16. Mein, Alyssa
(Bobby Nourmand – Smoking Joe)
Rowan
Ich komme, Alyssa.
Heute werde ich dich zurückholen. Heute wird alles wieder gut, meine Schöne.
Ich habe dir zwar geraten, dich von mir fernzuhalten, aber das solltest du gar nicht. Du solltest an meiner Seite sein. Du solltest wissen, wem du gehörst, und ich sollte dich nicht mehr loslassen. Das geht sonst nicht gut aus, Alyssa. Ich brauche dich. Du brauchst mich. Das war nicht gelogen.
Außerdem glaube ich, dass mein lieber Cousin Donovan tatsächlich dein Herz ansprechen könnte. Ihr habt die letzten Tage viel Zeit miteinander verbracht. Er bringt dich zum Lachen, Alyssa. Er drängt sich dazwischen, Alyssa.
Dein Herz gehört mir, Alyssa.
Und bevor es sich tatsächlich jemand anderes schnappt, werde ich es mit Stahl an mich schweißen. Aber erst mal muss ich mit deinem Stiefvater reden, dann alles Weitere, meine Schöne.
Gerade eben haben wir gefrühstückt und nun scheint mir die Sonne auf den Kopf, als ich die weiße Brücke überquere, die unsere Anwesen verbindet. Ich bin jetzt etwas geordneter als in den letzten zwei Tagen. Es tut gut, eine Entscheidung gefällt zu haben, und das habe ich, was dich betrifft.
Ich bin gespannt, ob Salva schon Romans Handy hacken konnte. Bei manchen Geräten dauert es länger, je nachdem, wie gut sie geschützt sind. Und bei den Orlows ist alles sehr, sehr gut geschützt.
Weißt du, wieso das FBI-Gebäude einer Festung gleicht? Weil es hinter den Mauern so viel zu verbergen gibt. Ich bin gespannt, was Rayen bei seinem kleinen Auftrag in der Bank of America und zu dem Schließfach herausfinden wird. Davon abgesehen, bin ich immer noch äußerst unzufrieden, weil Rayen nicht mit zur Hütte kommt. Ich glaube, meine Familie hasst mich, denn sie wissen doch, dass man uns nicht trennen sollte.
Trotz meiner düsteren Gedanken nicke ich den Männern vor dem de Luca-Haus geschäftig zu, während mir einer von ihnen die Tür aufhält.
Es ist für mich alles andere als ungewohnt, hier zu sein. Meistens schickt mein Vater mich, weil er keinen Bock auf Donovan Senior hat. Bei diesen Gelegenheiten habe ich auch Salva oft besucht. Mit ihm muss ich als Nächstes reden. Es belastet mich, dass er mir aus dem Weg geht. Unsere Gespräche fehlen mir und ich mag es überhaupt nicht, wie er mich zurzeit ansieht. Wenn er nicht an mich glaubt, habe ich ein echtes Problem. Ich brauche meinen besten Freund zurück, also werde ich ihn mir holen.
Aber jetzt erst mal klopfe ich an die Bürotür seines Vaters.
»Ja?«, fragt Donovan Senior warnend. Ich weiß natürlich, wieso er so klingt, aber ich werde das völlig an mir abprallen lassen. Ich bin gut darin, Dinge an mir abprallen zu lassen. Das habe ich von Dad.
Ich schwinge die Tür auf, wobei ich den Kragen meines schwarzen Shirts richte.
Dann stocke ich.
Wen haben wir denn da?
Baby, was machst du denn hier?
Willst du mich anmachen?
Du sitzt gegenüber von Donovan. Deine graublauen Augen weiten sich, als du mich erkennst. Ich bleibe äußerlich ungerührt und mustere dich kurz in deinem schwarzen, mit Rosen bedruckten Kleid. Du hübsches Ding. Aber relativ schnell sehe ich zu deinem Stiefdaddy, während du dich erhebst. Kein Blickgeficke vor Donovan Senior.
»Soll ich später wiederkommen?«, frage ich und eben dieser blitzt mich an.
»Nein!« Er klingt etwas gereizt, wenn ich das so sagen darf.
»Gut«, antworte ich sanft und halte dir die Tür auf. Du bewegst dich wortlos sowie barfuß durch das Büro und schlüpfst unter meinem Arm hindurch, wobei du kurz zu mir hochschaust. Mit den Augen gebe ich dir zu verstehen, dass ich dich wieder will.
Dann schließe ich die Tür, noch bevor du reagieren kannst.
Beschwingt setze ich mich auf den rechten Stuhl, von dem du dich gerade eben erhoben hast. Er ist noch warm. Danke schön. Sehr freundlich, Alyssa.
»Und?«, fragt Donovan noch gereizter.
Ich ziehe einen Knöchel auf mein Knie und beschließe, auf alles, was hier offensichtlich nicht reingehört, nicht zu reagieren. Gerade will ich meinen Mund öffnen, als die Tür schon wieder aufschwingt und Salva den Raum betritt. Das Gesicht seines Vaters verdüstert sich mit einem Schlag, während er das Aussehen seines Sohnes in Augenschein nimmt. Denn Salva ist weder rasiert noch hat er sich gekämmt. Außerdem trägt er nur eine beigefarbene Trainingshose, Alyssa, und das tut er nur, um seinen Vater zu reizen. Als er näher kommt, sticht mir das Tattoo ins Auge, das sich über Salvas linke Brust zieht. Es ist ein feiner Schriftzug. Die wichtigsten Kämpfe werden im Herzen ausgefochten. Das ist Salvas Devise, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht glauben mag.
Er wirkt etwas überrascht, als er mich entdeckt. Aber dann bewegt er sich ebenfalls barfuß durch das Büro und zieht wortlos den Stuhl neben mir heraus. Schwer lässt er sich darauf sinken, schmeißt einen Arm über seinen Kopf und mustert seinen Vater.
»Wieso?«, fragt er schließlich und deutet mit dem Daumen auf mich.
»Ich habe einige Dinge mit ihm zu klären. Wieso trägst du keine Schuhe, Salvatore?«, erkundigt Donovan sich starr und ich muss mir ein Lächeln verkneifen.
»Die habe ich nicht mehr gefunden«, antwortet Salva weich und legt den Kopf schief.
»Genauso wie dein Shirt, deinen Rasierapparat oder deinen Kamm?«
»In der Besenkammer gibt es keinen Rasierapparat«, informiert Salva seinen Vater völlig ruhig. Der kneift sich in den Nasenrücken und benötigt offensichtlich ein paar Sekunden, um den Anblick seines Sohnes zu verarbeiten.
»Was habt ihr Neues für mich?«, fragt er dann gereizt, Alyssa, und nimmt sich einen Kugelschreiber aus der Halterung.
»Zusammengefasst: Clara Solja ist nicht Clara Solja. Die zwei Geschwister, von denen Clara gesprochen hat, existieren nicht und der Code, den ich ihr entwendet habe, ist der Zugang zu einem Schließfach bei der Bank of America «, rattert Salva herunter und Donovans Gesicht wird völlig ausdruckslos.
»Ein Schließfach.« A ja, da geht es ihm wie mir.
»Wenn wir nächstes Wochenende nach Wisconsin fahren, will mein Vater Rayen zu der Bank schicken und das Schließfach überprüfen lassen«, gebe ich wieder, was mein Vater gestern Abend mit uns besprochen hat.
Salvas Blick schweift in meine Richtung und ich erwidere ihn. »Ach, echt?«
»Ja«, antworte ich gereizt, weil Rayen nicht mitfährt.
»Hm«, macht Salva überrascht, ehe er wieder zu seinem Vater sieht. Der runzelt seine Stirn und mustert nachdenklich den Brunnen vor dem Haus. Sein Zeigefinger streicht über seine Unterlippe.
»Einer der Mitarbeiter in der Bank schuldet mir noch einen Gefallen. So könnten wir an das Schließfach gelangen«, überlegt er laut. Das ist wunderbar, Alyssa, aber ich verstehe immer noch nicht, wieso Rayen hierbleiben und sich darum kümmern muss.
»Super. Außerdem hat Marco gestern in Eigeninitiative Roman Orlows Auto verwanzt. Das heißt, ich habe ein Date mit meinem Laptop, und das nicht wegen eines guten Pornos«, meint Salva und schiebt seinen Stuhl zurück. »Ich werde schauen, wo sich Roman den ganzen Tag herumtreibt.«
Sein Vater nickt einmal starr, während Salva aufsteht und sich durch das chaotische Haar fährt. »Und mach einen Menschen aus dir, Salvatore. Das ist eine Zumutung! Du läufst rum wie ein Obdachloser! Willst du dir einen Einkaufswagen zulegen und ihn vor dir herschieben? Willst du auf Pappkartons schlafen?«, braust Donovan auf, was wegen Salva mindestens einmal die Woche geschieht. In Salvas Augen funkelt es sofort, weil er es liebt, wenn sein Vater ausflippt. Er ist ganz anders als mein Onkel Sergio.
»Lisa hielt mich vorhin aber gar nicht für einen Penner«, bemerkt er sanft, wendet sich ab und schlendert gelassen durch das Büro, ehe er es leise verlässt. Sein Vater starrt noch ein paar Minuten die dunkle Tür an, während ich vermute, dass er Lisa wahrscheinlich bald feuern wird.
Schließlich atmet er einmal durch und wendet seine eisblauen Augen wieder mir zu. Es entsteht eine kurze, besorgniserregende Spannung und seine Finger beginnen zu trommeln. Das ist nicht gut. Mir ist klar, dass er jetzt über dich und mich Bescheid weiß und ich momentan nicht sehr sicher lebe. Aber er braucht mich. Also wird er mich schon nicht erschießen.
Er starrt mich an, Alyssa.
»Ja?«, frage ich glatt.
»Du magst doch deine Finger an deinen Händen, oder?«, droht er mir jetzt kalt, womit er völlig aus der Rolle fällt. 
»Ja, ich mag meine Finger außerordentlich gern an meinen Händen, Boss.«
Er schnaubt. »Dann behalte sie bei dir.« Starr sieht er mir in die Augen.
»Ich hatte nichts anderes vor«, lüge ich sanft.
»Es ist mir egal, wessen Sohn du bist. Ich werde dich höchstpersönlich erschießen, wenn du ihr wehtust«, warnt er sehr leise und sehr eindringlich.
»Ich habe nicht vor, ihr wehzutun«, sage ich ehrlich. Denn das habe ich im Moment tatsächlich nicht vor.
»Halt dich an andere Frauen, aber nicht an Alyssa. Ich habe sie nicht zwanzig Jahre gehegt und gepflegt, damit du sie kaputtmachst.«
»Als ob man irgendeine Frau mit ihr vergleichen könnte.«
»Das kann man natürlich nicht!« Er mustert mich, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. In seinen Augen tobt ein Krieg. Ich glaube, er will mich töten, aber er wird es nicht tun, Alyssa.
»Sonst noch etwas?«
Donovan atmet gepresst durch. »Vorerst nicht.«
»Gut, dann gehe ich.« Beschwingt erhebe ich mich, weil ich diesem psychischen Druck auf diesem Schlachtfeld nicht mehr standhalte und Donovan etwas unberechenbar wirkt.
»Ja, geh.« Das klingt, als würde er mich auffordern, zu sterben.
»Ich besuche noch Salva.« Ich will ja nicht erschossen werden, wenn ich jetzt in den dritten Stock verschwinde, weil er denkt, dass ich einen Abstecher zu dir mache.
»Keine Ausflüge«, knurrt Donovan.
»Ich werde mich fernhalten«, versichere ich ihm ernst, als würde ich es so meinen. Etwas zuckt durch seinen Blick und er winkt mich immer noch warnend weg. Ich mache, dass ich davonkomme, und schlüpfe ins Foyer. Gut, Bericht abgegeben. Jetzt kümmern wir uns um den nächsten Schritt. Der ist einen Meter neunundachtzig groß und verdammt angepisst. Aber ich muss das jetzt mit ihm aus der Welt schaffen, denn so kann ich nicht leben. Also gehe ich die Treppen hoch.
Du bist sicher in deinem Zimmer und hoffst, dass ich zu dir komme. Und ich werde auch kommen. Erst zu dir und dann in dir. Aber du musst noch ein bisschen warten, Alyssa. Geduld ist eine Tugend.
Im dritten Stock angelangt, atme ich einmal vor Salvas Tür durch und klopfe dann. Zögern bringt nichts.
»Ja«, sagt er abgelenkt.
»Ich bin’s«, verkünde ich und trete ein.
Salva steht immer noch nur in seiner Trainingshose vor seinem Schreibtisch, eine Hand an der Kante abgestützt, mit der anderen fährt er über das Touchpad seines Laptops.
Ich schließe die Tür hinter mir, während sein konzentrierter Blick über die Schulter zu mir schweift und er ihn knapp über mich gleiten lässt. Jetzt, da ich mit Salva alleine bin, kehrt die Anspannung zurück.
»Und? Wo schleicht sich der kleine Russe herum?«, frage ich interessiert und komme näher. Salvas Finger trommeln auf die Schreibtischkante und er vergrößert das Bild der Karte vor sich.
»Ostviertel.« Er hebt eine Augenbraue.
Ich lehne mich mit dem Steißbein neben Salva an den weißen Schreibtisch. Er macht ein paar Screenshots, bevor er sich aufrichtet und sich durch das wirre, dunkle Haar fährt. Salva wirkt nicht, als wäre er schon lange wach. Oftmals lässt er das Frühstück ausfallen und erscheint erst zum Mittagessen. Auch sein Bett ist noch zerwühlt. Durch das geöffnete Fenster dringen die dumpfen Gespräche der Bodyguards. Ich werde jetzt nicht darüber nachdenken, ob du wohl mit einem von ihnen die letzten Tage Sex hattest. Ich versuche grundsätzlich nicht darüber nachzudenken, mit wem du Sex hast. Denn ich würde dich ungern umbringen, Alyssa.
»Was gibt’s?«, erkundigt Salva sich und ich reiße meinen Blick vom Fenster los.
»Ich will, dass alles so wird, wie es war.« Ich rede nicht groß drum herum, Alyssa. Das ist nicht mein Stil. »Ich weiß, dass du mir vertraut hast, dass sie mir vertraut hat und dass ich das gefickt habe.« Scheiße, ist das schwer. Ich bin nicht der Typ, der sich entschuldigt oder über seine Gefühle spricht. »Ich liebe sie, das hat mich verrückt gemacht, und so was wird nicht mehr passieren.« Eindringlich mustere ich ihn, während Salva seine Hüfte an den Schreibtisch lehnt und sich über die Brust reibt.
»Und was, wenn sie das nächste Mal mit irgendwem spricht, der dir nicht passt, Rowan?« Seine Augenbrauen heben sich.
»Ich habe Rayen gesagt, er soll mich zurückhalten, und ich werde es auch nicht nochmal so weit kommen lassen«, gebe ich unwillig zu.
»Du hättest sie fast umgebracht. Du hättest fast meine kleine Schwester umgebracht«, erklärt Salva durchdringend und verschränkt seine Arme vor der Brust. Sein Bizeps zuckt. »Ich brauche von dir, dass du das verstehst
»Ich verstehe es und es wird nicht nochmal passieren«, versichere ich ihm eindringlich. »Ich hätte sie nicht umgebracht.«
»Sie hatte fast schwarze Male am Hals, Rowan. Das passiert nicht, wenn man nicht vorhat, jemanden zu strangulieren.« In seinen graublauen Augen blitzt es kühl.
Ich lasse meinen Nacken knacken, als es mich kalt durchrauscht. »Ich hätte sie losgelassen«, meine ich tonlos, weil es mich so aufwühlt, daran zurückzudenken. »Es wird nicht nochmal passieren! Ich werde das nächste Mal schon weit davor die Bremse drücken«, versichere ich ihm nachdrücklicher, denn wenn ich eines weiß, dann das.
Salva sieht mir in die Augen, sein Körper ist völlig angespannt. Ich liebe es, wie er auf dich aufpasst. Allerdings darf er es nicht übertreiben, Alyssa. Ich darf nicht das Gefühl bekommen, dass er sich zwischen uns drängt.
»Und jetzt willst du sie zurück?«, fragt er wissend.
»Ja, aber ich will dich nicht hintergehen«, gebe ich offen zu und streiche abwesend über die Maserung des Schreibtisches.
Salvas Kiefermuskeln spielen, als er mich eingehend überschaut. Dann atmet er gepresst aus. »Solange du dir selber nicht trauen kannst und deinen Bruder als Versicherung brauchst, wie soll ich dir dann trauen?«
»Ich traue mir. Die Versicherung ist eher für dich«, vermittle ich ihm ernst. Geschlagen streicht er sich durch das Haar und sieht ein paar Sekunden an die Zimmerdecke. »Ich brauche sie«, mache ich ihm klar und er gibt einen frustrierten Laut von sich, bevor er mich wieder anschaut.
»Wenn du sie noch einmal falsch anfasst, breche ich dir jeden einzelnen Finger, und dann ist es mir scheißegal, ob du mein Freund bist, mein Bruder, mein Vater oder mein Feind. Verstehen wir uns?«
»Das werde ich nicht«, verspreche ich ihm und atme aus.
»Diesmal werde ich dich mehr im Auge behalten als beim letzten Mal.«
Er ist der Einzige, bei dem ich das gutheiße und zulasse. Bis zu einem gewissen Maß, Alyssa.
»Das verstehe ich.«
Ernst betrachtet er mich. »Mach mir hier jetzt nichts vor, Rowan. Beleidige mich nicht.«
»Ich mache dir nichts vor!«, antworte ich unzufrieden, weil er einer der wenigen ist, bei denen ich das wirklich nicht tue.
Noch einmal mustert er mich durchdringend, dann entspannt er sich mit einem Ruck. »Gut.«
»Perfekt. Was gibt es sonst Neues?« Ich rolle meine Schultern und bemerke, wie eine Last von mir fällt. Salva sieht auf den Monitor, als der rote Punkt sich darauf bewegt.
»Das weiß ich noch nicht«, murmelt er. »Wo willst du denn hin, du kleiner Russe, du?«, fragt er den Computer.
Apropos Russen. »Und, wie läuft es mit der kleinen Russin?«
»Nicht so ergiebig, wie ich es gewohnt bin, aber ich komme voran«, erwidert Salva. Seine Finger trommeln auf den Tisch, ähnlich, wie die seines Vaters es vorhin getan haben. Ein de Luca-Zeichen für Nervosität oder Ungeduld.
»Das spielen sie doch immer vor«, schnaube ich.
»Ich weiß. Erst sind sie Jungfrauen und dann Schlampen«, murmelt Salva und macht noch einen Screenshot. Dann stockt er und betrachtet mich zweifelnd.
»Wie hast du es überhaupt lebend aus Dads Büro geschafft?«
»Natürlich habe ich ein paar nette Drohungen erhalten, aber zum Glück braucht er mich. Mein Dad und so …« Ich winke ab und Salva nickt verstehend. »Und was heißt, du kommst voran? Hast du sie gefickt?«
»Noch nicht. Aber ich werde«, erwidert Salva entschlossen.
»Erst jammern sie rum und zum Schluss können sie nicht genug Schwänze in sich haben«, murmle ich und denke an die vielen, vielen Dreier, die ich in meinem Leben schon so hatte.
»Oh, glaub mir, ich weiß. Ich habe es die ganze Nacht an Lisa ausgelassen. Sie durfte eben erst gehen und ist ein wenig kaputt. Aber Cristiano hat sie nach Hause gebracht. Ihre Schicht ist ja auch schon lange vorbei.« Salva schüttelt tadelnd den Kopf.
»Es geht nichts über Cristiano«, erwidere ich, obwohl ich keine Ahnung von ihm habe, weil er neu ist. Salva betrachtet mich unbehaglich. Ich weiß genau, was dieser Blick bedeutet. In sich hineinmurmelnd, widmet er sich wieder dem Laptop.
Oh, Alyssa.
Was soll das denn?
»Hat er sie angefasst?«, frage ich sofort auf hundertachtzig. Hattest du etwa Sex mit ihm? Hast du versucht, dich mit ihm von mir abzulenken, so, wie du es damals auch getan hast, als wir getrennt waren? Alyssa, du weißt doch, dass das nicht funktioniert. Es geschieht nichts anderes, als dass ich wütend werde, und du willst mich nicht wütend, meine Schöne. Außerdem sind diese Bodyguards nichts für dich.
»Hab ihm dafür schon eine reingehauen. Nicht der Rede wert.« Salva schnaubt in sich hinein und ich tue es ihm nach.
»Sie soll nicht einmal an einen anderen denken.«
»Das wiederum schaffst du nur bei einer Jungfrau.« Salva lässt sich schwer auf den Sessel vor dem Schreibtisch sinken. »Wenn du sie entjungfert hast, denken sie ihr ganzes Leben lang immer wieder an dich.« Sinnierend nickt er vor sich hin.
»Oh, ich weiß«, erwidere ich gequält, denn das Verhalten von frisch eingefickten Frauen kann wirklich besessene Ausmaße annehmen. »Aber da komme ich bei ihr wohl etwas zu spät«, murmle ich in mich hinein, denn du warst keine Jungfrau mehr, als ich dich das erste Mal hatte. Trotzdem habe ich dir alles beigebracht und eine Frau aus dir gemacht.
Und nun will ich dich sehen, also stoße ich mich vom Schreibtisch ab und wende mich der Tür zu. Jetzt werde ich mich um dich kümmern, meine Schöne.
»Wie auch immer, wir sehen uns spätestens am Freitag«, verabschiede ich mich knapp und Salva murmelt noch irgendwas davon, dass ich die Tür zumachen soll. Das tue ich auch. Mit mir befindet sich auch noch eben genannter Cristiano im Gang. Wahrscheinlich wurde er von deinem Vater hochgeschickt. Er hat tatsächlich ein Veilchen, das noch sehr frisch aussieht.
Ich gehe an ihm vorbei und stocke neben ihm. »Fass sie noch einmal an und du frisst eine Kugel«, informiere ich ihn kalt. Ohne seine Reaktion abzuwarten, öffne ich einfach deine Tür. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich eine solche Drohung auch wahr mache.
Ohne Cristiano aus dem Blick zu lassen, trete ich ein und schließe die Tür vor seiner Nase. Dann wende ich mich dir zu. Ich finde dich in dem Sessel deiner Sitzecke vor, wo du dir gerade einen Joint drehst. Deine Zunge stockt an dem Paper, an welchem du gerade entlang lecken wolltest, denn offensichtlich hast du nicht mit mir gerechnet. Ein paar Sekunden nehme ich mir, um dich zu mustern. Ich habe dich schon zu lang nicht allein gesehen.
Die Sonne scheint auf dein halb zusammengerafftes blondes Haar. Dein Kleid unterstreicht deine seidig gebräunte Haut. Sofort schimmert Hoffnung zusammen mit Abneigung in deinem Blick. Sobald du meine Anwesenheit verinnerlicht hast, fährst du damit fort, deinen Joint zu drehen.
Die Abneigung ist neu, Alyssa. Aber damit werden wir schon fertig.
»Hallo«, begrüßt du mich schließlich leise, als wäre es normal, dass ich hier bin.
Dummes, heißes Mädchen.
Geschmeidig gehe ich auf dich zu. Du beobachtest mich genauestens, während du dir den Joint zwischen die Lippen schiebst. Als ich vor dir zum Stehen komme, zündest du ihn an, ohne den Blick von mir zu lassen. Ich streiche dir ein paar Strähnen aus der Stirn und bemerke, dass sofort Sehnsucht in dir explodiert.
»Hallo.«
Während ich deine seidigen Haare entlangfahre und ein kleiner Schauer durch mein Inneres rieselt, strömt der Rauch deines Joints zwischen uns empor. Mit zwei Fingern schiebe ich dir den verrutschten Träger die Schulter hoch.
Kein Chaos, meine Schöne. Ordne dich.
Mit meinen Fingerspitzen gleite ich über deinen Hals, als du wieder an dem Joint ziehst. Keine Male mehr. Alles ist verblasst und ich werde auch dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Nichts außer mir soll dich berauschen, also nehme ich dir die Tüte ab und lege sie in den Aschenbecher auf dem Couchtisch.
»Ich werde jetzt ehrlich zu dir sein, Alyssa. Ich werde dir sehr wehtun.« Kurzerhand löse ich die Spange aus deinem Haar, sodass sich deine seidigen Wellen über deine Schultern ergießen. »Ich werde dich benutzen. Ich werde mir nehmen, was ich von dir brauche.« Gemächlich ordne ich deine Wellen und du erschauerst. »Ich werde dir geben, was du brauchst, aber es wird nicht immer schön. Und es wird ganz sicher nicht immer leicht. Nicht für mich, aber besonders nicht für dich.«
Mit einer Hand stütze ich mich neben deinem Kopf ab und beuge mich vor. Dein Atem beschleunigt sich, als dein Blick an meinen Lippen hängen bleibt. »Also, wenn du das nicht willst, hast du jetzt eine Chance, Nein zu sagen. Dann werde ich dich in Ruhe lassen. Dann werde ich dich nie wieder anfassen, nie wieder küssen. Dann wirst du mich nie wieder spüren. Dann werden wir nichts weiter sein als eine ehemalige Affäre. Aber wenn du Ja sagst, werde ich mich bemühen, dir öfter zu zeigen, was in mir vorgeht und was du mir bedeutest.«
Bewusst pflanze ich dir das Gefühl ein, wie es für dich ohne mich sein würde. Wie du mich verlierst. Ich spiele mit deinen Ängsten. Wedle praktisch mit der Droge vor deinem Gesicht herum und drohe, sie dir für immer zu entziehen. Gleichzeitig mache ich dir aber auch Hoffnung auf mehr, auf das, was du schon immer von mir wolltest – eine Beziehung.
»Wirklich?«, fragst du leise, hebst eine Hand und streichst mir ein paar Strähnen aus der Stirn. Dein Blick ist dabei so fasziniert, Alyssa. Genau das, was ich brauche und ich bin genau das, was du brauchst, meine Schöne. »Ich kann Nein sagen?«
»Ja.« Du wirst nie erfahren, wie viel es mir abverlangen würde, mich von dir fernzuhalten, und wie viel du mir eigentlich bedeutest. Aber ich würde es tatsächlich versuchen.
Schwer lässt du deine Hand wieder sinken und atmest tief aus. »Als ich mich wieder auf dich eingelassen habe, hast du mir versprochen, mir nicht noch einmal wehzutun«, sagst du leise und hältst meinen Blick.
»Ich weiß, Alyssa.« Ich streiche mit meiner Nase über deine Schläfe und ziehe tief deinen Duft ein. »Ich habe gelogen.«
Zittrig verlässt der Atem deine Lippen, als du eine Hand an meine Schulter legst und mich ein Stück nach hinten drückst. Wieder rastet dein Graublau in meinen Augen ein.
»Du lügst mich also erst an, würgst mich dann fast tot, weil ich mit Donovan gesprochen habe, und stehst jetzt vor mir, um mir zu sagen, dass du mich wieder willst, mir aber erneut wehtun wirst?«, erkundigst du dich ruhig, doch da ist dieses Beben in deiner Stimme und dein Blick ist glasig.
»Ja«, antworte ich sanft. »Jetzt bin ich ehrlich. Jetzt sage ich dir, dass ich für nichts garantieren kann, aber gleichzeitig sage ich dir auch, dass ich dich will.«
Du schluckst und deine Finger an meiner Schulter zucken. Du willst über meinen Körper streichen, mich anfassen, mich als dein markieren. Du bist berauscht von mir und geblendet von meiner Maske.
»Empfindest du etwas für mich?« Du siehst zwischen meinen Augen hin und her. Ich balle eine Hand zur Faust, denn ich weiß, dass ich in dieser Hinsicht ebenfalls ehrlich zu dir sein muss. Ich spüre, dass ich dich sonst nicht zurückbekomme.
Und obwohl es mir wirklich schwerfällt, bringe ich ein »Ja« über meine Lippen. »Ja, das tue ich, Alyssa. Sonst wäre ich nicht hier.« Du weißt nicht, was für eine Macht du über mich hast und was ich wirklich empfinde.
In deinem Blick explodieren die Emotionen und Erleichterung flutet deine gesamte Haltung. Das ist, was du dir die ganze Zeit von mir gewünscht hast, nicht wahr?
»Das ist nicht fair«, wisperst du heiser. »Rowan, das ist nicht fair.«
»Wieso?« Hauchzart streiche ich mit meinen Lippen über deinen Kiefer. Dir entkommt ein verzweifeltes Stöhnen, als du den Kopf etwas neigst. Du kannst nicht anders, ich weiß, meine Schöne und es ist in Ordnung. Lass dich einfach fallen. Diesmal werde ich dich sanft auffangen. Du erschauerst und krallst dich an deinem Kleid fest. Dein Atem überschlägt sich beinahe.
»Weil du weißt, dass ich nicht Nein sagen kann«, flüsterst du.
»Ich hab nie behauptet, ich wäre fair, meine Schöne«, murmle ich in dein Ohr.
Zittrig atmest du aus und drehst meinen Kopf an meinem Kiefer wieder zu dir. Dein Blick zuckt zwischen meinen Augen hin und her. Deine Finger streichen über mein Kinn. Das fühlt sich gut an und du spürst es auch, nicht wahr?
Eindringlich siehst du mir in die Augen. »Letzte Chance.« Ich nicke knapp. In Ordnung, Alyssa. Letzte Chance. Aber bevor ich etwas erwidern kann, packst du meinen Kragen und ziehst meine Lippen auf deine.
Fuck.
Als ich deinen Mund spüre, zähmt es kurzzeitig diesen einen Teil in mir, der immer unkontrollierbar bleiben wird. Du krallst dich in mein Shirt und küsst mich drängend. Ich lasse meine Zunge über deine streichen und erschauere, als ich dich schmecke. Mit einem Arm umfange ich deine Taille und ziehe dich näher, wobei ich mich vor den Sessel hocke. Du schlingst deine Beine um meine Taille und packst meinen Kiefer mit beiden Händen. Sie sind so klein und haben doch so viel Macht. Fest greife ich in deinen Nacken.
Fuck.
Ich brauche das.
Ich brauche dich.
Was ist das, Alyssa?
Mit der anderen Hand ziehe ich deinen Unterkörper näher und du rutschst auf meinen Schoß. Ich stöhne, als ich dich spüre und du deine Finger in mein Haar krallst.
»Ich werde dich jetzt vögeln, wenn du nicht aufhörst«, murmle ich heiser und selbstvergessen an deinem Mund und du keuchst, als du dich etwas auf mir bewegst. Du unterbrichst den Kuss, lässt aber deine Stirn gegen meine sinken. Wir starren uns schwer atmend an. Ich sehe jeden einzelnen Sprenkel in deinem Graublau, jeden einzelnen Gedanken in deinem Kopf. Jeden Zweifel. Jede Angst. Jede Unsicherheit. Jede Frage, ob du gerade das Richtige tust.
Das alles sauge ich in mir auf.
Das alles gehört mir.
Mit einer Hand streiche ich über deine Wirbelsäule und du bewegst dich mir entgegen. Deine Lider sinken. Du lässt dich fallen. Gut so.
Fall, meine Schöne.
»Okay«, wisperst du.
Ich drücke meinen Mund wieder auf deinen, absorbiere das Gefühl deiner weichen Lippen. Mit einem Ruck wirble ich dich herum, sodass du auf dem Boden unter mir liegst, und küsse dich tiefer.
Ich ziehe die Leine enger um deinen Hals, aber stranguliere mich auch selbst damit.
Ja, Alyssa, auch du hast mich an der Leine.
Aber das wirst du nie erfahren. Ich werde niemals einem anderen Menschen diese Macht über mich zugestehen. Das kann ich einfach nicht. Ich bin nicht offen. Ich bin nicht rein. Das Leben ist für mich ein Schachspiel, bei dem ich auf keinen Fall verlieren darf.
Ich muss die Kontrolle behalten.
Über die Menschen, die ich liebe.
Über die Dinge, die sie tun.
Über meine Gedanken.
Über alles.
Denn du hast ja gesehen, was passiert, wenn ich die Kontrolle verliere. Und ich hoffe, dass ich nicht gezwungen sein werde, noch einmal dieses Monster zu entfesseln.
Denn das wäre sehr unschön für dich, meine Schöne.