»Es geht los, Leute!«, rief Lasse Knutsson und unterstrich den Einsatzbefehl mit einer rotierenden Bewegung seines hochausgestreckten Arms, einer Geste, die er in einem FBI -Thriller gesehen hatte und die ihm sehr tatkräftig und professionell vorgekommen war. »Let’s go!«
Die rund siebzig Bereitschaftspolizisten, die auf dem südlich des Lodjurskogen gelegenen Parkplatz versammelt waren, bildeten am Waldrand eine etwa dreihundert Meter breite Kette und setzten sich in Bewegung. Das Zeltlager der Schüler lag etwa drei Kilometer Luftlinie in nördlicher Richtung von ihnen entfernt. Von dort aus würde ein Hundeführer versuchen, eine Spur aufzunehmen, während Knutsson um die hundert Polizisten auf drei verschiedene Ausgangspunkte verteilt hatte, die systematisch die Planquadrate im südlichen Teil des Waldes abgehen würden. Die These, die dieser Strategie zugrunde lag, war einfach. Im nordöstlichen Teil des Gebiets lag das Protestcamp, dementsprechend war es dort relativ belebt, weshalb Knutsson davon ausging, dass die Verschollenen in dieser Richtung viel eher auf Hilfe gestoßen wären. Ein Plan ohne Garantie, der Wald war groß und auch in den nördlichen Teilen unzugänglich, aber irgendwo mussten sie schließlich mit der Suche beginnen. Auch wenn der Anlass ernst war, auch wenn ihm vor Anstrengung bereits nach wenigen Hundert Metern der Schweiß auf der Stirn stand, genoss er den Einsatz. Was sie hier leisteten, war gute, alte Polizeiarbeit. Gab es etwas Ehrenvolleres, als Menschen in Not zu helfen? Er schaute nach links und rechts und musterte zufrieden die konzentrierten Gesichter der jungen Kollegen. Sorgfältig stocherten sie mit ihren Stangen den Waldboden ab, der sich mal unter hohem Farn, mal unter dichtem Unterholz verbarg. Knutsson war zuversichtlich gestimmt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die Verschollenen finden und sich die Ungereimtheiten der seltsam erscheinenden Geschichte aufklären würden. Taten sie das am Ende nicht immer? Außerdem freute er sich darüber, dass Stina Forss nach Växjö gekommen war. Sicher, der Anlass war ärgerlich, es war absurd, dass der Staatsanwalt den unglücklichen Sturz der Chefin als Mordversuch einstufte. Aber es war wunderbar, dass es in den kommenden Tagen sicherlich die ein oder andere Gelegenheit gäbe, mit seiner ehemaligen Kollegin über alte Zeiten zu plaudern. Auch wenn Forss immer dazu geneigt hatte, ihr eigenes Ding durchzuziehen, hatte er sehr gern mit ihr zusammengearbeitet. Obwohl sie oft aneckte, war sie eine ausgezeichnete Ermittlerin, oder vielleicht gerade deswegen. Forss war jemand, der dahin ging, wo es wehtat, sie scherte sich wenig um Grenzen, am wenigsten um ihre eigenen. Er kannte niemanden, der sich so wie sie für den Job aufopferte. Ein Cop zu sein war ihr Leben, und ihr Weggang hatte im Team eine Lücke hinterlassen, die erst vor einem Jahr durch den Zugang der talentierten, aber noch unerfahrenen Sara Hjalmarsson wieder halbwegs geschlossen worden war, auch wenn es natürlich Blödsinn war, die beiden Frauen miteinander zu vergleichen. Jedenfalls freute er sich auf die Geschichten, die Forss von ihrer Arbeit für die Mordkommission der Operativen Einheiten zu erzählen hatte. Ein lauter Ausruf riss ihn aus seinen Gedanken. Etwa fünfzig Meter zu seiner Linken war ein junger Polizist offenbar auf etwas gestoßen.
Knutssons Arm schnellte nach oben.
»Stopp! Alle bleiben stehen und halten die Position!«
Seine Stimme hallte zwischen den Bäumen wider.
Er eilte zu dem gestikulierenden Kollegen, dabei verfing sich sein Fuß zwischen den Ästen einer umgeknickten Tanne, und um ein Haar wäre er der Länge nach hingefallen. Gott sei Dank konnte er einen Sturz mit mehreren schnellen Ausfallschritten noch gerade so abfangen, was vermutlich komisch aussah, denn hinter ihm lachte jemand prustend auf. Er verzichtete darauf, sich umzudrehen und dem Missetäter drohende Blicke zuzuwerfen, denn nun gab es weiß Gott Wichtigeres zu tun. Schnaufend kam er bei der Fundstelle an. Der junge Polizist wies auf den Boden vor ihm. Nun sah Knutsson es auch. Unter mehreren Lagen vertrockneten Reisigs leuchtete etwas unnatürlich Buntes, Voluminöses auf. Knutsson bückte sich.
»Fass mal mit an«, befahl er.
Zu zweit griffen sie zwischen die Tannenäste und zerrten keuchend den schweren, widerspenstigen Gegenstand hervor.
»Mist«, fluchte Knutsson, als das Ding zum Vorschein gekommen war.
Sie hatten einen Zwanzig-Liter-Zementsack mit steinhart gewordenem Inhalt geborgen.
»Wie kommt der denn hierher?«, fragte der junge Kollege.
Knutsson richtete sich wieder auf, wischte sich mit dem Hemdärmel Schweiß aus dem Gesicht und zuckte statt einer Antwort mit den Achseln.
»Weiter geht’s«, rief er und schraubte wieder mit der Hand in der Luft herum. Dieses Mal fühlte sich die Geste schon nicht mehr ganz so souverän an.