22.
Bühne statt Werkstatt auf der Automechanika
Holger: Hans-Jürgen, ich will nicht selbstgefällig klingen, aber – dürfen wir verschweigen, dass es einmal sogar einen regelrechten Starrummel um uns gegeben hat?
Hans-Jürgen: Das dürfen wir nicht.
Holger: Nämlich vor einigen Jahren auf der Automechanika.
Hans-Jürgen: Für alle, die die Automechanika nicht kennen: Sie findet abwechselnd mit der IAA in Frankfurt statt und präsentiert alles, was im weitesten Sinne mit Autos zusammenhängt. Es ist die größte Messe auf diesem Gebiet, die Besucher dort kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, und die allermeisten kennen uns mittlerweile.
Holger: Die Automechanika bucht uns regelmäßig für mehrere Tage. An den sogenannten Werkstatttagen aber sind wir geblockt für einen großen Autozulieferer. Und an den Werkstatttagen sind eben fast ausschließlich Kollegen von uns, eben ganze Werkstattteams da. Wir ziehen dann mehrmals täglich eine kleine Show ab, bei der es um Themen wie Elektromobilität, Kupplungen oder Automatikgetriebe geht. Für uns ist das schon eine fette Nummer: Mit Moderator, der unsere Auftritte ankündigt, mit Kameramann, mit riesengroßen Leinwänden – und wir in Großaufnahme. Das ist schon abgefahren. Wir trainieren vorher auch richtig, wir üben unseren Vortrag ein, den wir zusammen mit Lars ausgearbeitet haben, wir lernen die Texte auswendig und tragen sie dann mit verteilten Rollen vor – also, das klappt ganz gut.
Hans-Jürgen: Obwohl mich – im Gegensatz zu Holger – kein Mensch für den geborenen Entertainer halten würde. Ich gehöre in die Werkstatt, nicht auf die Bühne, sollte man meinen. Aber nichts da! Ich habe die Erfahrung gemacht: Talent ist gar nicht so wichtig – die Bühne macht den Entertainer!
Die letzten Minuten vor dem Auftritt sind allerdings fast unerträglich. Wir haben unsere Headsets aufgesetzt, wir machen uns hinter den Kulissen bereit, wir sammeln uns, konzentrieren uns, und in diesem Augenblick erreicht die innere Anspannung ihren Höhepunkt. Wir bekommen eine Gänsehaut, unser Puls jagt, aber dann werden wir vom Moderator angekündigt, betreten die Bühne, und nach den ersten zwei Sätzen ist der ganze Druck wie weggeblasen, ich kann frei reden, und mir ist völlig egal, ob mich drei Augenpaare ansehen oder 300. Die Leute sind uns natürlich gewogen, das macht es leichter.
Wenn ich an unseren letzten Auftritt denke … Wir werfen einen Blick durch die Kulissen nach draußen, und vor der Bühne stehen nur ein paar verlorene Gestalten rum. Lars versucht noch, uns aufzumuntern: »Jungs, macht euch nichts draus, es ist nicht viel los, zieht eure Nummer durch wie immer.« Zwei Minuten später werden wir angekündigt, kommen raus, und die Halle leert sich, alles strömt herbei und versammelt sich vor unserem Stand. Das ist ein Gefühl, wenn plötzlich aller Augen auf dich gerichtet sind! Wir waren jedenfalls schwer beeindruckt, unsere Auftraggeber auch – keiner hätte mit diesem Andrang gerechnet.
Holger: Unser Auftraggeber war übrigens eine Zulieferfirma, die Stoßdämpfer, Lenkungen und Ähnliches herstellt. Im besagten Jahr hatten wir Auftritte an zwei verschiedenen Ständen, und auf dem Weg vom einen zum anderen mussten wir die Halle wechseln. Es war fast nicht möglich! Es war kein Durchkommen. Kaum hatten wir den ersten Stand verlassen, stürzte sich das Fachpublikum auf uns. Denn klar: Das waren ja auch alles Schrauber, schließlich waren das ja die Werkstatttage. So viele Autogramme, so viele Fotos und vor allem so viel positive Zustimmung von Kollegen – das ist schon toll, aber auch etwas surreal.
Hans-Jürgen: Um wieder auf den Teppich zu kommen …
Holger: Gut. Bühne ist ja auch eher selten. Die Normalität heißt Werkstatt. Aber es gibt natürlich Berührungspunkte zwischen Bühne, Film und Werkstatt. Auf der einen Seite haben wir durch unsere Auftritte als Autodoktoren bei den Kunden ein dickes Bonuspaket, auf der anderen Seite aber erwarten die Leute von uns auch im Werkstattalltag sehr viel – nicht nur handwerklich, auch im Hinblick auf unsere Vertrauenswürdigkeit. Das könnte eine Belastung sein, wenn wir nicht alles an unserer Arbeit lieben würden, den Alltag genauso wie unsere Ausflüge ins Unterhaltungsbusiness. Und wenn ich jetzt an meine Kindheit zurückdenke, kommt es mir vor, als wäre ich für diesen Job von Anfang an vorherbestimmt gewesen. Warum – das wird man gleich sehen. Im nächsten Kapitel.