KAPITEL 25

– Selena –

 

 

K aum hatte ich Antonias Namen gesagt, nickte Bridget zustimmend. Das beruhigte mich. Ich war mir ziemlich sicher, dass Bridget die Spiele von uns allen am besten durchschaute.

Von nun an würde ich auf jeden Fall öfter auf ihren Rat hören.

Octavia und Antonia nahmen ihre Plätze am Ende ihrer jeweiligen Bahn ein, und ich wurde mir meiner Entscheidung immer sicherer. Denn als auserwählte Kämpferin Apollos hatte Antonia ein nahezu perfektes Zielvermögen. Wenn irgendjemand diese Statuen vor Octavia umwerfen konnte, dann sie.

„Hebt eure Weinkelche“, befahl Bacchus, und die beiden folgten seinem Befehl. Die Kelche waren fast so groß wie ihre Köpfe. „Eins, zwei, drei … runter damit !“

Antonia hob den Kelch an ihre Lippen und begann, den Wein in einem Zug leerzutrinken.

Octavia erschuf mit ihren Händen eine Kugel aus blauer Magie, gerade groß genug, um ihren Kelch zu umgeben. Die Magie funkelte und wirbelte, und das Licht tanzte über ihr grinsendes Gesicht.

„Das darf sie nicht“, keuchte ich. Meine Stimme ging im Jubel der Menge unter. Niemand sah mich an, und ich dachte schnell an die Regeln, die Bacchus vorhin verkündet hatte.

Die Auserwählten durften keine Magie einsetzen, um die Statuen umzustoßen . Aber darüber, Magie auf den Wein anzuwenden, hatte er nichts gesagt.

Octavias blaue Zauberkugel verschwand. Lächelnd hob sie den Kelch an ihre Lippen und begann zu trinken.

Antonia hatte zuerst ausgetrunken. Sie stellte den Becher wieder ab und rieb sich die Schläfen, ihre Augenlider wurden schwer. Dann stolperte sie in Richtung des Diskus, unfähig, geradeaus zu gehen.

So ein Mist. Antonia war eher schmächtig … und offenbar keine geübte Trinkerin. Ich hatte mich so schnell entscheiden müssen, dass ich vergessen hatte, das zu berücksichtigen.

Sie hob den Diskus auf und schleuderte ihn in Richtung der Statuen. Ich war mir nicht sicher, auf welche Statue sie zielte, aber der Diskus streifte die Schulter der rechtesten Statue, ohne sie umzuwerfen. Sie rannte, um den Diskus aufzuheben, und lief zurück zum Anfang der Bahn, wobei sie sich eine Schweißperle von der Stirn wischte. Ihr zweiter Wurf verlief nicht besser als der erste.

Als Antonia mit ihrem dritten Wurf fertig war, hatte Octavia ihren Wein ausgetrunken. Sie stolzierte mit hoch erhobenem Haupt auf ihren Diskus zu. Wenn sie etwas von dem Wein spürte, dann konnte sie es eindrucksvoll verbergen.

Sie hob den Diskus auf, schleuderte ihn in Richtung der Statuen … und verfehlte.

Und wieder. Und wieder.

Ich atmete erleichtert aus. Vor allem, weil Antonia eine Sekunde später ihre erste Statue umwarf.

Unglücklicherweise traf Octavias nächster Wurf die mittlere Statue auf Bauchhöhe. Ein lauter Knall hallte durch die Arena, als die Statue in Stücke zersprang und zu Boden fiel.

So ging es minutenlang weiter, beide verfehlten und zerstörten die Statuen wie zufällig. Aber Antonia wurde mit jedem Wurf schwerfälliger. Ihr Gesicht war leuchtend rosa. Ab und zu landete sie einen Volltreffer, aber sie wurde immer langsamer.

Ehe ich mich versah, hatte Octavia nur noch zwei Statuen übrig, und dann nur noch eine. Sie hob ihren Diskus auf, hielt ihn siegesgewiss in die Luft und schleuderte ihn gegen die Statue. Er traf sie genau in der Mitte. Der Stein explodierte in tausend Stücke.

Antonia ließ ihren Diskus fallen und setzte sich auf den Boden, nahm den Kopf in die Hände und rieb sich die Schläfen.

Mein Magen sank mir bis auf die Füße.

„Octavia hat die erste Runde gewonnen!“, verkündete Bacchus mit wildem Blick, während er sein Zepter auf die Statuen richtete. Sie setzten sich wieder zusammen und richteten sich auf, als wäre ihnen nichts zugestoßen. „Antonia wird nun in die Loge der Auserwählten zurückkehren und sich nach hinten stellen, um zu zeigen, dass sie aus dem Wettbewerb ausgeschieden ist. Octavia, wähle du die beiden Auserwählten aus, die als Nächstes gegeneinander antreten werden.“

„Nichts einfacher als das.“ Octavia lächelte, warf ihr Haar über die Schultern und sah mich an, als hätte sie den Wettbewerb bereits gewonnen. „Ich wähle Cassia, die Auserwählte Kämpferin der Ceres, und Julian, den auserwählten Kämpfer des Mars.“

 

Mit seiner extremen Kraft hatte Julian Cassia schnell aus dem Wettbewerb geworfen. Für ihn war das Diskuswerfen ein Kinderspiel. Cassia hatte kaum eine Chance.

Julian zögerte nicht lange und ließ in der nächsten Runde Octavia gegen Emmet antreten.

Die beiden marschierten selbstbewusst zu ihren Bahnen. Sie besaßen sogar die Frechheit, sich gegenseitig ein High Five zu geben, bevor sie ihre Plätze einnahmen.

Bacchus zählte wieder ab. Emmet begann, seinen Wein zu trinken, und Octavia umgab ihren Kelch erneut mit Magie. Emmet trank seinen Wein und begann mit dem ersten Wurf. Seine Zielgenauigkeit war nicht schlecht, wenn auch nicht so perfekt, wie sie es mithilfe seiner Macht über die Luft gewesen wäre. Er schaffte es gerade einmal, eine Statue umzuwerfen, ehe Octavia ihren Wein ausgetrunken hatte und zu ihrem Diskus hinüberging.

Sie ging so aufrecht wie zuvor, immer noch unbeeindruckt vom Wein, obwohl es schon der zweite Becher gewesen war, den sie geleert hatte. „Lass nur“, sagte sie zu Emmet, nachdem er eine weitere Statue verfehlt hatte. „Ich benutze meine Magie, um den Alkohol aus dem Wein zu verdampfen. Dieser Wettbewerb gehört mir.“

Wut schoss durch meine Adern, und mit ihr Elektrizität. Das war alles andere als fair. Aber genau genommen war es kein Betrug. Bacchus hatte vorgeschrieben, dass sie die gesamte Flüssigkeit in ihren Bechern trinken mussten. Wenn der Alkohol aus dem Wein verdampfte, war er nicht länger Teil dieser Flüssigkeit. Der Wettbewerb war wieder zu Octavias Gunsten gestaltet worden.

Die Blitze knisterten intensiver unter meiner Haut. Aber ich verlangsamte meine Atmung und gab mein Bestes, mich an Sorchas Ruhe zu erinnern. Ausraster würden mir und meinen Verbündeten nur schaden. Ich musste meine Magie unter Kontrolle halten.

Julian ist noch im Wettbewerb , erinnerte ich mich. Er ist stark. Er kann Octavia besiegen. Und ich habe auch noch Bridget auf meiner Seite.

Emmet schleuderte seinen Diskus nach vorne und warf eine weitere Statue um. „Danke für das Angebot“, sagte er zu Octavia. „Aber ich bin hier, um mich zu beweisen.“

Octavia knurrte und zerstörte eine weitere Statue.

Die Runde dauerte nicht lange, und das Ergebnis war knapp. Aber Octavia schlug ihre Statuen zuerst nieder.

„Als Nächstes wähle ich Julian, den auserwählten Kämpfer des Mars“, sagte sie. „Er wird gegen Cillian antreten, den auserwählten Kämpfer Plutos.“

Bei Cillians Namen erstarrte ich. Offenbar war es Octavia egal, ob sie Plutos unberechenbaren Auserwählten verärgern würde. Das hieß, sie wollte Julian unbedingt aus dem Wettbewerb werfen.

Komm schon, Julian , dachte ich, als er und Cillian auf die Fahrbahn traten. Du schaffst das.

Sie leerten gleichzeitig ihre Weinkelche. Dann gingen sie zu ihren Diskussen, und glücklicherweise war Julian noch immer stabil auf den Beinen.

Ich hielt den Atem an, als sie ihre ersten Würfe machten.

Julian zerstörte gleich beim ersten Versuch eine seiner Statuen.

Cillian verfehlte. Und wie . Sein Diskus wäre ins Publikum geflogen, wenn es keine magische Schutzwand um die Bahnen gegeben hätte.

Es war an der Zeit, sich die Diskusse zurückzuholen, und Julian rannte, wie es alle anderen Auserwählten auch getan hatten. Cillian joggte leichtfüßig zu seiner Bronzescheibe.

Seine lässige Haltung schockierte mich. Offenbar wollte er gar nicht zum Kaiser der Villa werden. Dafür gab es eine ganze Reihe möglicher Gründe. Aber das war mir egal. Alles, was zählte, war die Erleichterung, als Julian seine letzte Statue zerstörte und Cillian zurück zu unserer Loge schlenderte, um sich zu den anderen Ausgeschiedenen zu stellen.

Als Nächstes wählte Julian Octavia und Pierce aus.

„Ich weiß ganz genau, was hier läuft.“ Octavia funkelte Julian bösartig an, während sie und Pierce zu ihren Plätzen eilten.

Warum hatte Julian sich derart auf Octavia eingeschossen? Sie hatte es auf mich abgesehen, nicht auf ihn. Indem er eine Show daraus machte, sie aus dem Wettbewerb zu werfen, machte er sich selbst zur wandelnden Zielscheibe.

Er tut es, um mich zu beschützen.

Mein Herz schlug schneller, aber ich schüttelte den Gedanken schnell wieder ab. Schließlich gab es haufenweise andere Gründe für Julians Verhalten. Und selbst wenn er versuchte, mich zu beschützen, dann nicht, weil er sich um mich sorgte. Sondern weil er dachte, ich sei ein Gewinn für unser Bündnis. Indem er mich beschützte, schützte er sich selbst. Das war alles.

Octavia und Pierce nahmen ihre Becher in die Hand. Aber nachdem Bacchus abgezählt hatte, trank keiner von ihnen. Stattdessen setzten sie beide ihre Magie ein. Pierce’ orangefarbene Magie umgab seinen Kelch, so wie Octavias blaue Magie den ihren umgab.

Feuer. Pierce’ Gabe war die Macht über das Feuer. Hitze verdampfte Alkohol.

Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Beinahe hätte ich Julian zugejubelt. Pierce gegen Octavia antreten zu lassen, war genial. Denn sie würden beide nüchtern kämpfen.

Ich lehnte mich vor, mein ganzer Körper war angespannt. Beide zerstörten gleich beim ersten Anlauf jeweils eine Statue. Octavia hatte nach so vielen Runden den richtigen Schwung, und Pierce war einfach eine Kraft, mit der man rechnen musste.

Wenige Runden später gab es auf beiden Bahnen nur noch jeweils eine Statue.

Das gesamte Publikum war auf den Beinen und sah gebannt zu.

Pierce und Octavia schleuderten zeitgleich ihre Diskusse, und beide Statuen explodierten auf einmal und brachten die Menge zum Schweigen.

„Wow!“ Bacchus richtete sein Zepter auf die Kugeln, die überall in der Arena schwebten, und fügte sie zu einer riesigen Monsterkugel über seinem Kopf zusammen. „Es sieht so aus, als ob wir uns das genauer ansehen müssen, um unseren Gewinner zu ermitteln!“

Ein holografisches Bild flackerte in der Kugel auf – eine Rückblende auf Pierce und Octavia kurz vor ihren letzten Würfen. Wieder flogen ihre Diskusse auf die Statuen zu. Doch kurz vor dem Einschlag verlangsamte sich die Aufzeichnung, sodass sich die Diskusse so träge bewegten, als würden sie auf der Stelle schweben. Die Diskusse krochen in Zeitlupe auf die Statuen zu, und ich hielt den Atem an, ebenso wie der Rest der Menge.

Einer der Diskusse traf seine Statue eine Viertelsekunde vor dem anderen.

„Octavia!“ Bacchus’ Stimme erhob sie über den Jubel der Menge. Mein Magen verkrampfte sich, und jeder Knochen in meinem Körper wurde hohl, als sie ihre Arme zum Sieg hob. „Du hast auch diese Runde gewonnen. Wen lässt du als Nächstes antreten?“