4. Meine Droge, Marcello
(Halsey – Colors)
Ilaria Bianchi
Du bist ein Arsch, Marcello de Luca, aber du bist mein Arsch.
Und seit acht Jahren reiße ich mir meinen
Arsch für dich auf.
Ich tue alles, um irgendwie interessant für dich zu bleiben.
A.L.L.E.S.
Ich habe keine Grenzen, ich kenne keine Moral und ich scheiße auf Anstand.
Ich schaue mir Pornos an, sozusagen um mich weiterzubilden.
Ich gehe regelmäßig zum Waxing – hast du eigentlich eine Ahnung, wie weh das tut?
Ich habe sogar einen verdammten Stripkurs belegt!
Ich kaufe mir immer wieder neue, heiße Unterwäsche.
Ich mache Yoga mit Alyssa.
Ich nehme alles, was du mir gibst, selbst wenn es Drogen sind.
Ich feiere jede Party mit, ich ertrage jede Stellung beim Sex, jeden Schlag, jede Folter, jeden Schmerz – ob körperlich oder psychisch.
Ich bin standhaft. Ich bin stark. Ich halte die Klappe. Ich verbiege mich.
Ich tue alles. Wirklich alles.
Denn ich liebe es, dich zu spüren. Auch wenn ich weiß, dass ich dich nicht auf die gleiche Art berühre wie du mich. Ich liebe es dennoch, deine Hände auf mir zu haben und deine Blicke zu spüren. Ich liebe sogar dieses süße Verzehren nach mehr, das sich immer in mir ausbreitet, sobald du in meine Nähe kommst. Ich liebe dieses Kribbeln, das Adrenalin, die Angst und den Rausch, den allein deine Anwesenheit auslöst.
Dabei weiß ich sehr genau, dass ich nur eine Puppe für dich bin. Ein Zeitvertreib. Das hast du mir als Allererstes klargemacht. Ich weiß genau, welche Stellung ich in deinem Leben einnehme und dass ich nicht die Einzige für dich bin. Du bist wie ein hungriger Löwe, der durch die Savanne streift und seine Zähne immer wieder in eine andere Beute schlägt. Es ist mir egal, ob du mich zerfleischst. Es ist mir egal, was am Ende von mir übrig bleibt. Mein Selbsterhaltungstrieb ist nicht vorhanden, wenn es um dich geht. Meine Instinkte sind schon lange ausgeschaltet. Denn du hast mich süchtig nach dir gemacht – nach deinen groben festen Händen, deinem perfekten Körper, deinem Stöhnen, deinen alles verschlingenden Blicken.
Ich bin dir schon lange verfallen und habe mich völlig für dich aufgegeben. Das ist die bittere Wahrheit. Dabei ist mir natürlich vollkommen klar, dass das alles andere als gesund ist.
Ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass einiges bei mir schiefläuft, wie bei uns allen an der Seaside. Um das zu erkennen, muss ich kein verdammter Psychiater sein oder einen IQ von 140 haben, wie mein Bruder.
Jeder von uns kämpft mit seinen Dämonen.
Jeder von uns ist im Inneren nicht nur einmal zerbrochen.
Jeder ist süchtig nach irgendetwas und jeder kämpft mit seinen eigenen Problemen.
Mein Problem bist du. Gleichzeitig mein größter Segen und Fluch.
Der Atem, den ich in meine Lunge ziehe, und die Hand, die mir diesen abdrückt.
Du bist das, was ich am meisten fürchte und was ich am meisten brauche. Das, was mich zerschmettern, aber mich auch in den Himmel befördern kann. Das wofür ich lebe und wofür ich sterbe. Und es ist mir wirklich scheißegal, was irgendwer davon hält. Es ist mein Leben. Mein Herz. Mein Körper. Obwohl du das alles nicht nur einmal gebrochen hast, so ist meine Seele noch intakt – und sogar die gehört dir.
Manchmal empfinde ich so viel, dass ich nicht wirklich etwas herausfiltern kann. Hass, Liebe, Wut, Hingabe, Zweifel, Zuversicht. Manchmal will ich dich anbrüllen. Manchmal will ich dich schlagen. Manchmal würde ich dich am liebsten killen. Im nächsten Moment will ich dich an mich ziehen und küssen. Ich will dich so sehr ficken, dass es keine andere mehr für dich gibt, und ich will, dass du genauso süchtig nach mir wirst, wie ich es nach dir bin. Dann will ich dich wieder von mir stoßen und dich nie wieder sehen.
Du bist sadistisch. Du tust mir mit Absicht weh. Du bist unfair. Du bist mies. Du bist ein Bastard und ein arrogantes Arschloch. Du beleidigst mich, du erniedrigst mich, du demütigst mich und du saugst mich aus. Aber ich widerspreche dir nicht. Ich brülle all die Dinge nicht heraus, die mir durch den Kopf gehen. Ich laufe nicht davon, ich versuche immer nur, dir noch näherzukommen, ein bisschen mehr von dir zu erhaschen. Eine weitere Berührung, vielleicht sogar einen Kuss. Mehr, mehr, ich brauche immer noch ein bisschen mehr von dir.
Vielleicht bin ich ja die geborene Masochistin. Ich weiß es nicht.
Dass ich dir alles gebe und nichts von dir kriege, bin ich gewohnt.
Keine Gefühle. Keine Intimität. Nur Sex.
Immer nur Sex – und niemals Liebe. Niemals das, wonach ich mich am meisten sehne, schon seit ich denken kann.
Unsere Beziehung – wenn man es denn so nennen mag – besteht praktisch aus Widersprüchen, denn du fickst mich auf alle erdenklichen Arten, und ich liebe es ebenso, wie ich es verabscheue.
Jetzt zum Beispiel bin ich gleichzeitig aufgeregt und ängstlich, außerdem auch immer ein bisschen wütend, allein wenn ich an dich denke. Seufzend streiche ich über dein schwarzes Bettlaken, während ich wieder einmal auf dich warte. Mein Leben lang warte ich schon auf irgendetwas von dir. Ich warte auf ein paar Emotionen in deinen Augen, die nicht auf Wut zurückzuführen sind. Auf eine sanfte Berührung. Auf ein bisschen Zuneigung. Auf ein nettes Wort. Aber gerade warte ich darauf, dass du nach Hause kommst, du riesengroßer, kalter Eisklotz. Und es fällt mir immer schwerer, einfach zu warten, zu funktionieren und nicht durchzudrehen. Denn in mir rebelliert es. Immer wieder brüllt mich diese Stimme in meinem Inneren an und macht mir klar, dass ich mir das alles nicht gefallen lassen soll, dass ich mehr verdient habe – bla, bla, bla. Die Stimme der Selbstachtung, die ich sehr wohl besitze und meiner Mutter und meinem Stiefvater zu verdanken habe. Ich bin öfter rebellisch, solange du es nicht bemerkst. Wenn du mir sagst, ich solle auf meinem Arsch sitzen bleiben und warten, gehorche ich nur, solange du mich siehst. Danach mache ich, was ich will. Ich darf mich dabei nur nie erwischen lassen, sonst werde ich bestraft, und ich hasse es wirklich extrem, von dir bestraft zu werden. Immerzu balanciere ich auf einem sehr dünnen Seil, ab und zu schwanke ich auch, aber ich falle nicht.
Manchmal nehme ich mir gewisse Rechte einfach raus, Marcello, und riskiere, von dir eine Strafe zu kassieren. Beispielsweise, wenn ich ohne Einladung dein Zimmer betrete, um dort auf dich zu warten, denn hin und wieder wird die Sehnsucht einfach zu groß. Im Grunde muss ich immer wissen, was du tust – und mit wem. Ich hasse es wirklich, wenn du irgendwelche Schlampen fickst, Marcello. Und das weißt du auch, weswegen du es immer und immer wieder vor meinen Augen machst.
Du weißt auch, dass ich es hasse, wenn du dich den ganzen Tag nicht meldest, oder? Also habe ich Donovan nach seinen Schießübungen gefragt, was du treibst. Er hat mir mitgeteilt, dass du mal wieder im Bunker bist. Außerdem hat er sich, wie so oft, erkundigt, wie es meiner Schwester geht, woraufhin ich ihm mitgeteilt habe, wenn sie wollen würde, dass er das weiß, würde sie es ihm selbst erzählen. Natürlich will ich damit nur seine Neugierde weiter am Leben erhalten. Er soll bloß nicht von Alyssa ablassen, denn Donovan ist nicht nur süß, sieht gut aus, ist intelligent, hat Humor und einen wirklich beträchtlichen Schwanz, der Alyssa sehr glücklich machen würde, sondern auch das Herz am rechten Fleck. Vor allem ist er kein psychopathischer Dämon wie Rowan Rush. Spätestens seit dessen Ausraster letzte Woche ist er für mich absolut gestorben. Nicht nur ein Mal wollte ich ihm meine Waffe an die Stirn halten und einfach abdrücken. Niemand hat auf diese Art meine Schwester anzufassen, niemand hat sie zu würgen! Es ist das eine, was du mit mir anstellst, aber etwas völlig anderes, wenn jemand den Menschen wehtut, die ich liebe. Und Alyssa ist einer der wichtigsten Menschen für mich. Sie hat diese Scheiße nicht verdient!
Ich auch nicht, aber das ist eine andere Geschichte.
Es wäre wirklich schön, wenn du dich die letzten Jahre in mich verliebt hättest, so wie Donovan augenscheinlich in Alyssa.
Aber das hast du nicht. Und das wirst du nicht. Ich habe es verstanden.
Alles, was mir bleibt, ist Sex.
Und auf diesen Sex warte ich. Wo bist du überhaupt, Marcello? Bist du vielleicht nach dem Bunker noch irgendwo anders hingefahren? Bist du in irgendeinem Salon oder irgendeiner Pussy versackt? Soll ich dich anrufen? Soll ich dich endlich killen? Willst du das? Hm?
Fragen über Fragen. Daraus besteht mein Leben. Vierzig Prozent verbringe ich damit, mir zu überlegen, ob du wütend auf mich bist, wo du bist, was du tust und wie ich dich bei Laune halten kann. Vierzig Prozent verbringe ich damit, mich über Rowan aufzuregen, und die restlichen zwanzig Prozent gehen für alles andere drauf.
Nicht gesund. Ich weiß schon, aber es ist mir egal.
Als die Klinke deiner weißen Tür sich senkt, geht sofort ein Ruck durch mich und meine Gedankengänge werden durchbrochen. Sofort fixiert sich jedes bisschen meiner selbst auf dich, sobald du den Raum betrittst. Sofort wird alles in mir weich und widerlich sehnsüchtig. Ich wehre mich schon lange nicht mehr dagegen, denn das ist zwecklos. Ich habe resigniert – etwas, was ich normalerweise niemals tun würde.
Dein dunkles Blau strandet auf mir und ein weiterer Ruck geht durch mich. Wenn ich es doch nur nicht so sehr brauchen würde, von dir gesehen zu werden, wäre wirklich alles leichter. Du wirkst nicht überrascht, mich zu sehen, während du die Tür hinter dir schließt. Es ist so ärgerlich erleichternd, dich anzuschauen, also lasse ich meinen Blick ausgiebig über dich schweifen. Ein nervöses Kribbeln breitet sich dabei in mir aus. Mein Herzschlag beschleunigt sich und meine Handflächen werden feucht. Mein Körper lechzt nach dir, verzehrt sich, brummt und summt. Es ist pervers, Marcello.
Du warst in letzter Zeit wegen einiger Dinge extrem wütend, aber da ich nicht mehr mit Donovan schlafe, hast du dich etwas beruhigt. Ich habe es auch nur getan, weil du das wolltest. Ich habe kein Bedürfnis danach, Sex mit anderen Männern zu haben. So geht es mir mit vielen Dingen, trotzdem tue ich sie, und das macht mich wütend. Aber ich kann es nicht an dir auslassen, also schlucke ich es runter. Ich schlucke und schlucke und schlucke. Ich schlucke alles, was du mit mir tust. Ich schlucke, was mein Vater mit mir vorhat. Ich schlucke die Angst herunter, wenn ich daran denke, nach New York zu müssen. Die Angst, von Alyssa getrennt zu werden. Die Angst, dass du irgendwann die Schnauze voll von mir hast. Die Angst, dass Rowan meine Schwester kaputtmacht oder das nächste Mal wirklich umbringt. Die Angst, dass Salva irgendwann durchdreht, weil es ihm mit Dad zu viel wird. Die Angst, dass Dad irgendwann durchdreht, weil es ihm mit Salva zu viel wird.
Das sind alles Dinge, an die ich nicht gerne denke. Deswegen liebe ich es, bei dir zu sein, mich voll auf dich zu konzentrieren. Denn je fester du mich in deiner Gewalt hast, desto besser kann ich loslassen. Das ist irre, ich weiß schon, Marcello, aber es ist, wie es ist.
»Was machst du hier, Ilaria?«, fragst du, während du deinen Autoschlüssel auf die dunkle Kommode neben dir legst. Deine Stimme ist tief und klingt immer etwas rau. Sie zischt sofort in meinen Bauch und setzt meine Nervenenden in Flammen.
»Ich wollte …« Ich wollte nach dir sehen, dich küssen, mit dir im Bett liegen und dich ansehen. Einfach nur ansehen. »Hallo sagen«, ende ich. Du hebst eine Augenbraue, während du die silberblitzende Waffe aus deinem Hosenbund ziehst. »Ich wollte …« Ich verstumme wieder und würde mir am liebsten in den Hintern treten. So unsicher und stottrig bin ich normalerweise überhaupt nicht. Das werde ich nur bei dir. Ein paar Sekunden mit dir in einem Raum reichen aus, um mein gesamtes Wesen
umzukrempeln. Es ist eine Qual, nicht sagen zu können, was man denkt, obwohl man das normalerweise immer macht. »Dich einfach sehen.«
Meine Schultern sinken mit einem Ruck.
Ich bin so ein Vollhorst.
In diesen Momenten hasse ich mich regelrecht. Ich verachte mich, wenn ich mich in dieses verdammte Häufchen Elend verwandle, denn das bin ich einfach nicht.
Du betrachtest mich immer noch, als du deine Schuhe von den Fersen schiebst.
»Ach ja?«, erkundigst du dich ungerührt. Mit jeder Sekunde werde ich nervöser und fühle mich, als würde ich schrumpfen. Als würde es mir die Kehle zuschnüren, während mein Herz immer schneller schlägt. Jetzt kann ich nur noch nicken.
Du ziehst die Ärmel deines hellgrauen Longsleeves hoch, sodass deine tätowierten Unterarme sichtbar werden. Der dünne Stoff klebt an dir, weil es draußen so heiß ist, und auch auf deinem markanten Gesicht glänzt der Schweiß.
»Und was wolltest du noch machen?«, erkundigst du dich pseudointeressiert.
Ich wollte mich mit dir unterhalten. Dich fragen, wie dein Tag war. Dir erzählen, was ich fühle.
»Ich weiß nicht. Was willst du denn?«
»Ich?« Du drehst deine Hand und öffnest das Armband deiner Uhr, wobei du abwägend den Kopf von links nach rechts wiegst. »Ich will immer nur vögeln. Das weißt du doch. Also bist du hier, um mich zu vögeln?«
Nein, eigentlich nicht.
»Ja, sicher.«
»Ja, sicher«, wiederholst du mit deinem gewohnt spöttischen Unterton und legst deine Uhr ebenfalls auf die Kommode. Dann durchquerst du den Raum und bleibst vor mir stehen. Sobald du in meiner Nähe bist, muss ich meine Fäuste ballen. Manchmal,
wenn du besonders viel Drogen genommen hast oder sehr lange wach warst, schläfst du nach dem Sex einfach ein. Das sind die einzigen Momente, in denen ich dich berühre. Aber das würde ich nicht wagen, wenn du bei Bewusstsein bist. Das ist eine der sieben Regeln. Ich darf dich nicht anfassen. Niemals.
Ich lege den Kopf in den Nacken, als ich an deiner breit gebauten, muskulösen Gestalt hochsehe. Deine Pupillen sind geweitet, sodass dein dunkles Blau noch dunkler wirkt. Du hast dir wahrscheinlich wieder völlig das Hirn zugeballert.
Eine Hand schiebst du in meine Haare und sofort geht ein Schauer durch mich hindurch. An meinen Strähnen ziehst du meinen Kopf nach hinten, wie immer, und in meinem Körper explodieren die Gefühle, wie immer.
»Wieder mit irgendwem gevögelt, Babydoll?«, erkundigst du dich, während du meinen Kopf etwas drehst und mein Profil inspizierst. Ich bin deine Puppe. Du überprüfst immer mein Äußeres auf Makel oder Schrammen.
»Nein!«, erwidere ich sofort und du drehst meinen Kopf zur anderen Seite.
»Wirklich nicht?«, bohrst du nach, ruckst an meinem Haar und siehst mir direkt in die Augen. Nein. Sicher nicht.
Ich will doch nur dich, verdammt nochmal! Und du, Marcello? Willst du wirklich all diese Frauen, die dich verpesten?
»Nein«, wiederhole ich leise.
»Gut.« Du nimmst deine Hand aus meinem Haar und sofort fühle ich mich beraubt. Anschließend machst du einen Schritt zurück, packst dein Shirt am Saum und ziehst es dir über den Kopf. Auch dein Oberkörper ist von Tattoos bedeckt. Ich habe jedes einzelne schon einmal nachgestrichen und kenne alle auswendig. Ich habe dich studiert, bis zum kleinsten Muttermal – denn du bist wie eine Glaubensrichtung für mich. Deinen Körper kenne ich wie sonst niemand auf der Welt, aber leider kann ich das nicht von deinem Inneren behaupten, denn du
hast mich schon lange nicht mehr wirklich in dich hineinsehen lassen.
»Zieh dich aus und komm in fünf Minuten in die Dusche«, forderst du, wendest dich ab und durchquerst dein Schlafzimmer.
Natürlich werde ich das tun, Marcello. Was auch sonst.
Augenverdrehend warte ich genau viereinhalb Minuten, bevor ich mich erhebe, und zu dir ins Badezimmer komme. Der Dampf steht im Raum und das Prasseln der Dusche dringt an meine Ohren. Du stehst mit dem Rücken zu mir unter dem Strahl. Etwas zieht sich in meiner Brust zusammen, als ich meinen Blick über deinen Körper schweifen lasse. Du bist so unglaublich schön wie gebrochen, Baby. Manchmal kann ich den Schmerz kaum ertragen, wenn ich darüber nachdenke. Aber ich darf dich das nicht sehen lassen – niemals.
Ohne dich aus den Augen zu lassen, streife ich mein mintgrünes Kleid über den Kopf und schäle mich aus meiner Unterwäsche. Du hast mich schon so oft nackt gesehen, dass ich nicht einmal darüber nachdenke, als ich die Glastür öffne und zu dir in die warme Kabine trete.
Über die Schulter musterst du mich und wischst dir das Wasser aus dem Gesicht. Wieder einmal balle ich eine Faust, denn ich will meine Hand an deinen muskulösen Rücken legen. Ich will dich wirklich spüren. Der Drang in mir, dich auf diese Art zu berühren, wird von Tag zu Tag stärker, und ich weiß nicht, wie lange ich dem noch widerstehen kann. Ich weiß nicht, wie lange mir das hier noch reicht.
Mit einem Finger winkst du mich heran und ich trete näher, obwohl es mich foltert. Mit einer Hand umfängst du meinen Oberarm und ziehst mich vor dich unter den warmen Strahl. Sofort durchnässt das Wasser meine Haare, während du mich an die schwarze Fliesenwand drückst. Eng presst du dich an
mich und ich halte die Luft an, als ich jeden einzelnen deiner Muskeln spüre und deine Wärme auf mich übergeht.
Ich erschauere tief.
Gott, ich will dich wirklich so sehr. Ich brauche dich. Du bist mein Leben.
Du legst eine Hand an meinen Hals, sodass mein Hinterkopf gegen die Fliesen sinkt, und streichst mit dem Daumen über meine Kehle. Deine Augen folgen deinen Berührungen. Manchmal wirkst du so hoch konzentriert. In diesen Momenten würde ich wirklich gern wissen, was du denkst. Aber ich habe keine Ahnung davon, denn du bist völlig undurchsichtig. Du hast dein Herz schon lange verborgen. Ist es überhaupt noch da? Was empfindet es, Marcello? Schlägt es auch schneller, wenn ich dir nahe komme, oder lässt es dich kalt? Was fühlst du für mich?
»Magst du mich eigentlich?«, entkommt es mir ungeplant und dein Daumen stockt, ehe dein Blick in meine Augen schnellt.
»Was ist das für eine Frage, Ilaria?« Fuck, verdammte Scheiße. Ja, was soll das? Brauche ich den Schmerz wirklich so sehr, der nun unweigerlich folgen wird?
»Ich habe nur darüber nachgedacht …« Ich verstumme, weil ich auf keinen Fall weitersprechen darf.
»Du sollst doch nicht so viel denken.« Ja, ich soll einfach nur den Mund halten, gut aussehen und die Beine breit machen. Schon verstanden. »Bist du ein bisschen verwirrt, Ilaria?« Du legst den Kopf schief und das Wasser prasselt in deinen Nacken.
Wenn du wüsstest, wie
verwirrt ich bin. Ich bin eine einzige Verwirrung.
»Muss ich dir die Tatsachen wieder einficken?«
»Nein, ich weiß schon Bescheid«, rudere ich wie immer zurück.
»Willst du wissen, wie sehr ich dich mag?« Noch bevor ich antworten kann, wirbelst du mich herum und meine Hände
knallen gegen die nasse Wand. Prompt presst du dich auch schon an meinen Arsch – und du bist steinhart.
Ich reiße die Lider auf – nicht schon wieder!
Ich will nicht, dass du mich schon wieder so fickst. Das letzte Mal konnte ich zwei Tage nicht richtig sitzen, als du mich auf diese Art bestraft hast.
»Ja, nein, ist okay – ich weiß es!«, rufe ich hektisch. »Ich werde nicht mehr über so etwas sprechen. Ich werde nicht mehr denken!« Oh, verdammt, ich bin so dumm, so verloren. Bitte, tu mir nicht weh.
Du packst meinen Nacken und drückst meinen Vorderkörper nach unten. Ich spüre dich an meinem Eingang und schließe erleichtert die Lider. Kein Arschfick. Gott sei Dank.
»Gut«, murmelst du, wobei du dich stöhnend bis zum Anschlag in mich schiebst. Auch mein Stöhnen hallt durch das Bad. Ich lasse einfach los, gebe mich einfach hin. Ich gebe mich dem Schmerz hin, den deine Zurückweisung wieder in mir verursacht hat, den Zweifeln, den Ängsten, der Lust und dem wilden Rauschen, das mich durchfegt, als ich dich endlich wieder in mir spüre.
Manchmal will ich dich nicht lieben, Marcello, denn ich weiß sehr genau, wie sehr mich das kaputtmacht.
Eigentlich will ich jetzt mit dir duschen, ich will dich waschen und mich danach in deine Arme schmiegen. Ich will einfach nur deine Nähe genießen. Ich will dich berühren. Ich will mich mit dir über die Dinge unterhalten, die mich wirklich beschäftigen. Ich will alles mit dir teilen. Ich will, dass du mich wirklich siehst. Ich will, dass du mich magst. Ich will, dass du das Gleiche empfindest wie ich. Nur kurz. Nur für ein paar Sekunden will ich erfahren, wie es sich anfühlen würde, von dir geliebt zu werden.
Aber das wirst du nicht. Du wirst mich niemals lieben.
Und so nehme ich, was ich kriegen kann.
Das tue ich seit acht Jahren und werde es noch in achtzig Jahren tun.
Denn meine Droge bist du, mein Schmerz bist du, mein Verderben bist du. Und doch schließe ich die Lider fester und gebe mich für ein paar Minuten der süßen Illusion davon hin, wie es wäre, wenn auch ich deine Droge Nummer eins wäre, Marcello. Wenn auch dein Herz genauso abhängig von meinem wäre, wie es andersrum der Fall ist. Ein paar Minuten fliegen, nur um dann jedes Mal ein bisschen härter aufzukommen – wie das beim Konsum von Drogen eben der Fall ist.