Himmelsauge
Dass die Mutter wieder schwanger war, bemerkte Bertie lange nicht. Erst als die großen Jungen lästerten, seine Mutter habe wohl wieder ein Brot im Ofen, erschrak er. Zwar hatte er gesehen, dass die Mutter in den letzten Monaten rundlicher und vollbusiger geworden war, doch hatte sie sich auch sonst sehr verändert, sah längst nicht mehr so müde und blass aus. Weshalb er geglaubt hatte, dass es ihr einfach nur gut ging und sie deshalb ein bisschen fülliger geworden war.
Beim nächsten Besuch starrte er ihren Bauch an – und sie deutete seinen Blick richtig. »Ja«, sagte sie lächelnd, »in meinem Leben hat sich viel verändert. Ich … ich habe nämlich inzwischen geheiratet, weißt du, bin kein Fräulein Lenz mehr. Die Leute müssen jetzt Frau Ditters zu mir sagen. Und, na ja, bald bekommst du einen kleinen Bruder oder eine Schwester.«
Ein Lächeln, das ihm gefiel. Voller Hoffnung sah er ihr in die Augen. Was sie da eben gesagt hatte, was bedeutete das für ihn? War es endlich passiert, würde dieser Herr Ditters auch sein Vater werden und die Mutter ihn beim nächsten Mal mitbringen und Bertie von hier wegholen?
Er fragte das nicht laut, hatte Angst vor der Antwort, starrte die Mutter nur an. Doch ahnte sie, was ihn bewegte. Verlegen blickte sie auf ihre Hände.
Eine seltsame Situation. Mitten im Besucherzimmer, zwischen all den anderen Erwachsenen und Kindern, zwei, die plötzlich kein einziges Wort mehr herausbrachten. Bis die Mutter sich entschloss, seine nicht ausgesprochene Frage einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen, und ihm mit belegter Stimme verriet, dass sie nun längere Zeit nicht kommen könne. Mit dem Brüderchen oder Schwesterchen unter dem Herzen falle ihr der Weg zu schwer. »Und wenn das Baby erst auf der Welt ist, dann … dann darf ich es die ersten Wochen nicht allein lassen. So ein kleines Kind, weißt du, braucht seine Mutter.«
Sagte es und erschrak. Er war ja auch mal ein Säugling gewesen, der seine Mutter brauchte, den sie aber fortgegeben hatte … Gedanken, die ihr ins Gesicht geschrieben standen, doch interessierte ihn ihre Scham in diesem Augenblick nicht. Die Zukunft war wichtiger: Durfte er sich endlich freuen? Würden sie ihn irgendwann abholen kommen? Und war dieser Herr Ditters ein freundlicher Mann?
»Ist doch schön, dass du ein Brüderchen oder Schwesterchen bekommst, oder etwa nicht?« Sie wurde immer verlegener.
»Doch«, antwortete er brav. Eine Lüge. Ob die Mutter noch ein Kind bekam oder nicht, was hatte das mit ihm zu tun? Ihn bewegte nur ein einziger Gedanke: Würden sie und ihr Mann, wenn das neue Kind erst auf der Welt war, ihn von hier wegholen? Fragen aber wollte er sie das jetzt lieber nicht, er sah ihr an: Im Moment dachte sie nur an ihr neues Kind; eines, das sie schon jetzt sehr lieb hatte. Und das, obwohl es noch gar nicht geboren war.
In den Monaten, in denen die Mutter ihn nicht besuchen kommen konnte oder wollte, wurde Bertie von Tag zu Tag unruhiger. In der Schule – er ging bereits in die dritte Klasse – konnte er sich nicht mehr konzentrieren. Immer wieder schweiften die Gedanken ab; hin zur Mutter, diesem fremden Herrn Ditters und dem Kind, das bald auf der Welt sein würde. Die Lehrer bestraften ihn für seine Unaufmerksamkeit mit dem Rohrstock, den sie ihm kurz und zackig mehrmals über die Finger zogen, oder stellten ihn in die Ecke, wo er die Wand anstarren musste und weiter seinen Gedanken nachhängen konnte.
Nicht anders im gelben Backsteinhaus. Er wurde ermahnt und mit Essensentzug und ebenfalls mit dem Rohrstock bestraft, es nutzte alles nichts. Gemessen an den Fragen, die ihm im Kopf herumschwirrten, waren schmerzende Finger oder ein schmerzender Hintern Nebensächlichkeiten.
Als die Mutter dann endlich wiederkam, lächelte sie fröhlich; ihren Mann aber hatte sie nicht mitgebracht!
Er erfuhr, dass er ein Schwesterchen bekommen hatte, das auf den Namen Greta getauft worden war; ein gesundes kleines Mädchen, das sehr viel trinke und schlafe und kaum weine. Und wieder wollte die Mutter wissen, ob er sich denn nicht freue.
Doch nein, keine weitere Lüge! Jetzt sollte sie endlich mal sagen, was denn nun aus ihm werden würde. »Und?«, fragte er vorsichtig. »Behältst du das Schwesterchen – oder gibst du es auch fort?«
Spätestens jetzt musste sie auch mal an ihn denken.
Kaum hatte er seine Frage heraus, schnappte sie schon nach Luft, als hätte er sie mit all seiner Kraft in den Bauch geboxt. »Aber nein, warum denn?«, rief sie ganz erschrocken und wollte noch etwas hinzufügen, verstummte dann aber lieber.
Sie hatte hinzufügen wollen: Es hat doch einen Vater. Er sah ihr das an und Angst stieg in ihm hoch, eine solch unsägliche, mit Wut vermischte Angst, dass er sie nicht länger unterdrücken konnte. »Aber warum muss ich denn immer noch hierbleiben, wenn du nun endlich einen Mann hast?«, schrie er sie an. »Will er mich nicht? Oder willst du mich nicht?«
Jetzt, jetzt musste sie sagen: Aber wir wollen dich doch zu uns nehmen. Mein Karl oder Otto oder Wilhelm oder wie ihr Mann sonst mit Vornamen hieß, der freut sich doch schon auf dich … Sagte sie das nicht, das stand fest, würde er nie hier herauskommen.
Sie sagte es nicht, und sie wies ihn nicht zurecht, weil er sie angeschrien hatte. Sie blickte nur wieder auf ihre Hände und wiegte den Kopf, als hätte er sie etwas gefragt, worauf niemand eine Antwort wusste. »Das … das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst … Du bist ja auch noch viel zu jung, um richtig mit dir darüber reden zu können. Später … später einmal sollst du alles erfahren. Und dann darfst du mich verurteilen, wenn du willst. Aber jetzt, nein, jetzt geht das wirklich noch nicht.«
Das war’s! Alle Träume und Hoffnungen der letzten Monate – sie flogen davon wie eine Schar Spatzen, wenn es irgendwo knallte. »Aber wer ist denn nun eigentlich mein Vater?«, brach es aus ihm heraus. »Warum kommt der nie? Und was hast du getan, dass er nichts mehr von dir wissen will und von mir auch nicht?«
Fragen, die er sich schon oft gestellt, aber nicht gewagt hatte, sie laut werden zu lassen. Eine leise Ahnung, dass er solche Fragen nicht stellen durfte, hatte ihn davor zurückschrecken lassen. Das war nun anders: Was konnte ihm denn jetzt noch Schlimmes passieren?
Ein, zwei Sekunden lang starrte sie ihn nur an, dann sprang sie auf. In ihrem Gesicht war plötzlich alles voller roter Flecke, ihre Augen flackerten. »Was unterstehst du dich?«, schrie sie ihn an. »Wie kannst du Rotznase es wagen, mich so etwas zu fragen? Willst du etwa meinen Richter spielen?«
Da konnte auch er nicht länger sitzen bleiben. »Du Nutte!«, schrie er zurück. »Du dreckige Nutte!« Und mit hochrotem Kopf stürzte er aus dem Besucherzimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Vor der Tür wartete er. Was er gesagt hatte, war zu schlimm. Die Mutter und er hatten ja nicht allein im Besucherzimmer gesessen; all die Mütter, Großeltern, Onkel und Tanten, die an diesem Sonntag zu Besuch gekommen waren, sie hatten alles mit angehört und immer wieder ganz erschrocken zu ihnen hergeschaut. Sicher schämte die Mutter sich jetzt sehr, und vielleicht kam sie ihm nachgelaufen, um auf ihn einzuprügeln oder weiter auf ihn einzureden. Fast wünschte er sich das.
Aber nein, sie kam nicht, und so lief er ins Treppenhaus und auf den mit alten Bettgestellen, kaputten Stühlen, Tischen und Spinden vollgestellten Dachboden hinauf, seinem nach wie vor einzigen Zufluchtsort. Zwischen leeren Holzkisten, über seinem Kopf Spinnweben, auf den Dielen Mäusekot, verkroch er sich.
Er wusste, dass er die Mutter böse verletzt hatte, wusste, was jene Frauen, die von den großen Jungen »Nutten« genannt wurden, für Geld mit sich machen ließen. Aber hatte die Mutter es nicht verdient, dass er endlich mal zurückschlug?
Erst als der Gong zum Abendessen rief, tauchte er aus seinem Versteck auf, das Gesicht staubverschmiert, in den Haaren Spinngewebe, im Bauch ein flaues Gefühl. Wie automatisch war er aufgestanden, er hatte gar keinen Hunger. Doch konnte er ja nicht ewig auf dem Dachboden bleiben.
Herr Ketelsen sah ihn kurz an, dann wusste er, wo er gesteckt hatte. »Deine Mutter war bei mir«, beschwerte er sich mit finsterer Miene. »Schämst du dich denn gar nicht? Weißt du überhaupt, mit was für einem schändlichen Wort du sie beschimpft hast?«
Sollte er sich dumm stellen, um den Schlägen, die es nun bestimmt setzen würde, zu entgehen? Nein, dazu hatte er keine Lust. Sollte Herr Ketelsen seinetwegen den Rohrstock holen, einmal mehr oder weniger, was machte das schon aus?
»Du weißt es also?«
Als Antwort genügte ein Nicken.
»Ein Junge, gerade mal neun Jahre alt!« Herr Ketelsen wollte es nicht glauben. »Zu seiner eigenen Mutter – ein solches Wort!«
Daraufhin wollte er stur die Achseln zucken, geriet ins Wanken und wäre beinahe hingestürzt. Herr Ketelsen musste ihn festhalten, stutzte und befühlte seine Stirn. »Aber du hast ja Fieber! Du bist krank. Du weißt ja gar nicht, was du redest.«
Seine Rettung! Er hatte wirklich Fieber, wurde ins Krankenzimmer gebracht, dort ins Bett gelegt und schlief bald ein. Tags darauf kam Dr. Holt, der junge, freundliche Arzt, der für das Waisenhaus zuständig war. Er attestierte ihm einen ausgewachsenen Ziegenpeter und wunderte sich. »Eigentlich bist du ja schon ein bisschen zu alt, um noch so fleißig Ziegen zu hüten. Aber, na ja, wenn du ein paar Tage anstatt der Ziegen das Bett gehütet hast, springst du bald wieder über alle Zäune.«
Ein paar Tage Krankenzimmer ganz mit sich allein? Was für eine verheißungsvolle Auskunft! Aber na klar, Ziegenpeter war ansteckend; wer Ziegenpeter hatte, musste allein bleiben. Nur schade, dass er sich darüber nicht freuen konnte. Die Mutter und ihr Mann, niemals, das wusste er nun, würden sie ihn abholen. Dieser Herr Ditters wollte ihn nicht. Und die Mutter auch nicht. Oder hätte sie es sich sonst gefallen lassen, dass ihr neuer Mann ihren Sohn nicht wollte?
Düstere, wolkenverhangene Tage folgten. Und vielleicht hielt sich das Fieber trotz all der Wadenwickel, die Bertie angelegt, und all der Medikamente, die ihm verabreicht wurden, nur deshalb so hartnäckig, weil er so viel nachdenken musste. Doch konnte und wollte er das nicht ändern. Immer wieder sah er die Mutter vor sich, wie sie sich fröhlich lächelnd über das Baby beugte, immer wieder einen großen, kräftigen Mann, der diese Greta auf den Arm nahm, küsste und streichelte und Späße mit ihr trieb.
Er wurde die feuchten Augen gar nicht mehr los. Doch auch das wollte er so. Er wollte diesen Schmerz, die Trauer, die Niedergeschlagenheit; er nahm sie an, die Rolle des von aller Welt Abgelehnten und Gedemütigten. Hatte ja alles auch seinen Vorteil: Wer von niemandem geliebt wird, der muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Und wer auf nichts mehr hofft, kann nicht mehr enttäuscht werden.
Eines Sonntags, gleich nach der Morgenmesse und dem Kindergottesdienst, kam Pfarrer Engelbrecht zu ihm. Der weißbärtige alte Mann mit dem rosigen Gesicht, in dem zwei gütige blaue Augen leuchteten, hielt es für seine Pflicht, sich um die Jungen, die ohne Elternhaus aufwachsen mussten, ganz besonders zu kümmern.
In seinem engen schwarzen Anzug trat er an Berties Bett und lächelte ihm freundlich zu. »Na, du Held im Hemd! Was machste denn für Sachen?«
Das war keine richtige Frage, darauf musste Bertie nichts antworten. Er hätte auch gar nicht gewusst, welche »Sachen« Pfarrer Engelbrecht meinte. Sprach er von dem Schimpfwort, das er der Mutter an den Kopf geworfen hatte? Oder meinte der Herr Pfarrer nur den Ziegenpeter?
Es war üblich, dass Pfarrer Engelbrecht die kranken Jungen besuchte, die nicht zum Kindergottesdienst kommen konnten. Doch hatte Bertie von Anfang an das untrügliche Gefühl, dass der weißbärtige Mann trotz seines freundlichen Lächelns über jenes sündhafte Wort Bescheid wusste.
»Möchtest du beichten?«, fragte er dann auch gleich, nachdem er sich auf den neben dem Bett stehenden weißen Krankenzimmerhocker gesetzt hatte. »Willst du dich von der Last befreien, die auf dir liegt?«
Ja, er wollte reden. Sicher war es gut, all das, was ihn bedrückte, endlich mal loswerden zu dürfen. Vielleicht musste er danach nicht mehr ganz so viel nachdenken und ihm war nicht mehr so heiß im Kopf. Und wenn der Herr Pfarrer ohnehin über alles Bescheid wusste?
Den Blick stur auf die Zimmerdecke gerichtet, flüsterte Bertie vor sich hin, was passiert war und weshalb er so böse geworden war. Still hörte Pfarrer Engelbrecht ihm zu, erteilte ihm am Ende Absolution und nannte ihm den Bibelvers, den er auswendig lernen und zwanzigmal aufsagen sollte, damit das mit der Absolution auch wirklich klappte. Danach seufzte er laut.
»Ich versteh dich! Ja, ich verstehe dich. Dennoch hättest du ein solches Wort nicht benutzen dürfen. Führe uns den rechten Weg, so heißt es im Gebet. Und es gibt nun mal nur zwei gottgefällige Wege, sie gelten für Kinder nicht weniger als für Erwachsene. Sie heißen Gläubigkeit und Pflichterfüllung. Glaubst du an Gott?«
»Ja.« Wie sollte er denn nicht an Gott glauben? Pater Constantin sagte, es sei ein Verbrechen, nicht an Gott zu glauben. Nicht mal Heini Hühnerfeld, der gern über den »religiösen Lebertran« spottete, wagte es, Gott in Zweifel zu ziehen. Die Frage war nur, wie er, Bertie, sich diesen Gott vorstellen sollte. Sprach Pater Constantin von Gott, dann sah er einen weißbärtigen, riesengroßen, nur mit einem langen hellblauen Hemd bekleideten Mann vor sich, der streng und zornig alle Menschen in die von ihm für sie errichteten Schranken wies. Vor Pater Constantins Gott musste man sich fürchten, der hatte jedem Christenmenschen einen ganz engen Weg vorgegeben. Wich einer ab von diesem Weg, wurde er bestraft. Pfarrer Engelbrechts Gott hingegen war kein strenger Richter, sondern ein freundlicher alter Mann, der für alles Verständnis hatte, weil er die Menschen und vor allem die bekehrten Sünder liebte. Welcher aber war der richtige, der wirkliche Gott? Das hatte ihm bisher noch niemand sagen können.
»Gut!« Der Herr Pfarrer Engelbrecht nickte so zufrieden, als sei damit wirklich schon alles gut. »Dann kann dir gar nicht viel passieren. Aber nun: die Pflichterfüllung! Mit der Pflicht sind ja nicht allein die täglichen kleinen Pflichten gemeint, wie zu beten, sich zu waschen und zur Schule zu gehen. Unsere bedeutsamste Pflicht ist es, all das Schwere, das Gott uns auferlegt hat, geduldig zu ertragen. Wir Menschen mit all unseren Schwächen können den Sinn so mancher seiner Prüfungen nicht so recht verstehen. Deshalb begehren wir manchmal auf, versündigen uns sogar, doch nimmt er uns, wenn wir bereuen, immer wieder in seine gütigen, trostreichen Arme!«
Ein Weilchen schwieg der Pfarrer, dann sagte er sanft: »Ich sehe, du schämst dich für das böse Wort, bereust ehrlich. So lass uns für dein Seelenheil beten.«
Sie beteten gemeinsam und es wurde ein langes Gebet; sicher, weil Pfarrer Engelbrecht glaubte, dass einem Sünder wie Bertie Lenz mit einem kurzen Gebet nicht geholfen war. Als sie damit fertig waren, strich er sich nachdenklich den Bart. »Tja, deine Mutter ist dir fremd. Hab das aus jedem deiner Worte herausgehört. Aber nun: Warum ist sie dir fremd? Weil sie dich nicht zu sich nimmt? Verständlich, dass dich das schmerzt, aber sie hat recht: Du bist noch zu jung, um es zu verstehen. Deshalb bitte ich dich: Vertraue auf Gott! Deine Mutter hat gesündigt, aber da war sie noch sehr jung, fast ein Kind, deshalb hat Gott ihr längst verziehen. Jetzt hat sie einen braven Mann geheiratet und Gott ein zweites Kind geschenkt. Also führt sie ein gottgefälliges Leben. Du bist die Frucht ihrer Sünde, doch selbst unschuldig. Deshalb hat Gott dir in dieser Hinsicht nichts zu verzeihen, wenn du ansonsten ein braver Kerl bist.«
Sagte es, nickte ein paarmal, wie um seine Worte, nachdem er sie im Stillen noch mal überprüft hatte, nachdrücklich zu bestätigen, und fuhr fort: »Verhärte dein Herz nicht gegen deine Mutter. Und auch nicht gegen deinen Stiefvater, den du ja gar nicht kennst. Er befürchtet, sein Familienglück zu zerstören, wenn er ein Kind, das nicht sein eigenes ist, zu sich nimmt. Das ist nicht sehr christlich gedacht, aber vielleicht kommt dieser ansonsten so redliche Mann ja eines Tages zur Besinnung. Für dich ist wichtig, dass du dir zu jeder Stunde sagst, dass Gott dich liebt. Und wenn du leidest, denk an Jesus Christus. Er hat auch gelitten, und das viel schlimmer, als einer von uns sich das vorstellen kann. Und er hat das ganz allein für uns getan.«
Wieder verstummte er, dann fragte er leise: »Willst du diese meine Worte fortan in deinem Herzen tragen?«
»Ja!« Bertie nickte so kräftig, wie er konnte. Pfarrer Engelbrecht hatte so ernsthaft und verständnisvoll mit ihm gesprochen wie kein Erwachsener je zuvor; er wollte in allem so sein, wie der Herr Pfarrer und Gott es von ihm verlangten.
»Gut!« Lächelnd schlug Pfarrer Engelbrecht das Kreuz über ihn und wollte gehen. In diesem Moment aber brach ein Sonnenstrahl durch die zuvor so dichte Wolkendecke – und fiel direkt auf Berties Bett.
Pfarrer Engelbrecht tat, als würde er vor Freude erschrecken. »Siehst du das?«, rief er und strahlte über sein ganzes rosiges Gesicht. »Siehst du das kleine Stückchen Blau zwischen all den Wolken? Das ist ein Himmelsauge! Gott schaut dich an. Wenn du reinen Herzens bist, darfst du dir was wünschen.«
Bertie rieselte es kalt über den Rücken. Pfarrer Engelbrecht hatte das mit einer solchen Inbrunst gesagt, dass sich jeder Zweifel an seinen Worten von selbst verbot.
»Nun denn!« Noch ein freundliches Kopfnicken und der Wunsch, dass es ihm bald besser gehen möge, dann ging der Pfarrer.
Nachdenklich sah Bertie zu dem kleinen Stückchen blauen Himmel hoch. Er durfte sich was wünschen? Aber was denn? In Wahrheit hatte er ja nur einen einzigen Wunsch, und der lautete: Weg von hier! Irgendwohin, wo nicht mehrmals am Tag der Gong seine Befehle durch das Haus hallen ließ; dorthin, wo nicht ständig geschimpft und geschlagen wurde und in Zweierreihen angetreten werden musste.
Doch war ein solcher Wunsch nicht viel zu groß? Pfarrer Engelbrecht hatte ihm geraten, sich in alles zu fügen. Das widersprach einem solch übergroßen Wunsch. Andererseits jedoch hatte er davon gesprochen, dass Berties Stiefvater eines Tages zur Besinnung kommen könnte. Wenn er sich nun einfach wünschte, dass dieser Tag bald oder jetzt sofort sein sollte?
Ihm wurde heiß, seine Sinne verwirrten sich, er schlief ein und träumte unverständliches Zeug. Und als er wieder erwachte, regnete es. Es rauschte dermaßen heftig vom Himmel herab, als sollte alle Welt in einem Ozean ertrinken. Aber hatte er, solange das Himmelsauge noch zu sehen war, seinen Wunsch denn nun geäußert oder nur darüber nachgedacht, ob er ihn äußern durfte?
Als die Mutter das nächste Mal kam, war Bertie bereits seit längerer Zeit wieder gesund. Während er im Krankenzimmer lag, war sie nicht gekommen.
War sie ihm noch böse? Oder hatte allein die Angst, sich bei ihm anzustecken, sie von einem Besuch abgehalten? Vielleicht, weil sie befürchtete, dass in einem solchen Fall auch ihr Baby Ziegenpeter bekommen könnte?
Er wollte nicht, dass sie ihm noch böse war. Er dachte an das Himmelsauge und seinen Wunsch. Vielleicht durfte er ja wirklich hoffen.
Sie saß im Besucherzimmer, so ordentlich und wohlhabend angezogen wie immer, seit sie verheiratet war. »Guten Tag!«, sagte sie ernst, als er sich zu ihr gesetzt hatte.
»Guten Tag!« Er hob nicht den Kopf. Sahen die anderen Besucher jetzt alle zu ihnen hin? Erinnerten sie sich an das, was er während ihres letzten Besuches zu ihr gesagt hatte?
Sie räusperte sich, und dann flüsterte sie ihm auch schon zu: »Wie du mich letztens beschimpft hast, das war wirklich sehr, sehr schlimm, weißt du das?«
Er nickte nur.
»Ein fürchterliches Wort! So etwas darf man zu niemandem sagen, und erst recht nicht zu seiner eigenen Mutter. Aber vielleicht lag das ja nur an deinem Fieber. Ich habe gehört, dass du Ziegenpeter hattest. Bist du wieder ganz gesund?«
Wieder nickte er nur still, starrte den Tisch an und wartete. Sein Wunsch! War alles nur Quatsch, was Pfarrer Engelbrecht ihm über das Himmelsauge erzählt hatte? Oder war er eingeschlafen, bevor er seinen Wunsch geäußert hatte?
»Na ja!« Die Mutter nickte auch. »Dann will ich großzügig sein und dieses schlimme Wort lieber vergessen. Doch musst du wissen, dass du mir damit sehr, sehr wehgetan hast. Lernst du solche Ausdrücke auf der Straße, in der Schule oder von den großen Jungen hier?«
Das musste er nicht beantworten, das war keine wirkliche Frage. Die wirkliche Frage aber brannte in ihm wie Feuer und die musste er nun endlich loswerden. »Holst du mich denn nun bald von hier ab?«
Er hatte sie nicht angeblickt, als er das fragte, sah auch jetzt nicht auf.
Sie erschrak, hatte wohl geglaubt, das Thema habe sich ein für allemal erledigt. »Aber ich hab dir doch schon gesagt, dass das nicht geht«, entfuhr es ihr mit einem solch bösen Unterton, dass die anderen Besucher sofort wieder aufhorchten. »Willst du das nicht endlich einsehen?«
Einsehen? Was sollte er einsehen? Dass es gar keinen Gott gab, der ihn beobachtete und es gut mit ihm meinte? Es war doch ganz egal, ob er zu früh eingeschlafen war oder nicht; wenn es einen Gott gab, wusste der sowieso über alle Wünsche Bescheid. Aber vielleicht war es ihm völlig wurscht, was mit Bertie Lenz passierte, weil er eben nicht Pfarrer Engelbrechts, sondern Pater Constantins Gott war … Beide Hände zu Fäusten geballt, schrie er die Mutter an: »Warum kommst du mich denn überhaupt noch besuchen, wenn du mich nicht willst? Hau doch endlich ab, du bist doch gar nicht meine Mutter.«
Gleich war ihr Gesicht wieder voller roter Flecke und dann schlug sie zu. Die Ohrfeige war so hart und wuchtig, fast wäre er vom Stuhl gefallen. Doch schrie er nur noch lauter: »Schlag mich nicht! Du darfst mich nicht schlagen. Nur meine Mutter darf mich schlagen.«
»Aber ich bin deine Mutter«, schrie sie zurück und brach in Tränen aus. »Dein ganzes Leben lang werde ich deine Mutter sein. Ob dir das nun gefällt oder nicht.«
»Nein!« Er wusste, dass alle im Raum zu ihnen hinstarrten, doch hatte er kein Mitleid mit ihr. »Du bist nur die Mutter von dieser doofen Greta. Aber freu dich nicht zu früh. Vielleicht passiert ihr ja mal was und dann hast du gar kein Kind mehr.«
Und böse lachend und mit den Händen in den Hosentaschen marschierte er aus dem Besucherzimmer.
Er musste bestraft werden, er wusste es selbst. Und er wusste, dass es eine harte Strafe werden würde.
Wer Kinder liebt, der züchtigt sie, sagte Herr Ketelsen jedes Mal, bevor er zum Rohrstock griff. Die Frage war nur, ob er ihn schlagen würde oder Pater Constantin. Herr Ketelsen schlug wie ein Automat. Wurde ein Junge zu zehn Stockschlägen verurteilt, bekam er genau zehn; nie wurden es neun oder elf, nie schlug Herr Ketelsen heftiger als notwendig. Und war er fertig, blickte er mit dem gesunden Auge genauso starr wie mit dem Glasauge, schnaubte, weil das Prügeln ihn angestrengt hatte, und sagte: »Wahre Menschenliebe beweist man nicht, indem man Kinder verzärtelt, sondern indem man ihnen ihre Unarten austreibt. Und das notfalls eben auch mit dem Stock.«
Pater Constantin hingegen hatte Spaß am Schlagen. Er hielt sich, wie Heini Hühnerfeld wusste, sogar Spitzel unter den Jungen, um »Übeltaten« zu erfahren, von denen er ohne diese Spitzel nichts gewusst hätte. Kleinere Jungen entlohnte er für ihre Dienste mit grünen Birkenblätterbonbons, den größeren spendierte er ein Glas Limonade, das sie nach erstatteter Meldung in seinem Direktorenzimmer trinken durften. Emil Köhler, lange Heinis bester Freund, war so ein Spitzel gewesen. Bis er es Heini vor lauter schlechtem Gewissen eines Tages gestanden hatte und dafür erst von Heini und danach von Pater Constantin verprügelt worden war.
Für Pater Constantin musste alles im Leben seine Ordnung haben. Wer zum Beispiel log, so seine Überzeugung, der verschwieg jedes »Wer, Wann, Wie, Wo und Warum« und verrate damit, dass er jegliche Ordnung im menschlichen Zusammenleben verachte. Eine strenge Ordnung im Miteinander der Menschen sei aber nun mal das Herz aller Dinge, und allein Strafen zu erteilen und Strafen hinnehmen zu müssen, halte die Ordnung am Leben. Ohne eine Strafe befürchten zu müssen, würde irgendwann jeder jeden totschlagen.
Bertie hoffte, dass Herr Ketelsen ihn bestrafen würde, doch hatte die Mutter nach seinem erneuten Sündenfall nicht zuerst mit Herrn Ketelsen, sondern gleich mit Pater Constantin gesprochen. Kaum hatte sie ihn verlassen, kam er durch den Flur. Und ohne ein Wort zu sagen oder auf seine Schmerzensschreie zu achten, zog der große, kräftige Mann ihn am Ohr ins Direktorenzimmer, nahm den Rohrstock aus dem Schrank und schlug sich damit sachte in die offene, sommersprossenübersäte Hand.
»So!«, sagte er dann. »Du hast es nicht anders gewollt. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als dich endlich zur Räson zu bringen. Zwanzig! Zieh die Hosen runter und leg dich über den Hocker.«
Zwanzig? Das hieß, Pater Constantin wollte zwanzigmal zuschlagen? Nicht erst mal nur zehnmal? Stumm starrte Bertie den braun gepolsterten Hocker an, der vor dem wuchtigen, reich verschnörkelten und sehr aufgeräumt wirkenden Schreibtisch stand. Fast alle großen Jungen hatten schon mal über diesem Hocker gelegen, besonders oft Heini Hühnerfeld.
»Hosen runter, hab ich gesagt!«
Vor Furcht das Herz im Hals spürend, zog Bertie sich die Hosen herunter und legte sich so über den Hocker, wie Heini es ihm mal geraten hatte – die Arme weit vorgestreckt, damit er sich mit den Händen in den Teppich krallen konnte, wenn die Hiebe auf ihn niedersausten. Auf diese Weise, so Heini, habe man das Gefühl, sich irgendwo festhalten zu können.
Kaum hatte er die verlangte Position eingenommen, sauste der Stock schon auf ihn nieder. Er krümmte sich, schrie auf und weinte laut, wusste aber, dass weder Tränen noch Schreie Pater Constantin beeindrucken würden. Constantin, das hieß auf Deutsch »der Beständige«, und »beständig« war Pater Constantin in allem, was er tat.
Stumm schlug der große, kräftige Mann weiter auf ihn ein. Der gekreuzigte Jesus an der Wand sah ihnen dabei zu.
Jeden einzelnen Schlag mitzählen! Auch das hatte Heini ihm geraten. Mitzählen lenke von den Schlägen ab. Auch wisse er dann, wie viele Schläge er nur noch auszuhalten habe. Noch sieben, noch fünf, noch drei, solle er sich innerlich zuflüstern, noch zwei, noch einer.
Er versuchte es, doch schon nach dem vierten Schlag gab er auf. Pater Constantin schlug ja jedes Mal heftiger zu, jeder neue Schlag schmerzte schlimmer als der vorangegangene. Er konnte nur noch schreien, weinen, winseln und wimmern und sich im Teppich festkrallen.
Als endlich alles vorüber war, legte Pater Constantin den Rohrstock in den Schrank zurück, klebte ihm dort, wo er blutete, Pflaster auf und befahl: »Steh auf und zieh die Hosen hoch.«
Jede Bewegung schmerzte. Sein Hintern brannte, als hätte er auf glühenden Kohlen gesessen. Leise schniefend weinte Bertie immer weiter.
Mit zusammengekniffenen Augen sah Pater Constantin ihn an, und dann kam sie, die Frage, die auch zu dieser Zeremonie gehörte: »Hast du die Strafe verdient?«
»Ja.«
Dieses Ja wollte Pater Constantin hören. Heini Hühnerfeld hatte einmal Nein gesagt, und da hatte er sich gleich wieder über den Hocker legen dürfen und Pater Constantin hatte ohne Ende weiter auf ihn eingedroschen.
»Gut! Jeder einzelne Schlag hat mich mehr geschmerzt als dich, das sollst du wissen. Deshalb habe ich dir am Ende fünf Schläge erlassen. Diese Strafe aber war notwendig. Für dein Seelenheil. Wer seiner eigenen Mutter nicht gehorcht, sondern sie mit den schlimmsten Schimpfwörtern belegt, was soll aus so einem denn mal werden? Ein Verbrecher? Nein, mein Freund, das werde ich nicht zulassen. Ich will aufrechte, ehrliche und treue Menschen aus meinen Zöglingen machen, keine Versager und Versäumer, die im Gefängnis enden oder ihren Mitmenschen zur Last fallen.«
Eine seiner ständigen Reden. Fleißig, ehrlich, gehorsam, dankbar, frohgemut und fröhlich sollten Pater Constantins Zöglinge sein. Als er noch ein Kind war, so erzählte er gern, habe er kein so fürstliches Leben geführt wie sie. Da habe er arbeiten müssen, auf den Feldern und im Stall, und das sommers wie winters. Und die Schule lag nicht gleich um die Ecke, sondern sieben Kilometer weit entfernt. Was jeden Tag vierzehn Kilometer Fußmarsch bedeutet habe, auch bei Regen oder im Schneesturm.
Traf Pater Constantin einen Jungen, der so war, wie er sich seinen Musterzögling vorstellte, zog er gern einen grünen Bonbon aus seiner Rocktasche, um ihn für seinen guten Charakter zu belohnen. Jungen, die »verquast, verquer oder verlogen« kuckten, verachtete er hingegen und bescheinigte ihnen einen üblen Charakter. Heini Hühnerfeld jedoch sagte, Pater Constantin habe selber einen üblen Charakter, weil er sich stets und ständig mit »Handsalbe« schmieren lasse.
Handsalbe, so wurden die kleinen Geschenke genannt – Geldscheine, ein Kistchen Zigarren oder eine Flasche Wein –, die manche Mütter, Onkel, Tanten oder Großeltern Pater Constantin in die Hand drückten, damit er ihre Söhne, Neffen oder Enkel bevorzugt behandelte.
»Es ist gut, dass du so einsichtig bist.« Pater Constantin hatte einen Augenblick nachgedacht, jetzt seufzte er, als habe er eine große, vielleicht sogar zu große Last zu tragen. »Doch war das nur der erste Teil der Strafe, die ich dir auferlegen muss. Was du getan hast, war zu schlimm. – Immerhin eine Wiederholungstat! – Mit ein paar Schlägen allein ist einem wie dir nicht geholfen. Deshalb weise ich dich zusätzlich für eine Woche in den Karzer ein.«
Noch mal seufzte er. »Ich muss das tun, denn wer eine Sache nur halb tut, der tut sie in Wahrheit gar nicht. Im Karzer hast du Zeit, dich zu besinnen. Also nutze die Zeit, beweise mir, dass du dich bessern willst.«
Erst neun Jahre alt und schon mit Karzer bestraft: Ein Rekord! Das hatte nicht mal Heini Hühnerfeld geschafft. Es galt die Regel, dass man erst ab dem zehnten Geburtstag mit einer Karzerstrafe rechnen musste. Nicht wenige Jungen blickten Bertie bewundernd nach, als Herr Ketelsen ihn abführte.
Noch vor dem Abendessen war das passiert. Er hatte sein Bettzeug nehmen müssen, und dann hatte Herr Ketelsen ihn in die kleine Kammer mit dem schmalen Fenster geschoben, in der außer einem Bett, einem Hocker und einem schmalen Tisch für die Schularbeiten keinerlei andere Möbel standen.
Lange stand er an der Tür, die Herr Ketelsen hinter ihm verschlossen hatte, und wagte sich keinen Schritt weiter. Was sollte er jetzt tun? Auf das Bett, so hatte Herr Ketelsen ihm eingeschärft, durfte er sich tagsüber nicht legen, nur auf dem Hocker durfte er sitzen. Und musste er auf die Toilette, sollte er klopfen; irgendwann würde ihn schon jemand hören.
Endlich stellte er sich an das vergitterte Fenster, öffnete es und sah hinaus.
Ein milder Frühlingsabend lag über der Stadt, doch begann es bereits zu dunkeln, in einigen Fenstern des Vorderhauses brannte schon Licht. Er versuchte, sich vorzustellen, was hinter diesen Fenstern geschah. Vielleicht wurde dort gerade Abendbrot gegessen …
Es rieselte ihm mal wieder den Rücken herunter. Auch die Mutter und ihr Mann saßen jetzt vielleicht gerade beim Abendessen und die kleine Greta lag in ihrem Körbchen oder in der Wiege und war ganz nahe bei ihnen …
Nein, er wollte nicht mehr heulen, wollte nie mehr heulen. Pfarrer Engelbrecht, Herr Ketelsen und Pater Constantin, alle sprachen sie davon, dass die Menschen gottgefällig und pflichtbewusst leben sollten. Als er die Mutter so böse beschimpfte, hatte er nicht gottgefällig gehandelt; das sah er ein. Aber handelte denn die Mutter gottgefällig oder gar pflichtbewusst, wenn sie ihn im Waisenhaus ließ, nur weil dieser Herr Ditters ihn nicht wollte?
Dieses blöde Märchen vom Himmelsauge! Pfarrer Engelbrecht hatte es sicher nur gut gemeint, dennoch hatte auch er ihn belogen und damit ebenfalls nicht gottgefällig gehandelt. Niemand, weder die Mutter noch dieser Herr Ditters, Herr Ketelsen, Pater Constantin, die Lehrer in der Schule und sogar die Pfarrer in der Kirche, handelte wirklich gottgefällig. Nur von ihm wurde das verlangt. Und sie glaubten, dass er auf ihre Lügen hereinfiel. Aber so dumm war er nicht, sollten sie ruhig weiterlügen, er wusste längst, was er von ihnen und ihrer Welt zu halten hatte.