Kapitel 17

 

CAPTAINS LOGBUCH: STERNZEIT 6118.9

 

Bisher sind unsere Bemühungen, die beschädigte Sperling zu finden, ohne Erfolg geblieben. Mr. Sulu meldet, dass einige lokal begrenzte und recht ungewöhnliche Ionen-Emissionen die Suche behindern. Die Klingonen werden immer aggressiver, und wie ich von Starfleet hörte, droht ein interplanetarer Krieg zwischen Boaco Sechs und Boaco Acht. Geheimdienstliche Ermittlungen deuten darauf hin, dass Boaco Sechs immer mehr Waffen von den Klingonen und Romulanern erhält. Falls es tatsächlich zu einer direkten Konfrontation kommt, bleibt der Föderation keine Wahl: Dann muss sie die andere Seite unterstützen.

Die Zeit wird knapp. Starfleet hat Flint um Hilfe gebeten, jenen Mann, der die neuartige Tarnvorrichtung entwickelte. Jetzt soll er eine Möglichkeit finden, den von ihm selbst geschaffenen Ortungsschutz zu durchdringen. Mr. Flint alias Methusalem: ein jahrtausendealtes Genie, das die wichtigsten Epochen der menschlichen Geschichte erlebt hat und dem wir viel verdanken. Es erscheint angebracht, die Hilfe einer solchen Person in Anspruch zu nehmen …

Und doch verspüre ich in diesem Zusammenhang zunehmende Unruhe. Irgend etwas belastet mich, ein unbekannter Faktor. Inzwischen habe ich mich mit Miris Tod und den schrecklichen Ereignissen auf Juram Fünf abgefunden. Außerdem sorgte der Bordarzt mit einigen Injektionen dafür, dass ich endlich Ruhe finden konnte. Warum weicht das Unbehagen nicht aus mir?

 

Kirk fragte sich, wann er endlich zu seiner alten Ausgeglichenheit zurückfinden konnte. Er fühlte eine sonderbare Nervosität, seit er erfahren hatte, dass Starfleet Command versuchen wollte, Flints Unterstützung zu gewinnen. Stimmen flüsterten in seinen Träumen, begleitet von vagen Schatten und Schemen, suchten ihn sogar heim, während er auf der Brücke im Kommandosessel saß. Eigentümliche Visionen entfalteten sich, wenn er schlief, und manchmal erwachte er schweißgebadet. Gelegentlich versuchte er, die seltsamen Bilder festzuhalten, doch sie glitten fort, ohne ihm einen Anhaltspunkt zu geben, ohne ihre Bedeutung zu offenbaren. Sie kehrten erst zurück, wenn er die Augen schloss und wieder einschlief.

Seltsamerweise fiel es Kirk schwer, sich an die frühere Begegnung mit Flint zu erinnern. Während seiner Reisen durchs All war er vielen Personen begegnet, und sie alle fanden einen festen Platz in seinem Gedächtnis, zusammen mit den Einzelheiten vieler bemerkenswerter Ereignisse. Doch in Hinsicht auf Flint blieben die Reminiszenzen undeutlich. Zweifellos handelte es sich um einen überaus beeindruckenden Mann, der wichtige Beiträge für die menschliche Kultur geliefert hatte. Woraus sich die Frage ergibt: Warum bereitet es mir solche Mühe, mich an ihn zu entsinnen? Kirk konnte sich das Gesicht vorstellen, aber alles andere verbarg sich hinter einem undurchdringlichen Schleier. Nicht einmal Details eines Gesprächs mit Flint fielen ihm ein. Dafür fühlte er Zorn, Verbitterung und auch Scham, wenn er an ihn dachte … Worauf gingen diese Empfindungen zurück? Jim konnte sie nicht erklären, und seine Verwirrung nahm immer mehr zu. Die Antwort auf alle Fragen schien ständig in greifbarer Nähe zu sein, doch wenn er die mentale Hand danach ausstreckte, wich sie fort.

 

In der Krankenstation ging ein ruhiger Tag zu Ende. Bei einigen Besatzungsmitgliedern waren Routineuntersuchungen durchgeführt worden, und eine junge Frau lag auf Wärmepolstern – sie hatte es mit den Übungen in der Sporthalle übertrieben und sich eine Muskelzerrung in der Schulter zugezogen. Leonard McCoy ließ sich von Schwester Chapel vertreten und verbrachte den größten Teil des Tages damit, sich mit Hilfe von Datenmodulen über die Situation der Kleinlinge und das Institut auf Juram Fünf zu informieren. Anschließend befasste er sich mit Flints Leistungen, seit ihn die Besatzungsmitglieder der Enterprise entdeckt und identifiziert hatten. Die Liste war beeindruckend: wichtige Werke in den Bereichen Kunst und Musik, Medizin und Physik.

Während McCoy las, erwachte ab und zu eine Besorgnis in ihm, die sich auf den Captain bezog. Warum Flint? Es gibt zahllose begabte Erfinder in der Galaxis … Warum musste ausgerechnet er die neue Tarnvorrichtung entwickeln?

Der Arzt zog die letzte Datenscheibe aus dem Lesegerät des Computers und legte sie auf den Schreibtisch.

»Christine«, sagte er, als er zur Tür der Krankenstation schlenderte, »ich gehe, um einen Happen zu essen. Kümmern Sie sich hier um alles, in Ordnung?«

»Natürlich, Doktor«, bestätigte die Krankenschwester.

Einige Minuten später betrat McCoy die zentrale Messe auf Deck fünf, und ein wildes Durcheinander aus Aromen wehte ihm entgegen. Die Erklärung für das Chaos aus Gerüchen: An Bord der Enterprise waren die Lebensmittelsynthetisierer mit zweihunderttausend verschiedenen Rezepten programmiert. Nun, McCoy brauchte nicht lange zu überlegen, um sich für eine Spezialität zu entscheiden.

Das gebratene Hähnchen auf dem Teller schien noch immer zu brutzeln, als er sich an einen leeren Tisch setzte. Einige Meter entfernt erklärte Steuermann Sulu mehreren interessierten Freunden, worauf es beim Fechten ankam, doch derzeit stand Leonard nicht der Sinn nach Gesellschaft. Miris Tod, die alles andere als rücksichtsvolle Behandlung der Kleinlinge im Institut und das boacanische Problem … Meine Güte, Jim hat bereits genug am Hals. Warum muss er jetzt auch noch an Rayna erinnert werden?

Eine wunderschöne und überaus intelligente Roboter-Frau, von Flint erschaffen … Sie verliebte sich damals in den Captain, und er in sie. Die Entdeckung ihrer artifiziellen Natur verringerte Kirks Liebe nicht: Er erklärte, sie sei menschlich geworden. Kirk und Flint hatten einen erbarmungslosen Kampf um Rayna geführt. Als sie zwischen den beiden Männern wählen musste, als sie begriff, ihnen beiden erheblichen seelischen Schmerz zu bereiten … Sie konnte der enormen Belastung nicht lange standhalten und starb, fiel einem Kurzschluss zum Opfer. Der uralte Flint und ein junger Kirk waren entsetzt, und Raynas ›Tod‹ brach ihnen das Herz. Es handelte sich um ein schreckliches Erlebnis, das besser halb vergessen blieb.

McCoy schnitt eine Grimasse, als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen. Damals hatte er am Kummer des Captains solchen Anteil genommen, dass er Spock anfuhr. Der Vulkanier erschien ihm zu distanziert, zu kühl und gelassen, Leonard sagte dem Ersten Offizier, er täte ihm noch mehr leid als Jim – weil Spock nie verstehen würde, wozu die Liebe einen Mann veranlassen konnte. Sie ermöglichte ihm ruhmreiche Siege, bedrohte ihn mit verheerenden Niederlagen. Kirk schlief am Tisch, als sich McCoy von dem sehr nachdenklichen Vulkanier abwandte und ging. Anschließend sprachen sie nie wieder darüber.

Keine GefühleNun, auf Dauer macht es die Dinge einfacher, nehme ich an. Spock schien zu glauben, etwas hinzuzugewinnen, indem er die menschliche Hälfte seines Selbst unterdrückte.

McCoy schnitt ein Stück vom Brathähnchen ab und biss ohne große Begeisterung hinein. Der Geschmack belebte ihn ein wenig. Hoffentlich gelang es bald, die Sache mit der Tarnvorrichtung in Ordnung zu bringen, damit er nach Boaco Sechs zurückkehren und dort die Nachforschungen fortsetzen konnte. Die jungen Minister und engagierten Ärzte … Leonard fand jenen Planeten sehr stimulierend und erfrischend. Vielleicht gelang es dem Captain dort, sich psychisch zu erholen, wieder ganz zu sich selbst zu finden.

Spock stand auf der anderen Seite des großen Raums und beobachtete den Arzt. McCoy sah ihn nicht, als er zum Synthetisierer ging und dort einige Sekunden lang verharrte. Schließlich näherte er sich lautlos, und der unerwartete Klang seiner Stimme ließ Leonard zusammenzucken.

»Wenn Sie erlauben, Doktor … Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen.« Spock nahm Platz und stellte sein Tablett auf den Tisch. McCoy betrachtete die vom Ersten Offizier getroffene Auswahl: vulkanischer Torbak-Salat, ein großes Glas Wasser, außerdem eine Schüssel mit terranischen Brokkoli und Erbsen. Eine asketische Mahlzeit, Mönchen angemessen.

Zum Teufel mit dem spitzohrigen Vulkanier! Leonard hatte sich den ganzen Tag über auf ein leckeres Brathähnchen gefreut, doch der Vegetarier Spock sorgte allein mit seiner Präsenz dafür, dass sich in Hinsicht auf den Verzehr von Fleisch gemischte Gefühle in ihm regten. Er nahm einen weiteren Bissen – ein Teil des guten Geschmacks schien sich einfach verflüchtigt zu haben.

Spock bemerkte das Unbehagen des Arztes. »Lassen Sie sich von meinen Ernährungsgewohnheiten nicht stören, Doktor. Schon seit einer ganzen Weile wundere ich mich nicht mehr darüber, dass ein Heiler Gefallen daran findet, Tiere zu verspeisen. Fahren Sie ruhig damit fort, Ihre Mahlzeit zu genießen.«

»Herzlichen Dank«, brummte McCoy. Er legte die Gabel beiseite und sah Spock an. »Worüber möchten Sie mit mir reden?«

Spock sprach leise und mit großem Ernst. »Wir erreichen bald Flints Planeten, und Sie sind die einzige andere Person, die weiß, was dort bei unserem ersten Besuch geschehen ist, was wir dort erlebten … Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass sich der Captain nicht mehr an die damaligen Ereignisse erinnert.«

McCoy zeigte genau jene heftige emotionale Reaktion, die Spock befürchtet hatte.

»Jim erinnert sich nicht mehr daran? Das ist doch absurd. Sicher, er hörte ganz plötzlich auf, von Flint und Rayna zu sprechen, und es freute mich, dass er so schnell damit fertig wurde … Worauf wollen Sie hinaus, Spock?«

Der Erste Offizier offenbarte ein für Vulkanier eher untypisches Verhalten, indem er ziellos im Salat herumstocherte. Für McCoy sah das Grünzeug einfach grässlich aus.

»Ich habe das Mittel der vulkanischen Mentalverschmelzung genutzt, um den Captain vergessen zu lassen«, sagte Spock schließlich. »Es war notwendig, dass er die negativen Folgen jener Erfahrung so schnell wie möglich überwand, um wieder die Pflichten des Kommandanten wahrzunehmen.«

McCoy fühlte sich gerührt. Er wusste, dass die Mentalverschmelzung ein hohes Maß an psychischer Intimität verlangte und daher die individuelle Privatsphäre auf ein Minimum reduzierte – was Vulkaniern ganz und gar nicht gefiel. »Ich schätze, an jenem Abend war ich ein wenig grob zu Ihnen, Spock. Dabei kam es meinerseits zu Äußerungen, die ich schon kurze Zeit später bereute.« Er zögerte kurz. »Warum haben Sie Jim auf diese Weise geholfen?«

Der Vulkanier schwieg.

»Nun«, murmelte Leonard, »da er keine Ahnung hat … Von mir erfährt er nichts. Allerdings könnten die Dinge ziemlich kompliziert werden, wenn Flint an Bord kommt. Vielleicht möchte er den damaligen Zwischenfall noch einmal erörtern.«

Spock nickte. »An diese Möglichkeit habe ich ebenfalls gedacht. Es erscheint mir jedoch wahrscheinlicher, dass Mr. Flint kein Interesse daran hat, über die Vergangenheit zu diskutieren. Vermutlich konzentriert er sich ganz darauf, eine Möglichkeit zu finden, um die Wirkung der neuen Tarnvorrichtung zu neutralisieren. Ich schlage vor, wir warten zunächst ab. Ich persönlich halte es für besser, alles ruhen zu lassen.«

 

Flint lag vor dem Kamin, in dem rosarote Flammen duftendes Holz verzehrten. Er grub die Finger tief in die Wolle eines erlesenen, exotischen Läufers, und die Hand folgte dem Muster einer Rebe, die sich um eine andere schlang. Die buschigen Brauen sowie das ernste, traurige Gesicht wirkten wie erstarrt.

Flint, jener Mann, der Methusalem und Salomo gewesen war, Alexander und Merlin, Brahms und Leonardo … Ein Flint, der sich mit keinem Projekt ablenkte – er spürte nun, wie sein alter Leib noch älter wurde. Es fühlte sich seltsam an.

Natürlich war er schon einmal gealtert, bis zu einer gewissen Reifephase. Das Licht der Welt hatte er dreitausend Jahre vor Beginn der Zeitrechnung erblickt, und zwar in Mesopotamien. Damals hieß er Akarin und lebte als Söldner, Narr und Trunkenbold. Als Akarin wurde er vom Kind zum Jugendlichen und Erwachsenen – bis sich ihm auf dem Schlachtfeld ein Speer ins Herz bohrte. Der Umstand, dass er nicht starb, wies ihn auf die seltsame Gabe der raschen Geweberegeneration hin. Sie kam der Unsterblichkeit gleich. Immer langsamer alterte er, bis er die besten Mannesjahre erreichte. Dort stabilisierte sich sein Zustand, was für ihn nicht ohne Probleme blieb. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen musste er sich einen neuen Wohnort suchen und seine wahre Natur verbergen, indem er sich eine andere Identität zulegte. Im Lauf der Jahrhunderte wurde er immer reicher – seinen eigenen privaten Planeten hatte Flint mit einem nur geringen Teil jenes Vermögens gekauft –, und hinzu kam eine ungeheure Informationsmenge. Doch Weisheit und Reichtum befreiten ihn nicht von einer Bürde der Immortalität: Ab und zu litt er an einer Langeweile, die ihn geradezu lähmte, die alles wert- und sinnlos erscheinen ließ.

Hundert verschiedene Berufe. Sprachen … Manchmal lernte er nur aus Spaß neue. Viele Jahre lang reiste er und gab sich Ausschweifungen hin, um sich anschließend über Jahrhunderte hinweg nach Sicherheit zu sehnen, nach einer Liebe, die ihn auf Dauer begleitete. Mehrere Frauen traten in sein Leben, begleiteten ihn eine Zeitlang auf dem Weg in die Zukunft, nur um, Blumen gleich, zu verwelken und schließlich in den Staub zurückzukehren, aus dem sie kamen. Dutzende von Monaten brauchte er, um den Schmerz mit Alkohol und Zynismus aus sich zu verbannen, und immer schwor er sich, nie wieder Bindungen einzugehen, die solches Leid brachten. Doch früher oder später begegnete er erneut einer Schönheit, die Leidenschaft weckte, in ihm das herrliche Feuer der Liebe entzündete. Dann vergaß er seine Vorsätze – bis auch die neue Blume ihre Blütenblätter verlor und starb.

Zweimal versuchte Flint, seinen Frauen in den Tod zu folgen. Im Jahre 712 trachtete er danach, sich in Cadiz zu erhängen, doch eine dumme Hauswirtin schnitt den Strick durch. Man legte den Bewusstlosen auf ein Bett, und schon bald atmete er wieder. Abgestorbenes Gewebe wich lebendigem.

1419 verlor er Chloe in einem französischen Dorf. Zu jener Zeit spielte er die Rolle eines reichen Barons, und in seinem palastartigen Haus gab es viele Bedienstete. Nach Chloes Bestattung schloss er sich im Salon ein und dachte an das honigblonde Haar der toten Geliebten, hörte noch einmal den melodischen Klang ihrer Stimme. Er nahm ein Messer von der Wand, rammte es sich in die Brust, drehte es in der klaffenden Wunde hin und her. Innerhalb weniger Sekunden umgab ihn die Finsternis der Bewusstlosigkeit. Eigentlich rechnete er gar nicht damit, wirklich zu sterben. Aber es amüsierte ihn, während der nächsten Wochen im Bett zu liegen und zu fühlen, wie sich die einzelnen Organe erneuerten, wie neues Fleisch wuchs, neue Haut. Der Schmerz lenkte ihn von einer anderen, noch viel tieferen Wunde ab, von Chloes Verlust, vom Fehlen dauerhafter Liebe in seinem Leben. Nach der Heilung des Körpers blieben Narben zurück, die erst nach einigen Jahrzehnten verschwanden.

Die Sache mit dem Messer führte zu Komplikationen: Ein Diener hatte ihn heimlich beobachtet, sprach später von Hexerei und Mächten des Okkulten. Die Gerüchte zwangen Flint zur Flucht, und diesmal reiste er nach Italien …

Rendezvous und Krieg, Bräute, Errungenschaften und Erfolge, Orte, Zorn, Zufriedenheit und Genugtuung – im Grunde genommen bedeutete das alles nichts. Einzigartige Ereignisse verloren ihre Einzigartigkeit, wenn sie sich im Lauf der Jahrhunderte aneinanderreihten. Irgendwann merkte Flint, dass er den Frauen und Freunden gegenüber zu Verachtung neigte: Augen, die den Glanz verloren; ziellos dahintreibende Gedanken; faltige Gesichter; zitternde Hände, die immer mehr Kraft verloren … Gleichzeitig regte sich so etwas wie Neid in ihm: Nur wenige Jahre standen den normalen Menschen zur Verfügung, aber dadurch schien ihr Leben erfüllter zu sein, Bedeutung zu gewinnen. Sie wählten irgendeinen idyllischen Ort und machten ihn zu ihrer ›Welt‹. Sie kehrten nie zurück, um zu sehen, wie man das Dorf in Weiden für die Reichen aufteilte, wie man es niederbrannte und plünderte, wie man es pflasterte oder ihm einen neuen Namen gab, wie man historische Bauten und Denkmäler zerstörte, um schmucklose Wohnhäuser oder Fabriken zu errichten, wie kleine Geschäfte anonymen Supermärkten wichen, wie am Himmel Jets Kondensstreifen hinterließen … Flint hatte den menschlichen Zirkus viele Epochen lang beobachtet, manchmal dazu beigetragen und daran teilgenommen, bis er ihn schließlich so anwiderte, dass er sich in die Einsamkeit zurückzog, seine Freunde und den Rest der Menschheit glücklicher Ignoranz überließ.

Jetzt bin ich ebenfalls sterblich. Versuchsweise bewegte Flint den Fuß und spürte ein jähes Stechen. Etwas Wundervolles und Neues – selbst der Knöchel schien überrascht zu sein. Die Arthritis hatte vor etwa einem Monat begonnen und sich langsam einen Weg durch Glieder und Gelenke gebahnt. »Die Aufregung des Verfalls!«, sagte Flint und lachte. »Sie fügt dem Sein tatsächlich Sinn hinzu.« Er hatte schon mit sich selbst gesprochen, bevor er das Tal des Euphrat und Vorderasien verließ, um mit seinen Reisen zu beginnen. Wenn er sich verliebte oder sich eine Familie zulegte, verlor er diese Angewohnheit. Seit Raynas Tod führte er wieder lange Selbstgespräche.

Rayna … Unsterblich hatte sie sein sollen, doch ihre Existenz endete schon nach kurzer Zeit. Rayna, sein größtes und bestes Werk, ein Symbol für alles, das er liebte und sich erträumte. Träume, die mit ihr wahr wurden, für einige Jahrzehnte. Rayna: Tochter und Schülerin, die Beschützte, Mutter und Schwester, Geliebte und Freundin, eine Gefährtin für immer und ewig. Aber diese Geschichte ging viel zu schnell zu Ende. Rayna bekam nie Gelegenheit, Reife zu erlangen. Und ihre Fähigkeit, ganz und gar menschlich zu sein, als eine Frau zu lieben … Davon konnte sie erst zu spät Gebrauch machen – und auch zu früh und zu plötzlich.

Hasste er den dreisten, unverschämten jungen Captain, der jene Hoffnungen zerstört hatte? Nein, es wohnte kein Hass in ihm, nicht einmal Bitterkeit. Flint wusste, dass er damals ebenso dumm gewesen war wie Kirk, trotz seiner Alters, trotz seiner Erfahrungen. Und jetzt bin ich ebenso sterblich wie er.

Raynas Tod, McCoys Entdeckung, dass Flint außerhalb der irdischen Atmosphäre alterte, der Umstand, dass die Männer von der Enterprise an Bord ihres Schiffes zurückkehrten, ihn allein ließen … Das alles erfüllte Flint mit einer sonderbaren Ruhe. Vielleicht handelte es sich um einen Frieden, der in ihm entstanden wäre, wenn Rayna überlebt und gelernt hätte, ihn zu lieben. Vielleicht gehörte auch etwas Trauer dazu. Wie dem auch sei: Der Frieden verlieh ihm eine neue Perspektive. Er konnte wieder arbeiten, diesmal mit dem Wissen, dass ihm nur noch begrenzte Zeit blieb. Bisher hatte er sich nur recht oberflächlich mit Musik, Malerei und diversen Experimenten befasst, und nun widmete er diesen Dingen jeden Tag eine bestimmte Zeit. Er hütete sich davor, etwas zu übereilen. Jeder Augenblick, ob aktiv oder passiv erlebt, bekam etwas Genießenswertes. Wie herrlich es sein konnte, vor einem lodernden Feuer zu liegen, dessen Rauch einem Tränen in die Augen trieb! Lange vor meiner Zeit lernte der Mensch, mit dem Feuer umzugehen – eine seiner größten Leistungen. Wie dumm von uns zu glauben, darüber hinausgewachsen zu sein.

Ein metallenes Summen erklang, ging von der treuen, geduldigen Maschine aus, die vor der traditionellen Tür des Arbeitszimmers schwebte. Sie glitt näher, und der Feuerschein spiegelte sich auf ihren Wölbungen und Kanten wider. Geistesabwesend bewunderte Flint den neuen Robot-Diener, der dazu bestimmt war, seinen veränderten Bedürfnissen gerecht zu werden. Er hatte ihm eine verbale Komponente hinzugefügt, um in der Lage zu sein, mit jemandem zu sprechen. Hinzu kamen Metallarme, die jetzt untätig herabhingen. Neben Flint verharrte der Roboter in einem individuellen Antigravitationsfeld.

»Was ist, M-7?«, fragte Flint.

»Die Dilithiumsplitter sind vorbereitet worden, Signor«, antwortete die Maschine. »Das Experiment in Hinsicht auf die Tarnvorrichtung kann beginnen.«

»Ausgezeichnet, M-7.« Flint stand auf und lehnte es ab, sich dabei von dem Roboter helfen zu lassen. »Lass uns Arbeit erledigen, bevor die Leute kommen und Resultate verlangen.«

Der von ihm entwickelte Apparat war gestohlen worden, und er wollte dabei helfen, ihn wiederzufinden. Er schickte sich nun an, seine Privatsphäre aufzugeben und erneut Kontakte mit gewöhnlichen Menschen zu pflegen. Obgleich er für immer darauf verzichten wollte. Letztendlich hatte er sich doch dazu bereit erklärt, an der Suche nach dem Starfleet-Kreuzer Sperling teilzunehmen. Mit Vorbehalten blickte er in die Zukunft, und seine Bedenken betrafen insbesondere den Captain des Schiffes, das ihn bald aufnehmen würde. Gleichzeitig prickelte so etwas wie Aufregung in ihm. War er noch immer fähig, die Gesellschaft anderer Personen zu vermissen?

Vorsichtig trat er durch die Tür und lächelte amüsiert, als er Schmerz im rechten Bein spürte. Der Roboter blieb im Arbeitszimmer, sprühte Wasser in den Kamin, um das Feuer zu löschen. Es zischte leise, und das Flackern verblasste rasch. Nach einigen Sekunden wandte sich M-7 um und folgte Flint zum Laboratorium.