Ich frag ja bloß

F: Wofür lohnt es sich zu sterben? Gehört das Projekt Amerika[417] dazu? Wer hat Lust auf ein Gedankenexperiment? Was ist, wenn wir die 2.973 Unschuldigen, die bei den Terroranschlägen vom 11. September starben, als Helden und Märtyrer ansehen, »Opfer auf dem Altar der Freiheit«[418]? Soll heißen, was ist, wenn wir beschließen, dass eine gewisse minimale Grundverwundbarkeit durch Terroranschläge Teil des Preises ist, den wir für das Projekt Amerika bezahlen müssen? Dass wir eine Generation von Amerikanern sind, der es bestimmt ist, große Opfer zu bringen, um unsere Lebensweise zu erhalten – nicht nur Opfer an Soldaten und Geld im Ausland, sondern auch Opfer an persönlicher Sicherheit und Komfort? Vielleicht sogar weiterer Leben von Zivilisten?

Was ist, wenn wir die Tatsache akzeptieren, dass alle paar Jahre und den größten Bemühungen zum Trotz Hunderte oder Tausende von uns bei schrecklichen Selbstmordanschlägen sterben, vor denen sich eine demokratische Republik nicht zu 100 Prozent schützen kann, ohne die Prinzipien zu zersetzen, denen sie ihre Schutzwürdigkeit verdankt?

Ist dieses Gedankenexperiment grausam? Ist es grausam, die gut 40.000 Autobahntoten zu erwähnen, die wir Jahr für Jahr akzeptieren, weil die mit dem Auto verbundene Mobilität und Autonomie den Preis wert sind? Und ist diese Grausamkeit der Grund, warum kein seriöser Politiker von der trügerischen Güterabwägung zwischen Freiheit und Sicherheit spricht, vor der Ben Franklin vor über 200 Jahren gewarnt hat? Was genau hat sich seit Franklins Zeiten geändert? Warum können wir heute keine ernst zu nehmende landesweite Diskussion über Opfer und die Unausweichlichkeit von Opfern führen? Opfern wir (a) eine gewisse Sicherheit oder (b) einen Teil der Rechte und Freiheiten, die das Projekt Amerika so kostbar machen?

F: Solange eine solche Diskussion nicht geführt wird – glauben wir, dass unsere gegenwärtige Regierung, der es nur um »Heimatschutz« geht, das Projekt Amerika respektieren und bewahren kann? Welche Auswirkungen auf das Projekt Amerika haben Guantánamo, Abu Ghraib, Patriot Act I und II, Überwachungen ohne richterliche Beschlüsse, Executive Order 13233, Konzernauftragnehmer, die militärische Funktionen ausüben, der Military Commissions Act, NSPD 51 usw. usf.? Und wenn wir einen Augenblick lang davon ausgehen, dass einige dieser Maßnahmen unsere Leben und unser Eigentum tatsächlich sicherer gemacht haben – waren sie es wert? Wann und wo wurde öffentlich eine Diskussion darüber geführt, ob sie es wert sind? Hat es eine solche Diskussion nicht gegeben, weil wir nicht dazu imstande sind, sie zu führen oder zu fordern? Warum nicht? Sind wir inzwischen so selbstsüchtig und verängstigt, dass wir nicht einmal mehr darüber nachdenken wollen, ob es nicht vielleicht noch Wichtigeres gibt als Sicherheit? Was für eine Zukunft steht uns dann ins Haus?

2007