55. Kein fucking Esel
(Monsonair – Guillotine)
Marcello
Die Sonne knallt auf meinen nackten, verschwitzten Rücken, während ich zwei schwere Koffer auf das Grundstück meines Onkels nebenan befördere.
Heute ziehen Sergio, Rosalie und ihre vier Kinder von einem Haus in das andere. Sie werden für die Dauer ihres Chicago-Aufenthaltes wieder bei meinem Onkel wohnen, wie schon vor Urzeiten. Das wurde nach langen Gesprächen so beschlossen. Ich hinterfrage das nicht. Darf ich ja nicht. Interessiert ja niemanden, was Marcello sagt. Aber falls es jemand wissen will: Ich finde es beschissen. Wenigstens Donovan hätte bei uns bleiben können. Ich habe ihn gern um mich herum, und wer mich kennt, weiß, was das heißt. Ich habe nämlich so gut wie niemanden gern um mich herum. Außerdem hasse ich es, wenn Familienmitglieder ausziehen. Manchmal kommen sie nicht mehr zurück, obwohl sie dir sagen, sie würden zurückkommen und es würde nicht mehr lang dauern.
Aber gut. Ich will hier ja nichts dramatisieren. Donovan ist schließlich nur nebenan und nicht auf der anderen Seite der Stadt. So kann er vielleicht besser das Herz seiner Prinzessin erobern. Denn dass da irgendwas zwischen Alyssa und ihm läuft, ist kaum zu übersehen. Ich bin nicht Alyssas größter Fan. Ach, was sage ich da? Ich bin gar kein Fan von ihr, aber allein, um Rowan ans Bein zu pissen, hoffe ich, dass Donovan das Mädchen kriegt. Ich liebe es, wenn ein Typ, der glaubt, ihm würde die Welt gehören, auf die Fresse fällt, und Rowan hat es so was von verdient.
Donovan flucht hinter mir, was mich aus meinen – mal wieder – ziemlich gehässigen Gedanken reißt. Ich drehe den Kopf, während ich an der hohen Weide meines Onkels vorbeigehe.
Donovans Gesicht ist kaum zu erkennen, weil er irgendwelche Kartons trägt. Der obere rutscht immer wieder, aber unseren Eltern war das scheißegal. Sie denken wohl, wir wären Packesel. Ich frage mich, wie man so viel Zeug haben kann. Was ist da drin? Sexspielzeug? Alte Pornos aus den Neunzigerjahren? Schallplatten? Videokassetten? Oder wie hießen die Teile nochmal?
Aber gut, geht mich ja nichts an. Auch hier hat mich niemand gefragt, mir wurden einfach nur von meiner Mutter die Koffer in die Hände gedrückt. Ich konnte sie nicht einmal anblaffen, dass sie die Scheiße doch selbst rüberschaffen oder es Vittorio machen lassen soll, weil Dad an der Tür lehnte und mich genauestens beobachtet hat. Er ist Moms Bodyguard oder so. Was weiß denn ich. Also habe ich ihr nicht an den Kopf geworfen, dass ich verdammte Scheiße noch eins Besseres zu tun habe.
Kein Thema, Mom. Es geht schon, Mom
. All die Dinge, die sie Rosalie mitgibt. Man kann es auch übertreiben mit der Nächstenliebe. Ehrlich.
Ich umfange den Griff etwas fester, als er droht, von meiner schweißnassen Hand zu rutschen. Der Kies knirscht unter meinen Schritten, während ich mich an den unzähligen Audis vorbeischlängle.
Wir sind seit drei Tagen wieder in Chicago, und obwohl die Ereignisse in der Hütte noch so jung sind, geraten sie langsam in Vergessenheit. Zumindest leben alle weiter. So, wie es eben immer ist.
Donovan hat Maddox umgebracht, so viel weiß ich jetzt auch. Ich bin immer noch fassungslos und wünschte, ich wäre da gewesen. Wünschte, ich hätte ihm das ersparen können. Denn ich weiß genau, wie er sich jetzt fühlt. Deswegen meide ich das Thema die meiste Zeit ihm gegenüber. Gerade erst erfährt er, wer er ist. Im nächsten Moment hat er jemanden erschossen. Mir ist klar, dass das unterschwellig noch in ihm brodelt, und so schnell wird er das auch nicht verarbeiten. Ich hätte ihn gern davor bewahrt, sich seine Hände schmutzig machen zu müssen, weil es mir gar nicht behagt, dass Donovans Weste nun befleckt ist. Bei mir spielen ein oder zwei Flecke keine Rolle mehr. Ich bin schon lange nicht mehr rein. Lange nicht mehr weiß. Lange nicht mehr unschuldig. Erst vor Kurzem habe ich mir einen neuen Fleck angeeignet. Cristiano, einer der Bodyguards meines Onkels, wird in etwa einer Woche wieder seinen Dienst antreten. Sein Kiefer war gebrochen. Das ist auch gut so. Ich hoffe, er hat noch Schmerzen und denkt jedes Mal an mich, wenn er seinen Mund aufmacht. Seinen Mund, den er auf Ilarias gepresst hat.
Ilaria ist mein und tabu. Ich denke, das hat Cristiano nun begriffen. Trotzdem werde ich ihn beobachten, wenn er zurückkommt. Ich werde ihn stets im Blick haben und sollte er nicht seine Wichsgriffel bei sich behalten, prügle ich ihn das nächste Mal unter die Erde – nicht nur auf die Intensivstation.
Ich umrunde den plätschernden Brunnen. Am liebsten würde ich mich reinlegen, weil es so verdammt heiß ist. Als Kind
saß ich oft nackt in diesem Brunnen – versteckt hinter den Teufelsstatuen. Davon gibt es noch einige Bilder. Allerdings habe ich damit aufgehört, als Dad mir in meiner Kindheit weisgemacht hat, die Statuen würden aus den Seelen der verstorbener Menschen dieses Hauses bestehen. Dann habe ich nicht mehr darin gesessen. Natürlich auch jetzt nicht mehr. Aber sicher nicht, weil ich Hemmungen habe. Allein, um den Blick meines Onkels zu sehen, würde ich gern mal nackt durch sein Haus spazieren. Aber irgendwann ist es ja nicht mehr süß, wenn man seinen Schwanz der Öffentlichkeit präsentiert. Dann heißt es, man wäre pervers.
Donovan und ich steigen die Stufen hinauf, die zur Veranda führen. Durch die offene Flügeltür gelangen wir ins kühle Haus. Gott sei fucking Dank. Keine Hitze mehr. Der Schweiß läuft mir schon in die Arschritze. Fuck. Wer hat überhaupt diesen beschissenen Sommer erfunden?
Natürlich bemerke ich sofort, dass Donovan und ich beobachtet werden. Von niemand Geringerem als meinem Onkel, dessen Bürotür offen steht. Er sitzt wie immer hinter dem Schreibtisch, dieser Sesselfurzer.
Düster halte ich seinen Blick, während wir das Foyer durchqueren.
Nein, sag Savio bloß nicht, dass er uns das abnehmen soll. Wir machen das schon! Und du, Savio, bleib da stehen und schmunzle.
Ich kann ihm ja auch mal den Kiefer brechen. Wobei ich zugeben muss, dass die Fetzen meines schwarzen Herzens ein wenig an Savio hängen. Der würde Ilaria auch sicher nicht einfach vögeln.
»Oh, verfickte Scheiße«, zischt Donovan und kann den oberen Karton gerade noch so davon abhalten, herunterzufallen, als ich schon nach vorne zucke.
»Soll ich ihn dir abnehmen?«, frage ich gereizt. »Was ist da überhaupt drin? Zement oder was? In Stein gemeißelte Sechziger-Jahre-Pornos?«
»Moms Schuhe!«, blafft Donovan ebenfalls gereizt.
Gut, dann eben nicht.
Schulterzuckend erklimme ich die Stufen. Donovans und meine Schritte werden von dem roten Teppich gedämpft, als wir an den Ahnenbildern vorbeigehen. Unsere Vorfahren sehen alle aus, als hätten sie ein Ei im Höschen oder wahlweise einen Stock im Arsch. Sitzt sich nur so schlecht damit. Ist das Lächeln auf solchen Porträts verboten oder was? Und was ist das eigentlich für eine Fliege? War das modern in den Dreißigern? Bitte.
Kopfschüttelnd sehe ich die Treppe hinauf und verenge meine Augen. Ach, wen haben wir denn da? Mein wieder völlig intaktes Püppchen. Das ist auch verdammt nochmal besser so. Ilaria ist nicht gebrochen. Ilaria ist nicht kaputtgegangen. Ilaria steht am Geländer des dritten Stockwerkes und hat sich gemeinsam mit ihrer Schwester mit den Ellbogen auf das dunkle Holz gestützt.
Was soll das denn?
Findet sie es etwa lustig, mir bei 32 Grad dabei zuzusehen, wie ich Zementklötze schleppe? Ich kann ihr ja mal damit den Arsch versohlen, bis er blau wird. Dann darf sie ihrem Daddy erklären, warum sie nicht mehr sitzen kann. Mit freundlichen Grüßen von mir natürlich.
Jedenfalls trägt Ilaria ein schwarzes und Alyssa ein weißes Kleid. Ach nein, was soll das denn? Machen sie jetzt einen auf Engelchen und Teufelchen oder was? Dann weiß ich aber nicht, ob die Farben so stimmen. Ganz ehrlich nicht.
Ich lasse meinen Blick prüfend über Ilaria wandern. Sie wirkt wieder geordnet. Die Schrammen sind verheilt und die Spuren des nächtlichen Aufenthaltes im Hotel Wald verblasst. In den letzten drei Tagen habe ich sie schmoren lassen. Immerhin habe ich ihr ja mit Sexentzug gedroht. Kein Marcello-Schwanz für
Ilaria. Und wehe, sie setzt sich auf einen anderen. Allerdings beschließe ich in dieser Sekunde, als Ilaria sich eine Traube zwischen ihre Lippen schiebt, dass ich sie bald wieder ficken werde. Ich will mich ja nicht selbst bestrafen und das tue ich, wenn ich mir meine Pussy verbiete. Ich habe auch über ein paar neue Regeln nachgedacht, die ich ihr später mitteilen werde. Später, denn ich muss jetzt erst mal diese Scheiße hier nach oben schleppen. Danach kümmere ich mich um sie. Eins nach dem fucking anderen. Ich bin kein verdammter D-Zug.
Oder sehe ich aus wie einer?
Ich denke eher nicht.
»Nein«, knurre ich in mich hinein und hieve die Koffer weiter hoch, obwohl sie beinahe von meinen verschwitzten Händen rutschen.
»Wieso nicht?«, fragt Donovan, ohne auch nur zu ahnen, worüber ich nachdenke.
»Weil ich kein Zug bin!«, erkläre ich gereizt, weil er nicht von selber weiß, was ich meine.
»Stimmt.«
Dieser Scheißer. Er weiß wirklich, wie er mit mir umgehen muss.
Ilaria weiß es nicht. Sonst würde sie nicht dieses Kleid tragen und sicher keine Trauben in ihren Mund schieben, in dem Donovan schon mit seinem Schwanz war. Was wird das überhaupt? Will sie ihn reizen?
Oben angekommen, bohre ich meinen genervten Blick in Ilarias.
»Was wird das?«, frage ich mit hochgezogenen Brauen. Es ist mir auch scheißegal, dass Ilarias Schwester zwischen uns steht. Ich kann sie ja einfach wegpusten, diese kleine Feder, die mich jetzt so pseudowarnend anblitzt. Ich ignoriere sie, wie immer, seit ich weiß, dass Donovan auf sie steht. Früher habe ich sie in einer Tour beleidigt – genau wie sie mich. Das heißt, ich
habe sie gefragt, ob sie in letzter Zeit keinen Schwanz zwischen den Schenkeln hatte oder wieso sie so zickig ist. Ich habe sie mit Hey Bitch
begrüßt und sie mich mit Hey, du widerlicher Flachwichser
. Doch durch Donovan herrscht zwischen uns so etwas wie ein Waffenstillstand. Aber auch nur, weil er mein bester Bro ist.
Trotzdem zeigt mir Alyssa mit ihren Augen, dass sie mich am liebsten die Treppen runterschubsen würde, und ich mache ihr das Gleiche mit meinem Blick klar. Ich bin ja ein Neandertaler
. Aber dass sie für den größten Psycho Chicagos die Beine breit macht, dazu sagt niemand was. Rowan ist angeblich gut für sie
. Sicher doch. Das ist es, was ein Psychopath einen glauben lässt. Drüben in unserem Haus leben genug. Ich weiß, wovon ich rede.
»Ich esse Trauben und genieße die Aussicht«, erklärt Ilaria nüchtern, weswegen ich meinen Blick von Alyssa weg und in Ilarias dunkles Braun schweifen lasse.
»Genieß sie lieber nicht zu sehr. Ich komme später vorbei«, erwidere ich warnend und Alyssa stöhnt genervt auf. Sie soll sich nicht so aufspielen und immer so ein Drama machen, immerhin wird sie uns doch sowieso nicht verraten.
»Wir haben rund um die Uhr geöffnet«, schnurrt Ilaria und ich schnaube. Was gibt es denn da zu schnurren? Ist sie eine Katze oder was?
»Oh, das weiß ich, Ilaria. Das weiß ich«, fahre ich sie an, als Donovans Kartons gegen mein Steißbein stoßen und er mich weiterschiebt. Scheiße, dieser Irre.
»Geh weiter jetzt!«, keucht er auch schon hinter mir, weil er wohl nicht mehr kann. Wahrscheinlich wollte er sich vor Alyssa nichts anmerken lassen. Na ja, das ist jetzt in die Hose gegangen. Sie lacht auch schon leise in sich hinein. Ich setze mich mit einem dämonischen Lachen in Bewegung, weil Donovan sein Gesicht nicht wahren konnte. Prompt werden mir die Kartons
wieder gegen das Steißbein gerammt und ich zucke zusammen, als ein kleiner Schmerz durch meinen Rücken zischt.
»Ladys«, grüßt Donovan höflich, kann aber nicht ganz den angestrengten Unterton aus seiner Stimme vertreiben. Augenverdrehend stelle ich die Koffer einfach zwischen irgendwelche Türen, weil ich ja nicht weiß, was hier wem gehört. Und eigentlich ist es mir auch scheißegal. Mom hat gesagt: Trag die Koffer rüber.
Dads Augen haben gesagt: Tu, was sie will, du Scheiße
. Also hat Marcello getan, was Mom wollte. Meine Aufgabe ist erledigt.
Ich wische mir den Schweiß mit dem Unterarm vom Gesicht, während Donovan die Sachen stöhnend fallen lässt. »Verfluchte Mom«, murmelt Donovan und hebt sein Shirt am Bauch, bevor er mit dem Saum ebenfalls über seine Stirn fährt.
Gerade will ich mich umdrehen, als eine Tür sich öffnet. Es ist Ilarias Mutter. Oh, nein. Elena de Luca ist ja heiß und alles, aber ich habe generell ein Problem mit Müttern der Töchter, die ich zurzeit ficke.
Telefonierend betritt Elena de Luca den langen Gang. Natürlich falle ich ihr auf, als sie in ihrem Sommerkleid an uns vorbeischwebt. Und hier kommt diese eine Sache, die ich nach wie vor nicht verstanden, aber mittlerweile akzeptiert habe: Donovan
streicht sie durch das Haar und ich
kriege einen Todesblick. Dabei deutet sie mir auch noch, dass sie mich im Auge behält, wobei ich genauestens weiß, dass sie keine Ahnung hat. Sonst hätte sie schon ihre Kalaschnikow unter ihrem Kleid hervorgezogen und uns alle erschossen. Sie verschwindet die Treppen nach unten und ich seufze.
»Wieso lieben dich alle?«, frage ich Donovan sofort genervt, dem eine braunblonde Strähne in die Stirn fällt.
»Sie tun es einfach und ich hinterfrage es nicht.« Er zuckt mit den Schultern. »Das hat sicher nichts mit dir zu tun«, beruhigt er mich halbherzig und klopft mir gegen den Oberarm. Ich
halte ihm meinen Mittelfinger mit dem eintätowierten Symbol der Damenkarte direkt vor die Nase, aber noch bevor er darauf reagieren kann, wende ich mich schon wieder um und schreite den Gang zurück. Donovan, dieser Everybody’s Darling-Typ, folgt mir beschwingt.
Ilarias dunkler Blick folgt mir ebenfalls, aber ich beachte sie jetzt nicht weiter. Nun weiß sie, dass ich sie heute noch besuchen werde, deshalb soll sie jetzt schmoren und warten. Bloß nicht vergessen, wie sehr sie mich braucht.
»Schau nicht so, Prinzessin«, sagt Donovan wahrscheinlich zu Alyssa, deren Blick ich allerdings nicht sehen kann. Ich werde mich jetzt auch nicht umdrehen.
Stattdessen werde ich runtergehen und die fucking nächste Ladung rüberbringen. Bullshit.
Und wieso muss Salva eigentlich nicht helfen?
Ach ja, er erledigt ach so wichtige Dinge
für seinen Dad. Das ist ohnehin nur eine Ausrede. Wahrscheinlich raucht er gerade Shisha mit Rowan, während sie Pläne schmieden, wie sie die Weltherrschaft an sich reißen können. Das Schlimme ist, sie würden es auch noch schaffen. Irgendwann wird Salva die Geschäfte meines Onkels übernehmen und Rowan die der Rushs – gleichzeitig wird er Salvas rechte Hand. Tja, dann sind wir im Arsch und ich muss jemanden erschießen. Ich sehe es schon kommen.
Allerdings ist schon mal klar, dass ich mich sicherlich nicht einem Salva unterordnen werde. Niefuckingmals.
Wie dem auch sei. Ich drifte immer etwas ab, wenn ich Drogen nehme, und nein, damit habe ich seit Dads kleiner Ansprache nicht aufgehört. Er hat keine Ahnung und ich werde ihm auch nicht erklären, was in mir vorgeht oder wieso ich etwas mache. Ich komme auf diese Weise eben klar, also soll er sich nicht einmischen.
Donovan und ich marschieren durch das Foyer. Wieder folgt uns der Blick meines Onkels, der hinter seinem Schreibtisch sitzt. Mittlerweile ist Giovanni Guerra, Savios Vater und de Luca-Berater bei ihm. Sie paffen Zigarren und mein Onkel wirkt zufrieden. Ich
bin überhaupt nicht zufrieden. Niemand hier ist zufrieden. Bis auf meinen Onkel natürlich. Das ist übrigens meistens so. Je mehr Leuten es beschissen geht, desto besser geht es ihm.
Wir treten wieder in die glühende Hitze, wobei sich Donovan durch die Schatten schiebt. Sergio kommt uns vom Grundstück meines Vaters aus entgegen und Sarah die Zweite, meine Hundelady und große Liebe, trottet ihm gemächlich und schnaubend hinterher, hält aber immer wieder an, um an Sträuchern zu schnüffeln. Sie ist schon alt und nicht mehr die Schnellste. Ihr beigeweißes Fell an der Schnauze ist bereits ergraut. Als ihre braunen, neugierigen Augen auf mich treffen, gehe ich kurz vor ihr in die Hocke – so viel Zeit muss sein – und streichle sie. Sie grunzt glücklich, während sie mich vollsabbert und mir dann ihren Arsch hinstreckt, damit ich ihn kraule. Das tue ich natürlich. Alles, was die Lady will. Sie darf das. Ilaria nicht. Bei ihr gilt das Gegenteil.
Sergio schlendert ohne einen Koffer oder Karton, aber mit Sonnenbrille auf der Nase lässig Richtung Haus. Er ist mal wieder sein innerlich lustigstes Selbst. Ich sehe es an seiner amüsierten Miene. Fehlt nur noch, dass er pfeift, während er mit einer Hand in der Tasche seiner weißen Leinenhose und dem gleichfarbigen Shirt, das seinen Oberkörper umspielt, weitergeht, als würden wir nicht existieren. Donovan sieht ihm völlig entrüstet nach und ich schnaube. Schön, dass er gute Laune hat. Ich habe keine.
»Dad!«, ruft Donovan empört. Sergio dreht sich um und macht ein paar Schritte rückwärts. Dabei hebt er fragend die Brauen. »Du hast nichts in der Hand!«
»Ich hab nicht umsonst Kinder gezeugt!«, antwortet er schnaubend, wendet sich wieder um und schlendert weiter. So ist das. Sie setzen dich in die Welt, ohne dich zu fragen, ob du das überhaupt willst, um einen kleinen Sklaven aus dir zu formen. Donovan ist völlig außer sich. Tja, so sind sie, unsere Eltern.
Immer darauf bedacht, uns leiden zu lassen. Aber ich verstehe sie ja. Ich bin auch darauf bedacht, jemanden leiden zu lassen.
Und zwar Ilaria.
Neue Regeln. Neues Spiel. Neue Runde.
Aber erst schleppe ich noch ein paar Koffer.