Gut gemacht, Dirk!
Der Mensch ist ein soziales Wesen.
Lasse andere an deinen Gefühlen teilhaben!
Mit bebenden Fingern und rasendem Puls verstaute ich das Handy und stieg in das Cabrio. Ungerechtigkeit war mir seit jeher zuwider. Und wenn sie mir selbst widerfuhr, dann wurde ich zornig. Normalerweise trat ich dann kräftig in die Pedale meines Klapprads, jetzt trat ich aufs Gaspedal.
Der Fahrtwind kühlte meinen heißen Kopf.
Der Verein war also gewillt, auf mein Engagement und Knowhow zu verzichten? Von mir aus, bitteschön! Sie würden schnell merken, wohin das führte, und beizeiten wieder angekrochen kommen. Und wenn nicht? Auch kein Problem. War ich nicht sowieso im Aufbruch? Ich war grade dabei, den wahren Dirk ans Licht zu holen, eine berufliche Veränderung wäre da nur konsequent. Das lumpige Gehalt, das mir die Schule bot, war eh eine Unverschämtheit.
Die Sonne stand hoch am Himmel, brannte in meinem Nacken. Ich genoss die neue Erfahrung, unbezopft, wie ich seit kurzem war. Eine Weile düste ich mit offenem Verdeck ziellos durch die Stadt, bis ich beschloss, nach Hause zu fahren, wo ich einen – äußerst vernünftig klingenden – Entschuldigungsbrief an Arnulf schrieb. Als ich wieder in das Cabrio stieg, um den Brief in den Kasten zu stecken, überkam mich ein unangenehmer Gedanke.
Das Vereinskonto.
In die eine Richtung waren die Transaktionen problemlos verlaufen, mit der Rückabwicklung sah es plötzlich anders aus. Das Geld, über dreißigtausend Euro, war weg. Norbert hatte jetzt Zugriff auf das Konto, selbst ein Vollpfosten wie er musste früher oder später bemerken, dass etwas nicht stimmte.
Betrachte die Dinge relativ!, hatte Weltenmeister geschrieben. Drehe das Vertikale einfach um 90 Grad ins Horizontale! Links, rechts, vorn und hinten, wenn juckt’s?
Stimmt. Wen juckt’s?
»Dreißigtausend?« Sören hob die Brauen.
»Genau«, nickte ich.
»Und wofür brauchst du die?«
»Na ja …« Ich dachte kurz nach. »Also …«
Der blondierte Kopf von Sörens Assistentin erschien in der Tür. Sie erinnerte daran, dass Sören in fünfzehn Minuten einen Termin mit dem Bürgermeister habe, warf mir einen kühlen Blick zu und verschwand wieder. Hartnäckig hatte sie sich geweigert, mich ins Büro zu lassen, bis ich ihr klargemacht hatte, dass Sören und ich alte Kumpel seien.
»Ich will was Neues machen«, sagte ich. »Beruflich und so.«
»Ach, du willst an der Schule kündigen?«
»Hab ich schon. Also … aufgehört. Ich meine, der Job war schon gut, mit den Kindern und so. Aber irgendwann muss man sich neu orientieren, weißte? Jahrelang immer die gleichen Diskussionen mit immer den gleichen Leuten über die gleichen Themen … ich muss mal raus aus der Mühle, dem ganzen Trott.«
Sören sah mich über seinen eindrucksvollen Schreibtisch hinweg an.
»Und wofür brauchst du das Geld genau?«
»Für mein Konto.«
Klar, wofür sonst?
»Als Startkapital«, fügte ich hastig hinzu, als Sören die Stirn runzelte.
»Was konkret«, fragte er, »willst du machen?«
»Na ja …« Ich kam ein wenig ins Schlingern. »Ich hab da was in der Pipeline. Was Größeres. Also nicht mit Kindern, sondern … mit Menschen. Und weil du doch mal gesagt hast, dass …«
»Ja?«
»… ich was gut bei dir hätte, da dachte ich …«
»Dreißigtausend?«, unterbrach Sören. »Dafür, dass du mich nach Berlin gefahren hast?«
»Nee«, wiegelte ich ab. »Du kriegst es natürlich zurück. Mit Zinsen. Und so was.«
»Pass mal auf.« Sören beugte sich vor. »So ein Neustart ist immer irgendwie geil. Aber dafür braucht man ’nen Bussinessplan. Man braucht«, er tippte sich an die Schläfe, »Köpfchen.«
»Hab ich«, erwiderte ich. »Mehr als genug.«
»Alles, was du hier siehst, hab ich allein aufgebaut.« Sören hob die Arme, seine Rolex blitzte am Handgelenk. »Ich kann’s mir nicht leisten, mein Geld einfach so rauszuhauen. Die Kohle muss arbeiten. Logisch, oder?«
»Logisch.«
»Wenn du ’n Investment hast, lasse ich das von meinen Leuten prüfen.« Sören stand auf, kam um den Schreibtisch. »Und wenn die’s abnicken, steige ich ein, okay?« Er legte mir einen Arm um die Schulter, führte mich zur Tür. »Nächsten Freitag geb ich ’ne kleine Party. Ich hab Geburtstag und …«
»Klar!«, strahlte ich. »Da bin ich natürlich dabei!«
»Cool«, nickte Sören. »Ich brauche noch jemanden, der die Lautsprecher im Garten aufbaut.«