ANKE,
IM AUGUST 2015 UND JUNI 1990

Seit bestimmt anderthalb Wochen liegt das Tagebuch auf dem Esstisch, und es fällt Anke schwer, sich wieder daranzusetzen. Mehrmals hat sie sich seit dem ersten Eintrag gefragt, um was es ihr wirklich geht – will sie Lou von damals berichten und Zeitgeschichte festhalten, oder will sie sich selbst therapieren? Sie ist überrascht, dass sie dieses Wort denkt. Die erste Tasse Kaffee in der Hand, steht sie am Tisch, schaut auf den tröstlich pinken Einband und spürt das Bedürfnis, weiterzuschreiben.

Ihr Blick geht zum Balkon, der noch im Schatten liegt. Wenn sie sich jetzt hinaussetzt, lässt es sich dort noch eine Weile aushalten, bevor es zu warm wird. Den Samstagseinkauf kann sie später erledigen.

Denn heute ist sie plötzlich wieder da: diese Motivation, die Erinnerungsbruchstücke zusammenzuführen.

Ja, sie will dieses Büchlein irgendwann ihrer Tochter überlassen, um ihr einen Einblick zu geben in das, was sie erlebt hat. Aber auch in das, was sie gedacht, vielleicht sogar, was sie empfunden hat. Erfahrungen, die sie nie würde aussprechen können, weil sie zu fest verkapselt sind.

Sie nimmt das Buch, geht auf den Balkon und setzt sich an den kleinen Holztisch. Kurz lehnt sie sich zurück und sieht sich um. Ein Blick, wie es ihn in Wilmersdorf oft gibt: ein Innenhof, der sich zur rechten Seite hin öffnet, mehrere Bäume, dahinter andere Häuserfassaden. Sonnenschirme, Balkone, Ziegeldächer, hier und da Parabolantennen. Sie schlägt das Tagebuch auf, tippt mit dem Stift auf dem weißen Papier herum und überlegt, wie sie anfangen soll. Dann beginnt sie wieder mit einer Überschrift:

Erinnerung aus dem Juni 1990

Es war irgendein Wochentag, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, welcher. Wir wohnten schon eine ganze Weile in Schöneberg. Die Eltern waren arbeiten, inzwischen hatten sie beide einen Job, den sie gern mochten. Christian war längst bei uns, hatte aber eine eigene Wohnung, und ich denke, alle fühlten sich wohl mit ihrem neuen Leben. Und auch ich war inzwischen weitestgehend angekommen, die Schule ging mir leicht von der Hand, meine Schlafstörungen hatten sich gebessert.

Kurz hält Anke inne. Sie hat noch nicht erwähnt, dass sie länger gebraucht hat als die anderen, um anzukommen. Ob es Lou beim Lesen irritieren wird, wenn sie in den Jahren springt? Sie merkt, dass sie es nicht ändern kann, es ist diese eine Geschichte, die heute erzählt werden will. Sie spürt, es ist dringlich. Und damit vermutlich wirklich therapeutisch, denkt Anke. Heilsam vielleicht? Aber was ist es überhaupt, das heilen soll? Sie schüttelt den Kopf und fährt fort:

Wir planten sogar, dass ich die Sommerferien in Bestensee bei den Großeltern verbringen sollte, und ich freute mich sehr darauf. Denn ich war die Einzige in der Familie, die seit dem Mauerfall nicht ein einziges Mal die ehemalige Grenze übertreten hatte. Den Abend des 9. November 1989 hatte ich damit zugebracht, zuzusehen. Ich hatte in der Menge gestanden, völlig leer im Kopf, und war von der Geschichte in eine neue Zeitrechnung geschubst worden: Alle Verwandten und Freunde meiner Eltern erschienen nun ständig bei uns in Schöneberg. Immer wieder klingelte es bei uns, und unangekündigt standen Besucher vor der Tür. Manchmal waren es Menschen, die ich noch nie gesehen hatte, mit denen ich aber, laut ihren Aussagen, weitläufig verwandt war. Inzwischen hatten wir uns daran gewöhnt. Vor allem die Eltern genossen es, wieder mit den Menschen aus unserem früheren Leben verbunden zu sein. Sie fuhren zum Ku’damm, ins KaDeWe und ins Café Kranzler, zum Funkturm oder was auch immer die Besucher sich wünschten.

Es waren aufregende Zeiten. Noch war alles gut, der Optimismus überwog.

Noch gab es diesen Stolz der DDR -Bürger, ein diktatorisches System gewaltfrei überwunden zu haben.

Noch schienen alle Möglichkeiten offen.

Noch war das Gefühl von Freiheit überwältigend.

Am 19. Februar 1990 hatte der Runde Tisch den Beitritt der DDR zur BRD verworfen und ein entmilitarisiertes Deutschland vorgeschlagen. Am 5. März 1990, ich habe es nachgeschlagen, wurde einstimmig eine Sozialcharta beschlossen. Sie war die Grundlage für Gespräche über eine deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion. Damals haben die Bürgerinnen und Bürger der DDR klare Forderungen ausgesprochen: Uns lag das Recht auf Arbeit am Herzen, deshalb haben wir für eine Demokratisierung und Humanisierung des Arbeitslebens votiert. Wir wollten günstig wohnen, und dazu gehörte auch eine kontrollierte Mietpreisbindung. Wir forderten Bildung, und dazu zählte eben auch die staatlich finanzierte Kinderbetreuung. Ganz selbstverständlich war die Gleichstellung von Mann und Frau, die Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch und auch die Fürsorge für ältere und behinderte Menschen.

Liebe Lou, ich weiß nicht, warum ich das so genau aufliste, aber ich finde es wichtig, dass du siehst: Wir hatten einen Plan. Wir hatten eine Vorstellung. Und ja, ich war Teil dieses »wir«, noch immer. Die Volkskammer billigte die Sozialcharta am 7.3.1990 mit großer Mehrheit. Es war ihre letzte Sitzung vor der ersten freien Volkskammerwahl. Ich habe in Gedanken mitgewählt. Wohin die Volkskammer verschwand und mit ihr die Sozialcharta, ich weiß es nicht. Es ist erstaunlich, was das Gehirn alles an Erinnerungen aussortiert.

Alles schien sich in einer Phase der Veränderung und Transformation zu befinden, es war eine Zeit der guten Energie. Und auch ich fühlte die Veränderung, den historischen Umbruch, blieb aber im Hier und Jetzt verhaftet, traute mich nicht in den Osten.

Für mich war weiterhin unklar, wohin ich gehörte. Die Eltern und der Bruder waren jetzt West-Berliner, die Großeltern weiterhin Ost-Berliner, und ich wusste nicht, zu welcher Seite ich mich zählen sollte. Ich hatte Heimweh nach dem Osten und liebte den Westen. Und das passte sehr wohl und irgendwie auch gar nicht zusammen. In der Schule war ich schweigsam und behielt für mich, dass wir Flüchtlinge waren. Es klang so fremd.

Und an diesem einen Tag im Juni 1990, die Eltern waren noch arbeiten, fühlte ich mich nach der Schule einsam. Kurz überlegte ich, ob ich auf eigene Faust die Großeltern besuchen sollte, und beschloss dann, zu unserer alten Wohnung zu fahren. Erst später habe ich mitbekommen, dass ich mir mit dem 13. Juni genau den Tag ausgesucht habe, an dem der offizielle Abriss der Mauer an der Bernauer Straße begann. Davon habe ich nichts gemerkt, aber es war der Tag, an dem nicht nur die bunte Schicht von sogenannten Mauerspechten abgeschlagen wurde, um ein Mauer-Graffiti sein Eigen nennen zu können. Es war der Tag, an dem ganz offiziell – mit schwerem Gerät – den 155 Kilometern Beton zu Leibe gerückt wurde, die nicht nur in Mitte die Stadt im Würgegriff gehalten hatten, nein, auch in Reinickendorf, Spandau, Zehlendorf – egal wo, irgendwo war immer Schluss gewesen. 170 Millionen Euro soll der Abriss geschätzt gekostet haben. Dann müssten das in DM ungefähr 340 Millionen gewesen sein. Unvorstellbar.

Wie ich darauf gekommen bin, einfach loszufahren, weiß ich nicht mehr. Dass ich angekommen bin, war vermutlich eher ein glücklicher Zufall, noch heute habe ich Schwierigkeiten, mich in Ost-Berlin zurechtzufinden. Na ja gut, ich habe fast überall Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden, und orientiere mich an Läden, auffälligen Häusern, Kirchen, Bahnhöfen – halt an allem, was ins Auge fällt und vermutlich beständig ist. Ich fahre meine vertrauten Routen anhand dieser Wegweiser und sage es einfach niemandem.

So, wie ich damals niemandem etwas von meinem Heimweh gesagt habe. Einfach so, ganz plötzlich war es da.

Ich habe nicht lange überlegt, ich bin einfach losgefahren. Damals noch mit dem Bus, das versteht sich von selbst. Mir war ein bisschen angst und bange, denn es war eine Zeit, in der durchaus noch lange nicht alle Busse und Bahnen wieder in Ost und West verkehrten, so, wie wir es heute kennen. Aber irgendwann saß ich in der Straßenbahn und genoss diesen ureigenen Geruch. Ein voller Bus riecht anders als eine S-Bahn und erst recht als eine U-Bahn. Und eine Straßenbahn riecht halt nach Straßenbahn, achte mal darauf, wenn du unterwegs bist. Für mich ist es ein altvertrauter Geruch, den ich kaum zu beschreiben vermag.

Ich saß also in der Straßenbahn und vernahm das gleichmäßige Rattern während der Fahrt, das mich all die Jahre begleitet hatte, und mein Herz schlug wie wild. Denn Straßenbahnen oder Trams gab es in West-Berlin nicht.

Ich fragte mich, was würden die Menschen um mich herum denken, wenn sie wüssten, dass ich die DDR verlassen hatte und nun wieder unter ihnen saß und auf der Suche war, nach etwas, das ich nicht benennen konnte?

Durfte ich als diejenige, die nun im sogenannten goldenen Westen saß und ein Leben führte, von dem viele damals in der DDR geträumt hatten und die auch trotz der Maueröffnung dieses Leben noch lange nicht führten und führen würden: durfte ich trotzdem Heimweh haben?

Meine Kindheit vermissen?

Als ich die ersten Häuser der Siedlung sah, in der ich gelebt hatte, war ich eigentlich nur eines: angekommen. Ich stieg an unserer Straßenbahnstation aus und lief den vertrauten Weg nach Hause.

Wie von unsichtbaren Fäden gezogen.

Es war seltsam, in unserer Straße Westautos parken zu sehen.

Während ich das Haus passierte, in dem meine damalige Freundin Julia wohnte, dachte ich noch kurz daran, sie später zu besuchen.

Dann stand ich vor unserer Platte.

Ich sah in die Höhe, sie kam mir weit höher vor, als ich sie in Erinnerung hatte. Das weiße Gebäude schien mit dem weißen Himmel dahinter zu verschmelzen. Ich trat an das riesige Klingelbrett und sah, wo einst unser Name geklebt hatte, ein neues Namensschild. Wegert stand dort. Plötzlich öffnete sich die Haustür, und ich huschte an Frau Bredendorf vorbei, einer Nachbarin, die einige Stockwerke über uns gewohnt hatte und die mir gedankenverloren zunickte.

Nun stand ich im Treppenhaus. Die Briefkästen, der Plastikeimer darunter für Briefumschläge. Ein Kinderwagen.

Alles war wie immer, nur ich war eine andere.

Inzwischen war ich auch hier fremd, eine nahezu schockierende Erkenntnis. Wie ferngesteuert lief ich die Treppen hinauf und blieb vor unserer früheren Wohnungstür stehen. Unsere Fußmatte lag noch immer da, und für einen kleinen Moment fühlte sich das wie ein Willkommen an, das mich erfreute. Wie von selbst drückte ich meinen Finger auf den Klingelknopf. Erst als die Tür geöffnet wurde, war mir klar, dass ich mir keinerlei Gedanken gemacht hatte, was ich wollte.

Vor mir stand eine Frau, vermutlich Frau Wegert.

In unserer Wohnung.

Die Augen von einem zum nächsten Wimpernschlag weit aufgerissen, starrte ich auf die vertraute Tapete und das kleine Flurschränkchen. Nur durch ein leichtes Schräglegen des Kopfes konnte ich sehen, dass selbst in der Küche und im Wohnzimmer nicht viel verändert worden war.

Entsetzt musterte ich die Frau vor mir. Ihre Bluse kann mir ebenfalls vertraut vor. Trug diese Frau tatsächlich eine Bluse meiner Mutter?

»Ja, bitte?«, erklang die Stimme von Frau Wegert. Weich und freundlich, sie lächelte mich mit fragendem Blick an.

Ein Kind von vielleicht zehn Jahren schob sich neben die Frau und schaute neugierig ins Treppenhaus. Sofort war ich mir sicher: Dieses Mädchen trug einen meiner Pullover. Nun könnte man einwenden, es gab in der DDR keine große Auswahl beim Einkaufen, womit die Chancen stiegen, Kleidung zu besitzen, die auch andere im Schrank hängen hatten. Jeder hätte also angenommen: Dieses Mädchen hat zufälligerweise den gleichen Pullover, wie ich ihn damals besessen habe. Es war keiner, den ich besonders mochte. Einer mit Streifen, der schon lange nicht mehr gepasst und im Schrank gelegen hatte. Aber der Fleck unten am Bündchen, den hatte ich dort hinterlassen, mit Blaubeeren. In Opas Garten in Bestensee. Ein Fleck in Form einer Eule, der nur noch als Schatten zu erkennen war. Mir sackte die Kinnlade herunter. Ich stand also, vermutlich recht dümmlich aus der Wäsche schauend, vor den beiden und war nicht in der Lage, einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen.

Die Frau lächelte mich an. »Was kann ich für dich tun?«, fragte sie.

»Ich habe hier gewohnt.« Es platzte regelrecht aus mir heraus.

Nun entglitten der Frau die Gesichtszüge, das gewinnende Lächeln verschwand. »Und was willst du hier?«, fuhr sie mich an.

»Meinen Teddy, den habe ich hiergelassen.« Nichts dergleichen hatte ich vorgehabt, aber ich wollte eine Antwort geben.

Frau Wegert knallte die Tür zu.

Ich stand im Treppenhaus. Das Licht, das ich zuvor eingeschaltet hatte, war längst ausgegangen. Vom Fenster des Treppenhauses, das auch noch auf der anderen Seite des Fahrstuhlschachts lag, drang nur wenig Licht herüber. Aber ich schaffte es nicht, das Licht erneut anzumachen. Unvermittelt hörte ich hinter der Tür gedämpfte Stimmen und Schritte. Gerade als ich mich abwenden wollte, um zu gehen, wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet.

Frau Wegert blickte ins Treppenhaus, von dem Kind war nichts mehr zu sehen. Sie hielt mir den Teddy entgegen. »Meinst du den?«

Ich nickte und griff danach.

Kaum hielt ich den Teddy in meinen Händen, knallte sie die Tür zu. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Ich presste den Teddy an mich, der ganz anders roch als früher. Ob dieses Mädchen ihn zum Einschlafen benutzt hatte? Hatten sie ihn gewaschen oder parfümiert? Ich konnte mir nicht erklären, was seinen Geruch so verändert hatte. Noch immer stand ich vor der Tür und schaute ihn mir nun genauer an. Bis auf den Geruch war er unverändert.

Gemeinsam machten wir uns auf den Heimweg.

In meinem neuen Zimmer setzte ich ihn aufs Bett, neben den Teddy, den ich tatsächlich mitgenommen hatte, und weitere, die ich inzwischen geschenkt bekommen hatte.

Was mir bis heute ein Rätsel ist: Niemandem fiel auf, dass mein alter Teddy nun in Schöneberg angekommen war.

Anke schlägt das Buch zu und blickt sich um. Der Himmel hat sich zugezogen, und ihre Balkonpflanzen müssten gegossen werden, das kann sie dann sein lassen und sich mit den wichtigen Dingen beschäftigen. Beispielsweise mit der Frage: Wo ist dieser Teddy eigentlich hingekommen?

Seit Jahren hat sie ihn nicht in den Händen gehabt.

Sie beginnt, in Kramkisten zu suchen, dann im Hängeboden und im Keller. Hat ihn Lou irgendwann übernommen, und sie weiß es nicht mehr? Je länger sie sucht, desto mehr ärgert sie sich. Denn sie kann sich beim besten Willen nicht erinnern, was mit ihm geschehen ist. Dabei war der Moment, ihn zurückzubekommen, so bitter. Wie konnte sie ausgerechnet diesen Teddy verbummeln? Gut, dass sie angefangen hat, dieses Tagebuch zu schreiben. Sie war so sicher, all diese Dinge nie zu vergessen, und jetzt? Viele ihrer Erinnerungen verbanden sich und überlagerten einander, verwischten, wurden blasser, verloren an Bedeutung oder waren, wie dieser Teddy, sogar verschwunden. Es gab Dinge, das hatte sie sehr wohl beim Schreiben bemerkt, an die sie sich gar nicht mehr erinnern konnte, bei denen sie die Eltern hätte fragen müssen, was sich wann und wie zugetragen hatte.

Das war eigentlich ja ein gutes Zeichen.

Schließlich bestimmte inzwischen sie allein wieder, was in ihrem Leben wichtig war – nicht die Angst vor der Stasi.

Sie schlüpft in Jeansjacke und Sneaker, nimmt Handtasche und Schlüssel und verlässt die Wohnung. Wenige Minuten später sitzt sie im Auto. Als sie durch Mitte fährt, bemerkt sie, wie selten sie noch immer hier unterwegs ist. Was sie davon abhält, kann sie bis heute nicht benennen. Aber inzwischen ist der Westteil Berlins ihr halt so viel vertrauter. Es beginnt zu regnen.

Wie damals kann sie irgendwann die Siedlung schon von Weitem erkennen. Doch die Häuser sehen anders aus als damals, sie sind offensichtlich irgendwann renoviert worden. Im Schritttempo fährt sie durch die Straße, in der sie aufgewachsen ist. Ihr Blick gleitet über Fassaden, über die inzwischen eingezäunten Bereiche der Mülltonnen, über Parkplätze und Autos, über Menschen, die vorbeigehen. Die meisten sind beladen mit den Einkaufstüten vom Samstagvormittag.

Sie hält in zweiter Spur, stellt den Motor aus und betrachtet das Haus. Dann steigt sie aus, lässt den Wagen stehen, wo er ist. Sie wird gleich zurückkommen. Um nichts in der Welt wird sie dieses Haus betreten und noch einmal vor der alten Wohnungstür stehen, um zu klingeln. Aber eines will sie wissen – ob Wegerts noch immer in der Wohnung leben.

Und ja – auf dem Klingelbrett steht der Name. Die Wohnung scheint ihnen ein Zuhause geworden zu sein, ein dauerhaftes. Ankes Herz zieht sich kurz zusammen.

Sie dreht sich um und geht, weil der Regen so stark geworden ist, mit gesenktem Kopf zum Auto zurück. Als sie losfährt, den Blick auf die Straße gerichtet, fragt sie sich, warum sie hergekommen ist.

Sie weiß es nicht, denn ihren Teddy wird sie hier nicht noch einmal finden.

Aber dafür hat sie Sorge, Frau Wegert könnte sie entdecken.

Ihr ist klar, dass dieser Gedanke Unsinn sind. Aber nicht immer ergibt alles Sinn. Nur eines zeichnet sich langsam ab: Wahrscheinlich wird es immer irgendetwas in ihrem Leben geben, vor dem sie Angst hat, etwas, das sie mit Sorge erfüllt, etwas, an dem sie sich gedanklich festkrallt. War das schon immer so?