23

Später, als ich zurückblickte, war das, was mir von diesem Tag in Erinnerung blieb, der Morgen, meine Angst, Rose könnte etwas von Jess und mir ahnen, meine Auseinandersetzung mit meinem Vater während des Mittagessens, die unaufhörlichen Gedanken an Jess Clark, die mich gleichzeitig betörten und ermüdeten, eine Art Arbeit für mich darstellten, mit deren Ausführung ich nicht aufhören konnte. Der Nachmittag ging mehr oder minder spurlos an mir vorüber. Es stimmte, dass Daddy, als wir bei den Bauleuten vorbeifuhren und ich sagte: »Willst du ein bisschen hier bleiben und zusehen, wie sie die Fundamente schütten?«, keine Antwort gab. Aber ich achtete gar nicht mehr darauf. Sein Schweigen war so häufig geworden, dass es längst nicht mehr beredt war. Als ich langsamer fuhr, um neben meinem Haus anzuhalten, winkte er mir weiterzufahren zu seinem Haus, und als ich dort einbog, stieg er wortlos aus. Ich konnte selbstverständlich aus seinem Betragen schließen, dass ihm etwas missfiel, aber was dieses Missfallen ausbrüten würde, wusste ich nicht und konnte ich nicht wissen.

Zu Hause herrschte eine Atmosphäre von Arbeitsfreude und Leistung. Der Harvestore-Mann aus Minnesota trank eine Tasse Kaffee mit uns und fuhr zurück nach Minnesota. Der Vorarbeiter aus Kansas übernachtete im Motel in Zebulon. Er sagte, dass seine Firma zwar grundsätzlich gegen gemeinsame Mahlzeiten mit Kunden war, weil dadurch die steuerbegünstigten Spesenrechnungen durcheinander gebracht würden, er aber gerne zu einer Ausnahme bereit sei und am nächsten Abend mit uns essen wolle, wenn es uns recht sei. Ich sagte ihm, wir würden ein paar unserer Schweinekoteletts grillen. Ich war mir bewusst, dass der Dienstag Daddys Abend war, aber vielleicht aß er ja gegrillte Schweinekoteletts, auch wenn ein Fremder zu Gast war. Oder vielleicht auch nicht. Es war ein Glücksspiel. Der Mann aus Kansas war ein netter, drahtiger Kerl, einen halben Kopf kleiner als Ty, und er war auf einer Weizenfarm in Colorado aufgewachsen. Er sah immer wieder aus dem Fenster über das Südfeld. Einmal sagte er: »Wenn diese Farm hier meinem Dad gehört hätte, war ich nie weggegangen. Das kommt mir hier wie im Paradies vor, wirklich.«

Ty sagte: »Wir versuchen, nicht zu vergessen, wie viel Glück wir haben.«

Wir begleiteten ihn zu seinem Wagen hinaus. Ein kühler Wind war aufgekommen, feucht und regengeladen. Der Mann aus Kansas sagte: »Glaubt ihr, wir kriegen das ab?«

Ty sagte: »Sieht so aus.« Dunkle Wolken türmten sich am westlichen Horizont auf; über ihren höckrigen Rändern schössen gleißende Strahlen platinhellen Sonnenlichts auf uns zu. »Wir hatten dieses Jahr schon ein paar Stürme, die sich sehen lassen konnten, aber meistens sind sie an uns hier vorbeigegangen. Ich schätze, jetzt sind wir mal dran.«

»Als ich Kind war, sind wir hinter den Tornados hergerannt.«

»Ich hab das einmal gemacht.«

Ich wandte den Kopf und starrte Ty an.

»Verdammt riskant, aber Farmkinder sind verrückt.«

Sie lachten. Der Mann aus Kansas stieg in seinen Pick-up und steuerte auf die asphaltierte Straße zu, wobei er im Wegfahren winkte. Ich sagte: »Ich schätze, es stört ihn nicht, dass es im Motel keinen Keller gibt.«

»Hat sich nicht so angehört.«

Der Wetterbericht sagte, der Sturm werde gegen Mitternacht Mason City erreichen. Wir standen bereits unter Tornadowarnung. Ich brachte einen Hühnereintopf auf den Tisch, den ich am Morgen gemacht hatte, und erzählte Ty ein bisschen davon, wie es mit Daddy gewesen war, was er über Skylab gesagt hatte, aber den Streit sparte ich behutsam aus, weil ich wusste, er würde das nicht gut finden. Er erzählte mir vom Fortschritt der Bauarbeiten. Ich achtete auf irgendwelche Neuigkeiten über Jess Clark, aber er erwähnte nichts. Es sah ganz nach einem ruhigen Abend aus. Es mag sein, dass ich um eben diese Zeit, während unserer Nach-dem-Essen-Unterhaltung beim Abwaschen, einen Truck an der Ecke anhalten, wenden und Richtung Cabot davonfahren hörte. Es mag sein, dass ich das hörte, aber vielleicht hat es sich auch in meine Erinnerungen geschoben.

Auf jeden Fall rief Rose gegen neun an und sagte, Petes Truck stehe nicht mehr da, und sie glaubten, Daddy könne ihn genommen haben, weil er noch vom letzten Winter, als sein Truck in der Werkstatt gewesen war, einen Schlüssel hatte. Fünf Minuten später schneiten sie zur Vordertür herein, Linda und Pammy im Schlepptau. Pete war völlig außer sich, und auch Rose war wütend, obwohl sie versuchte, Pete zu beruhigen. Sie sagte die ganze Zeit: »Ich kann’s einfach nicht glauben«, und Pete sagte immer wieder: »Wenn er den Truck zu Schrott fährt, bring ich ihn um. Wir sollten die Polizei auf ihn hetzen, sonst lernt er’s nie.«

Rose lief auf und ab. »Wenn sie ihn ein oder zwei Nächte ins Gefängnis gesteckt hätten, letzte Woche, hätte ihn das vielleicht zur Vernunft gebracht. Jetzt glaubt er einfach, er kommt mit allem durch.«

Ty sagte: »Soll ich nicht mal nach Cabot fahren und gucken, ob er da ist? Vielleicht sitzt er im ›Cool Spot‹.«

Rose sagte: »Wahrscheinlich fährt er wieder wild durch die Gegend.«

Nachdem sie fort waren, sagte Linda zu mir: »Hat Grandpa den Truck geklaut?«

»Nicht direkt.«

»Dad hat gesagt, ja.«

»Dein Dad ist ziemlich wütend. Aber uns gehören die Tracks und alles gemeinsam. Man kann nichts klauen, was einem gehört.«

»Mommy hat gesagt, sie wollte, dass wir herkommen, weil sie nicht will, dass wir allein im Haus sind, wenn Grandpa zurückkommt.«

»Deine Mom ist auch ganz schön wütend.«

Rose öffnete die Fliegengittertür und kam herein. Sie sagte: »Kann gut sein, dass wir ’nen ordentlichen Sturm bekommen. Hab ich vorher gar nicht gemerkt.« Sie hatte die Arme über der Brust verschränkt. Sie sah Linda und mich von oben bis unten an. Pammy war in die Küche gegangen, und während dieser kurzen Stille hörte ich, wie die Tür des Kühlschranks zufiel. Rose sagte: »Ja, ich bin ganz schön wütend, aber so, wie du es sagst, klingt es, als war ich einfach nur wütend, als war ich verrückt oder so. Ich bin wütend auf deinen Grandpa, Linda, wegen einiger Dinge, die er getan hat, nicht weil ich Lust hab, wütend zu sein.«

Ich sagte: »Das ist mir klar, Rose. Aber wir wissen noch nichts. Vielleicht gibt es einen Grund. Sobald er irgendwas tut, wirfst du zuerst mit Beschimpfungen um dich, die Fragen stellst du dann später.«

»Wir waren doch da! Wir hätten ihn gefahren, wenn er irgendwo hinwollte. Er hat den Track ohne zu fragen genommen. Er hat sich bei uns eingeschlichen.« Sie sagte das zu Linda, eine Mahnung, eine moralische Lektion.

»Rose, er glaubt, er hat das Recht, alles tun zu können. Er glaubt, im Grunde genommen gehört alles ihm.«

»Ja, das glaubt er.« Sie sagte das in einem selbstgerechten Ton, als sei nur zu offensichtlich, wie Unrecht er damit hatte.

Pammy kam ins Zimmer, und ich sagte zu den beiden Mädchen: »Vielleicht gibt’s was im Fernsehen. Es könnte ’ne lange Nacht werden, mit dem Sturm und allem. Wir sollten sowieso den Fernseher anhaben.« Sie gingen gehorsam zum Sofa und sahen sich das Einzige, was wir kriegen konnten, an, eine Aufführung des New York City Ballets auf PBS.[4]

Während der Nachrichten schliefen sie ein, Pammy ratschte zurück gegen die Sofalehne, ihr Kopf war vornüber gefallen, ihre Haare hingen ihr ins Gesicht. Linda lag gegen Pammy gelehnt, atmete schwer, ihr Mund stand offen. Ich legte mein Strickzeug weg und sah sie gedankenverloren an, dachte, dass sie oft verwirrt schienen, und fragte mich, ob das immer so gewesen war und ich, selber verwirrt, das als Normalzustand angesehen hatte. Rose sagte: »Komm, wir tragen sie jetzt erst mal rauf ins Bett. Wenn es ’ne Sturmwarnung gibt, können wir sie wecken und in den Keller bringen, aber es scheint mir eher nach ’nem kräftigen Schauer auszusehen.« Als wir wieder unten waren, stellte Rose sich an die Tür, beobachtete den sich zusammenballenden Sturm und wartete auf den Truck.

Ein Paar Scheinwerfer bog von der Straße ab, der Lichtschein lief über die Rückwand des Zimmers, erlosch. Rose blieb, wo sie war, und sagte nichts. Ich saß still. Nach einem langen, ruhigen Augenblick, unterbrochen von dem Peng Peng der beiden zufallenden Trucktüren, hörte ich Tys Stimme leise und ruhig sagen: »Ginny, komm bitte mal raus.«

Jetzt kam es.

Rose stieß die Fliegengittertür auf, und ich folgte ihr. Unser Vater stand vor dem Truck. Ty war hinter ihm. Er sagte: »Larry will was sagen. Ich hab ihm gesagt, er soll’s euch selber sagen.«

Daddy sagte: »Stimmt.«

Rose nahm meine Hand und drückte sie, wie sie es oft getan hatte, als wir Kinder waren und in Schwierigkeiten, unsere Strafe erwartend.

Daddy sagte gereizt: »So ist es richtig. Händchen halten.«

Ich sagte: »Warum nicht? Wir haben nie was anderes gehabt als uns selber. Außerdem, warum sind wir in Schwierigkeiten? Warum willst du uns was sagen? Wir haben nichts Schlimmes gemacht, außer dass wir unser Bestes getan haben, mit dir auszukommen.«

Rose sagte: »Es wird Sturm geben. Warum lässt du dich nicht von mir nach Hause bringen, und wir reden morgen über alles?«

»Der Sturm ist mir egal. Ich will nicht nach Hause. Ihr Mädchen sperrt mich da ein.«

Ich sagte: »Wir sperren dich da nicht ein, Daddy. Es ist ein schönes Haus, und du wohnst da. Du hast da dein ganzes Leben gewohnt.«

»Lass mich dich nach Hause bringen.« Rose klang bettelnd.

Ich beschwor ihn: »Es war ein langer Tag. Fahr mit ihr, und morgen können wir dann …«

»Nein! Lieber bleib ich draußen in dem Sturm. Wenn du glaubst, ich hätte das noch nie getan, mein Kind, dann täuschst du dich.« Eine Welle der Erbitterung spülte über mich hinweg. Ich sagte: »Okay. Tu, was du willst. Du machst es ja sowieso.«

»Ganz das gemeine Luder, das du bist!«

Rose sagte: »Daddy!«

Er neigte sein Gesicht näher zu meinem. »Du brauchst mich nicht mehr rumfahren oder das verdammte Frühstück machen oder das verdammte Haus putzen.« Seine Stimme ging in Geschrei über. »Oder mir sagen, was ich tun darf und was ich nicht tun darf. Du unfruchtbare Hure! Ich kenn dich, du Schlampe. Du bist dein Leben lang hier und da rumgeschlichen und hast dich bei allen eingeschmeichelt. Aber du bist gar keine richtige Frau, oder? Ich weiß nicht, was du bist, einfach ein Luder, das ist alles, einfach ein ausgetrocknetes Hurenmiststück.« Ich gebe zu, ich war wie versteinert; ja, dachte ich, das ist es also, was er all die Jahre gedacht hat, was er immer hat sagen wollen. In dem Augenblick war der Schock wie ein klares Fenster, das uns trennte. Der Speichel stand ihm in den Mundwinkeln, falls etwas zu mir herüberflog, so spürte ich es nicht. Auch trat ich keinen Schritt zurück. Über Daddys Schulter sah ich Ty, ebenfalls wie versteinert, reglos, Hände in den Taschen. Dann bog Pete um die Ecke und fuhr in seinem Pick-up vor.

Rose sagte: »Das ist nicht mehr lächerlich. Daddy, du kannst das nicht im Ernst meinen. Das ist seniles Geschwätz oder Alzheimer oder sonst was. Komm, Pete und ich bringen dich nach Hause. Du kannst dich morgen bei Ginny entschuldigen.« Pete stellte die Scheinwerfer aus und stieg aus dem Pick-up. Seine Stimme klang tonlos und weit weg: »Was ist los?«

»Stell mich nicht als verrückt hin! Ich kenn euer Spiel! Der nächste Schritt in diesem Spiel ist dann das Heim.«

»Ich stell dich nicht als verrückt hin, Daddy. Ich will, dass du in dein Haus gehst und dass alles so wird, wie es war. Du musst mit dem Trinken aufhören und mehr auf der Farm arbeiten. Ginny findet das, und ich finde das noch mehr als sie. Ich bin nicht bereit, so viel hinzunehmen wie sie. Wir geben uns mit dir die allergrößte Mühe und sind unser Leben lang bei dir geblieben. Du kannst uns nicht einfach so überfahren. Du magst zwar unser Vater sein, aber das gibt dir nicht das Recht, alles, was du willst, zu Ginny oder mir zu sagen.«

»Ihr Mädchen seid es, ihr macht mich verrückt! Ich hab euch alles gegeben, und nichts bekomm ich dafür, bloß Befehle, ich soll dies tun und das sein und die Dinge mit euren Augen sehen.«

Rose stand da wie ein Zaunpfahl, gerade, unbeweglich, die Arme über der Brust verschränkt. »Wir haben dich nicht um das gebeten, was du uns gegeben hast. Wir haben dich nie um das gebeten, was du uns gegeben hast, aber vielleicht war es höchste Zeit, dass wir für das, was wir dir gegeben haben, eine Belohnung bekamen! Du sagst, du kennst Ginny, tja, Daddy, ich kenn dich, und du weißt, was ich weiß. Das hier ist es, was wir dir zu bieten haben, genau dieses Leben, nicht mehr und nicht weniger. Wenn du’s nicht willst, geh woandershin. Such dir jemand anders, der dich aufnimmt, ich hab es nämlich satt.« Ihre Stimme war leise, aber durchdringend, so tödlich ernst wie Dolche.

Jetzt sah er mich wieder an. »Hörst du sie? Sie redet mit mir noch schlimmer als du.« Jetzt klang er beinah versöhnlich, als könne er uns trennen und einzeln überwinden. Ich trat einen Schritt zurück. Mit einem Mal erinnerte ich mich ganz deutlich an eine Zeit, als Rose und ich neun und elf waren und wir ihn nach einer Halloweenparty in der Schule hatten warten lassen, zu der er uns von Anfang an nicht hatte gehen lassen wollen. Ich hatte in der Garderobe einen Schuh verloren, und Rose und ich suchten wie verrückt danach, während die anderen Kinder ihre Mäntel anzogen und gingen. Wir fanden ihn nicht, und wir kamen als die Allerletzten aus der Schule, fünf oder zehn Minuten später als die anderen. Daddy wartete im Pick-up. Rose in ihrem Prinzessinnenkostüm stieg als Erste ein, und ich stieg nach ihr ein, meinen Fuß mit dem Strumpf vorsichtig verbergend. Ich war als Landstreicher verkleidet. Daddy kochte, und wir wussten, wir würden zu Hause eine Tracht bekommen, weil wir zu spät herausgekommen waren. Was passieren würde, wenn er das mit dem Schuh merkte, war nicht abzusehen.

Mommy war diejenige, die mich verriet. Als ich zur Tür hereinkam, sagte sie: »Ginny! Wo ist dein Schuh?«, und Daddy drehte sich um und sah meinen Fuß, und es war, als verwandelte er sich auf der Stelle in Feuer. Er kam auf mich zu und fing an, mich mit der flachen Hand zu schlagen, auf den Hintern und die Oberschenkel. Ich wich zurück, bis ich zwischen Herd und Fenster war, und ich konnte Mommy rufen hören: »Larry! Larry! Das ist verrückt!« Er wandte sich ihr zu und sagte: »Bist du auf ihrer Seite?«

Mommy sagte: »Nein, aber …«

»Dann sag ihr, sie soll dahinten rauskommen. Hier gibt’s nur eine Seite, und es ist besser für dich, du bist auf der.«

Schweigen. Rose war nirgendwo zu sehen. Von oben konnte ich Caroline hören, die zu weinen anfing und dann still war. Mommy drehte den Kopf nach dem Geräusch, dann wieder zu uns. Er sagte: »Sag’s ihr.«

Sie sagte: »Virginia, komm dahinten raus. Raus in die Mitte des Zimmers. Er hat Recht. Du hättest deinen Schuh nicht verlieren dürfen.«

Ich tat, was sie sagte, fünf Schritte. Ich hielt meinen Blick gesenkt, auf die Fransen meiner Landstreicherhose, die wir früher am Tag hineingeschnitten hatten. Meine Hände waren mit dem Make-up verschmiert, das ich mir vom Gesicht gerieben hatte; deshalb sahen sie ungewohnt rot und schwarz aus. Als ich in die Mitte des Zimmers gelangt war, griff er meinen Arm und zog mich zur Tür hinüber, lehnte mich gegen den Türrahmen und schlug mich mit seinem Gürtel, bis ich zu Boden fiel. Das war es, was eine vereinte Front für ihn bedeutete.

Ich sagte: »Daddy, wenn du meinst, das hier ist schlecht, dann wirst du erstaunt sein, was du tatsächlich verdienst. Du verdienst noch nicht mal, dass wir uns dermaßen um dich kümmern. Was mich betrifft, stehst du von jetzt an alleine da.«

Rose warf mir einen Blick zu, Verwirrung gemischt mit Zufriedenheit. Sie sagte: »Dein Haus ist da unten die Straße runter. Du weißt, wo es ist, und du kannst da hingehen. Ich geh rein, aus dem Sturm raus.«

Daddy sagte: »Wie könnt ihr euren Vater so behandeln? Ich hab dir noch geschmeichelt, als ich dich ein Luder genannt hab! Was wollt ihr aus mir machen? Ich werd diese Bauerei beenden! Ich werd mir das Land zurückholen! Ich werd euch Huren von der Farm werfen. Ihr werdet sehen, was dabei rauskommt, wenn ihr euren Vater so behandelt. Ich verfluche euch! Du wirst nie Kinder haben, Ginny, du hast keine Chance. Und deine Kinder werden lachen, wenn du stirbst!«

Rose zog mich ins Haus und schlug die Tür hinter uns zu. Ty und Pete ließen wir draußen stehen. Durch das Fenster sah ich, wie sie Daddy zum Truck drängten, aber er schlug nach ihnen und landete einen Treffer auf Petes Wange. Pete hob die Hände, drehte sich dann um und kam ins Haus und stieß hervor: »Was für ein Arschloch! Jetzt reicht’s. Jetzt reicht’s wirklich!« Daddy stolperte die Straße hinunter. Ty ging langsam ein kleines Stück hinter ihm. Mittlerweile blitzte es, und schwere Donnerschläge folgten. Rose stellte den Fernseher an, als interessierte es sie mehr, wie es mit dem Unwetter weiterging, als mit uns, was wir tun sollten oder denken, oder wie wir uns hiernach verhalten sollten, aber ihre Hand zitterte so sehr, dass sie den Knopf kaum drehen konnte. Ich wandte mich zum Fenster. Gerade als ich dachte, dass Ty ganz schön weit ging, brach eine Sturzflut vom Himmel, keine Tropfen oder Schauer, sondern eine Lawine an Regen, die Ty und meinen Vater völlig verdeckte, selbst die beiden Trucks unsichtbar machte, die nicht einmal drei Meter vom Fenster entfernt standen.

Die Elektrizität fiel aus.

Von oben riefen zwei dünne Stimmchen: »Mommy! Mommy! Komm zu uns!«

Pete sagte: »Scheiße!«

Rose sagte: »Ich hoffe, das bringt ihn um.« Im Licht der Blitze konnte ich sehen, dass sie sich um die Möbel herum zur Treppe tastete.

Von oben kamen zwei schrille Schreie.

Rose rief mit strenger Stimme: »Komme! Kein Geschrei mehr!«

Pete sagte: »Habt ihr Petroleumlampen? Das kann die ganze Nacht dauern.«

Ty stolperte durch die Tür, seine Stiefel quatschten, er war bis auf die Haut nass, Regen floss ihm Gesicht und Kinn hinunter. Er sagte: »Ich hab ihn verloren. Ich hab ihn aus den Augen verloren, ’n Wunder, dass ich’s überhaupt bis hierher geschafft hab.«