Schweigen herrschte, Leukas hingegen schien der Ansicht zu sein, dass ich mir etwas von der Seele reden sollte. Das trifft die Charakterzüge beider Männer recht gut, denke ich.

«Das waren Männer, die ich in den Tod führte», sagte ich. «Meine Freunde, die gefallen sind.»

Leukas setzte ein schmales Lächeln auf. «Verflucht. Aber gut, das hier ist ein großartiger Ort, Arimnestos. Wenn ich einem Speer zum Opfer falle, wirst du dann auch meinen Namen vor den Göttern sagen, hier oben? Das gefällt mir. Ich stelle mir vor, dass sogar die Götter im fernen Albion dich hören können.»

Ich nickte. «Ich werde es tun.»

«Ich denke oft darüber nach», gab er zu. «Seit der Bauchverletzung bei Salamis. Ich denke über das Sterben und den Tod nach und wie es am Ende sein wird, wenn ich gehe. Ich habe noch nie richtig über diesen Mist gesprochen.»

Brasidas gab wieder diesen unwirschen Laut von sich, aber diesmal schien ihn irgendetwas zu amüsieren, würde ich sagen. Spartaner sind nicht nur Krieger, sondern auch Aristokraten, daher sind sie mit Philosophie in Berührung gekommen und denken über die Fragen des Lebens nach. Einige von ihnen jedenfalls. Brasidas gewiss.

Ich nahm einen langen Schluck aus dem Weinbehälter. Es mag eines der kleineren Wunder des Kithairon gewesen sein, aber der Behälter schien nicht leer zu werden in jener Nacht, unter dem Sternenhimmel, mit den Heerscharen der Perser zu unseren Füßen.

Ich stützte mich auf einem Ellbogen ab. «Brasidas», sagte ich.

«Ich denke, du solltest langsam vergessen, was gewesen ist», meinte ich. «Ich kann mir vorstellen …»

«Sprich bitte nicht weiter», sagte er.

«In Ordnung. Aber – du kennst meine Geschichte, als ich aus dem ionischen Krieg zurückkehrte?» Ich suchte seinen Blick, denn in meinem Alter wusste ich nicht immer so genau, welche Episoden ich vielleicht schon mehrmals zum Besten gegeben oder abgewandelt hatte – ja, manchmal dichte ich etwas hinzu oder lasse etwas aus!

Aber das wisst ihr ja längst.

Leukas nickte, was nur bedeuten konnte, dass er diese Geschichte einmal zu oft gehört hatte.

Aber Brasidas schüttelte den Kopf.

Ich deutete zum Fuß des Berges. «Ich kehrte zurück aus Sklaverei und Krieg und musste feststellen, dass mein Vetter den Hof meines Vaters übernommen hatte. Damit nicht genug, denn er hatte meine Mutter geheiratet und alles an sich gerissen, was mir gehörte. Dieser Simonalkes hatte einst meinen Vater getötet und mich in die Sklaverei verkauft.»

 

Diese Geschichte kennt ihr ja, nicht wahr, Thygater? Ich bin mir sicher, dass ich sie Brasidas ziemlich ausführlich erzählte. Denn es ist ja immerhin eine großartige Geschichte.

 

Ich begegnete seinem Blick im Schein des Feuers. «Und dann wandte ich mich an die Versammlung von Platäa, mit meinen Freunden, und verlangte, dieser Simonalkes müsse vor Gericht gestellt und verurteilt werden, wegen Mordes und Verrats.» Ich gab Aten zu verstehen, mir den Wein zu reichen. «Denn Heraklit lehrte mich, den eigenen Willen zurückzustellen, vor den Göttern und anderen Menschen, um überhaupt imstande zu sein, ein

Er nickte, mehr nicht.

Ich reichte ihm das Gefäß. «Ich will versuchen und Heraklit für dich sein. Manchmal verrät ein Mensch seine Stadt. Vielleicht öffnet er das Tor für den Feind oder nimmt eine Bestechungssumme an, sodass schlechte Arbeit geleistet wird, oder er weigert sich, seinen Anteil für den Bau einer Trireme beizusteuern.» Ich blickte mich in der kleinen Runde um. «Aber manchmal verrät eine Stadt auch einen Menschen, denke ich. Dafür gibt es keine Vergeltung. Würde es dir anstehen, Sparta zu Fall zu bringen? Würde dir irgendeine Frau, die ein Kind an der Brust säugt, für deine gerechte Tat danken?» Ich hob die Schultern. «Dir bleibt nichts anderes übrig, als zu gehen. Kannst du dir vorstellen, dass du Rache übst und genau diejenigen triffst, die dich einst verrieten?»

«Die meisten von denen sind schon tot», meinte Brasidas. Er stierte ins Feuer, dann sah er zuerst mich, dann Leukas an.

«Du bist, genau wie ich, weder ein Schatten in der Landschaft noch ein gewissenloser Schläger», sagte ich. «Rache ist für Schwächlinge, die nicht imstande sind, ein wahres Leben zu führen. Hilf mir, die Perser zu besiegen. Und dann leb dein Leben.»

Er sah mich an. «Rache ist für Schwächlinge? Welcher Philosoph sagt das?»

«Ich», erwiderte ich. «Vor Jahren, als ich ein gutes Leben lebte, in meinem eigenen Haus, als ich die Felder bestellte, jeden Tag arbeitete und mit der Frau schlief, die ich liebte, erkannte ich, dass die Gedanken an Rache allmählich von mir abfielen. Sie hatten keinen Wert mehr. Es gibt niemanden, den man damit hätte beeindrucken können. Was kümmert es meine Frau, wenn ich einem

Aten hustete. Leukas nickte nachdenklich.

Ich merkte, dass Brasidas’ Blick zu Leukas ging. «Es hört sich weise an», meinte er, «aber mir fällt auf, dass du den Weinbehälter schon eine Weile hast, Bruder.»

Leukas lächelte und reichte den Wein über das kleine Feuer.

Brasidas nahm ihn entgegen und brachte ein Trankopfer dar. «Auf Ares, auf den ich einst einen Eid ablegte.» Er sah uns der Reihe nach an. «Wenn wir die Meder besiegen, werde ich von diesem Eid entbunden sein. Und ich werde Penelope, die Witwe des Antigonos, der mit Leonidas fiel, fragen, ob sie meine Frau werden möchte. Und ich werde lernen, wie man Felder bestellt und erntet.»

Ich wollte ihn auf der Stelle umarmen, aber ich spürte, dass etwas in ihm arbeitete. Daher lächelte ich und nahm den Wein entgegen.