Vorbemerkung der Autorin

Von 1976 bis 1981 hat der York Archaeological Trust eine der beeindruckendsten historischen Stätten aller Zeiten ausgegraben: Jorvik, die ursprüngliche Wikingersiedlung York. Über 15.000 Grabbeigaben, die die Historiker dabei fanden, ermöglichten es ihnen, sich ein klares Bild vom Alltagsleben der Wikinger zu machen und ein Modell der Wikingerstadt zu rekonstruieren, die ihre Blüte unter wechselnden Wikingerfürsten zwischen 850 und 945 nach Christus hatte.

Archäologische Funde, wie beispielsweise die aus der »Kupfertor«-Grabung von Jorvik, beweisen, dass die Normannen, die sich während der Wikingerzeit zwischen 800 bis 1100 nach Christus über die Weltmeere ausbreiteten, nicht immer die heidnischen Barbaren und Plünderer waren, als die frühere Historiker sie erscheinen ließen. Für dieses Bild waren angelsächsische Kleriker verantwortlich, deren Blick auf die Ereignisse nicht unvoreingenommen war. Tatsächlich muss es sich bei den Wikingern um Männer von unglaublicher Tapferkeit gehandelt haben, die dazu noch loyal und talentiert waren und die der unstillbare Hunger nach neuem Land antrieb, Orte zu suchen, wo sie sich niederlassen und Handel treiben konnten.

Die Wikinger respektierten die Gerechtigkeit, und sie waren es, die das Wort Gesetz in die englische Sprache eingeführt haben. Bei ihren Stammessitzungen, den Things, schufen sie den Vorläufer unseres zeitgenössischen Rechtssystems. Darüber hinaus zeugen die Sagen und Skaldengedichte der Wikinger von erstaunlichem Geist, Einfühlungsvermögen und Sinn für Kultur.

Die Normannen begannen ihre Ausbreitung auf fremde Gebiete zu Beginn des achten Jahrhunderts mit kleineren Übergriffen, die sich jedoch bald zu großen Feldzügen entwickelten, an denen zuweilen Hunderte von Schiffen und Tausende von Kriegern beteiligt waren. In den folgenden beiden Jahrhunderten breiteten sie sich bis Europa, Nordafrika und Russland aus. Voller Stolz dienten sie als handverlesene Mitglieder der persönlichen Garde des byzantinischen Herrschers in Konstantinopel. Einige gelangten sogar bis nach Amerika.

Dennoch gibt es heute keine Nation der Wikinger. Warum nicht? Der Grund dafür liegt darin, dass die Wikinger mit der Kultur verschmolzen, die sie in den eroberten Gebieten vorfanden, deren Religion, Sprache und Gebräuche sie übernahmen. Viele Adelsritter im Mittelalter waren in der Tat Abkömmlinge und sogar Enkel von Wikingern, so beispielsweise der »gesetzlose« Wikinger Hrolf (oder Rollo), erster Herzog der Normandie, der mein eigener Großvater vor dreiunddreißig Generationen war. Hrolf war außerdem der Urururgroßvater Wilhelm des Eroberers.

Die Mönche, die als Historiker berichteten, übergingen außerdem eine Elitegruppe von Wikingern, die so genannten Jomswikinger. Der Treueid und die großen Taten, die ihnen zuzuschreiben sind, ordnen sie dem Umkreis von König Artus und den Rittern der Tafelrunde zu.

Das Wort Wikinger ist erst in jüngerer Zeit aufgekommen, ich habe es aber wegen der zeitgenössischen Leserschaft in meinem Roman verwendet. Aus demselben Grund habe ich die Länderbezeichnungen unseres Jahrhunderts benutzt.

Zum Schluss sei noch angeführt, dass trotz des barbarischen Rufs der Wikinger als nordische Eroberer auch ihre schärfsten Kritiker nie in Abrede gestellt haben, dass es sich bei den Kriegern um ungewöhnlich mutige Männer riesiger Statur und bemerkenswert guten Aussehens handelte. Kein Wunder, dass sich die Frauen der besiegten Länder Europas in der Zeit vor dem Mittelalter zu diesen außergewöhnlich attraktiven Männern hingezogen fühlten, die fantasievolle Namen wie Gudrod der Großartige, Harald Rothaar, Thorfinn der Mächtige, Halfdan der Umfangende, Rolf der Marschierer, Thorkel der Schöne, Sven Gabelbart oder Knut der Große trugen.

Kein Wunder auch, dass meine Heldin des 20. Jahrhunderts, die in einem Netz von Verzweiflung und Verrat gefangen ist, diese stolzen, wilden Menschen auf ihrer Zeitreise in das Jorvik 950 nach Christus lieben lernt. Damals war das Leben vielleicht einfacher, aber menschliche Beziehungen waren kein bisschen weniger kompliziert als heutzutage.

Schön war ihr Gesicht, die Brüste stolz,
ihr Hals so weiß wie frischer Schnee …
Sein Haar war blond und rot die Wangen,
sein Blick so scharf wie der einer Schlange.

Rigspula
ca. 10. Jahrhundert