»Alles Gute zum Geburtstag.« Ich reichte Sören einen Blumenstrauß, den dieser achtlos neben sich auf einen Stehtisch legte. »Coole Feier«, grinste ich.

Die Party war in vollem Gange. Nach dem Aufbau der Musikanlage hatte ich die Gelegenheit ergriffen, einfach bei der Party zu bleiben. Sörens Haus (besser gesagt sein Anwesen) war filmreif illuminiert. Es mussten über hundert Gäste sein, die sich im Garten und auf der Terrasse seiner Villa verteilten. Die livrierten Angestellten einer Cateringfirma füllten unentwegt Gläser nach und servierten deliziöse Häppchen. In meinen Jeans und dem karierten Hemd fühlte ich mich ein wenig unbehaglich inmitten all dieser festlich gekleideten, erfolgreichen Menschen, die sich zu dezenter Musik in kleinen Grüppchen unterhielten.

»Ich hab gehört, was passiert ist«, sagte Sören, der nach seinem vierten Martini wesentlich kumpeliger drauf war als vor ein paar Tagen. »Hätte dir nicht zugetraut, dass du jemandem eine reinhaust.«

»Ist auch sonst nicht meine Art«, entschuldigte ich mich indirekt. »Ist aber geklärt. Ich hab mich ehrlich entschuldigt. Alles wieder im Lot.«

»Trotzdem. Imponiert mir, wenn sich jemand durchsetzt. Und mal unter uns«, er senkte vertraulich die Stimme, »der Arnulf ist ’ne ziemliche Flachzange. Ein Langweiler vor dem Herrn.«

»Logo.« Sören rührte in seinem Martini, steckte die Olive in den Mund. »Ich hab früher mit dem zu tun gehabt. Kurz nach der Lehre, als ich noch bei der Versicherungsbude angestellt war. Der Arnulf«, sagte er kauend, »war nie Teamplayer. Ich weiß noch, wir hatten da mal ’ne Party mit der ganzen Mannschaft, drüben bei den Tschechen. Echt wilde Zeiten«, grinste er. »Champagner, Koks und Weiber, alles da.«

»Echt?«, fragte ich ungläubig. »So was gibt’s wirklich?«

»Damals ja, heute unvorstellbar. Jedenfalls«, Sören leerte sein Glas, »alle waren voll am Feiern, nur Arnulf nicht. Direkt nach dem offiziellen Teil ist der einfach abgehauen. Aber wir«, er kniff ein Auge zusammen, »haben’s ordentlich krachen lassen, wenn du verstehst.«

Das tat ich sehr wohl. Und dass Arnulf eine Schlaftablette war, konnte ich nur bestätigen. Auf meinen Brief hatte er sachlich und verständnisvoll reagiert. Am Nachmittag hatte er mich auf dem Handy angerufen und gemeint, die Sache sei – auch in Meinos Interesse – vergessen.

Ein echter Typ, ein echter Charakter mit Ecken und Kanten hätte anders geantwortet. Aber okay, es gab halt solche und solche.

Ein Knacken erklang, der DJ begrüßte die Gäste, dann schepperte ein Diskohit aus den Boxen.

»So, jetzt wird gefeiert.« Sören nickte mir zu und schlenderte gemächlich wippend in Richtung der sich zusehends füllenden Tanzfläche. »Ach, und übrigens«, rief er mir über die Schulter zu, während er in der Menge verschwand. »Arnulf kommt auch noch! Mit Albina!«

Instinktiv zog ich den Kopf ein und ging hinter der Marmorsäule, an der ich gelehnt hatte, in Deckung. Mein

»Huch!« Die hübsche Hostess erschrak, als ich überraschend hinter der Säule hervorsprang.

»Hoppla, junges Fräulein!«, entschuldigte ich mich keck.

»Kein Problem«, entgegnete sie ausgesprochen freundlich.

Ich sah, dass sie Mühe hatte, das vollbeladene Tablett auszubalancieren, und nahm vorsichtshalber gleich zwei Getränke aus ihrem Angebot.

»Schöne Frauen sollen doch nicht so schwer tragen«, lachte ich, prostete ihr zu und kippte die beiden Gin Tonic ohne unnötige Zeitverschwendung hinunter.

*

Nach zehn Minuten und zwei weiteren Gläsern fühlte ich mich wieder besser. Mein Entschluss stand fest: Ich würde mich nicht verkriechen. Das Problem mit Arnulf war bereits geklärt. Und Albina? Sollte sie ruhig sehen, dass sie in meinem Leben längst keine Rolle mehr spielte. Ich würde ihr zeigen, wie happy ich drauf war.

Lässig schlenderte ich zwischen den umstehenden Grüppchen umher. Mittlerweile konnte ich kaum erwarten, dass die beiden endlich auftauchten. Zwanglos unterhielt ich mich mit einigen Gästen, schließlich sollten Albina und Arnulf sofort erkennen, dass ich zur Party gehörte und nicht nur zum Arbeiten hier war.

Unterdessen war die nette Hostess, mit der ich

»Wie heißt du eigentlich?« Ich schnappte ein Glas und prostete ihr zu.

»Ich kellnere hier, mehr nicht. Mein Name tut da nichts zur Sache.«

Sie ging weiter.

»Lass mich raten!«, rief ich ihr nach. »Heike? Kerstin? Babett?«

Sie antwortete nicht. Ein gutes Zeichen, denn es bedeutete, dass sie sich auf mein Spiel einließ. Ich hatte sie also am Haken. Die Musik war nun deutlich lauter geworden, die wummernden Bässe kribbelten angenehm in meinem Bauch. Ich tänzelte zum Buffet, um ein paar Schnittchen zu essen. Kauend hielt ich Ausschau nach Arnulf und Albina, konnte sie aber noch immer nicht entdecken. Stattdessen tauchte meine neue Bekanntschaft wieder auf.

»Solveigh?«, rief ich mit vollem Mund. »Ute?«

Fräulein X, wie ich sie mittlerweile insgeheim nannte, reagierte nicht.

»Ich bin übrigens der Dirk«, hakte ich nach.

»Okay.« Sie blieb scheinbar unbeeindruckt.

»Dirk, wie Nowitzki«, erklärte ich mit berechtigtem Stolz und schnappte ein weiteres Glas von ihrem Tablett. Kokett drehte sie sich um und zog weiter. Das Spiel gefiel mir. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir uns noch näher kommen würden.

Der DJ drehte die Musik lauter, ein Abba-Song dröhnte aus den edlen Boxen. Der Mann hatte Geschmack, das musste man ihm lassen.

Ich schob eine kleine Runde auf der Tanzfläche ein. Den

Es ging mir gut. Saugut.

Die Zeit verging wie im Flug.

Da Fräulein X nicht mehr zu sehen war, rief ich alle Namen, die mir einfielen, über die Köpfe der Tanzenden in die Richtung, in der ich sie vermutete.

»Ey! Cordula? Steffi?« Das amüsierte Lachen der Gäste stachelte mich an. »Pryscilla? Hedwig?«

Einige Partygäste hatten Gefallen an der Aktion gefunden und schrien nun ebenfalls wild Namen umher. Ich schaute mich begeistert um, die Stimmung war auf dem Höhepunkt. Schließlich entdeckte ich Fräulein X am Rand der Tanzfläche, und da sie mich offensichtlich immer noch zappeln lassen wollte, fand ich, dass es an der Zeit sei, die Sache endlich aufzulösen. Ich drängte mich durch die schwitzende Menge, tippte ihr von hinten auf die Schulter.

»Samantha? Barbara?«

Ruckartig drehte sie sich um, doch ohne mein erwartungsfrohes Lächeln zu erwidern.

»Ingeborg?«

Anstatt einer Antwort warf sie ihr vollbeladenes Tablett krachend zu Boden und rannte ohne Erklärung davon. Allgemeines Gejohle, höhnischer Applaus und allerlei Rufe hallten in der Runde.

Ich blies die Backen auf und wackelte mit dem Kopf. Typisch Frau, gab ich damit auf meine witzige Art zu verstehen, erst anfangen und dann nicht weiterspielen.

Außer für Arnulf und Albina. Die tauchten eine halbe Stunde später auf, nickten mir von weitem zu und tanzten den ganzen Abend eng zusammen, ohne sich für den Rest der Party zu interessieren.

Langweiler eben.

Ich selbst hatte eine Menge Spaß, bis mir irgendwann jemand auf die Schulter tippte: »Dirk? Bist du das?«