Carl Denning
Prähuman 17
Die Bestie
© Edition FILM und BUCH/Carl Denning 2019
Coverfoto: Gert Altmann/Covergestaltung: Charles Dickson
Besucht auch die Facebook-Seite von PRÄHUMAN
Prolog
Ben Childers saß am Küchentisch und lauschte in die Nacht hinaus. Für einen Augenblick hatte er geglaubt, ein Knacken zu hören, als wäre jemand auf am Boden liegende Äste getreten.
Doch das Geräusch wiederholte sich nicht.
Also widmete er sich wieder seinem Glas, das mit 20 Jahre altem Malt Whiskey gefüllt war. Er liebte es, abends in dem gemütlichen Eck seiner Küche zu sitzen, der Stille zu lauschen und dabei an seinem Glas zu nippen.
Seine Frau war bereits vor einer knappen Stunde schlafen gegangen. Er hatte sie im oberen Stockwerk des alten Bauernhauses noch rumoren gehört. Jetzt erfüllte nur noch das Ticken der alten Wanduhr das Gebäude.
Doch irgendetwas ließ Ben nicht zur Ruhe kommen. Er konnte es sich selbst nicht erklären, was ihn nervös machte. Der Tag war gut gelaufen. Es gab keine Gläubiger, die ihm im Nacken saßen. Und das Leben zusammen mit Agatha verlief überaus harmonisch. Selbst Bessy, der alte Traktor, hatte heute am Feld keine Zicken gemacht. Was war es dann? War etwa Vollmond? Ben spürte die Zunahme des Mondes wie kein anderer. Bei Vollmond war der Schlaf genauso weit entfernt wie das Ende des Universums. Doch die Unruhe, die er dann verspürte, fühlte sich anders an. Was er jetzt empfand, glich eher einer schleichenden Furcht.
Ben trank das restliche Glas in einem Zug leer und schenkte sich sofort nach. Vielleicht half ja der Whiskey, diese Unruhe aufzulösen. Morgen würde ein anstrengender Tag werden. Zum einen war Markttag, zum anderen musste weiter die Ernte eingefahren werden und dann würde er Besuch von einem Interessenten für seine Schweine bekommen. Ben hoffte, dabei ein gutes Geschäft zu machen.
Er trank einen Schluck. Der Gedanke an das Geld, das er verdienen würde, vertrieb für einen Moment seine nicht zu erklärende Unruhe.
Er hob das Glas erneut an.
Auf einmal zerstörte ein ohrenbetäubender Lärm die Stille.
Ben schreckte wie von der Tarantel gestochen hoch. Das Glas kippte um, der Inhalt floss über das rotweiß karierte Wachstischtuch.
Das Krachen von Holz. Brach der Schweinestall zusammen? Die Tiere quiekten, als ginge es ihnen schon jetzt ans Leder.
„Ben!“ Agatha stand in der Küchentür, ihr Gesicht fahl vor Schrecken.
Ben stolperte um den Tisch herum, lief in den Vorraum und schnappte sich sein Gewehr, mit dem er normalerweise auf Rebhuhnjagd ging.
Noch immer quiekten die Schweine wie verrückt. Und immer wieder diese entsetzlichen Geräusche, als würden die Tiere gegen die Stallwände geschleudert werden.
„Ben!“ Agatha brachte vor Schreck kein anderes Wort heraus.
Ben riss die Eingangstür auf und schaltete die Außenlampen ein. Es nieselte. Er rannte über den Hof zum Stall.
Er brauchte beinahe eine Ewigkeit, bis er das verriegelte Tor geöffnet hatte, so sehr zitterten seine Hände. Fast im selben Augenblick, in dem er den Stall betrat, erstarb die Kakophonie aus schrillem Quieken und krachenden Holzbalken. Ein seltsamer Gestank verpestete die Luft. Es roch nach feuchtem Tierfell und verrottetem Fleisch.
Ben schaltete das Licht ein.
Und erstarrte.
Der ganze Stall glich einem entsetzlichen Schlachtfeld. Überall lagen zerfetzte Tierkadaver. Der Boden hatte sich in einen See aus dunklem Blut verwandelt.
Und dann sah er noch etwas.
Am gegenüberliegenden Ende des Stalls.
Ein riesiges Loch von etwa drei Metern Durchmesser.
„Mein Gott.“
Dann zerriss ein lang gezogener Schrei die plötzliche Stille. Es war Agatha, die ihm zum Stall gefolgt war.
1
Inspektor Anderson stand vor dem Loch in der Stallwand und ließ den Lichtstrahl seiner Taschenlampe über den unförmigen Rand gleiten. Eine Sirene heulte kurz auf, als sich ein weiterer Polizeiwagen näherte. Durch den offenen Eingang des Stalls blinkte das Blaulicht hindurch und erhellte stroboskopartig die zerfetzten Schweinekadaver.
In Darkmoore geschah normalerweise nie etwas. Alte Omas riefen ihn an, damit er nach ihren verschwunden Katzen suchte. Selten kam es zu einer Prügelei. Das Seltsamste, das je in Darkmoore geschehen war, hing mit einem ungelösten Mordfall aus dem Jahr 1999 zusammen. Bei dem Opfer soll es sich um einen Werwolf gehandelt haben, wenn man den Gerüchten der alten Leute glauben schenkte. Doch das tat Anderson nicht. Er lebte und arbeitete erst seit drei Jahren in dieser Kleinstadt und wenn er eines wusste, dann das, dass es hier nichts gab, worüber er sich ernste Gedanken machen müsste. Um es noch konkreter auszudrücken: Anderson langweilte sich in diesem Ort. Das hieß, bisher. Denn der aufgeregte Anruf des alten Ben Childers hatte Andersons Situation um 180 Grad gedreht.
Sämtliche Schweine waren zerfetzt oder zerrissen worden. Irgendein wildes Tier musste hier gewütet haben. Die Frage war nur, welches? Da sich Anderson damit nicht auskannte, hatte er den Tierarzt Dr. Kingsley zum Tatort kommen lassen. Als er die toten Schweine gesehen hatte, war dem Mann die Sprache weggeblieben. Er hatte sich ein paar der Kadaver angesehen und hatte danach eine Runde um die Scheune gedreht. Schließlich war er von der Scheune weg in Richtung Wald gegangen, der nur wenige Meter hinter dem Gebäude begann.
Darkmoore lag in einer typischen Gegend von Devonshire. Hier gab es große Waldflächen und tiefe Moore. Der beste Ort, um sich mit Gespenstergeschichten die Zeit zu vertreiben.
Anderson hielt in seiner Bewegung inne. Der Lichtstrahl seiner Taschenlampe erhellte ein paar schwarze Fellhaare, die am oberen Rand des Lochs klebten. Smith, einer seiner Mitarbeiter, hatte die Höhe des Lochs abgemessen. Fast drei Meter. Es musste sich um ein riesiges Vieh gehandelt haben, das hier hindurch gekracht war. Ein Wildschwein vielleicht? Er hatte schon mehrere Geschichten über tobende Keiler gehört. Aber brachte ein solches Tier ein Schlachtfeld dieser Art zustande? Und vor allem: Konnte ein Wildschwein eine solche Größe erreichen?
Hinter ihm erklang ein Räuspern.
Anderson drehte sich um. Dr. Kingsley stand vor ihm, seine runden Brillengläser reflektierten das Licht der Taschenlampe. Der Arzt war Ende vierzig und seine auffälligsten Merkmale bestanden aus einer Halbglatze und einem dichten Schnauzbart. „Haben Sie etwas gefunden?“, fragte Anderson.
Kingsley wirkte, wie wenn er seine Antwort hinauszögern wollte. Schließlich sagte er: „Ich denke, wir sollten einen Experten hinzuziehen.“
„Was meinen Sie mit Experten? Sie sind doch einer oder etwa nicht?“
„Ich spreche nicht von einem Tierarzt und auch nicht von einem gewöhnlichen Zoologen. Wir brauchen hier jemanden, der sich mit Kryptozoologie auskennt.“
„Krypto-Was?“, erwiderte Anderson verdutzt.
„Eine Wissenschaft, die sich mit außergewöhnlichen Tierarten beschäftigt und deren Vertreter nicht abgeneigt sind, auch den kuriosesten Gerüchten nachzugehen.“
Anderson fuchtelte mit seiner Taschenlampe hilflos durch die Luft. „Ich verstehe immer noch nicht, was Sie meinen.“
Dr. Kingsley legte ihm seine rechte Hand auf die Schulter. „Kommen Sie mit. Ich zeige Ihnen etwas.“
Anderson folgte dem Tierarzt bis knapp vor die Waldgrenze. Kingsley ging in die Hocke, wobei er seine schmale Taschenlampe einschaltete. „Sehen Sie sich das an.“
In der feuchten Erde erkannte Anderson den Abdruck einer riesigen Pfote. „Ein Löwe?“
Kingsley schüttelte den Kopf. „Vor ein paar Jahren tauchte ein Gerücht auf, dass ein Löwe aus einem Zirkus ausgebrochen sei, der dann die Wälder unsicher gemacht haben soll. Der Löwe wurde nie gefunden. Und dieser Abdruck hier stammt ebenfalls von keinem Löwen. Auch von keinem Panther oder einer anderen großen Raubkatze.“
Da der Tierarzt nicht weiter sprach, fragte Anderson: „Und von was dann?“
Kingsley schaute dem Inspektor starr in die Augen. „Sagt Ihnen die Bezeichnung ABC etwas?“
„ABC?“ Anderson konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Was soll das sein?“
„Sehen Sie, deswegen benötigen wir einen Experten.“
Andersons Lachen brach abrupt ab. „Was bedeutet ABC?“
„Sie sollten lieber danach fragen, was ein ABC ist, Mr. Anderson. Ich habe bereits davon gehört, es aber stets in den Bereich der Schauergeschichten abgetan. Ich werde es Ihnen nicht erklären, weil ich es nicht kann. Mir fehlen dafür zu viele Informationen. Und ich möchte Sie nicht mit irgendwelchem Gerede konfrontieren. Ich betone noch einmal, dass wir einen Experten benötigen. Ich habe einmal von einem Mann namens Frederic Tubb gehört. Er ist Grenzwissenschaftler und galt für längere Zeit als Koryphäe in diesem Gebiet.“
„Was meinen Sie mit ‚galt’?“
„Er flog von der University of London. Aus welchem Grund, weiß ich nicht. Er arbeitet nun für eine Organisation, die sich LOGE nennt. Sie ist spezialisiert auf außergewöhnliche Fälle wie diesen hier.“
„Sie meinen also, ich soll diesen Mr. Tubb anrufen und ihn nach seiner Meinung fragen?“
Dr. Kingsley nickte ernst. „Genau das meine ich, Mr. Anderson.“
2
John Arnold legte den Hörer auf. Das hatte gerade noch gefehlt. Er hatte gehofft, dass er nie wieder etwas mit dem Ort Darkmoore zu tun bekommen würde. Und jetzt das.
Er drehte sich auf seinem Bürostuhl in Richtung Fenster und betrachtete die graue Wolkendecke, die sich über der Stadt ausbreitete. Er wollte einmal erleben, dass es in London nicht regnete. Aber darauf würde er wahrscheinlich noch für den Rest seines Lebens vergeblich hoffen. Darkmoore. Dieser verfluchte Ort, in dem Frederic Tubb einen mysteriösen Mann erschossen hatte und darauf in die Markheim Klinik eingeliefert worden war, eine Klinik für psychisch Kranke. Tubb hatte felsenfest behauptet, dass es sich bei dem Mann um einen Werwolf gehandelt habe. Wahrscheinlich würde Tubb dies auch heute noch behaupten. Arnold hatte es seitdem vermieden, ihn danach zu fragen. Darkmoore war der Ort, an dem Tubb Kathrin Jarvis kennengelernt hatte, seine Frau, die vor ein paar Jahren unter rätselhaften Umständen spurlos verschwunden war. Darkmoore, ein Ort also, der mit Schmerz und dunklen Erinnerungen voll gesogen war. Ein Ort, den man besser mied. Jedenfalls dann, wenn man nicht wollte, dass einer seiner Freunde dabei den Verstand verlieren könnte.
Doch der Anruf, den er soeben erhalten hatte, würde unweigerlich alte, nicht verheilte Wunden aufreißen. Es war neun Uhr in der Früh. Der Tag versprach schon jetzt, beschissen zu werden.
„Sagt Ihnen die Bezeichnung ABC etwas?“ Arnold hatte als Ort der Besprechung die Cafeteria des Zentralgebäudes der LOGE gewählt. Er hatte Maki Asakawa und Hans Schmeißer hinzugezogen. Vor allem Maki würde dafür sorgen, dass Tubb nicht von Anfang an die Nerven verlor.
Tubb hob beide Augenbrauen. Er betrachtete Arnold, als hätte dieser etwas völlig Abwegiges von sich gegeben. „ABC?“
„Ja, ABC. Was ist das?“
„Wie kommen Sie plötzlich darauf?“
„Interessiert mich eben. Also, was hat es mit der Bezeichnung ABC auf sich?“
„ABC ist eine Legende.“
Arnold schnaubte. „Eine Legende also.“ Er beugte sich vor. „Haben Sie auch noch eine präzisere Antwort auf Lager?“
„Es gibt doch sicherlich einen bestimmten Grund, weswegen Sie mir diese Frage stellen“, wich Tubb aus. „Dass Sie nur ein paar Informationen darüber haben möchten, glaube ich Ihnen nicht ganz.“
„Vielleicht gibt es einen Grund“, gab Arnold zögerlich zu. „Ich bekam vorhin einen Anruf von einem gewissen Inspektor Anderson. Er hat ein ziemliches Problem. Auf einem Bauernhof wurden sämtliche Schweine von einem riesigen Tier erlegt. Ein Tierarzt erwähnte Ihren Namen. Er meinte, was Anderson brauche, sei ein Experte für außergewöhnliche Fälle. Ein Kerl, der sich zum Beispiel mit Kryptozoologie auskennt.“
Tubb betrachtete Arnold interessiert. „Und dabei fiel auch die Bezeichnung ABC?“
„So ist es.“
„Wo genau fand dieser Vorfall statt?“
„Das erkläre ich Ihnen später. Was ich endlich wissen möchte, ist, was es mit ABC auf sich hat.“
Tubb faltete die Hände auf der Tischplatte. „Also gut. Was ich sagte, stimmt. ABC ist eine Legende. Es kommt zwar immer wieder zu Sichtungen, doch führten diese nicht dazu, dass die Existenz dieses Wesens bewiesen werden konnte.“
„Um was für ein Wesen handelt es sich?“, fragte Maki.
„ABC bedeutet Alien Black Cat. Die Bezeichnung meint eine schwarze Riesenraubkatze, die vor allem in Devonshire gesichtet wurde.“
„Eine Miezekatze?“, schaltete sich Hans in das Gespräch ein.
„Ich befürchte eher eine Monsterkatze.“
„Und was ist an dem Vieh so besonders?“, wollte Arnold wissen.
„Als vor mehreren Jahren die ersten Berichte über Sichtungen eines solchen Tiers auftauchten, lauteten die Erklärungen diverser Zoologen, dass es sich hierbei wahrscheinlich um irgendwelche Panther handelte, die entweder aus einem Zirkus oder von ihren privaten Besitzern geflohen waren. Als in den 80er Jahren das Gesetz für den Besitz exotischer Tiere verschärft wurde, setzten viele Leute, die sich einen Löwen oder einen Panther hielten, diese Tiere kurzerhand in den Wäldern aus. Das führte zu erhöhten Sichtungen solcher Großkatzen. Allerdings konnte dieser Umstand gewisse Vorfälle nicht erklären. Wie etwa die Tatsache, dass eine ganze Schafherde zerrissen auf einer Weidefläche gefunden wurde.“
Arnold zündete sich eine Zigarette an. „Man schob den Vorfall ABC in die Schuhe?“
„So ähnlich. Ein paar Bauern glaubten jedenfalls nicht daran, dass Löwen oder Panther durch die Wälder streiften. Alle Tiere wurden nämlich innerhalb kurzer Zeit von der Polizei und Großwildjägern wieder eingefangen. Irgendetwas anderes musste also in der Gegend sein Unwesen treiben. Die Beschreibungen sind jedes Mal gleich: extrem groß und schwarz. Manche Leute dichteten dem Wesen auch noch rot glühende Augen an.“
„Und das war alles?“, erkundigte sich Arnold, da Tubb nicht weiter sprach.
„Seit langer Zeit gibt es eine Theorie darüber, dass in England eine endemische Großkatze leben könnte.“
„Tja, Tubb, leider stehe ich nicht so auf Fachbegriffe.“
„Endemisch bedeutet, dass eine Art auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt ist. In diesem Fall würde das bedeuten, dass ABC nur in England existiert.“
Hans kratzte sich am Kopf. „Meiner Meinung nach klingt das wie die Sache mit den schwarzen Riesenhunden, die es angeblich geben soll, die aber noch nie jemand richtig gesehen hat.“
Tubb nickte. „Das stimmt. Deswegen meinte ich auch, dass ABC eine Legende sei. Aber dass ein Tierarzt auf die Idee kommt, es könnte sich bei dem Fall um ABC handeln, macht mich etwas stutzig.“ Sein Gesichtsausdruck änderte sich auf eine Weise, als wäre ihm plötzlich ein völlig anderer Gedanke gekommen. „Jetzt rücken Sie schon raus damit, Arnold. Von wo erhielten Sie den Anruf?“
Arnold drückte die Zigarette in seiner leeren Kaffeetasse aus. Für wenige Sekunden ertönte ein leises Zischen. Er warf Maki einen besorgten Blick zu, wie um ihr dadurch ein Zeichen zu geben, für den Ernstfall bereit zu sein. „Ob Sie glauben oder nicht, Inspektor Anderson rief mich aus Darkmoore an.“
Tubb war nicht anzumerken, was der Name des Ortes bei ihm auslöste. „Aus Darkmoore?“, wiederholte er. Seine Stirn legte sich in Falten. „Darkmoore liegt mitten in Devonshire. Es würde zu den Gerüchten, die es über ABC gibt, passen.“
Arnold merkte, dass Tubbs Hände leicht zitterten. „Wären Sie bereit, dorthin zu fahren, um sich die Sache einmal anzusehen?“
„So wie Sie mich das fragen, klingt das, als hielten Sie mich noch immer für psychisch labil.“
„Vielleicht tue ich das tatsächlich“, erwiderte Arnold, der Tubb genau beobachtete. Das Zittern seiner Hände hatte sich leicht verstärkt.
„Ich weiß, was ich damals gesehen habe. Aber ich kann Sie durchaus verstehen. Kathrin kam mit meinem Erlebnis ebenfalls nicht klar.“
„Schön, das zu hören. Sie werden nicht alleine fahren. Miss Asakawa und Mr. Schmeißer werden Sie begleiten.“
„Und was ist mit Ihnen?“
Arnold zog seine Zigarettenschachtel hervor. „Ich kann Katzen nicht ausstehen.“
3
Shirley Gibson joggte jeden Morgen durch den Wald. Normalerweise half dies ihr dabei, wieder ihr psychisches Gleichgewicht zu finden. Doch dieses Mal zeigte das Joggen nicht die gewohnte Wirkung. Jake, ihr beschissener Mann, war einfach zu weit gegangen. Gestern hatte sie erfahren, dass er eine Affäre hatte. Und zwar mit einer ihrer gemeinsamen Mitarbeiterinnen. Shirley führte zusammen mit Jake ein kleines Transportunternehmen. Trotz der harten Konkurrenz hatten sie sich innerhalb kurzer Zeit eine feste Nische erarbeiten können. Es hatte alles rosig ausgesehen. Doch dann war diese idiotische Sache dazwischengekommen. Wie lange diese heimliche Beziehung schon ging, wusste sie nicht und wollte es auch gar nicht wissen. Es reichte ihr, dass sie Jake zusammen mit dieser Schlampe auf frischer Tat im Büro ertappt hatte.
Jake würde dies noch leid tun. Ihre Wut auf ihn war noch immer so groß, dass sie die vergangene Nacht kein Auge zugetan hatte. Sie erhöhte ihr Tempo. Rannte so schnell, als könnte sie dadurch ihrem brennenden Zorn entkommen. Sie würde es diesem Nichtsnutz heimzahlen.
Mit diesen Gedanken im Kopf, achtete sie nicht auf den Weg. Im Grunde genommen kannte sie die Strecke auswendig und würde sie auch mit verbundenen Augen laufen können. Doch plötzlich stieß sie gegen etwas Hartes. Sie stolperte, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit voller Wucht zu Boden.
„Verfluchte Scheiße!“ Sie hatte sich das Kinn aufgeschlagen. Ihre Knie und Ellenbogen schmerzten, als wäre sie gegen eine Betonwand geknallt. War sie gegen einen Stein gestoßen? Vorsichtig, da ihre Gelenke schmerzten, drehte sie sich um.
Zunächst dachte sie, dass ein Ast auf dem Weg lag. Dann, dass es sich um ein totes Tier handelte. Erst ein paar Sekunden später wurde ihr mit Entsetzen bewusst, was es wirklich war. Ihre Finger krallten sich in den schlammigen Boden. Sie stieß einen lauten Schrei aus. Quer über den Weg lag das abgetrennte Bein eines Menschen.
4
Neil Anderson hatte sich die drei Experten aus London völlig anders vorgestellt. Er hatte auf der Homepage der LOGE nur die Namen, aber keine Fotos gefunden. So hatte er an Männer in dunklen Anzügen und Spiegelbrillen gedacht, an das Klischee des typischen FBI-Agenten. Umso erstaunter war er, dass ihm ein asketisch wirkender Mann mit dunklen, zurückgekämmten Haaren und stechenden, stets neugierig wirkenden Augen, eine überaus gut aussehende Japanerin mit langen schwarzen Haaren, die man eher in einer Modelagentur als in einer Organisation erwartet hätte, die sich mit außergewöhnlichen Phänomenen und Artefakten beschäftigte, und einem leicht korpulenten Mann mit kurzen blonden Haaren, der ununterbrochen grinste, auf dem Bahnsteig entgegen kamen.
„Mr. Tubb?“, wandte er sich an den dürren Mann.
Dieser reichte ihm die Hand. „Sie müssen Inspektor Anderson sein.“
„Ganz Recht, Mr. Tubb.“
„Dies hier sind Miss Asakawa und Mr. Schmeißer, meine beiden Mitarbeiter.“
„Ich bin froh, dass Sie kommen konnten.“ Er schüttelte beiden die Hand.
„Haben Sie inzwischen Ihre Miezekatze gefunden?“, fragte Hans.
Anderson verunsicherte die Direktheit Mr. Schmeißers. „Nein. Aber gerade eben erhielt ich die Meldung eines erneuten Zwischenfalls. Ich wollte Sie bitten, gleich mit mir zu kommen.“
„Wurden wieder Tiere angefallen?“, erkundigte sich Tubb.
Anderson schüttelte den Kopf. „Dieses Mal ist es ein menschliches Opfer.“
Sie fuhren in Andersons Geländewagen vom Bahnhof. Der Weg führte sie durch die Kleinstadt in Richtung Wald. Als Anderson bemerkte, wie außerordentlich interessiert Tubb die Häuser und Leute betrachtete, bemerkte er: „Darkmoore ist eigentlich fast so etwas wie ein Dorf. Ich weiß nicht, wer auf die Idee gekommen ist, diesen Ort als Stadt zu bezeichnen.“
Zu Andersons Erstaunen, erwiderte Tubb: „Ich kenne mich hier aus.“
„Sie waren schon einmal hier?“
„Das ist lange her. 1999.“
„Darf ich fragen, was Sie damals hierher gebracht hat?“
„Eine Legende.“
Anderson lachte. „Doch nicht etwa die Legende über den Werwolf von Darkmoore?“
„Sie haben soeben ins Schwarze getroffen.“
„Und? Haben Sie den Werwolf gesehen?“
Tubb schaute ihn von der Seite an. „Ich habe ihn getötet.“
Anderson drückte auf das Bremspedal. „Das meinen Sie doch jetzt nicht ernst?“
„Sehe ich aus, als würde ich Witze machen?“
Nein, dieser Mr. Tubb sah nicht danach aus. Seine düstere Aura deutete sogar daraufhin, dass dieser Mann so ziemlich alles ernst meinte, was er sagte. „Dann waren Sie das?“
„Was war ich?“
„Der Mann, der angeblich einen Werwolf erlegt haben soll.“
„Nicht angeblich.“
Anderson ließ Tubb nicht aus den Augen. Dann warf er einen Blick in den Rückspiegel. Nein, Mr. Tubbs Mitarbeiter grinsten sich nicht dumm und dämlich. Es musste demnach tatsächlich stimmen. „Wie haben Sie diesen Werwolf erlegt?“
„Mit einer selbst gegossenen Silberkugel.“
Anderson wischte sich über die Stirn. „Sind Sie mir böse, wenn ich Sie für verrückt halte?“
„Eine Gegenfrage: Gibt es das Markheim Hospital noch?“
„Sie meinen die Nervenklinik?“ Anderson glotzte Tubb an, als hätte er es in der Tat mit einem Wahnsinnigen zu tun. „Das Gebäude steht seit Jahren leer.“
„Etwas in dieser Art habe ich mir gedacht.“
Anderson versuchte, sich zu entspannen, und fuhr weiter. „Es hatte vor mehreren Jahren irgendeinen Skandal gegeben. Keine Ahnung, um was es dabei ging.“
Tubb erwiderte nichts darauf. Sein Blick schien sich für einen Augenblick im Nichts zu verlieren. Plötzlich sagte er: „Wir sind hier, um eine Raubkatze zu jagen.“
Da Anderson nicht wusste, was er darauf erwidern sollte, hielt er einfach den Mund. Er wählte eine Abkürzung, durch die sie schneller in den Wald gelangten. An einem Parkplatz für Wanderer stoppte er den Wagen. „Noch ein paar Meter zu Fuß. Ich warne Sie, es ist alles andere als ein schöne Anblick.“
Sie gingen einen schlammigen Landwirtschaftsweg entlang, der tief hinein in den Wald führte. Aus der Ferne vernahmen sie verschiedene Stimmen. Nach wenigen Minuten erkannten sie Männer in weißen Schutzanzügen, die zwischen den Bäumen herumgingen.
„Eine Joggerin hat die erste Leiche entdeckt. Besser gesagt, einen Teil davon.“ Anderson machte Tubb ein Zeichen, ihm weiter zu folgen.
„Was für ein Teil?“, fragte Maki.
Anderson wandte sich ihr zu. Noch immer konnte er nicht nachvollziehen, was solch eine Frau in dem Expertenteam zu suchen hatte. „Das linke Bein eines fünfundzwanzigjährigen Mannes. Es lag mitten auf dem Weg. Die Joggerin stolperte darüber.“
„Ihr wurde im wahrsten Sinne des Wortes ein Bein gestellt“, meinte Hans.
Anderson überraschte sein schwarzer Humor. „Das kann man durchaus so sagen, Mr. Schmeißer.“
Ein kleiner Mann mit Halbglatze und dichtem Schnurrbart kam ihnen entgegen. Er betrachtete die Neuankömmlinge interessiert.
„Das ist Dr. Kingsley, unser Tierarzt“, stellte Anderson den Mann vor. „Doktor, das hier ist Mr. Tubb, den Sie mir empfohlen haben. Und dies sind Miss Asakawa und Mr. Schmeißer.“
„Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Mr. Tubb“, sagte Kingsley und schüttelte ihm die Hand. „Deswegen meinte ich, dass wir Sie hier brauchen könnten.“
„Danke, Dr. Kingsley. Was genau ist passiert?“
Der Tierarzt deutete mit einer weiten Handbewegung auf die sich vor ihnen erstreckende Waldfläche. „Zwei Wanderer wurden Opfer des Monsters. Ein Mann und eine Frau. Beide wurden regelrecht in ihre Einzelteile zerfetzt. Ich führe Sie am besten herum.“
Der Anblick der zerlegten Leichen war alles andere als angenehm. Anderson hatte schon viel gesehen, doch die blutigen Leichenteile bereiteten ihm ein mulmiges Gefühl. Ein weiblicher Torso mit nur einem Arm lag zwischen den Bäumen. Der Rest der Leiche war über eine Fläche von mehreren Metern verstreut. An einer Stelle lagen ihre herausgerissenen Innereien. Die obere Hälfte des Mannes lag mit dem zertrümmerten Kopf gegen einen Baum gelehnt. Von dem Rest hatte man bisher nur das linke Bein gefunden, über das die Joggerin gestolpert war.
„Was halten Sie davon, Mr. Tubb?“, fragte der Tierarzt.
„Sieht ziemlich übel aus.“
„Gibt es Spuren von dem Tier?“, wollte Maki wissen.
Dr. Kingsley winkte, damit sie ihm folgten. „Außer den Wunden an den Leichen gibt es noch ein paar Abdrücke der Pfoten.“ Er ging zu einer mit roten Stäbchen markierten Stelle. „Hier zum Beispiel.“
Tubb ging in die Hocke. Seine Augen weiteten sich, als hätte er einen wahr gewordenen Albtraum vor sich. Er streckte seinen Arm aus und hielt die Hand über dem Abdruck. Seine Handfläche bedeckte nicht einmal die Hälfte davon. „Sieht so aus, als hätten wir es in der Tat mit einem Monster zu tun.“
„Haben Sie eine Idee, wie wir dieses Vieh aufstöbern können?“, fragte Anderson.
Tubb erhob sich wieder. „Wärmebildkameras wären eine Möglichkeit. Allerdings ginge dies nur bei Nacht. Ich glaube kaum, dass diese Bestie tagsüber herumstreunt. In der Nacht müsste ein Polizeihubschrauber über dem Wald ein paar Runden drehen. Vielleicht entdecken wir es dadurch.“
Anderson nickte. „Smith!“, rief er seinem Kollegen zu, der gerade in der Nähe stand. „Hubschrauber. Heute Abend. Mit Wärmebildkameras.“
Der Mann mit Stoppelhaarfrisur salutierte locker. „Geht klar, Chef.“
„Ich denke, wir haben hier als erstes genug gesehen“, wandte sich Anderson wieder an Tubb. „Wenn Sie nichts dagegen haben, lade ich Sie zu einem verspäteten Mittagessen ein. Vielleicht können Sie mir dabei etwas nähere Informationen darüber geben, mit was wir es hier zu tun haben.“
5
Das Hamburgerrestaurant war um diese Uhrzeit nur wenig besucht. Das war auch besser so. Ihr Gespräch würde somit von kaum jemandem mitbekommen werden. Trotz des entsetzlichen Anblicks der Leichen, erstaunte es Anderson, mit welchem Appetit besonders Hans Schmeißer seinen Hamburger verschlang. Maki Asakawa dagegen knabberte eher höflichkeitshalber an dem Burger herum. Frederic Tubb aß hin und wieder einen Bissen, den er jedes Mal so lange kaute, als würde er in Gedanken gelegentlich ganz woanders sein.
Anderson, der seinen Hamburger schon fast aufgegessen hatte, bemerkte: „In Darkmoore gibt es keine große Auswahl an Restaurants.“
Tubb hob den Kopf. „Was ist mit dem Droods ?“
Anderson konnte sein Staunen nicht verbergen. „Meine Güte, Sie kennen sich hier ja wirklich aus. Das Café gibt es immer noch. Ich habe mir sagen lassen, dass es eines der ältesten Lokale in Darkmoore ist.“
„Es hieß früher Old Tavern .“
„Da wissen Sie mehr als ich. Man könnte meinen, Sie wären hier geboren.“
„In gewisser Weise hat das Café eine besondere Bedeutung für mich.“
„Ist es zu persönlich, wenn ich frage, welche?“
„Es hat zum einen mit dem Werwolf zu tun und zum anderen mit meiner Frau.“
„Ihre Frau stammt von hier?“
„Nein, aber sie arbeitete in der Markheim-Klinik.“
„Markheim-Klinik“, erwiderte Anderson nachdenklich. „Das Gebäude erwähnen Sie nun schon zum zweiten Mal.“
„Haben Sie eine Frau?“, wechselte Maki abrupt das Thema.
Anderson wurde rot. „Nein. Seit ich hier bin, lebe ich alleine. Als ich noch in Dover gearbeitet habe, hatte ich eine Freundin. Aber die Beziehung ging in die Brüche. Das Leben mit einem Polizisten ist alles andere als einfach.“
„Wem sagen Sie das“, meinte Hans.
Maki schaute genervt an die Decke. „Als ob du jemals bei der Polizei gearbeitet hättest.“
„Isst du alles auf?“, fragte er.
„Nein“, seufzte sie. Sie zerteilte den Hamburger sorgfältig und reichte Hans die Hälfte, die sie noch nicht angeknabbert hatte.
„Ich befürchte, an das Verhalten meiner Mitarbeiter müssen Sie sich gewöhnen“, erwähnte Tubb.
Anderson brachte ein unsicheres Grinsen zustande. „Ich denke, das geht schon in Ordnung. Doch zurück zu unserem eigentlichen Problem. Mit was für einer Kreatur haben wir es hier zu tun?“
„Falls es sich wirklich um ABC handelt, dann um eine Raubkatze, die seit mehreren Millionen Jahren hier beheimatet ist.“
„Sie meinen eine Art prähistorisches Säugetier?“
„Das würde es bedeuten. Da niemand bisher ABC wirklich zu Gesicht bekommen hat, ist es völlig unklar, inwieweit sich die Evolution bei diesem Wesen ausgewirkt hat.“
„Wie meinen Sie das?“
„Wir wissen nicht, ob dieses Tier sich über die Jahrmillionen hinweg weiterentwickelt hat oder ob es von äußeren Einflüssen unbeeinträchtigt geblieben ist.“
„Auf jeden Fall scheint es riesig zu sein.“
„Das auf jeden Fall“, stimme ihm Tubb zu. „Und bisher ist auch nichts darüber bekannt, dass eine solche Großkatze jemals einen Menschen angefallen hätte.“
Anderson trank einen Schluck aus dem Kaffeebecher. „Was wissen Sie noch über ABC?“
Tubb legte den Burger zurück auf das Tablett. Er berichtete Anderson das, was er bereits Arnold, Maki und Hans in London erzählt hatte.
„Also haben wir hier so etwas Ähnliches vor uns wie das Ungeheuer von Loch Ness“, meinte Anderson, nachdem Tubb seinen Bericht beendet hatte.
„Was die Berichte anbelangt, ja“, erwiderte Tubb. „Aber wir haben nicht nur Berichte. Wir haben Spuren sowie Angriffe auf einen Schweinestall und zwei Wanderer. Von dieser Kreatur geht eine reale Gefahr aus.“
Anderson stützte seine Ellenbogen auf der eckigen Tischplatte ab. „Wie würden Sie sich diese Bestie vorstellen? Sie erwähnten vorhin, sie könnte prähistorisch sein. Anders ausgedrückt, eine Art lebendes Fossil.“
„Im schlimmsten Fall hätten wir es mit einer Art Smilodon zu tun.“
„Smilodon?“
„Einer Art Säbelzahntiger.“
Anderson fühlte eine stärker werdende Nervosität in sich aufsteigen. „Haben Sie auch eine Erklärung dafür, wieso dieses … Smilodon ausgerechnet jetzt in Darkmoore sein Unwesen treibt?“
„Es könnte gewandert sein“, überlegte Tubb. „Hilfreich wäre es, wenn wir nach Berichten von außergewöhnlichen Tiertötungen suchen. Möglicherweise würde sich daraus eine Spur ergeben.“
Anderson machte sich eine Notiz in seinem Block. „Ich werde einen meiner Mitarbeiter darauf ansetzen.“ Er schaute auf seine Armbanduhr. „So, ich sollte mich nun wieder auf den Weg in die Polizeidirektion machen. Es wartet jede Menge Arbeit auf mich.“
„Was ist eigentlich mit den Schweinekadavern?“, fragte Tubb.
Anderson, der eben im Begriff war, aufzustehen, stockte einen Moment in seiner Bewegung. „Eines der toten Tiere hat Dr. Kingsley in seiner Praxis. Wenn Sie es sich ansehen wollen, hat er sicherlich nichts dagegen.“
„Wo befindet sich die Praxis?“
„Wenn Sie wollen, fahre ich Sie hin. Sie liegt quasi auf meinem Weg.“
„In Ordnung.“ Tubb erhob sich ebenfalls. Bevor er ging, wandte er sich an Maki und Hans. „Treffen wir uns später im Hotel.“
„Wir sollen dich nicht begleiten?“, wunderte sich Maki.
„Ruht euch lieber aus. Ihr solltet heute Abend fitt sein.“
„Der hat gut reden“, sagte Hans, nachdem Tubb und Anderson das Restaurant verlassen hatten. „Am Abend bin ich nie fitt.“
„Hol dir lieber noch einen Hamburger“, erwiderte Maki.
„Eine gute Idee. Willst du auch einen?“
„Nein. Je weniger ich esse, desto eher besteht die Chance, dass das Smilodon mich in Ruhe lässt.“
„Da hast du Recht. Es benutzt dich nach dem Fresschen eher als Zahnstocher.“
6
Dr. Kingsleys Praxis lag auf der Straße, die zur Markheim-Klinik führte. Die Schilder, die auf das Hospital hinwiesen waren mit rotem Klebeband beklebt, was aussah, als habe ein Lehrer den Namen mit rotem Filzstift durchgestrichen.
Ein seltsames Gefühl überkam Tubb, als er die Schilder betrachtete. Zum einen jagten sie ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Zum anderen verspürte er eine Art Wehmut. Immerhin hatte er dort Kathrin kennen gelernt. Als er den zunehmenden Druck in seiner Brust spürte, wandte er sich rasch von den Schildern ab und ging auf die Praxis zu, ein weißes Haus mit kleinem Vorgarten. Die Tür war verschlossen. Tubb betätigte die Klingel.
Nach ein paar Sekunden hörte er Schritte, und die Tür öffnete sich. Eine junge Tierarzthelferin schaute ihn mit großen Augen an. „Der Arzt ist gerade nicht zu sprechen …“
„Für mich schon. Sagen Sie ihm, Mr. Tubb ist hier.“
„Ist schon gut, Miss Nelson.“ Dr. Kingsley erschien an der Tür. „Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass Sie mich besuchen würden. Kommen Sie herein.“
Die Helferin verschwand im Inneren des Hauses.
„Ich dachte, Anderson würde Sie den ganzen Tag über in Beschlag nehmen“, fügte der Arzt hinzu, während er Tubb an einer verwaisten Anmeldetheke vorbei zu einem der hinteren Zimmer führte. Tubb vernahm aus einem Raum ein energisches Winseln sowie lautes, metallisches Klappern.
Dr. Kingsley, der Tubbs fragenden Blick bemerkte, erklärte: „Ich habe keine Ahnung, was in letzter Zeit los ist. Manche der Tiere, die hier in meiner Praxis sind, benehmen sich extrem nervös.“ Er öffnete die Tür.
Tubb sah mehrere Metallkäfige, die meisten davon leer. Aus drei der Käfige schauten ihn Hunde mit ängstlichen Augen an. In einem saß eine Katze, das Fell leicht gesträubt. In vier weiteren Käfigen hoppelten Hasen unruhig hin und her. „Ob sie die Bestie spüren?“
Dr. Kingsley schaute ihn erstaunt an. „Das könnte durchaus sein, Mr. Tubb. Vielleicht nehmen sie tatsächlich eine außergewöhnliche Bedrohung wahr.“
Sie verließen den Raum und gingen bis zum Ende des Flurs. Der Tierarzt öffnete eine weitere Tür.
Eine eisige Kälte schlug Tubb entgegen.
Auf einem Metalltisch in der Mitte des Raumes lag der zerrissene Kadaver eines Schweins. Der Kopf war fast vollkommen abgetrennt, der Bauch regelrecht aufgeschlitzt. Über den ganzen Körper verteilt gab es Kratzspuren, die von großen, todbringenden Klauen zeugten.
„Wirklich alle Schweine waren tot?“, fragte Tubb.
„Ausnahmslos alle. Ben Childers und seine Frau stehen noch immer unter Schock. Aber soweit wir herausbekommen konnten, hatten weder Ben noch Agatha irgendetwas gesehen. Sie hatten lediglich einen höllischen Krach aus dem Stall gehört. Ben war sofort hingerannt. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, was diese Kreatur angerichtet hat, Mr. Tubb. In dem Stall sah es aus wie einem Schlachthaus.“
„Wie ist die Bestie überhaupt in den Stall gekommen?“
„Das Monster ist durch die Wand gekracht.“
Tubb stieß einen lauten Pfiff aus.
„Smith, Andersons Kollege, hat das Loch vermessen. Es hat einen Durchmesser von knapp drei Metern.“
„Und wie beurteilen Sie die Wunden?“, wollte Tubb wissen.
„Eindeutig von einer Wildkatze“, lautete seine Antwort. „Wenn auch einer enorm großen.“
„Glauben Sie, es könnte ABC sein?“
Dr. Kingsley starrte Tubb an, als hätte dieser sich einen unerhörten Scherz erlaubt. „Seitdem ich die Wunden untersucht habe, Mr. Tubb, bin ich mir sogar hundertprozentig sicher.“
„Es gibt keine Berichte über entlaufene Großkatzen?“, hakte Tubb nach.
„Nicht dass ich wüsste. Und selbst wenn, ein Löwe oder ein Tiger reißen ihre Beute auf eine völlig andere Art als es hier der Fall ist.“
7
Es wäre zu schön gewesen, wenn John Arnold drei Zimmer gebucht hätte. Aber angeblich hatte das Budget wieder einmal nicht dafür gereicht. So musste sich Maki ein Zimmer mit Hans und Fred teilen. Zum Glück standen wenigstens die Betten getrennt von einander. Auf dem rechten schlief Hans tief und fest. Es war wirklich erstaunlich, dass er in jeder Situation und praktisch überall sofort einschlafen konnte.
Maki fühlte sich nicht müde. Außerdem lag ihr der halbe Hamburger wie ein Stein im Magen. Sie hasste solches Essen. Ganz im Gegensatz zu Hans, der davon nie genug bekommen konnte. Da sie keine Lust hatte, in dem Zimmer zu bleiben, wollte sie einen kurzen Rundgang durch die Innenstadt unternehmen. Sie schaute nochmals nach, ob Hans auch wirklich schlief. Wenn er mitbekäme, was sie vorhatte, würde er sie mit aller Wahrscheinlichkeit begleiten wollen. Und darauf hatte sie gerade keine Lust. Hans rührte sich nicht. Also beeilte sie sich und verließ das Zimmer.
Die Innenstadt von Darkmoore wirkte eher enttäuschend auf sie. Maki fragte sich, was sie sich eigentlich vorgestellt hatte. Dass Darkmoore anders sei als andere Städte? In der Fußgängerzone gab es dieselben Läden wie überall. Es gab kaum Touristen. Überhaupt spazierten nur wenige Leute durch die breite, gepflasterte Straße. Die meisten Häuser schienen aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zu stammen. Weiter vorne erhob sich ein dunkler Kirchturm über die Dächer.
Nachdem Maki ungefähr die Mitte der Fußgängerzone erreicht hatte, erblickte sie das Schild eines Cafés. Droods stand dort in weißen, geschwungenen Buchstaben auf dunkelblauem Hintergrund. Es musste das Café sein, das Fred immer wieder erwähnte. Sie überlegte nicht lange, sondern betrat das Lokal.
Innen herrschte eine helle und freundliche Atmosphäre. Maki blieb für einen Moment beim Eingang stehen und überlegte, an welchem der Tische Fred und Kathrin wohl damals gesessen haben konnten.
Fred hatte ihr beinahe alles über seine Zeit in Darkmoore erzählt. Das Droods hatte für ihn dabei immer eine wesentliche Rolle gespielt. Die Inneneinrichtung hatte sich seit damals mit Sicherheit verändert. Doch als Maki einen leeren, runden Tisch in der hinteren Hälfte des Cafés erblickte, neben dem sich eine schmale Säule erhob, glaubte oder eher spürte sie, dass ungefähr dort Fred und Kathrin gesessen hatten. Kurzerhand ging sie zu dem Tisch und ließ sich auf einen der vier Korbstühle nieder.
Sie überkam ein seltsames Gefühl. Als könnte sie noch einen Hauch der Vergangenheit spüren. Als könnte sie Freds und Kathrins durchschimmernde Schatten erkennen, die sich gegenüber an demselben Tisch saßen.
Ein Kellner kam, der diese Illusion zerstörte. Maki bestellte eine Tasse Kaffee und ein Stück Erdbeertorte.
Kaum hatte der Kellner ihre Bestellung gebracht, als sie von ihrem rechten Augenwinkel aus jemanden wahrnahm, der sich ihr näherte. Sie schaute auf.
„Irgendwie hätte ich ahnen könne, dass du hierher kommen würdest.“ Fred setzte sich neben sie.
Maki fiel es schwer, ihre Überraschung zu verbergen. Zugleich war es ihr ein klein wenig unangenehm. „Ich war neugierig.“
„Da können wir uns gegenseitig gratulieren. Ich konnte nicht anders, als hier vorbeizuschauen.“ Tubb bestellte eine Tasse Kaffee. Dann sagte er: „Es haben sich ein paar Dinge verändert, aber hier ist eindeutig der Platz, an dem Kathrin und ich damals saßen. War es Zufall oder Absicht, dass du dich ausgerechnet an diesen Tisch gesetzt hast?“
„Ich habe irgendwie gespürt, dass ihr hier gesessen seid“, erklärte Maki.
„Weibliche Intuition also.“
Maki schmunzelte. „Oder PSI-Kräfte, von denen ich bisher noch nichts wusste.“
„Sag bloß Arnold nichts davon. Der setzt dich gleich als Spionin ein.“
„Welche Aufträge würde er mir denn erteilen?“, nahm Maki scherzhaft den Faden auf. „Die richtigen Tische in Cafés aufspüren?“
„Das würde sicherlich zu deinen Hauptaufgaben gehören.“
Maki schaute sich um. „Es ist wirklich nett hier.“
„Die alten Werbeplakate aus den 50ern, die an den Wänden hängen, gab es damals nicht.“
Maki erkannte in Freds Miene einen Schmerz, den er vergeblich versuchte, vor ihr zu verbergen. Seine Augen spiegelten keine Wehmut auf vergangene Tage wider, sondern ein Gefühl unwiederbringlichen Verlusts. „Stört es dich, dass ich hier sitze?“
Fred erstaunte ihre Frage. „Wieso sollte es das?“
„Ich dachte, dass du vielleicht lieber alleine hier sein möchtest.“
Fred drückte ihre Hand. „Es ist gut, dass du hier bist. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte.“
Maki stocherte eine Weile auf der Oberfläche des Kuchens herum. Schließlich fragte sie: „Ist es schlimm für dich, wieder hier zu sein?“
„Teilweise fühle ich mich, als würde ich die Vergangenheit nochmals durchleben. Nur dass dieses Mal Kathrin nicht da ist.“
Plötzlich grinste Maki. „Habt ihr euch hier zum ersten Mal geküsst?“
„Du kannst wirklich Fragen stellen“, erwiderte Fred. Er betrachtete sie amüsiert. „Sagen wir mal so, hier sprang der Funke endgültig über.“ Sogleich wurde er wieder nachdenklich. „Dieser Ort hat aber auch etwas Rätselhaftes an sich. Ich weiß bis heute nicht, weswegen ich eines Abends dasselbe Lokal betrat, aber mich nicht im Droods , sondern im Old Tavern befand. Die Tische waren alt und schmierig. Kathrin sagte mir später, dass das Old Tavern Anfang der 80er Jahre bei einem Feuer zerstört wurde. Ich könnte mich daher nie im Old Tavern aufgehalten haben.“
Maki betrachtete ihn schweigend.
Tubb trank einen Schluck Kaffee. „Ich habe einmal Recherchen angestellt. Über Werwölfe. Schließlich war dieser Mann ein Werwolf. Da können die Leute erzählen, was sie wollen.“ Er legte erneut eine Pause ein, bevor er fort fuhr: „Ich stieß auf Unterlagen des CIA aus den 50er Jahren. Sie stammten noch aus der Zeit, bevor die LOGE ins Leben gerufen wurde. Eine Spezialabteilung beschäftigte sich eingehend mit dem Werwolfphänomen. Die damaligen Experten stellten eine sonderbare Theorie auf. Diese besagte, dass es sich bei Werwölfen um Dimensionsreisende handele.“
Maki glaubte, Fred falsch verstanden zu haben. „Wie bitte?“
„Das stand in den Unterlagen schwarz auf weiß. Ich mache mir seitdem so meine Gedanken. Ich frage mich, ob dieser unheimliche Mann möglicherweise ein Wesen aus einer anderen Dimension gewesen war. Wenn jemand Mittel besitzt, um zwischen den Dimensionen zu wechseln, dann kann er vielleicht auch für kurze Zeit die Dimension, in der er sich gerade befindet, verändern.“
Hätte das nicht Fred, sondern jemand anderer ihr erzählt, dann hätte sie sich gefragt, ob diese Person zu viele Tabletten geschluckt hatte. Dennoch meinte sie: „Findest du nicht, dass das ziemlich absurd klingt?“
„Es klingt absurd“, stimmte Fred ihr zu. „Aber es ist zurzeit die einzige Erklärung, die ich dafür habe.“
Maki legte ihre Hand auf seine.
„Ich weiß, was du jetzt sagen willst“, meinte er.
„Aber es stimmt. Du klammerst dich immer an die erstbeste Theorie, die dir über den Weg läuft, und vergisst dabei, weiter nach anderen Annahmen zu suchen. Vielleicht gibt es auch noch andere Erklärungsmöglichkeiten dafür.“
„Hast du denn eine?“
„Nein. Aber das heißt nicht, dass es keine andere gibt.“
„Du weißt nicht, was das für ein seltsamer Mensch gewesen ist.“
„Ich habe sein Foto in dem Buch gesehen, das dir Kathrin geschenkt hat.“
Fred schob die Tasse von sich. „Das Buch über den Werwolf von Darkmoore. Sie schenkte es mir damals, als ich in der Klinik gewesen bin.“
„Jedenfalls musst du versuchen, auch andere Meinungen gelten zu lassen.“
„Wenn du erlebt hättest, was ich erlebt habe …“
„Sprechen wir lieber über etwas anderes, Fred“, unterbrach sie ihn. „Es hat keinen Sinn, dass wir beginnen, zu streiten.“
Fred lehnte sich zurück. „Ich wollte nicht ...“
Auf einmal sagte jemand: „Ihr Kollege meinte, ich würde Sie wahrscheinlich hier treffen.“
Maki hob verblüfft den Kopf.
Inspektor Anderson erwiderte ihren Blick mit einem viel sagenden Grinsen, so als hätte er ihr Gespräch zum großen Teil mitgehört. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie noch immer Tubbs Hand umfasste. Schnell zog sie sie zurück.
„Was führt Sie zu uns?“, fragte Tubb, den Andersons Erscheinen nicht weniger erstaunte.
Der Inspektor setzte sich. Er reichte ihm ein Blattpapier, auf dem eine kleine Tabelle zu sehen war. Die linke Spalte trug die Beschriftung Datum , die rechte Zwischenfälle . „Möglicherweise hat Smith eine Spur entdeckt. Er hat eine Reihe ungeklärter Zwischenfälle zusammengesucht, die mit ABC in Zusammenhang stehen könnten.“
Tubb überflog die Angaben. „Brixham, Clovelly, Dawlish … Exeter?“
Anderson nickte. „Wie Sie lesen können, handelt es sich um den Bericht eines Obdachlosen, der behauptet, eines nachts ein riesiges, schwarzes Ungeheuer gesehen zu haben, das durch die Straßen gestreift sei.“
„Ich nehme an, die Polizisten glaubten nichts von dem, was der Mann ihnen erzählte.“
„Sie dachten, er sei betrunken gewesen und bei seinem Bericht handele es sich um nichts anderes als um eine Wahnvorstellung.“
„Brixham“, las Tubb vor. „Mehrere Kühe von unbekanntem Tier gerissen worden. Verstümmelte Kadaver lagen auf der Weide. Biss- und Kratzspuren stammten von keiner in England beheimateten Tierart.“
Anderson deutete auf den Absatz darunter. „Der Fall in Clovelly ist nicht weniger denkwürdig.“
„Wo liegt Clovelly?“, fragte Maki.
„An der Südküste“, erklärte der Inspektor. „Ein kleines Fischerdorf, das hauptsächlich von den Sommertouristen lebt.“
„Ein ungeklärter Todesfall“, las Tubb. „Der bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Körper einer Frau wurde am 24. August am Strand entdeckt. Zunächst wurde ihr Mann verdächtigt, da sie am Tag davor eine heftige Auseinandersetzung hatten. Die Frau hatte sich von ihrem Mann scheiden wollen. Der Mann bekräftigte jedoch seine Unschuld. Es konnten zudem keine Beweise gefunden werden, die ihn mit der grausamen Tat in Verbindung brachten. Allerdings wurde auf dem Strand eine Spur entdeckt, die derjenigen eines Tigers oder Löwen entsprachen, aber um ein Vielfaches größer waren. Die Untersuchung der Leiche ergab, dass die Frau tatsächlich Opfer eines großen Tiers gewesen war. Eine Suche nach der unbekannten Kreatur führte zu keinen Ergebnissen.“
„In Dawlish haben wir wieder ein paar abgeschlachtete Schafe“, sagte Anderson.
Tubb legte die Stirn in Falten. „Die Berichte zeugen davon, dass sich ABC nur in Devonshire aufgehalten hat. Was ist mit Zwischenfällen in den beiden Nationalparks?“
„Smith fand keine weiteren Berichte“, erwiderte der Inspektor. „Möglicherweise scheut das Tier weite, baumlose Flächen.“
„Gibt es nicht einmal Vermisstenmeldungen?“
Anderson hob beide Hände leicht an. „Das weiß ich nicht.“
Tubb schaute auf seine Armbanduhr. „Wann werden Sie mit dem Hubschrauber starten?“
„Es dämmert bereits. Spätestens in zwei Stunden. Glauben Sie, dass wir es aufstöbern werden?“
Tubb gab Anderson die Liste zurück. „Sagen wir lieber so: Ich hoffe, dass ABC nicht uns aufstöbern wird.“
Frederic Tubb schlenderte zurück zum Hotel. Maki folgte ihm zusammen mit dem Inspektor. Nichts deutete darauf hin, dass in der Nähe des Ortes ein Monster lauerte, das bald auf die Jagd gehen würde.
„Fürchten Sie sich vor dieser Bestie?“, fragte Anderson plötzlich.
Maki störte diese Frage ein wenig. „Sollte ich mich fürchten?“
„Ich dachte nur …“
„Weil ich eine Frau bin, heißt das noch lange nicht, dass ich bei der heutigen Suche nicht mitmachen werde.“
„So meinte ich das gar nicht“, erwiderte Anderson etwas unbeholfen.
„Wie meinten Sie es dann?“
„Nun ja, seit ich Sie zum ersten Mal gesehen habe, bin ich am Überlegen, wie es jemanden wie Sie zur LOGE verschlagen hat.“
„Und ich dachte, Sie überlegen, wie wir am besten das Monster zur Strecke bringen können“, entgegnete sie. Irgendwie amüsierte sie es, wie Inspektor Anderson versuchte, sich ihr anzunähern. Sie hätte nicht gedacht, dass er so leicht zu verunsichern war. Mit seinem kantigen Gesicht und den langen Haaren, die er im Nacken zusammengeknotet hatte, wirkte er eher wie jemand, der nicht lange Umschweife machte.
„Das natürlich auch“, lautete seine Antwort. „Aber ich dachte nur … Ich meine, Sie sind unglaublich schön. Wenn ich Ihnen woanders begegnet wäre, hätte ich geglaubt, dass Sie als Model arbeiten.“
„Vielleicht habe ich das ja auch.“
Anderson schaute sie mit großen Augen an. „Sie haben wirklich als Model gearbeitet?“
„Für kurze Zeit. In Tokio. Aber das ist schon etwas länger her.“
„Und wie … wie sind Sie dann zu Mr. Tubb gekommen?“
„Das ist eine lange Geschichte. Und ich glaube nicht, dass ich sie Ihnen jetzt erzählen möchte.“
„Nun ja“, erwiderte er leicht enttäuscht.
„Sehen Sie es doch mal so: Ich kenne Sie überhaupt nicht.“
„Da haben Sie auch wieder Recht. Ich würde auch keinem neuen Kollegen gleich mein komplettes Privatleben offenbaren.“
„Genauso ist es.“
Anderson kratzte sich an der Stirn. „Aber wir könnten uns vielleicht näher kennen lernen. Wissen Sie, dass ich in meiner Freizeit male? Ich könnte Ihnen bei mir zuhause ein paar meiner Bilder zeigen …“
Maki blieb stehen. „Ihre Bilder interessieren mich nicht. Und auf das, worauf Sie hinauswollen, sage ich Ihnen nur eines: Sie brauchen sich nicht weiter zu bemühen.“ Sie ging weiter.
Anderson blieb verdutzt stehen, bevor er ihr nachlief. „Tut mir Leid, Miss Asakawa.“
„Dort vorne ist schon das Hotel.“
„Ich hätte Sie wohl besser nicht begleiten sollen.“
„In diesem konkreten Fall hätten Sie sich die Mühe sparen können.“
„Ich hoffe, Sie vergessen wieder, was ich vorhin gesagt habe.“
„Ist es Ihnen plötzlich peinlich?“
Anderson zuckte zusammen, als hätte ihn ihre Frage erschreckt.
Wenige Meter vor dem Hotel blieb Maki erneut stehen. „Es braucht Ihnen nicht peinlich zu sein. Aber Sie sollten Ihre Aufmerksamkeit lieber Ihrem Job widmen als mir.“
Anderson brachte so etwas wie ein Grinsen zustande. „Schon verstanden.“
Tubb, der bereits an der Eingangstür des Hotels stand, rief: „Wohin sollen wir nachher kommen?“
„Smith landet mit dem Hubschrauber auf dem Parkplatz des Markheim-Hospitals.“
Fred zögerte eine Sekunde. Dann hob er die Hand als Zeichen, dass er verstanden hatte.
„Also bis nachher“, verabschiedete sich der Inspektor von Maki.
„Achten Sie auf schwarze Katzen“, sagte sie. „Wenn sie von links kommen, bringen Sie Unglück.“
„Diese eine ganz besonders.“ Er wandte sich, noch immer etwas zerknirscht, von ihr ab und ging die Straße weiter hinunter.
8
Die Hunde in ihren Käfigen begannen plötzlich, aufgeregt zu bellen.
Dr. Kingsley trat in das Zimmer und schaute zum Fenster. Es war bereits so dunkel, dass man nichts mehr erkennen konnte. „Was ist denn los? Beruhigt euch doch wieder“, redete er auf die Hunde ein.
Doch die Hunde schienen ihn gar nicht wahrzunehmen. Sie starrten ständig zum Fenster und bellten es an, als stünde davor ein Einbrecher. Nun begann auch die Katze zu fauchen. Die Hasen drückten sich ängstlich gegen die Rückwand des Käfigs.
„Jetzt macht doch kein solches Theater“, versuchte es der Tierarzt weiter. Vergeblich. Die Hunde und die Katze spielten von Sekunde zu Sekunde verrückter.
Dr. Kingsley trat ans Fenster. Nichts. Als er seine Fingerspitzen gegen das Glas drückte, verspürte er eine leichte Vibration. Sofort fuhr er mit der Hand wieder zurück.
„Dr. Kingsley, ich gehe jetzt!“ Miss Nelson stand im Türrahmen. Sie hatte sich bereits ihre Jacke angezogen und die Handtasche umgehängt.
„Warten Sie lieber noch einen Moment“, sagte er.
„Brauchen Sie noch meine Hilfe?“
Kingsley schaute seine Mitarbeiterin mit Angst erfüllten Augen an. „Draußen ist etwas.“
Miss Nelson betrachtete den Doktor, als ob dieser in einer fremden Sprache zu ihr gesprochen hätte. „Was meinen Sie damit?“
Von draußen hörten sie ein Rascheln.
„Drehen Sie das Licht ab“, flüsterte Kingley.
Seine Assistentin folgte seiner Anweisung. „Was ist? Schleicht jemand ums Haus?“
Dr. Kingsley schaute hinaus in den dunklen Abend. Eine weite Wiese verlief von seinem Haus aus bis zum angrenzenden Wald. Doch er konnte aufgrund der zunehmenden Schatten nicht erkennen, ob sich darauf etwas befand. Er legte seine Finger erneut gegen die Scheibe. Sie vibrierte noch immer. In regelmäßigen Abständen. „Sein Atem“, hauchte er. „Es muss sich um seinen Atem handeln.“
„Was reden Sie da?“
Das Bellen der Hunde wurde von Mal zu Mal schriller. Sie waren völlig außer sich.
„Bleiben Sie besser heute Nacht hier, Miss Nelson.“
„Aber … Ich habe gleich eine Verabredung.“
„Die Bestie“, betonte der Arzt. „Ich glaube, die Bestie ist ganz in der Nähe.“
Miss Nelson erstarrte. „Sie meinen, dieses ABC?“
Dr. Kingsley nickte. „Die Tiere spüren die Bedrohung, die von ihm ausgeht.“
Erst jetzt wandte sich seine Mitarbeiterin den Käfigen zu. „Die Bestie?“
Die Vibrationen verstärkten sich. Auf einmal hörte er ein tiefes, lang gezogenes Knurren. „Es ist hier irgendwo“, flüsterte er.
Miss Nelson trat zu ihm ans Fenster. „Ich sehe nichts.“
„Sie müssen heute hier bleiben.“
Miss Nelsons Augen weiteten sich auf einmal so weit, dass sie drohten, aus ihren Höhlen zu fallen. Sie öffnete ihren Mund. Bevor sie schreien konnte, presste Dr. Kingsley seine Hand auf ihre Lippen. Ihr Schrei verkam zu einem dumpfen Quieken.
Im selben Moment strich vor dem Fenster ein gewaltiger Schatten vorbei.
9
Anderson hatte zunächst nur ein unverständliches Brabbeln gehört. Erst als sich Dr. Kingsley etwas beruhigt hatte, hatte er die Nachricht verstanden. „Das Monster, Inspektor. Es ist hier .“
Anderson zögerte nicht lange. Er wählte die Nummer des Hotels. Nachdem die Angestellte ihn mit Frederic Tubbs Zimmer verbunden hatte, fragte eine helle, klare Stimme: „Was gibt es, Mr. Anderson?“
„Miss Asakawa.“ Mit einem Mal hatte er ihr vorheriges Gespräch im Kopf. „Können Sie …? Sagen Sie Mr. Tubb, dass es los geht. ABC ist aufgetaucht. Ich hole Sie ab.“
Wenige Minuten später fuhr Anderson sie hinaus zu der leer stehenden Markheim-Klinik. Tubb fühlte sich von Mal zu Mal nervöser. Es lag nicht allein an dem plötzlichen Auftauchen der Bestie. Es hing mit dem düsteren Ort zusammen, zu dem der Inspektor sie brachte.
„Ich war vorher bei Dr. Kingsley“, teilte Anderson ihnen mit. „Er sagte, es sei riesig gewesen. Seine Mitarbeiterin steht unter Schock. Ich habe sie nachhause zu ihren Eltern gebracht.“
„Wie sah es aus?“, fragte Maki.
Anderson warf einen kurzen Blick zu ihr auf die Rückbank. „Er konnte keine genaue Beschreibung abgeben.“
Aus der Ferne näherte sich das Rattern eines Helikopters.
„Das muss Smith sein.“ Anderson nahm das Funkmikrophon in die Hand und sprach: „Sehen Sie etwas dort unten, Smith?“
„Bisher noch nichts“, lautete die Antwort.
„Es hat sich wieder verkrochen“, meinte Tubb.
„Mit der Wärmebildkamera müsste Smith es aufspüren können“, erwiderte Anderson.
Die Scheinwerfer des Geländewagens erhellten eine mit Rissen und Schlaglöchern versehene Straße. Stellenweise wuchsen Grasbüschel aus dem aufgeplatzten Asphalt.
Tubb deutete nach vorne. „Hier ist wohl schon länger niemand mehr gewesen.“
„Das Gelände wird nur noch mehr von Pilzsammlern aufgesucht, die von hier aus ihre Suche durch den Wald starten.“ Anderson zuckte mit den Schultern. „Die Stadtverwaltung versucht seit Jahren, das Gebäude zu verkaufen, findet aber keinen Interessenten. Die Klinik liegt zu weit außerhalb.“
Die Straße führte noch mehrere Meter weiter, bis sie in einen groß angelegten, leeren Parkplatz mündete. Die hellen Scheinwerfer hoben das verlassene Klinikgebäude wie ein vergessenes Schiffswrack aus der Dunkelheit.
Tubb verkrampfte sich so sehr, dass seine Muskeln schmerzten.
Die graue Fassade war an manchen Stellen von dunkelgrünem Moos überwuchert. Die Fenster wirkten wie leere Augenhöhlen, die ins Nichts starrten. Mehrere Scheiben waren zersprungen.
Anderson stoppte den Wagen. „Wir sind da.“
Die kühle Luft des Abends umfing sie, als sie das Auto verließen. Anderson ging zum Kofferraum und holte drei kleine Funkgeräte heraus, die er an Tubb, Maki und Hans verteilte. „Damit können Sie mit Smith in Kontakt treten.“
Hans betrachtete sein Gerät mit sichtbarer Skepsis. „Und die funktionieren auch?“
„Probieren Sie es doch einfach mal aus.“
Hans drückte den Sprechknopf. „Hi Smithy, alles klar da oben?“
„Alles bestens. Kann euch vier auf meiner Kamera erkennen.“
„Wissen Sie auch, wer von uns Maki Asakawa ist?“
Maki nahm ihm das Funkgerät aus der Hand. „Ich glaube, dieses Ding ist nichts für Kinder.“
Anderson hob sein Funkgerät an den Mund. „Smith, sehen Sie etwas?“
„Nichts. Ich drehe noch ein paar Runden.“
„Ich habe noch etwas für Sie.“ Anderson beugte sich in den Kofferraum. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er drei Taschenlampen in der Hand. „Die brauchen wir wohl im Wald.“
Zum Schluss holte er zwei Gewehre heraus. „Können Sie damit umgehen?“, wandte er sich an Tubb.
„Geben Sie es lieber Mr. Schmeißer.“
Hans nahm das Gewehr entgegen und schulterte es sich. „Weidmanns Heil.“
Ein Polizeiauto näherte sich ihnen.
„Ich habe ein paar meiner Leute zu unserer kleinen Jagd eingeladen“, erklärte der Inspektor. „Ich denke, Verstärkung ist immer gut.“
Das Polizeiauto hielt wenige Meter vor ihnen. Mit Gewehren bewaffnete Polizisten stiegen aus. „Geht es schon los?“, rief einer von ihnen.
„Haben Sie eine Ahnung, wie ABC auf uns reagieren wird?“, fragte Anderson.
Tubb schaltete seine Taschenlampe ein. „Es wird uns wahrscheinlich angreifen.“ Damit ging er voran, dem Wald entgegen.
10
Smith sah auf dem Bildschirm der Wärmebildkamera, wie sich die Gruppe dem Wald näherte. Er konnte auch die beiden Autos erkennen, deren Motoren noch immer Wärme ausstrahlten. Ansonsten zeigten sich keine Auffälligkeiten. Er ging mit dem Helikopter auf eine geringere Höhe und begann, das Waldgebiet erneut zu überfliegen.
„Am besten, wir teilen uns auf“, meinte Tubb.
„Und was soll das bringen?“, fragte einer der Polizisten.
„Es vergrößert die Möglichkeit, ABC aufzustöbern.“
„Gut, machen wir das“, stimmte Anderson ihm zu. Er warf dabei einen flüchtigen Blick auf Maki.
„Sie und ich bilden ein Team“, fuhr Tubb fort, was bei Anderson eine gewisse Enttäuschung auslöste. „Maki und Hans das zweite Team. Ihr übrigen vier teilt euch ebenfalls in zwei Teams auf.“
„Wird gemacht.“
„Wir durchkämmen den Wald in mehreren Metern Abstand. Jede Auffälligkeit sofort melden.“
„Wollen Sie es töten?“, fragte Anderson.
Tubb schaute ihm direkt in die Augen. „Es wird uns wohl keine andere Möglichkeit übrig bleiben.“
Das Kreischen eines Vogels hallte durch die Nacht.
Sofort entsicherten alle ihre Gewehre und sahen sich um.
Tubbs Herz pochte ihm bis zum Hals. Keine weiteren Geräusche erklangen. „Falscher Alarm.“
Die Spannung löste sich wieder.
„Weißt du, was ich glaube?“, fragte Hans, während er zusammen mit Maki durch den Wald schlich. Etwas entfernt tanzten die leuchtenden Taschenlampen der anderen drei Teams zwischen den Bäumen.
Maki seufzte. „Und was glaubst du?“
„Ich glaube, dass Anderson in dich verknallt ist.“
„Schön, dass du dir darüber Gedanken machst.“
„Stimmt’s oder hab ich Recht?“
„Frag ihn doch.“
„Er guckt dich jedes Mal an, als hättest du ihn verhext.“
„Toller Vergleich.“
„Ist aber so.“
„Achte lieber darauf, dass dich diese Bestie nicht massakriert.“
„Ich denke, die ist längst auf und davon.“
„Woher willst du das wissen?“
„Ich kenne mich mit Katzen aus. Wenn die genug gefuttert haben, hauen sie einfach wieder ab.“
„Wieso hast du eigentlich nicht Zoologie studiert? Deine tolle Beobachtungsgabe wäre in diesem Fachgebiet sicherlich gut zu gebrauchen.“
„Ich denke, du hast dich auch ein klein wenig in diesen Inspektor verknallt“, gab Hans zurück.
„Und wenn du mit diesem überflüssigen Geschwätz nicht aufhörst, knalle ich dir eine.“
„Smith?“, sprach Anderson ins Funkgerät.
„Noch immer nichts. Ist vielleicht schon über alle Berge.“
„Sagen Sie uns, wenn Sie etwas sehen.“
„Ich glaube, es ist noch hier“, meinte Tubb.
Anderson war sich da weniger sicher. „Smith kreist jetzt schon fast eine halbe Stunde über uns. Er müsste längst etwas entdeckt haben.“
„Es lauert irgendwo auf uns. Ich bin sicher, dass es uns längst gewittert hat.“
„Haben Sie keine Angst, dass dieses Vieh Sie töten könnte?“
„Doch, natürlich. Sie doch sicherlich auch.“
„Eines möchte ich gerne wissen, Mr. Tubb. Was hat es mit dieser Markheim-Klinik auf sich? Was spielte sie in Ihrer Vergangenheit für eine Rolle?“
„Halten Sie mich für verrückt?“
„Nein“, antwortete Anderson irritiert. „Sollte ich das etwa?“
„Ich wurde 1999 in diese Klinik eingeliefert.“
Anderson konnte nicht glauben, was er da soeben gehört hatte. „Sie wurden hier eingeliefert?“
„Weil man mich für einen geisteskranken Mörder hielt. Immerhin behauptete ich ja, dass ich einen Werwolf erschossen hätte.“
Anderson ging auf einmal ein Licht auf. „Jetzt verstehe ich. Ihre Frau. Sie erwähnten, sie habe in der Klinik gearbeitet.“
„Wir lernten uns dort kennen.“
„Verzeihen Sie mir meinen Ausdruck, aber das klingt wie in einem Fantasy-Roman.“
„Sie haben Recht. Im Grunde genommen ist alles, was mit meiner Frau zusammenhängt, außergewöhnlich.“
Auf einmal hörten sie einen dumpfen Schlag, so als wäre etwas Schweres zu Boden gefallen.
Anderson richtete die Taschenlampe geradeaus. „Smith, etwas auf Ihrem Bildschirm?“
„Nur Sie und Ihr Team.“
„Was ist vor uns?“
„Keine Auffälligkeit.“
Erneut schrie ein Vogel durch die Dunkelheit des Waldes.
Anderson spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.
„Maki, du könntest dem Monster ja einen Kuss geben. Vielleicht verwandelt es sich dann in einen Prinzen.“
Maki fragte sich, wie es Hans nur schaffte, selbst in solch einer Situation, auf alberne Gedanken zu kommen. Natürlich war sie es längst gewöhnt, dass er manchmal dummes Zeug von sich gab. Dennoch verwunderte es sie stets von Neuem. „Und was passiert, wenn ich dich küsse? Verwandelst du dich dann in eine hässliche Kröte?“
„Wenn du willst, kannst du es ja ausprobieren.“
„Nein, danke. Dann küsse ich lieber das Ungeheuer.“
Nachdem sie ein paar Schritte weiter gegangen waren, klang auf einmal Smiths Stimme aus dem Funkgerät. „Ich glaube, da ist etwas.“
Maki und Hans blieben stehen.
„Was sehen Sie?“, erklang Tubbs Stimme.
„Kann ich nicht genau beschreiben. Aber es ist direkt vor Ihnen.“
„Wir sehen nichts.“
„Es nähert sich.“
„Ist es groß?“, fragte Anderson.
„Ziemlich groß.“ Nach ein paar Sekunden fügte Smith hinzu: „Es bewegt sich auf das linke Team zu.“
Maki traf die Information wie ein Schlag auf den Kopf. „Wir sind das linke Team.“
„Kommt sofort zu uns!“, forderte Tubb sie auf.
„Das lass ich mir nicht zweimal sagen“, bemerkte Hans. Sofort setzte er sich in Bewegung.
Maki lief neben ihm her. Ihr Herz pochte wie ein Presslufthammer. „Wieso kommt es ausgerechnet auf uns zu?“
„Wahrscheinlich schmeckst du am besten.“
„Beeilt euch, linkes Team!“, klang Smith durch das Funkgerät.
Fast im selben Moment vernahm Maki das Knacken von am Boden liegenden Ästen. Sie schaute in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Und blieb wie angewurzelt stehen. Aus der Dunkelheit starrten sie zwei rot glühende Augen an. „Hans, dein Gewehr“, flüsterte sie.
Hans leuchtete mit seiner Taschenlampe direkt auf die Stelle, wo zuvor noch die Augen der Bestie geleuchtet hatten. Nichts.
„Wo ist es?“, sprach Maki leise in das Funkgerät. Ihre Stimme zitterte.
„Nur wenige Meter von euch entfernt.“
„Beeilt euch!“, rief Tubb.
Hans nahm das Gewehr von der Schulter und entsicherte es. „Typisch Miezekatze. Glaubt immer, dass alles nur zum Spielen da ist.“
Ein tiefes Knurren ertönte. Es ähnelte keineswegs dem eines Löwen. Es hatte etwas Urzeitliches an sich. Ungefähr so musste früher ein riesiger Säbelzahntiger geklungen haben.
Wie aus dem Nichts schoss ein gigantischer Schatten an Maki vorbei. Hans stieß einen erschrockenen Schrei aus, als ihn etwas mit voller Wucht rammte. Aus dem Gewehr löste sich ein Schuss. Gleichzeitig wurde Hans durch die Luft geschleudert, bevor er gegen einen Baumstamm knallte.
„Hans!“ Maki vergaß mit einem Mal die Gefahr, die von der Bestie ausging. Sie rannte auf ihren Kollegen zu, der regungslos am Boden lag. „Hans!“ Sie kniete sich neben ihn hin und rüttelte ihn an der Schulter.
Hans öffnete die Augen. Sein trüber Blick bereitete Maki noch größere Sorgen. „Böse Miezekatze“, sagte Hans mit benommener Stimme. Und verlor das Bewusstsein.
Maki rüttelte ihn erneut. „Hans, komm wieder zu dir!“
Hans regte sich nicht. In ihrer Verzweiflung begann sie, laut zu schluchzen.
Schritte näherten sich.
Anderson kniete sich neben sie und fühlte nach Hans’ Puls. „Er lebt. Sein Puls ist allerdings ziemlich schwach. Wir müssen ihn sofort in ein Krankenhaus bringen.“
„Beeilen Sie sich“, erwiderte Maki mit bebender Stimme. Sie streichelte Hans durch das Haar.
„Die Bestie bewegt sich auf das rechte Team zu“, lautete Smiths neueste Information.
Tubb, der zusammen mit Anderson zu Hans und Maki geeilt war, zeigte ein zutiefst besorgtes Gesicht.
Plötzlich knallten Schüsse durch den Wald. Aufgeregte Rufe waren zu hören.
Anderson schien kurz zu überlegen, ob er seinen Leuten beistehen oder sich um Hans kümmern sollte. Schließlich fasste er einen Entschluss. „Helfen Sie mir, ihn bis zu meinem Wagen zu tragen, Mr. Tubb.“
Maki nahm Hans’ Gewehr. Während Anderson Hans unter die Schultern griff, umklammerte Tubb Hans’ Beine. Gemeinsam schleppten sie ihn in Richtung der Baumgrenze.
Währenddessen feuerten Andersons Männer ununterbrochen weiter.
„Es ist weg!“, rief Smith völlig unerwartet.
„Was meinen Sie damit?“, fragte Anderson, der sich das Funkgerät um den Hals gehängt hatte.
„Es ist plötzlich von meinem Bildschirm verschwunden.“
Tubb und Anderson hatten nur wenige Meter zurückgelegt, als einer der vier Polizisten einen gellenden Schrei ausstieß, der dann jedoch abrupt abbrach.
„Mein Gott!“, schrie einer der anderen Männer. „Es ist hier! Es hat George erwischt!“
„Auf dem Bildschirm sehe ich nichts!“, rief Smith bestürzt.
„Beeilt euch!“, drängte Maki Tubb und Anderson.
Erneut knallten Schüsse.
„Raus aus dem Wald!“, schrie der Inspektor.
„Jetzt sehe ich es wieder!“, rief Smith. In den Klang seiner Stimme mischte sich blankes Entsetzen. „Mein Gott, es ist direkt bei Ihnen, Anderson!“
„Schneller!“, forderte Tubb den Inspektor auf.
Maki schaute sich um, das Gewehr schussbereit in beiden Händen. Ein bedrohliches Knurren ertönte. Auf einmal erblickte sie wieder jene rot glühenden Augen, die körperlos in der Luft zu schweben schienen. Maki hob das Gewehr an und zielte. John Arnold hatte ihr und Hans im Keller des Zentralgebäudes der LOGE immer wieder Schießübungen gegeben. Sie drückte ab. Das Gewehr stieß schmerzhaft gegen ihre Schulter. Das Knurren der Bestie verwandelte sich schlagartig in ein markerschütterndes Jaulen. Das rote Leuchten seines linken Auges verblasste wie eine Glühbirne, die jemand ausgeknipst hatte.
„Es haut ab!“, verkündigte Smith.
„Ein hervorragender Schuss“, beglückwünschte Anderson sie.
Maki versuchte, ihre Freude über den Erfolg nicht zu deutlich zu zeigen. „Es war eher ein Glückstreffer.“
„Wie dem auch sei“, schnaufte Tubb. „Es verschafft uns auf jeden Fall Zeit, um Hans in Sicherheit zu bringen.“
So sehr Smith auch suchte, er fand die Bestie auf seinem Bildschirm nicht wieder. Ob sie sich in einer Höhle versteckt hatte? Auf jeden Fall waren Anderson und die anderen zunächst einmal in Sicherheit. Er sah, wie sie Hans Schmeißer zum Geländewagen des Inspektors trugen.
„Ich denke, Sie können für heute Schluss machen“, hörte er Anderson sagen.
„Geht klar, Chef.“ Er flog über sie hinweg und steuerte darauf den Helikopter zu seinem Landeplatz.
11
Hans wurde sofort untersucht und daraufhin in ein freies Zimmer des Darkmoore-Hospitals gebracht. Er hatte eine Gehirnerschütterung erlitten und mehrere Prellungen davon getragen.
Kurze Zeit später trafen sich Anderson, Tubb und Maki auf der Polizeiwache. Andersons Büro war alles andere als groß. An der Wand hinter dem Schreibtisch hing ein Bild, das Tubbs Aufmerksamkeit auf sich zog. Es zeigte zerklüftete Klippen, gegen die sich sturmgepeitschte Wellen brachen. Ein paar Vögel schienen gegen den Sturm anzukämpfen. Düstere Wolken und ein windschiefes Haus, das oben am Klippenrand stand, vervollkommneten die überaus lebendige Szenerie. „Von wem ist dieses Bild?“
„Würden Sie staunen, wenn ich Ihnen sagte, von mir?“
Maki hob verblüfft beide Augenbrauen. „Das haben wirklich Sie gemalt?“
Anderson wirkte etwas verlegen. „Ich sagte Ihnen bereits, dass ich male.“
Maki trat vor das Bild, um es sich genauer zu betrachten.
„Was für ein Grund veranlasst einen Maler Polizist zu werden?“, fragte Tubb.
Der Inspektor zuckte mit den Achseln. „Da ich als Maler so gut wie kein Geld verdient habe.“
„Sie wollten tatsächlich Maler werden?“, fragte Maki fasziniert.
Anderson zeigte ein melancholisches Grinsen. „Das wollte ich. Aber irgendwann bemerkt selbst der vollkommenste Bohemien, dass er von Luft nicht leben kann.“
„Meine Schwester arbeitet als Malerin“, bemerkte Maki. „Ihre Bilder werden vor allem von Touristen gekauft.“
„Malen Sie auch?“, fragte Anderson.
„Nein, aber ich interessiere mich für Kunst.“
„Das haben Sie mir heute Nachmittag gar nicht gesagt.“
Maki wandte sich wieder dem Bild zu. „Ich wusste nicht, dass Malen Ihre eigentliche Berufung ist.“
„Wie ich schon sagte, können Sie sich gerne auch meine übrigen Bilder ansehen.“
Maki verschränkte ihre Arme. „Vielleicht sollten wir doch lieber über ABC sprechen.“
„Sagen Sie einfach bescheid, falls Sie die Bilder sehen möchten“, entgegnete Anderson, als hätte er sie nicht gehört.
„Wir kommen bestimmt darauf zurück“, bemerkte Tubb. „Aber Maki hat Recht, die Bestie hat Vorrang. Wir sind genauso schlau wie zuvor. Obwohl wir direkten Kontakt mit ABC hatten, hatte niemand es erkennen können.“
„Möglicherweise hat es George gesehen, doch das Biest hat ihm den halben Rücken aufgerissen.“
„Ich verstehe nicht, weswegen das Tier immer wieder von Smiths Bildschirm verschwand“, sagte Tubb. „Funktionierte das Gerät richtig?“
„Wir mögen hier zwar mitten in der Pampa leben, Mr. Tubb, aber das heißt nicht, dass wir unsere Arbeit nicht verstehen würden.“
„Das behauptete ich auch gar nicht, Inspektor. Letztendlich müssen wir aber jede Möglichkeit durchgehen.“
„Ich kann Smith später danach fragen“, erwiderte Anderson etwas gelassener.
„Könnte es seine Körpertemperatur ändern?“, stellte Maki die These in den Raum.
„Das wäre eine weitere Möglichkeit.“ Tubb überlegte ein paar Sekunden, bevor er hinzufügte: „Soweit ich in Erinnerung habe, verschwand die Bestie jedes Mal, bevor sie uns angriff. Ob es sich dabei um eine Art Tarnung handelt?“
Anderson stieß ein trockenes Lachen aus. „Mr. Tubb, ich glaube nicht, dass die Tarnung eines Urzeitviehs auf Wärmebildkameras ausgerichtet ist.“
„Das natürlich nicht. Aber es könnte etwas mit seiner physischen Tarnung zu tun haben.“
„Hans und ich sahen nur die Augen des Ungeheuers“, teilte Maki mit. „An irgendeine Körperform kann ich mich nicht erinnern.“
Tubb nickte. „Deswegen ist es uns auch nicht möglich, das Tier zu beschreiben. Es tarnte sich, bevor es angriff. Es wurde so gut wie unsichtbar.“
„Das würde auch erklären, weswegen Dr. Kingsley und seine Mitarbeiterin die Bestie nicht beschreiben konnten“, meinte Anderson.
Tubb faltete die Hände wie zum Gebet. „Makis Schuss hat die Bestie bis auf weiteres vertrieben. Vielleicht kehrt sie überhaupt nicht mehr hierher zurück. Vielleicht stirbt sie auch an ihrer Verletzung. Auf jeden Fall denke ich, dass wir morgen Früh den Wald nochmals durchkämmen sollten. Wir haben vielleicht Glück und finden ein paar Hinweise, die uns mehr über ABC verraten.“
„Im besten Fall finden wir es tot im Wald liegen“, lautete Andersons Kommentar.
„Das liegt ebenfalls im Bereich des Möglichen.“
„Nun gut, und was machen wir bis dahin?“
Tubb unterdrückte ein Gähnen. „Ich gehe ins Hotel. Treffen wir uns morgen gegen acht.“
„In Ordnung. Ich fahre Sie noch zurück. Das Hotel liegt so gut wie auf meinem Weg.“
Maki musste augenblicklich grinsen. „Alles scheint bei Ihnen immer irgendwie auf dem Weg zu liegen.“
Anderson nahm seine Schlüssel. „Darkmoore ist klein, Miss Asakawa.“
Vor dem Hotel stiegen Tubb und Maki aus dem Geländewagen. „Also bis morgen.“
„Bis morgen“, erwiderte Anderson.
Statt Tubb zu folgen, ging Maki um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. „Ich möchte noch einmal nach Hans sehen.“
Tubb winkte ihr zu. „Ist gut.“
Sie stieg ein.
„Sie haben Glück“, sagte Anderson. „Die Klinik liegt praktisch auf meinem Weg.“
„Ach, wirklich? Ich befürchtete schon, Sie müssten extra einen Umweg fahren.“
Anderson fuhr los. „Für manche Fahrgäste nehme ich auch das in Kauf.“
„Fahren Sie einfach“, erwiderte Maki.
Wenige Minuten später erreichten sie das Krankenhaus. Maki hatte geglaubt, dass Anderson weiterfahren würde, doch er stieg zusammen mit ihr aus. „Sie sind nicht verpflichtet, mir überallhin zu folgen.“
„Ich denke, ich sollte ebenfalls wissen, wie es Ihrem Kollegen geht.“
Am späten Abend hielten sich kaum noch Besucher in der Klinik auf. Maki öffnete leise die Tür des Zimmers, in dem Hans lag und das sich im vierten Stock befand. Das Nachtlicht brannte. Hans lag auf dem Bett, das Gesicht ihr zugewandt. Zunächst glaubte sie, er würde sie ansehen. Doch dann stellte sie fest, dass seine Augen geschlossen waren. Sofort spürte sie einen schmerzenden Kloß in ihrem Hals. Sie wusste selbst nicht, wieso, aber sie fühlte sich ihm gegenüber stets verantwortlich. Beinahe so, als wäre er noch ein kleines Kind. Gut, kindisch benahm er sich auf jeden Fall. Doch ansonsten war er gerade einmal zwei Jahre jünger als sie.
Sie setzte sich an den Bettrand und streichelte ihm sanft über die Wange.
„Sie sind ihm gegenüber sehr fürsorglich“, bemerkte Anderson.
„Wir kennen uns schon seit mehreren Jahren.“
„Haben Sie an derselben Uni studiert?“
„Nein. Ich studierte in Tokio und Straßburg, er in Berlin und Freiburg. Wir haben uns in London kennen gelernt. Er hatte sich für dieselbe Stelle bei Mr. Tubb beworben.“
„Er hatte Glück.“
Maki schaute Anderson fragend an.
„Ich meine, vorhin. Der Angriff hätte auch wesentlich schlimmer ausfallen können. Denken Sie an George.“
„Das mit George tut mir leid“, sagte sie.
„Eigentlich war es meine Schuld. Ich hätte die Jungs nicht auffordern sollen, bei der Aktion mitzumachen.“
„Fred hatte gehofft, ABC beobachten zu können. Allerdings hatte er natürlich das Risiko, dass etwas passieren könnte, in Kauf genommen.“
„Um ehrlich zu sein, werde ich aus Ihrem Chef nicht ganz schlau. Ich meine, wieso nimmt Darkmoore bei ihm eine so große Rolle ein? Gut, er hat ein wenig von seiner Vergangenheit erzählt. Aber was gibt es noch? Seine Frau zum Beispiel. Sie sitzt doch sicherlich in London und wartet, dass er gesund und munter wieder nachhause kommt.“
„Seine Frau gilt seit längerer Zeit als vermisst.“
Anderson stutzte. „Sie wurde entführt?“
„Nein. Ihre Spur verliert sich bei einem rätselhaften Autounfall. Fred hofft im Grunde genommen nichts anderes, als sie zu finden.“
Anderson rieb sich verlegen das Kinn. „Das erklärt natürlich so einiges.“
„Was zum Beispiel?“
„Na ja, seine düstere Aura. Entschuldigen Sie den Vergleich, aber auf mich wirkt Mr. Tubb wie jemand, über dem ständig eine dunkle Wolke schwebt.“
Maki legte ihre Hand auf Hans’ Stirn. „Da haben Sie gar nicht so Unrecht.“
„Wenn du schon da bist, kannst du mir auch gleich den Polster richten.“
Maki dachte zunächst, sie hätte sich das nur eingebildet. Doch Hans schaute sie tatsächlich an. Sofort wurde sie skeptisch. „Warst du etwa schon vorher wach?“
„Die ganze Zeit.“ Hans grinste sie an.
Maki schlug mit der flachen Hand gegen die Matratze. „Und wieso sagst du dann nichts?“
„Weil du dich sonst um mich gar keine Sorgen gemacht hättest.“
Sie zwickte ihm ins rechte Ohr.
„Autsch! Hast du etwa vergessen, dass ich Patient bin?“
„Du kommst gleich in den Kühlraum.“
„Aber vorher richte mir bitte noch das Kopfkissen.“
Maki gab ihm eine leichte Kopfnuss, bevor sie ihm das Kopfkissen aufplusterte. „Und jetzt schlaf wieder.“
„Was ist mit der Miezekatze passiert?“
„Sie ist abgehauen.“
„Einfach so?“
„Ich habe ihr eine Kugel verpasst.“
In Hans müde Gesichtszüge mischte sich echtes Staunen. „Du hast ihr eine Ladung Schrot in den Hintern gepfeffert?“
„So ähnlich. Und jetzt schlaf.“
„Einen Moment noch“, fuhr Anderson dazwischen. „Haben Sie die Bestie erkennen können?“
Hans schaute Anderson an, als hätte er ihn erst jetzt bemerkt. „Ich habe so etwas wie eine pelzige Fratze gesehen. Mit roten Leuchtaugen. Aber alles ging so schnell, dass ich nicht viel mitbekommen habe.“ Er wandte sich wieder an Maki. „Wieso will er das wissen?“
„Es ist so, dass niemand diese Kreatur sehen konnte. Wenn überhaupt, dann nahmen alle nur so etwas wie einen Schemen wahr.“
„Typisch Miezekatze. Wenn sie nicht gesehen werden will, sieht man sie auch nicht.“
„Du mit deinen Katzenweisheitssprüchen.“
„Bleibst du über Nacht hier?“
„Sehe ich etwa so aus?“
„Nein.“
„Da hast du die Antwort.“
Hans setzte eine enttäuschte Miene auf.
„Meine Güte, Hans, du bist kein kleines Kind mehr.“ Sie wollte aufstehen, doch erhielt sie zurück. „Was ist jetzt schon wieder?“
„Ich wollte dir nur sagen, dass ich froh bin, dass dir nichts passiert ist.“
Der Ernst in seiner Stimme überraschte sie. Normalerweise sagte er ihr nie etwas auf so direkte Weise. Sie beugte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Schlaf jetzt, damit du schnell wieder auf die Beine kommst.“
„Du hättest mich ruhig auch mal richtig küssen können.“
Sie drückte ihm die Augenlider zu. „Sendepause.“
Tatsächlich war er bereits nach wenigen Sekunden eingeschlafen.
Sie blieb noch eine Weile sitzen. Auf einmal fühlte sie sich leer und erschöpft.
„Alles in Ordnung?“, fragte Anderson.
„Es ist nichts.“
„Am besten, ich fahre Sie zurück ins Hotel.“
„Ich glaube, ich brauche erst etwas zu trinken.“
Anderson deutete mit seiner rechten Hand in eine unbestimmte Richtung. „Hier in der Nähe gibt es ein ganz passables Pub.“
Maki erhob sich. „Also gut.“
„Ich könnte Ihnen dann etwas mehr über meine Bilder erzählen“, meinte Anderson. Er schaute sie erwartungsvoll an.
Sie warf nochmals einen Blick auf Hans. „Ja, wieso nicht.“
12
Es war beinahe halb zwölf, als sie das Pub verließen, das sich in einer der vielen Seitenstraßen befand. Leichter Nebel waberte zwischen den hohen, alten Häusern.
Normalerweise trank Maki kein Bier. Dieses Mal aber hatte sie eine Ausnahme gemacht. Sie sorgte sich einfach immer zu sehr um Hans und Fred. Und dieses Mal ganz besonders. Der eine lag verwundet im Krankenhaus, der andere stand kurz davor, seiner Vergangenheit zum Opfer zu fallen. Auch wenn Fred es nicht offen zeigte, so war ihr bewusst, wie sehr es ihn seelisch belastete, wieder in dem Ort zu sein, in dem sich sein Schicksal auf so radikale Weise geändert hatte. Ein Ort, der vollgesogen war von Schmerz und Dunkelheit wie ein Schwamm.
Wenn sie ehrlich war, so hatte sie Anderson nur mit halbem Ohr zugehört, während er über seine Malerei gesprochen hatte. Ständig waren ihre Gedanken zu jenem Zwischenfall gewandert, der Fred in die Psychiatrie gebracht hatte. Sie kannte das Buch über die Legende des Werwolfs von Darkmoore, das ihm Kathrin geschenkt hatte. Daher kannte sie auch das Schwarzweißfoto, das den rätselhaften Mann zeigte, den Fred aus Notwehr erschossen hatte. Ein Mann, der zweimal gestorben war. Hatte es sich bei ihm tatsächlich um einen Werwolf gehandelt?
Obwohl ein Arzt vor ein paar Jahren Fred unter Hypnose darüber befragt hatte, in der Hoffnung, dadurch das Geheimnis zu lüften, hatte dies nicht wirklich Erfolg gehabt. Im Gegenteil, es hatte weitere Fragen aufgeworfen. Fred hatte es nicht geholfen und das Rätsel hatte nicht gelöst werden können.
Nur eines war klar: etwas hatte Fred damals beinahe um den Verstand gebracht.
„Soll ich Sie zurück ins Hotel fahren?“, fragte Anderson.
Maki verschränkte ihre Arme. „Haben Sie in Ihrer Polizeistation ein Archiv?“
„Natürlich haben wir das …“ Er stockte. Dann hob er das Kinn wie jemand, der endlich die Pointe eines Witzes verstanden hatte. „Frederic Tubb. Es geht Ihnen um das Geheimnis von Darkmoore.“ Er lächelte müde. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu sehr gelangweilt mit meinem Gerede über mein Hobby.“
„Das haben Sie nicht“, erwiderte Maki. „Es tut mir leid, wenn es den Anschein macht. Aber das, was Fred damals widerfahren ist, lässt mir einfach keine Ruhe.“
„Dann ab ins Archiv“, sagte Anderson.
„Sind Sie jetzt sauer auf mich?“
Er lachte. „Jetzt fragen Sie mich dasselbe wie ich Sie am Nachmittag. Und meine Antwort ist ebenfalls dieselbe: Ich bin nicht sauer. Vielleicht ein klein wenig enttäuscht, aber mehr nicht.“ Er deutete in die Richtung, in der sein Wagen stand. „Machen wir uns auf den Weg.“
Das Archiv befand sich im hinteren Teil der Polizeistation und bestand aus einem großen Raum mit mehreren Metallregalen, in denen Ordner und Pappkartons vor sich hinstaubten. Die einzelnen Fächer waren mit Jahreszahlen versehen.
„1999, nicht wahr?“
„Ja.“ Maki blieb mitten im Raum stehen, während Anderson die Regale absuchte, bis er das Fach mit der Aufschrift 1999 gefunden hatte.
Er selbst hatte sich nie für die früheren Fälle interessiert und es hatte bisher auch nie irgendwelche Anfragen gegeben, sodass es ihn wunderte, dass in dem Fach nur ein einziger graugrüner Karton stand. Da Maki Asakawa dieser Fall so sehr beschäftigte, hatte er vermutet, mehr zu finden, als nur das.
Er zog den Karton, der überraschend leicht war, heraus und reichte ihn ihr. „Ich hoffe, es hilft Ihnen.“
Sie wirkte auf einmal etwas nervös, während sie den Deckel des Kartons betrachtete. Einer von Andersons Vorgängern hatte mit schwarzem Filzstift Der Fall Darkmoore drauf geschrieben. Und darunter: Ungelöst .
„Gehen wir in mein Büro. Dort können Sie besser darin herumkramen. Ich koche Ihnen inzwischen Kaffee.“
„Danke.“ Sie folgte ihm durch den Flur zurück in den vorderen Teil der Station. Während er in die Küche ging, setzte sie sich an seinen Schreibtisch. Sie stellte den Karton auf ihren Schoß und nahm den staubigen Deckel ab.
Mehrere Fotos, die jemand einfach hineingeworfen hatte, und drei dünne Schnellhefter. Mehr enthielt der Karton nicht. Eines der Fotos davon zeigte Frederic Tubb, wesentlich jünger und zugleich ziemlich abgemagert. Er schaute mit verstörtem Blick in die Kamera. Vielleicht wurde es an dem Tag aufgenommen, an dem Fred eingeliefert worden war. Auf der Rückseite standen sein Name und das Datum: 25. November 1999 . Ein anderes Foto zeigte Kathrin Jarvis. Sie war sehr hübsch gewesen. Hatte langes, kastanienbraunes Haar gehabt, sanft geschwungene Lippen und eine schmale Nase. Das Foto verursachte ihr einen Stich in ihrem Herzen. Sie hatte Kathrin gekannt. Aber es war alles andere als Freundschaft gewesen. Kathrin hatte sich ihr gegenüber stets distanziert verhalten. Eines Tages hatte sie auch allen Grund dazu gehabt. Doch jetzt war es sowieso zu spät, um alles rückgängig zu machen.
Sie holte ein weiteres Foto hervor, das den unbekannten Mann zeigte, den Fred erschossen hatte. Eine eigenartige Physiognomie beherrschte seine Gesichtszüge. Maki konnte nicht sagen, was es war, dass sie so eigenartig machten. Vor allem seine Augen hatten etwas Unheimliches an sich. Sogar im Tod ging von ihnen eine unerklärliche Bedrohung aus, obwohl sie in ein leeres Nichts blickten.
Ein weiteres Foto. Ihre Augen weiteten sich erschrocken. „Was ist das?“
Gerade betrat Anderson das Büro mit zwei Kaffeetassen in den Händen. Er stellte die Tassen ab und betrachtete die Aufnahme. Er runzelte irritiert die Stirn. Schaute auf die Rückseite des Fotos. Dort stand nur Wald von Darkmoore. Es zeigte eine kreisrunde Fläche mit umgeknickten Bäumen. In der Mitte dieser Fläche gab es einen weiteren Kreis, eine Art kleine Lichtung, in dem die Erde vollkommen schwarz war. Personen in weißen Schutzanzügen standen herum. Es sah aus, als würden sie den Boden untersuchen und irgendwelche Messungen durchführen. „Ich hab keine Ahnung. Hat Ihnen Mr. Tubb nie etwas darüber erzählt?“
„Er sprach einmal während einer Hypnosesitzung nur wirres Zeug. Auf jeden Fall erwähnte er keine Männer in Schutzanzügen.“ Sie zog ein weiteres Foto hervor. „Sehen Sie sich das an.“
Es zeigte einen der weiß gekleideten Männer, dessen Gesicht hinter dunklem Schutzglas verborgen war. Er hielt einen großen, unförmigen Stein in den Händen. Doch was an dem Stein so erstaunlich sein sollte, dass jemand davon ein Foto gemacht hatte, blieb für Maki unklar. Dann noch ein Foto. Es zeigte bleiche Knochen in einer Grube, die anscheinend von den Leuten ausgehoben worden war, die jemand auf dem vorherigen Foto abgelichtet hatte. Eine alte Grabstätte? Auf der Rückseite beider Fotos stand lediglich Wald von Darkmoore.
„Sie kramen wohl gerade die Geheimnisse von Darkmoore hervor“, witzelte Anderson.
„Es scheint so. Haben Sie eine Ahnung, was die beiden Fotos zu bedeuten haben?“
„Sie sind die Wissenschaftlerin. Ich bin nur ein einfacher Polizist.“
„Ein malender Polizist.“
„Der Ihnen auf Ihre Fragen leider keine Antwort geben kann. Für mich ist das nicht weniger sonderbar als für Sie.“
Sie ging den weiteren Inhalt durch. Die Hefter enthielten Frederic Tubbs unzusammenhängende Aussage, die Aussage von Kathrin Jarvis und die Aussage eines Psychiaters, der Fred für schizophren hielt. Fred selbst konnte sich, dem Protokoll nach, kaum an etwas erinnern. Kathrin sprach über Freds Verhalten in der Klinik und darüber, dass sie ihn an eben diesen Ort geführt habe, an dem die Bäume wie Streichhölzer umgeknickt waren. Der Ort, an dem man Fred und den unbekannten Mann gefunden hatte.
Die Identität des Mannes konnte nicht geklärt werden.
Am Boden des Kartons ein weiterer Hefter. Leer.
Sie zog ihn heraus. Aussage von Dr. Henry Sanders, Geologe. „Wieso ist dieser Hefter leer?“
„Keine Ahnung. Ich habe in dem Archiv nie etwas angerührt. Aber ich werde der Sache nachgehen. Mein Vorgänger weiß vielleicht etwas darüber.“ Er deutete auf die Tasse. „Trinken Sie erst mal einen Schluck. Sie wirken, als hätten Sie nicht das gefunden, nach dem Sie gesucht haben.“
„Ja, ich habe mir wohl mehr erhofft.“
„Das tut mir leid. Wenn Sie ausgetrunken haben, bringe ich Sie zurück ins Hotel.“
„Danke.“
Anderson winkte ab. „Keine Ursache. Obwohl ich mit Ihnen gerne mehr über Malerei gesprochen hätte.“
Sie lächelte zurückhaltend. „Das können wir ja noch immer.“
„Heißt das, Sie wollen nicht zurück?“
„Noch nicht.“
13
Sechs Uhr morgens. Draußen herrschte dichter Nebel. Adam Smith gehörte zu den Frühaufstehern. Egal, wie spät er schlafen ging, er stand jeden Tag um fünf Uhr auf. Er duschte sich schnell, trank eine Tasse Kaffee und aß dazu eine kleine Schüssel Porridge und machte sich dann auf den Weg zur Arbeit. Dieses Mal fuhr er als erstes zu dem kleinen Flughafen außerhalb von Darkmoore, auf dem auch der Helikopter stand. Anderson hatte ihn gestern Abend noch angerufen und ihn gebeten, die Wärmebildkamera zu überprüfen. Anscheinend hatte dieser Mr. Tubb gemeint, sie könnte eine Fehlfunktion haben. Nun gut, Smith meinte das zwar nicht, aber was Anderson ihm auftrug führte er durch.
Er hielt mit seinem klapprigen Peugeot auf dem Parkplatz und stieg aus. Der Nebel war hier draußen noch dichter als in der Stadt. Nach Smiths Erfahrung würde sich die trübe Suppe heute auch nicht mehr auflösen. Egal, ob Anderson und Tubb nochmals auf Spurensuche gehen wollten, auf die Unterstützung durch den Helikopter mussten sie verzichten.
Er ging um das verlassene Flughafengebäude herum. Der Flughafen stand hauptsächlich Hobbyfliegern zur Verfügung. Am frühen Morgen mitten in der Woche war hier so gut wie nie etwas los. Smith spazierte über die weite asphaltierte Fläche, bis er den Helikopter erreichte. Er öffnete die Tür und stieg ein. „Wollen wir doch mal sehen, ob die Kamera defekt ist.“
Er schaltete sie ein. Sie war vorne am Bug angebracht und konnte in alle nur denkbaren Richtungen schwenken. Auf dem Bildschirm bemerkte er einen Hasen, der rasend schnell über das Flugfeld hoppelte.
Er bewegte die Kamera im Kreis. Soweit er beurteilen konnte, funktionierte sie einwandfrei. Ein Vogelschwarm flatterte in die Höhe. Waren die Tiere von einem Fuchs aufgescheucht worden? Smith vernahm aufgeregtes Zwitschern.
Er schwenkte die Kamera noch einmal in unterschiedliche Richtungen. „Kein Defekt“, schlussfolgerte er. Er wollte das Gerät soeben ausschalten, als er erneut etwas auf dem Bildschirm wahrnahm. Dieses Mal handelte es sich weder um einen Hasen noch um einen Schwarm aufgescheuchter Vögel. Schon gar nicht um einen Fuchs. Das, was er nun sah, war um ein Vielfaches größer. Ein echtes Monster.
Smith begann auf einmal, zu zittern. Es befand sich mehrere Meter von ihm entfernt und starrte in seine Richtung. Durch das Fenster sah er lediglich den dichten Nebel, der wie eine Mauer die Sicht versperrte. Auf dem Bildschirm aber war diese Kreatur im Falschfarbenmodus deutlich zu erkennen. Er griff nach der offen stehenden Helikoptertür und schloss sie so leise wie möglich.
Als er wieder auf den Bildschirm schaute, war das Ungeheuer verschwunden. Er schwenkte die Kamera. Nichts. Erleichtert lehnte sich Smith zurück. „Gott sei Dank.“
Kaum hatte er diese Worte vor sich hergemurmelt, stieß etwas mit voller Wucht gegen den Helikopter. Smith wäre fast vom Pilotensitz gerutscht. Am Fenster der gegenüberliegenden Tür hatte sich ein großer Riss gebildet.
Smith hatte sich noch nicht von dem ersten Schreck erholt, da krachte erneut etwas gegen den Helikopter. Das gegenüberliegende Fenster zersplitterte in einer Fontäne aus winzigen Scherben. Der Helikopter geriet in Schräglage, kippte beinahe um. Doch die Schwerkraft war zum Glück stärker. Brachte ihn mit einem heftigen Scheppern zurück in eine normale Position. „Verdammter Mist!“
Aus dem Nebel hallte ein bedrohliches Fauchen. Smith erkannte ein rot glühendes Auge. Instinktiv schaltete er den Rotor ein. Die Blätter begannen, sich langsam zu drehen. Das Heulen des Motors wurde von Sekunde zu Sekunde lauter. „Beeil dich, verflucht!“
Erneut krachte das Ungeheuer gegen den Helikopter. Die Wucht war dieses Mal so stark, dass die gegenüberliegende Seite hochgehoben wurde und die Maschine umkippte. Die sich drehenden Rotorblätter zerbrachen. Der Motor heulte ein letztes Mal auf und erstarb.
Smith, der leicht benommen auf dem Rücken lag, suchte verzweifelt nach seinem Handy. Er musste Anderson verständigen.
Ein lautes Knurren ertönte, das Smiths Körper zum Erbeben brachte. Auf einmal wurde die Tür des Copiloten, die sich nun nicht mehr ihm gegenüber, sondern über ihm befand, aus den Angeln gerissen. Das wütende Brüllen zerriss beinahe Smiths Trommelfell. Riesige Krallen fuhren durch die Öffnung. Stießen schmerzhaft in sein linkes Bein. Verhakten sich in seinem Oberschenkel. Smith kreischte auf, als ihm mit einem Schlag bewusst wurde, was dieses Ungetüm mit ihm vorhatte. Mit einem Ruck fuhren die Krallen zurück und zerrten ihn mit sich. Das letzte, was Smith sah, waren zwei Reihen mächtiger Raubtierzähne.
14
Dr. Kingsleys Wohnung lag direkt über seiner Praxis. Der Tierarzt saß in seiner Küche und trank genüsslich eine Tasse Tee, während er der klassischen Musik aus dem Radio lauschte. „Die vier Jahreszeiten“ von Vivaldi. Keine Musik war besser geeignet, um den Tag zu beginnen.
Er hob die Tasse gerade an seine Lippen, als die Hunde in seiner Praxis begannen, aufgeregt zu bellen. Sofort stellte Kingsley die Tasse ab und ging ans Fenster. Im dämmrigen Licht des frühen Morgen erkannte er nur den Nebel, der die Sicht auf den Wald versperrte.
Das Bellen der Hunde steigerte sich fast bis zur Raserei.
Kingsley kam rasch zu einem Entschluss. Er lief ins Wohnzimmer, nahm das Telefon und wählte aufgeregt Andersons Nummer. Nachdem es mehrmals geklingelt hatte, hob der Inspektor endlich ab.
Kingsley ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. „Mr. Anderson, die Hunde spielen wieder verrückt.“
15
Frederic Tubb drehte sich im selben Moment auf den Rücken, als ihn eine warme Hand an der Schulter berührte. Sofort öffnete er die Augen. Neben ihm saß Maki in schwarzem Pullover und blauer Jeans. Auch trug sie ihre violette Regenjacke. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie sich bereits angezogen hatte. In ihrem Gesicht zeichnete sich ein deutliches Unbehagen ab.
„Du bist schon auf?“, wunderte er sich.
„Die Bestie ist wieder aufgetaucht.“
Tubb setzte sich auf. „Woher weißt du das?“
„Dr. Kingsley hat vorhin Anderson angerufen.“
„Hat der Inspektor sich gerade gemeldet?“
„Zieh dich schnell an.“
Ohne weiter zu zögern, stand Tubb auf. Dabei bemerkte er, dass Makis Bett unberührt war. „Wie geht es Hans?“, fragte er leicht irritiert. Hatte sie überhaupt nicht hier übernachtet?
„Es geht ihm schon wieder etwas besser“, lautete ihre Antwort. „Ich warte unten auf dich.“
„Was ist mit Anderson?“
„Er parkt vor dem Hotel.“
Tubb zog seinen Pyjama aus und seinen zerknitterten Anzug an. Er wusch sich schnell das Gesicht und verließ dann das Zimmer. Maki wartete in der Lobby auf ihn. Sie richtete seinen Kragen. „Irgendwann solltest du den Anzug in den Müll befördern.“
„Er bringt mir Glück.“
„Anderson hat versucht, Smith anzurufen. Doch hebt er nicht ab. Seine Frau sagte, er sei zum Flughafen gefahren.“
„Hat Hans gestern irgendetwas gesagt? Ich meine im Hinblick auf die Bestie.“
Maki schüttelte den Kopf. „Er konnte sich nicht richtig erinnern. Er erwähnte etwas von einer pelzigen Fratze. Aber mehr sagte er nicht.“
Tubb folgte Maki aus dem Hotel. Die Beifahrertür von Andersons Geländewagen stand offen. Tubb schwang sich hinein und warf die Tür zu. Maki setzte sich auf die Rückbank.
„Hat Miss Asakawa Sie geweckt?“, fragte Anderson.
„Ich weiß nicht einmal, wie viel Uhr es ist.“
Anderson startete den Motor. „Kurz nach sieben. Wir fahren zunächst zu Dr. Kingsley. Er wollte unbedingt mitkommen.“
Nach wenigen Minuten bog der Inspektor in die Straße ein, die zur Markheim-Klinik führte. Kurz vor der Tierarztpraxis tauchte vor ihnen plötzlich ein riesiger Schatten aus dem Nebel auf. Er rammte das fahrende Auto, sodass der Geländewagen quer über den Asphalt schlitterte, bevor er gegen den Randstein stieß.
Tubbs Herz blieb vor Schreck beinahe stehen. Er schaute auf die Rückbank. „Maki, alles in Ordnung?“
„Mir ist nichts passiert.“ Ihre Stimme zitterte leicht.
Anderson versuchte, den Motor wieder anzulassen, doch dieser gab nur ein Röcheln von sich. „Ich befürchte, der Wagen ist im Eimer.“
Auf einmal tauchte der Schatten erneut auf. Wie eine Dampflokomotive raste er auf das Auto zu, um es ein zweites Mal zu rammen. Durch den heftigen Aufprall rutschte der Wagen einen knappen Meter seitwärts über die Straße.
„Wir müssen hier raus!“ Tubb löste den Sicherheitsgurt, öffnete die Tür und stieg aus. Seine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Pudding. Er schaute sich um. Mitten auf der Straße erblickte er ein rot glühendes Auge. Es schien unterhalb des Schildes, das auf die Markheim-Klinik hinwies, in der Luft zu schweben.
Maki lief zu ihm, während Anderson die Waffen aus dem Kofferraum holte. „Ich habe es anscheinend gestern nur verwundet.“
Dr. Kingsley kam aus seinem Haus gelaufen. „Ist Ihnen etwas passiert?“
Anderson reichte ihm ein Gewehr. „Nein. Oder besser: noch nicht.“
Kingsley wandte sich an Tubb. „Sagten Sie nicht, ABC sei ein Nachttier?“
„Den Berichten zufolge müsste es sich um ein solches handeln. Vielleicht hat es die Wunde noch aggressiver gemacht.“
Aus dem Nebel drang ein tiefes Knurren.
Tubb bemerkte das Auge nun an einer anderen Stelle. Wenige Meter hinter dem Schild.
„Sehen Sie dort!“, rief Kingsley. Er hob das Gewehr an und feuerte. Aus dem Nebel hallte ein verärgertes Fauchen. Doch die Bestie griff sie nicht an. Nach wenigen Sekunden erklang das Fauchen erneut, dieses Mal etwas weiter entfernt.
„Es läuft zur Klinik“, stellte Tubb fest. Er rannte in dieselbe Richtung.
„Sind Sie verrückt geworden?“, rief Anderson ihm nach. Er gab Maki ein weiteres Gewehr. „Langsam glaube ich wirklich, dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.“
„Er ist nun mal Grenzwissenschaftler“, antwortete sie.
„Und Grenzwissenschaftler rennen mit Vorliebe ihrem eigenen Tod entgegen?“
„Nein, aber sie sind unglaublich neugierig.“
Anderson schüttelte seufzend den Kopf. „Ihm nach, bevor ihm das Biest an die Kehle springt.“
Frederic Tubb erkannte die dunklen Konturen der Markheim-Klinik. Und er beobachtete einen riesigen Schatten, der sich auf die Klinik zu bewegte und kurze Zeit später darin verschwand.
Hinter ihm wurden Schritte lauter.
„Das nächste Mal, wenn Sie sich in die Höhle des Löwen wagen, nehmen Sie lieber eine Waffe mit.“ Anderson hielt ihm eine Pistole entgegen.
Tubb zögerte. Seitdem er jenen Mann im Wald von Darkmoore erschossen hatte, hatte er nie mehr wieder eine Pistole in die Hand genommen. Es war ihm stets so vorgekommen, als würde ihn ein unsichtbares Band, das an seiner Hand befestigt war, daran hindern. Als Anderson ihm nun die Pistole hinhielt, spürte er genau dasselbe. Selbst wenn er gewollt hätte, seine Hände rührten sich nicht. „Behalten Sie sie lieber.“
„Was wollen Sie dann machen? Das Ungeheuer erwürgen?“
„Ich habe gesehen, wie es im Klinikgebäude verschwunden ist.“
Anderson, der Tubb noch immer die Pistole hinhielt, fragte: „Sie wollen doch nicht etwa …?“
„Sie können ja hier bleiben.“ Tubb wandte sich um und schritt auf das Gebäude zu.
„Sie sind wirklich wahnsinnig, wissen Sie das?“, rief Anderson ihm nach. Dann folgte er ihm zusammen mit Maki und Dr. Kingsley.
16
Das Eingangsportal der Markheim-Klinik stand offen. Beide Türflügel lagen zertrümmert in der weiten Eingangshalle am Boden. Das trübe Morgenlicht sickerte durch die hohen Fenster. Tubb wartete, bis Maki, der Inspektor und Dr. Kingsley ihn eingeholt hatten. Dann trat er über die Schwelle.
Der Tiergeruch, den Tubb bereits vor dem Eingang wahrgenommen hatte, nahm im Inneren des Gebäudes eine infernalische Intensität an. Der üble Gestank nach verrottetem Fleisch mischte sich darunter. Und löste in Tubb völlig unerwartet eine bestimmte Erinnerung aus.
Als hätte jemand auf einen Schalter gedrückt, hatte er wieder jenes unheimliche Gesicht des fremden Mannes vor Augen, der sich ihm als Werwolf offenbart hatte. Jener Mann hatte ebenfalls einen süßlichen Tiergeruch verbreitet, wenn auch nicht auf solch extreme Weise.
Irgendwo aus dem Inneren des Gebäudes drang ein Knurren.
„Die Bestie benutzte das leere Gebäude die ganze Zeit über als Versteck“, flüsterte Tubb den anderen zu. Er ging weiter durch die Halle und blieb dann vor einer breiten Treppe stehen, die in den ersten Stock empor führte. „Es ist irgendwo dort oben.“ Für einen Augenblick wurde Tubb schwindelig. Der bestialische Gestank war kaum zu ertragen.
Anderson reichte ihm erneut die Pistole. „Ich denke, Sie sollten lieber doch eine Waffe bei sich tragen.“
Ein weiteres Mal erschienen Tubb die Bilder jenes sonderbaren Mannes vor Augen. Er spürte wieder die Gefahr, die von ihm ausgegangen war. Eine hinterlistige Kreatur, die ihn hatte töten wollen. Die Empfindungen von damals überschwemmten plötzlich seinen ganzen Geist. Auf einmal schien es ihm, als befände er sich wieder im Jahr 1999. Es ging um das eigene Überleben. Er musste die Bestie zur Strecke bringen. Wie in Trance griff er nach der Pistole.
Anderson wurde dieser Mann zunehmend unheimlich. Er bewegte sich so, als befände er sich in einer ganz anderen Dimension. Als würde er ihn, Maki Asakawa und Dr. Kingsley überhaupt nicht mehr wahrnehmen. „Passen Sie damit auf.“
Tubb entsicherte die Pistole und wandte sich der Treppe zu.
Anderson warf Maki einen besorgten Blick zu. Doch diese achtete nicht auf ihn. Ihre Aufmerksamkeit galt Frederic Tubb. Und wahrscheinlich auch der Bestie, die irgendwo in den oberen Stockwerken auf sie lauerte und deren Knurren immer wieder zu ihnen herunterhallte. „Ist er immer so drauf?“
Makis Ausdruck formte sich zu einer eine Mischung aus tiefem Entsetzen und großer Sorge. „John Arnold befürchtete bereits, dass Darkmoore bei Fred eine Art emotionalen Schock auslösen könnte.“
„Auch das noch.“
Maki ließ Anderson stehen und folgte Fred, der die Stufen empor schlich, die Pistole schussbereit in der rechten Hand. Ein wildes Fauchen drang zu ihnen herunter. Wieso griff die Bestie sie nicht an? Plötzlich blieb Maki stehen. Ein riesiger Schatten huschte die Wand hinter dem oberen Treppenabsatz entlang. Hinter ihr knallte ein Schuss.
Erschreckt fuhr sie herum.
Dr. Kingsley zielte mit dem Gewehr auf das obere Treppenende. „Das Biest ist mir entwischt.“
„Es war nicht die Bestie, sondern lediglich sein Schatten.“
Nur zögernd senkte der Tierarzt die Waffe. Er wischte sich mit der rechten Hand über die Stirn. „Die Nerven gehen mit mir durch.“
„Schießen Sie nicht gleich auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, Doktor“, ermahnte ihn Anderson. „Ihre Kugel hätte genauso gut Mr. Tubb treffen können.“
„Ich passe ab jetzt auf, Mr. Anderson.“
Ein erneutes Fauchen. Dieses Mal hallte es eher wie ein entferntes Echo durch das Gebäude.
Trotz ihrer Furcht vor dem Ungeheuer, staunte Maki zugleich über die Innenarchitektur der Markheim-Klinik. Die verzierten Wände, die Treppe, auf der sie gerade empor schritten, sogar die einzelnen Türrahmen präsentierten ein jugendstilartiges Design. Sie kam sich vor wie in einem surrealen Wachtraum.
Anderson, der ihre staunenden Blicke bemerkte, sagte: „Markheim war angeblich ein Hypnotiseur, der um die Jahrhundertwende lebte.“
„Wieso gab man der Klinik seinen Namen?“
„Weil er die Klinik gegründet hat.“
Sie fragte sich, in welchem der vielen Zimmer Fred damals eingesperrt gewesen war. Und wo hatten die schwarzen Männer damals Kathrin einer Psychofolter unterzogen?
Fred erreichte wenige Schritte vor ihr den oberen Treppenabsatz. „Hier irgendwo muss es sein“, sagte er, so als hätte er ihre Gedanken gelesen.
17
War es das richtige Stockwerk? Gelegentlich huschten verschwommene Schatten an ihm vorbei. Als würden hier noch immer die Geister aus der Vergangenheit hausen. Er glaubte, Ärzte zu sehen. Und Krankenschwestern. Aber wo war Kathrin?
Ein tiefes Knurren brachte seine Gedanken für einen kurzen Moment durcheinander. Es klang nah. Viele zu nah. Er spürte einen warmen Luftzug. Der Atem der Bestie? Die Luft stank Ekel erregend.
Er bemerkte einen versteckten Korridor. Sein Herz machte einen Satz. Dort musste es sein. Als er den weiten Flur durchquerte, glaubte er, an dessen dunklen Ende ein rot glühendes Auge zu sehen. Er blieb wie versteinert stehen. Er musste sich getäuscht haben. Er sah lediglich kahle Wände.
Tubb setzte seinen Weg fort. Der verwinkelte Korridor kam ihm unendlich lang vor. Immer wieder Türen auf beiden Seiten. Manche geschlossen, andere halb offen. Dahinter jeweils Räume mit verstaubten Betten, Tischen und Stühlen. Aber keine Schatten.
Tubb wusste, dass dieser Bereich von der restlichen Klinik sorgfältig abgeschottet gewesen war. Er ging weiter. Und erreichte das Ende des schmalen Gangs.
Von einer Sekunde auf die andere erstarrte er zu Eis. Seine Augen richteten sich auf die angelehnte Tür. Er fühlte, dass es hier gewesen war. Hinter dieser Tür war er zum ersten Mal Kathrin begegnet. Er drückte seine Hand gegen die Metalltür und stieß sie auf.
Ein rostiges Quietschen.
Er erkannte alles wieder.
Wie ein Wasserfall stürzten sämtliche Erinnerungen auf ihn ein.
Das schmale Bett. Der kleine, wackelige Holztisch. Der unbequeme Stuhl. Und das vergitterte Fenster, durch das man normalerweise den Wald betrachten konnte, vor dem jedoch eine Nebelsuppe die Sicht versperrte.
Seine Augen weiteten sich. Getrocknete Blutflecke am Boden. Er konnte noch immer die Schüsse hören. Sah die schattenhafte Gestalt, die plötzlich in das Zimmer getreten war und die schwarzen Männer kalt gemacht hatte. Er hörte noch immer die Rufe. Das Schreien. Und weitere Schüsse.
Auf seltsame Weise vermischten sich die Geräusche aus seiner Erinnerung mit tatsächlichem Schreien und tatsächlichen Schüssen.
Tubb drehte sich um. Sah den Korridor, der sich wie ein expressionistisches Konstrukt in verzerrten Winkeln vor ihm erstreckte. Er sah Maki, die sich in eines der Zimmer flüchtete. Anderson, der zur Seite sprang. Dr. Kingsley, der stolperte und zu Boden fiel.
Erst dann sah er die Bestie.
Das eine, rot glühende Auge starrte ihn voller Hass und Wahnsinn an. Eine schreckliche Fratze, mit schwarzem Fell bedeckt und nur entfernt an eine Wildkatze erinnernd, schälte sich aus der Dunkelheit. Spitze Reißzähne ragten aus dem weit aufgerissenen Maul. Das Ungeheuer war so groß, dass es mit seinem Rücken die Decke streifte. Seine spitzen Krallen kratzten den Boden auf. Sein Brüllen brachte die Wände zum Erbeben.
Anderson gelang es gerade noch, den Tierarzt zu sich zu ziehen.
Die hässliche Fratze veränderte sich.
Tubb erkannte auf einmal das abscheuliche Gesicht des Werwolfs, der ihm damals im Wald aufgelauert hatte. Seine Mimik verströmte vollkommenen Irrsinn.
Beide, das Monster und der Werwolf, rasten tollwütig auf ihn zu.
Tubb hob die Pistole an.
Er vernahm erneut Schüsse. Weitere Schreie.
Tubb feuerte das ganze Magazin leer.
Die Bestie stürzte sich auf ihn.
18
„Ist er tot?“ Anderson kniete sich neben Maki auf den Boden.
Tubbs regungsloser Körper lag bis zu den Hüften unter dem Kadaver der Bestie vergraben. Maki fühlte seinen Puls. „Er lebt.“
Anderson packte Tubb unter die Schultern und zerrte ihn unter dem leblosen Ungeheuer hervor. Tubbs Anzug wies an manchen Stellen große, blutige Flecke auf. Anderson konnte zunächst nicht erkennen, ob es Tubbs Blut oder das der Bestie war. Schließlich stellte er fest, dass Tubb zwar ein paar Kratzer abbekommen hatte, das meiste Blut aber von dem riesigen Untier stammte.
Tubbs Lippen begannen, zu zucken. Als würde er aus einem Albtraum erwachen, riss er plötzlich die Augen auf. „Habe ich es erledigt?“
„Es ist mausetot“, antwortete Dr. Kingsley, der das Wesen untersuchte.
Tubb setzte sich auf. Das Auge des Monsters blickte leblos an ihm vorbei. Es war in der Tat eine hässliche Kreatur. Das Fell erinnerte an das eines Panthers, strotzte jedoch nur so vor Schmutz, sodass an manchen Stellen das Fell zusammenklebte. Die oberen Eckzähne erinnerten an diejenigen eines Säbelzahntigers, waren jedoch nicht so ausgeprägt.
„Das Fell können Sie sich als Trophäe in Ihr Büro hängen“, meinte Anderson zwinkernd.
„Es war wirklich ein Monster“, stellte Tubb fest.
„Und Sie haben es erledigt. Meinen Glückwunsch.“
„Beinahe hätte es mich erledigt.“
Anderson half Tubb auf die Beine. „Seien Sie mir nicht böse, aber ich weiß nicht, ob ich Sie für überaus mutig oder überaus verrückt halten soll.“
Tubb lächelte. „Keine Ahnung, ob ich mutig bin, verrückt aber mit Sicherheit.“
„Bevor ich Sie zum Psychiater schicke, bringe ich Sie erst einmal ins Krankenhaus.“
Während sich Anderson und Dr. Kingsley bereits auf den Weg nach draußen machten, sah sich Tubb nochmals in dem Zimmer um.
„Hier wurdest du festgehalten?“, fragte Maki. Ihr Blick wanderte über die einzelnen Möbelstücke.
„Dies hier war für einige Zeit meine ganze Welt.“
Maki trat ans Fenster. Sie schaute für ein paar Sekunden hinaus in den Nebel. Der Wald war lediglich als dunkles Schemen zu erkennen. Schließlich sagte sie: „Ich habe mir immer alles anders vorgestellt.“
„Kathrin wollte nie wieder nach Darkmoore zurückkehren.“
„Ich denke aber, dass es gut war, dass du zurückgekehrt bist.“
„Meinst du?“
Maki wandte sich ihm zu. Sie versuchte zu lächeln. „Ich bin mir sicher.“
Er verließ das Zimmer. Anderson und Kingsley standen vor der leblosen Bestie, als warteten sie auf jemanden, der ihnen beim Tragen helfen würde. Tubb zwängte sich an dem Kadaver vorbei, bis er eine weitere, offene Tür erreichte.
Auf einmal spürte er, wie seine Knie nachgaben. Sofort griffen Anderson und Kingsley nach seinen Armen, damit er nicht umfiel.
„Wir bringen Sie jetzt auf der Stelle ins Krankenhaus“, sagte Kingsley.
„Möglicherweise haben Sie doch etwas abbekommen.“
Doch daran lag es nicht. Es war dieser Raum, der in ihm diesen unerwarteten Schrecken ausgelöst hatte.
„Was hast du?“ Maki stand auf einmal bei ihm. Sie hatte Dr. Kingsleys Platz eingenommen.
Tubb deutete mit einem kraftlosen Nicken auf den großen, weißen Tisch in der Mitte des Raums. Es gab keine Fenster. Auf einmal hörte er in Gedanken wieder die Stimme des Psychiaters. Und dann Kathrins vor Schmerz und Angst erfüllten Aufschrei. Sie hatte nie erzählt, was diese Leute ihr angetan hatten. „Wäre Arnold nicht gewesen, hätten sie Kathrin damals mit Sicherheit umgebracht. Und mich wahrscheinlich auch.“
„Verlassen wir dieses schlimmen Ort“, erwiderte Maki und erschauerte dabei.
„Ja, gehen wir.“
Auf einmal hörten sie hinter sich ein tiefes, bedrohliches Knurren.
19
Tubb fuhr herum. „Sagten Sie nicht, die Bestie sei tot?“
Der Tierarzt stand da wie erstarrt.
„Raus!“, schrie Anderson.
Ein heftiges Zittern durchfuhr den riesigen Körper. Die Bestie schnaufte mehrmals. Sie war lediglich bewusstlos gewesen. Doch aus welchem Grund hatte Kingsley behauptet, sie lebe nicht mehr?
Anderson drängte Tubb, Maki und den Tierarzt an dem Ungeheuer vorbei. Es sträubte das schwarze Fell wie beim Nahen eines Feindes. Ein weiteres Schnaufen, wobei dichter Staub aufwirbelte. Dann erhob es sich benommen.
Anderson bildete die Nachhut, während sie den Gang entlang rannten. Als sie das Treppenhaus erreichten, blieb Tubb für einen Moment stehen und schaute zurück.
Die Bestie hatte sich ihm zugewandt und fixierte ihn mit seinem verbliebenen, roten Auge.
„Auf was warten Sie denn?“ Anderson schob ihn weiter.
Sie liefen die Stufen hinunter, während hinter ihnen erneut das tiefe Knurren erklang.
Tubb kam es vor, als brauchten sie für den Weg hinunter länger als für den Weg hinauf. Fast schien es ihm, als würden sie auf der Stelle treten. Doch endlich erreichten sie das verlassene Foyer, rannten durch die weite Halle und erreichten schließlich den Parkplatz.
„Nicht zurück in den Ort!“, warnte Kingsley, der plötzlich seine Sprache wieder gefunden hatte. „Es wird uns folgen. Wir dürfen es nicht nach Darkmoore locken. Es wäre eine Katastrophe.“
„Dann bleibt uns nur noch die Flucht in den Wald“, erwiderte Tubb.
„Wo ist Ihre Waffe?“ Anderson war erst jetzt aufgefallen, dass Tubb die Pistole nicht mehr bei sich hatte.
„Liegt oben im Gang. Wollen Sie sie holen?“
„Ihren Humor möchte ich mal haben.“
„Welchen Humor?“
Sie überquerten den Parkplatz in Richtung Wald. Kaum hatten sie die Baumgrenze erreicht, als ein Fenster des Markheim-Hospitals zersprang.
Alle vier schauten gleichzeitig zum Gebäude. Und sahen, wie das Ungeheuer aus dem ersten Stock auf den Parkplatz sprang, während unzählige Scherben wie bei einer heftigen Detonation durch die Luft flogen.
„Freunde, es hat die Abkürzung genommen“, rief Tubb.
„Ihren Humor möchte ich wirklich mal haben“, entgegnete Anderson.
„Ich glaube, einer reicht“, bemerkte Maki.
„Wollen Sie hier ewig stehen bleiben?“ Kingsley war bereits mehrere Schritte weiter gerannt. Er stand zwischen den Bäumen und schaute nervös zu ihnen.
Die Bestie kam durch den Nebel auf sie zu gelaufen. Ihre Bewegungen wirkten anders als zuvor. Als hätte sie noch nicht zu ihrer alten Kraft zurückgefunden. Ein Glück für Tubb, Maki, Anderson und Kingsley. So lange sie weiterhin benommen war, hatten sie vielleicht noch eine Chance, ihm zu entkommen.
Anderson feuerte einen Schuss ab.
Die Folge davon war ein wütendes Fauchen.
„Wollen Sie es etwa zusätzlich in Rage bringen?“, brauste Kingsley auf. Er schien sich nicht entscheiden zu können, ob er auf sie warten oder einfach weiter rennen sollte. Während er sie anstarrte, bewegte er seine Beine auf der Stelle. Schließlich übermannte ihn die Panik und er rannte davon.
„Verdammt!“, fluchte Anderson. „Dr. Kingsley! Warten Sie gefälligst auf uns!“
„Ich dachte, er ist Tierarzt“, meinte Tubb.
„Ja, aber in seine Praxis kommen in der Regel nur Katzen, Hunde und Meerschweinchen.“
Maki beobachtete voller Angst, wie die riesige Bestie sich der Baumgrenze näherte. „Sollten wir nicht langsam von hier verschwinden?“
„Eine gute Idee“, erwiderte Tubb.
Sie rannten tiefer in den Wald. Die Bestie verfolgte sie weiterhin, veränderte dabei jedoch nicht ihre Geschwindigkeit. Sie wirkte müde, erschöpft, vielleicht waren die Schusswunden, die ihr Tubb und Anderson zugefügt hatten, doch schwerer, als sie zunächst vermutet hatten.
Tubb schaute sich erneut um.
Und blieb abrupt stehen.
„Meine Güte, jetzt beeilen Sie sich!“, schrie ihn Anderson an.
Tubb jedoch bewegte sich nicht. „Die Bestie ist verschwunden.“
„Sind Sie jetzt völlig von Sinnen?“ Plötzlich stockte er. Das riesige Tier folgte ihnen tatsächlich nicht mehr. In den wabernden Nebelschwaden erkannte er lediglich die dunklen Silhouetten der Bäume. Doch von dem Ungeheuer war nichts mehr zu sehen.
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Maki mit sorgenvoller Stimme.
Tubb versuchte, zwischen den Bäumen etwas zu erkennen. „Wo ist Dr. Kingsley?“
Anderson formte seine Hände vor seinem Mund zu einem Trichter und rief: „Dr. Kingsley!“
Tubb und Maki stimmten in das Rufen mit ein.
Nach einer knappen Minute kam endlich die Antwort. „Ich bin hier!“ Die Stimme klang wie aus weiter Ferne.
„Warten Sie auf uns!“, rief Anderson zurück.
„Kommen Sie her! Das sollten Sie sich ansehen!“
Auf einmal knackende Äste.
Ein gewaltiger Schatten.
Maki schrie entsetzt auf. Sie packte Tubb und zerrte ihn zur Seite. Beide stürzten zu Boden, während die Bestie genau an der Stelle vorbeischoss, an der Tubb zuvor noch gestanden hatte.
Anderson feuerte mehrere Schüsse auf das riesige Tier ab. Dann half er Maki und Tubb auf, und alle drei rannten in die Richtung, aus der Dr. Kingsleys Antwort gekommen war.
Tubb schaute zurück. Blieb erneut stehen. „Es ist schon wieder verschwunden.“
Anderson drehte sich einmal im Kreis, die Pistole im Anschlag. Plötzlich tauchte das Ungeheuer wie ein Geist zwischen den Bäumen auf und griff ihn an.
Anderson feuerte sein ganzes Magazin leer. Sprang zur Seite. Die Bestie stolperte, überschlug sich mehrmals und krachte schließlich gegen einen Baum, wobei mehrere Zweige abbrachen.
Für Anderson war dies jedoch kein Zeichen zur Entwarnung. Er nahm das leere Magazin heraus und steckte ein neues hinein. Das einzige, das er für Notfälle bei sich hatte. Sollte er dieses ebenfalls leer schießen müssen, hätten sie nichts mehr zur Verteidigung.
„Wo bleiben Sie denn?“, rief ihnen Dr. Kingsley durch den Nebel zu.
„Wir sind aufgehalten worden“, antwortete Tubb.
Anderson beobachtete das reglos daliegende Tier. „Was glauben Sie. Ist es jetzt tot?“
Tubb machte ein paar Schritte auf die Bestie zu, die völlig verdreht auf dem mit Blättern übersäten Waldboden lag. Auf einmal öffnete es einen Spalt breit sein unverletztes Auge und gab ein kraftloses Knurren von sich.
„Kommen Sie von dort weg“, ermahnte ihn Anderson, wobei er auf den Kopf des Untiers zielte.
„Fred.“ Maki ging zu ihm, nahm seine Hand und zerrte ihn mit sich.
Tubb folgte nur widerwillig. „Ich glaube, es stirbt.“
„Das glaubten wir vorhin auch“, gab Anderson zurück. Er gab zwei Schüsse auf den Kopf des Untiers ab.
Das bedrohliche Leuchten des einen Auges erstarb.
„Kommt ihr jetzt oder kommt ihr nicht?“, rief Dr. Kingsley.
Alle drei betrachteten die leblose Bestie.
„Dieses Mal haben wir es endgültig erledigt“, bemerkte Anderson.
„Es scheint so“, erwiderte Tubb.
Maki verschränkte ihre Arme. „Es hat sich zuvor im Markheim-Hospital ebenfalls tot gestellt.“
„Aber da hatte es auch noch keine zwei Kugeln im Kopf“, gab Anderson zu bedenken.
„Es kann sich tot stellen und es kann sich auf eine unerklärliche Art tarnen, sodass es regelrecht unsichtbar wird“, sagte Tubb. „Einfach unglaublich.“
„Als Grenzwissenschaftler gibt es für Sie noch immer Dinge, die Sie überraschen?“
„So seltsam dies erscheint, aber so ist es.“
„Hallo?“, hörten sie Dr. Kingsley rufen. „Habt ihr euch verlaufen oder was?“
„Oder was!“, rief Anderson zurück. Und an Tubb und Maki gewandt: „Sehen wir mal nach, was er gefunden hat.“
20
Auf einmal kam es Tubb vor, als sei er schon einmal hier gewesen. Und kaum hatten sie den steilen Hang erreicht, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Von einer Sekunde auf die andere begann sein Herz zu rasen. Seine Knie fühlten sich an, als wären sie aus Pudding. Ein Zittern bemächtigte sich seines Körpers, das er nicht mehr unter Kontrolle bekam.
Die Erinnerung an damals stieg mit einer solchen Intensität in ihm auf, dass er Kathrin regelrecht vor sich sah. Wie sie gemeinsam mit ihm an einem verregneten Herbsttag den rutschigen Hang erklomm. In grüner Regenjacke und blauer Jeans. Sie hatte die Bewilligung erhalten, ihn hier an diesen Ort zu führen. Nicht von der Leitung des Hospitals. Diese Leute hätten sich eher eine Hand abgehackt, als ihn aus seinem Zimmer zu lassen. Sondern von John Arnold, der heimlich die Strippen im Hintergrund gezogen hatte.
Genauso wie damals kletterte Tubb den Hang hinauf. Immer wieder fiel er auf die Knie, rutschte mehrere Zentimeter hinunter, rappelte sich aber wieder auf und kletterte weiter. Als ginge es darum, keine weitere Zeit zu verlieren. Als ginge es um Leben und Tod.
Dr. Kingsley stand bereits oben und winkte ihm zu. „Das müssen Sie sich ansehen, Mr. Tubb!“
Tubb sah erneut Kathrin neben sich. Das Haar klebte nass auf ihrer Stirn. Trotz seiner Liebe zu ihr, spürte er etwas Dunkles in seinem Herzen. Ein undefinierbares Grauen, das wie ein kalter Schatten seine Seele umklammerte. Er war schon zuvor hier gewesen. Bevor Kathrin ihn hierher gebracht hatte. Doch hatte er sich an nichts mehr erinnern können. Nur an eines: er hatte jemanden umgebracht. Oder sollte er eher sagen: er hatte etwas umgebracht? Gelbe, von Wahnsinn erfüllte Augen. Ein Albtraum schlechthin.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen.“ Dr. Kingsley reichte ihm die Hand.
Endlich erreichte Tubb den oberen Rand der Erhebung.
Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Kraftlos sackte er auf die Knie.
Vor ihm klaffte ein großer, beinahe kreisrunder Krater. Die mit hohem Gras und Sträuchern bewachsenen Kraterwände verliefen schräg in die Tiefe.
Und unten …
Auf einmal war Kathrin bei ihm. Hielt ihn fest, versuchte, sein Zittern einzudämmen.
Unten ragten unzählige, zersplitterte Baumstümpfe aus dem Boden, die sich um eine kreisförmige, dunkle Fläche gruppierten.
Er sah diese scheußliche Fratze vor sich.
Die Erde bebte.
Das bizarre Wesen sprang ihn an.
Ein Schuss.
Beide stürzten zu Boden.
Während das Beben an Stärke und Intensität zunahm.
Und dann …
„Mein Gott!“
Der Schrei kam nicht von Tubb und auch nicht von diesem Wesen.
Andersons Stimme holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Maki hielt Tubb fest, drückte ihn an sich, als befürchtete sie, er würde sonst erfrieren.
Die Bestie sprang über beide hinweg.
Anderson gab einen Schuss nach dem anderen ab.
Das riesige Tier überschlug sich in der Luft, bevor es mehrere Meter entfernt aufschlug und dabei von einem zersplitterten Baumstumpf durchbohrt wurde. Es zuckte noch ein-, zweimal. Schließlich gab es ein letztes Röcheln von sich.
21
Mehrere Sekunden lang herrschte Schweigen.
Alle sahen auf die Bestie hinab, aus deren Flanke das blutverschmierte Holz ragte. Sie bewegte sich nicht mehr. Doch bedeutete dies erst einmal gar nichts. Sie hatten bereits zweimal geglaubt, dass sie tot sei.
Tubb erhob sich langsam auf seine zitternden Knie, wobei Maki ihn weiterhin stützte. „Haben wir es dieses Mal geschafft?“
„Ich hoffe es“, antwortete Anderson.
Tubb wechselte mit ihm einen flüchtigen Blick. „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als es zu überprüfen.“ Sogleich ließ er seinen Worten Taten folgen und kletterte den Abhang hinunter. Maki, Anderson und Dr. Kingsley folgten ihm.
Die Bestie rührte sich immer noch nicht. Tubb bemerkte nicht einmal das kleinste Zucken. Als er direkt vor dem mysteriösen Wesen stand, sah er, wie Blut aus dem Maul troff. Das noch verbliebene Auge blickte leblos ins Leere.
„Mausetot“, meinte Anderson.
Dr. Kingsley umrundete die Bestie, wobei seine Anspannung nicht zu übersehen war. Er hatte sich schon einmal geirrt. „Wenigstens kann es dieses Mal nicht einfach aufspringen“, sagte er und deutete dabei auf den abgebrochenen Stamm, der aus dem riesigen Körper ragte.
Maki durchlief ein Schauer. „Ich möchte nicht wissen, was passiert wäre, wenn es in die Stadt gekommen wäre.“
„Es war großes Glück, dass es hier in seinem Revier geblieben ist“, meinte Tubb. Er blickte auf die leere Fläche im Zentrum des Kraters. Auf einmal sagte er: „Hier ist es passiert.“
Dr. Kingsley schaute Anderson fragend an.
„Mr. Tubb war schon einmal hier“, erklärte dieser. „Um genau zu sein, vor mehreren Jahren. Er ist derjenige, der damals den Werwolf erlegt hat.“
Der Tierarzt rückte seine Brille zurecht. „Du meine Güte. Ich habe von dieser Geschichte gehört. Wahrscheinlich kennt sie jeder hier in Darkmoore.“
„Ich bin ihm hier zum letzten Mal begegnet“, erzählte Tubb. „Glauben Sie denn an Werwölfe?“
Dr. Kingsley zuckte mit den Schultern. „Nachdem ich ABC mit eigenen Augen gesehen habe, wieso sollte es dann nicht auch solche Wesen geben?“
Tubb schmunzelte. „Die Legende vom Werwolf von Darkmoore.“
„Jede Legende beruht auf einer wahren Begebenheit“, erwiderte der Tierarzt. „Auch wenn die meisten Menschen über solche Dinge lachen.“
„Vielleicht bekommen wir es mit einem Helikopter weg“, wandte sich Tubb an Anderson.
„Ich kümmere mich darum.“
Daraufhin schritt Tubb zusammen mit Maki den restlichen Abhang hinunter.
Dr. Kingsley wollte ihm folgen, doch Anderson hielt ihn zurück. „Lassen wir beide alleine.“
Nach wenigen Minuten erreichten sie den Kraterboden. Maki sah sich um. „Wieso ist an dieser Stelle nie wieder etwas gewachsen?“
„Das hängt wahrscheinlich mit dem zusammen, was diese Fläche verursacht hat.“ Zwischen all den zersplitterten Baumresten kam er sich vor wie im Zentrum einer gewaltigen Detonation. „Ich kann mich noch immer nicht daran erinnern, was damals geschehen war. Ich weiß von Arnold und dir, was ich unter Hypnose ausgesagt habe. Aber das ist nicht dasselbe, wie sich selbst an etwas zu erinnern. Es ist so, als würde einem ein Fremder erzählen, was man erlebt hat.“
„Dann war es keine Maschine, die aus dem Boden gekommen ist?“, wollte Maki wissen. Sie war bei der Hypnosesitzung dabei gewesen. Tubb hatte von einer gewaltigen, raketenartigen Maschine gesprochen, die sich aus dem Boden gebohrt hatte. Sie hatte die heftigen Erschütterungen ausgelöst, die dazu geführt hatten, dass ein Geologe diesen Ort aufgesucht hatte, um der Ursache des Bebens nachzugehen. Sein Bericht aber, wie sie nun wusste, war verschwunden.
„Ich weiß es nicht.“ Er ging zu der kreisrunden Stelle, an der es nichts anderes als dunkle Erde gab. „Aber alles deutet darauf hin, dass etwas in dieser Art geschehen ist. Hat Arnold nie mit dir darüber gesprochen?“
Sie senkte die Lider. „Natürlich hat er das. Aber im Grunde genommen weiß ich nicht mehr wie du.“ Was allerdings nicht stimmte. Doch durfte sie darüber mit ihm nicht reden. Es würde ihn nur noch mehr verwirren. „Möchtest du alleine bleiben?“, fragte sie.
„Die Erinnerungen, die mich plagen, gehören zu den schönsten und zu den schlimmsten. Es klingt verrückt, aber genauso ist es.“
„Niemand weiß, wohin die Leiche des unbekannten Mannes gebracht wurde.“
„Alles an diesem Fall ist ein einziges Rätsel. Wenn es sich um Prähumane gehandelt hat …“ Plötzlich hielt er inne. Sein Blick war nach oben gerichtet, auf den Rand des Kraters. Ohne ein Wort zu verlieren, wandte er sich von Maki ab und rannte die überwucherte Kraterwand empor.
Maki wechselte einen erschrockenen Blick mit Anderson, dann rannten beide Tubb nach.
„Fred!“, rief sie.
Tubb jedoch schien sie nicht zu hören. Er konzentrierte sich darauf, die immer steiler werdende Wand zu erklimmen. Er hielt sich dabei an dornigen Ästen fest und an dicken Grashalmen, die jedoch seinem Gewicht nicht standhielten und abrissen, fiel öfters der Länge nach hin, gab aber nicht auf, den Rand zu erreichen. Er wirkte wie ein Wahnsinniger, der einem Trugbild nachjagte.
Und genau das befürchtete Maki. Dass Tubb wahnsinnig geworden war. Dass ihn die Rückkehr nach Darkmoore seinen Verstand geraubt hatte. „Fred!“, rief sie, wobei ihr Tränen über die Wangen liefen.
Endlich hatte er den Rand des Kraters erreicht. Er schaute sich gehetzt um, lief einmal in die eine, dann plötzlich in die andere Richtung. So lange, bis Maki ihn erreichte und festhielt.
„Fred, komm wieder zu dir!“
Er wirkte, als befände er sich überhaupt nicht hier, sondern in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt.
Anderson packte ihn an den Schultern. „Es tut mir leid, Maki.“ Damit verpasste er Tubb einen Kinnhaken.
Maki presste entsetzt ihre Hand an den Mund.
Tubb taumelte zurück, bevor er stehen blieb, als wäre er gegen eine Mauer gestoßen. Seine Miene veränderte sich abrupt. Voller Wut starrte er Anderson an. „Sie verdammter …!“
„Hör auf!“, schrie Maki.
Sein Zorn wich einem tiefen Erstaunen. Er blickte sich nach allen Richtungen um, dann schaute er wieder auf Maki und fragte: „Wo ist er hin?“
„Wer?“, wollte sie wissen.
„Der Mann. Ich habe ihn gesehen. Als wir unten im Krater waren. Er stand hier oben und hat zu uns heruntergeschaut.“
Sie schüttelte den Kopf. „Da war niemand, Fred.“
„Bist du dir sicher?“
„Da war wirklich niemand.“
Anderson klopfte Tubb auf die Schulter. „Der Kinnhaken tut mir leid. Aber es ging nicht anders.“ Damit ließ er beide alleine und kehrte zurück zu Dr. Kingsley.
Maki nahm Tubbs Hand. „Gehen wir zurück.“
„In meinem Kopf herrscht ein vollkommenes Durcheinander.“
„Dir wird es gleich wieder besser gehen.“
Tubb blickte hinunter ins Zentrum des Kraters. „Ich möchte von dir nur eines wissen. Glaubst du, dass Kathrin tot ist?“
Maki war auf diese Frage nicht gefasst, obwohl sie hätte ahnen müssen, dass er sie ihr irgendwann einmal stellen würde. „Das weiß ich nicht. Das weiß ich wirklich nicht.“
„Hier an diesem Ort lebt auf jeden Fall die Vergangenheit.“ Er ließ kraftlos die Schultern hängen. Dann jedoch fasste er sich wieder und deutete nach vorne. „In dieser Richtung geht es zurück.“
„Bist du sicher?“ Sie hatte wegen des Nebels längst die Orientierung verloren.
„Mehr als mir lieb ist“, antwortete er und marschierte los.
22
Am späteren Nachmittag wurde der Kadaver der Bestie mithilfe eines Helikopters abtransportiert, bevor er in einen Speziallaster der LOGE verfrachtet wurde. Niemand, nicht einmal Frederic Tubb oder Maki Asakawa und schon gar nicht Hans Schmeißer, wusste, wohin die tote Kreatur gebracht werden sollte. John Arnold hüllte sich in Schweigen. Vielleicht aber wusste er es genauso wenig. Später ließ er einmal andeutungsweise durchblicken, dass dies auf einen Befehl einer übergeordneten Stelle geschehen sei. Mehr war von ihm nicht zu erfahren, außer, dass man im Magen der Bestie Körperteile des Polizisten Adam Smith gefunden hatte. Anderson und seine Kollegen hatten am Flughafen den zertrümmerten Helikopter und eine Menge Blut entdeckt, nicht aber Smiths Leiche.
Am folgenden Morgen wurde Hans Schmeißer aus dem Darkmoore-Krankenhaus entlassen. Anderson holte ihn ab und fuhr ihn in seinem Geländewagen zum Hotel, wo Tubb und Maki auf beide im Frühstücksraum warteten. Tubb trug einen neuen Anzug, nachdem sein zerknitterter durch den Angriff der Bestie ziemlich stark in Mitleidenschaft gezogen worden war.
„Tubb, ich hatte bereits von Anfang an so eine Ahnung, dass du Miezekatzen nicht leiden kannst.“ Hans bediente sich sogleich am Frühstücksbuffet.
„In einer Stunde geht unser Zug“, bemerkte Maki.
„Ja und? Ich brauche ein bisschen Wegzehrung.“
Maki betrachtete skeptisch den mit Essen überladenen Teller, den Hans vor sich auf den Tisch stellte. „Das nennst du ein Bisschen?“
„Das hier ist nicht einmal der Rede wert.“
Eine halbe Stunde später brachte Anderson sie zum Bahnhof, wo der Zug nach London bereits auf dem Gleis stand.
„Es war mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen, Mr. Tubb“, sagte Anderson und schüttelte ihm die Hand. „Ohne Ihre Hilfe würde uns diese Bestie sicherlich noch immer heimsuchen.“
„Vielleicht wäre sie auch weiter gezogen.“
„Auf jeden Fall hätte sie weiter für Unruhe gesorgt.“
„Das hätte durchaus sein können.“
„Also, dann.“ Anderson drückte ihm nochmals die Hand.
„Vielleicht noch einen kleinen Tipp“, sagte Tubb.
„Und der wäre?“
„Lassen Sie die Markheim-Klinik abreißen.“
Anderson öffnete seinen Mund, als wollte er etwas erwidern. Doch Tubb drehte sich um und stieg in den Zug.
Hans klopfte Anderson auf die Schulter. „Tubbs passende Schlusssätze. Vielleicht laufen wir uns ja irgendwann einmal wieder über den Weg.“
„Machen Sie’s gut, Mr. Schmeißer.“
Als Maki ebenfalls in den Zug steigen wollte, sagte Anderson hastig: „Einen Augenblick noch.“
Sie drehte sich abwartend zu ihm um.
Anderson zog aus seiner Jacke ein mit rotem Papier umwickeltes Geschenk. „Als Erinnerung.“
Maki nahm es mit einer Mischung aus Überraschung und Neugier entgegen. Da es flach und rechteckig war, konnte sie sich denken, um was es sich handelte. „Soll ich es jetzt gleich aufmachen?“
„Lieber erst im Zug“, erwiderte er leicht nervös.
Sie umarmte ihn. „Danke, ich bin wirklich sehr gespannt.“
„Leider liegt London nicht auf meinem Weg.“
Maki lächelte. „Du wirst darüber hinwegkommen.“
Ein schriller Pfiff kündigte die Abfahrt des Zuges an.
„Du solltest dich beeilen.“ In Andersons Miene zeichnete sich eine gewisse Wehmut ab.
Maki zögerte noch einen Augenblick. „Pass auf dich auf“, sagte sie dann und stieg in den Wagon.
„Was sollte das eben gewesen sein?“, wollte Hans wissen.
Maki setzte sich neben ihn. „Vielleicht wundert es dich, aber manche Dinge gehen dich nichts an.“
„Und was ist das für ein Geschenk?“, fragte Hans weiter.
Maki löste das mit bunten Blumen bedruckte Papier. Wie sie es sich gedacht hatte, war es ein von Anderson selbst gemaltes Bild. Das, was auf dem kleinen Gemälde zu sehen war, erstaunte sie dennoch.
Hans nahm ihr das in einen dunklen Holzrahmen eingefasste Bild verblüfft aus der Hand. „Der Kerl hat dich gemalt?“
Es handelte sich um ein Porträt von Maki, die vor einem Fenster stand, das vom Mondlicht erhellt wurde, ihr Körper in einem rätselhaften Halbschatten.
Mit einem Ruck fuhr der Zug ab.
Maki beugte sich zum Fenster, um Anderson zuzuwinken, doch der Bahnsteig war leer. Etwas enttäuscht lehnte sie sich wieder zurück.
„Tubb, was hältst du davon?“, fragte Hans.
„Ich finde es gar nicht mal schlecht.“
„Nicht schlecht? Tubb, das ist doch …“
„Was?“, fiel ihm Maki verärgert ins Wort.
„Kunst?“, beendete er seinen Satz schnell, da Makis Augen bereits finster funkelten.
„Jetzt hast du aber gerade nochmals die Kurve gekriegt.“
„Apropos Kurven. Wenn ich mir das Bild so ansehe … - Autsch!“
Epilog
Dr. Kingsley saß in seinem Lehnstuhl, auf dem Zigarrentisch daneben ein Gläschen Portwein. Aus den Lautsprechern seiner Stereoanlage erklang Mozarts „Zauberflöte“. Kingsley dirigierte mit seinem rechten Zeigefinger ein unsichtbares Orchester. Gerade als das Duett „Papageno, Papagena“ erklang, hallte aus seiner Praxis das aufgeregte Bellen der Hunde.
Kingsley schaltete die Musik augenblicklich aus.
Das Bellen der Hunde ging unvermindert weiter, wurde sogar von Mal zu Mal intensiver.
Der Tierarzt stand auf, lief die Treppe hinunter und betrat den Raum, in welchem die Käfige standen. „Was ist denn?“ Er trat ans Fenster. Die Nacht war sternenklar. „Über was regt ihr euch jetzt schon wieder auf?“
Auf einmal erblickte er mitten auf der Wiese zwei rot leuchtende Punkte. Ein wütendes Fauchen hallte durch die Nacht.
Kingsley erbleichte. Sofort lief er in sein Sprechzimmer und griff nach dem Telefonhörer. „Mr. Anderson, wir haben schon wieder ein Problem.“
Nachbemerkung
Die Begegnung Frederic Tubbs mit einem Wesen, das unter Fachkreisen als ABC bezeichnet wird, ist keineswegs bloße Erfindung. ABC (Alien Black Cat ) ist tatsächlich die offizielle Bezeichnung für eine mysteriöse Großkatze, die angeblich vor allem in Devonshire ihr Unwesen treibt. Auch Tubbs skurrile These über das wahre Wesen von Werwölfen ist nicht aus der Luft gegriffen. Diese Theorie gibt es tatsächlich und wurde in den 50er Jahren vom CIA so ernst genommen, dass die Behörde darüber geheime Akten anlegen ließ, die vor wenigen Jahren freigegeben wurden.
Wer Genaueres über Tubbs Erlebnisse in Darkmoore erfahren möchte, findet die Geschichte darüber in Prähuman Band 10: Fall 01 . Auch der Roman Darkmoore befasst sich, jedenfalls teilweise, mit dieser Thematik.
Bis bald
Euer
Carl Denning
Die Abenteuer von Frederic Tubb und seinem Team gehen weiter
in
Prähuman 18
Der geheimnisvolle Mr. Bolton
PRÄHUMAN – Die Serie
Angelehnt an den Stil der beliebten Groschenromane und Leihbücher der 50er und 60er Jahre, beinhaltet PRÄHUMAN aufregende Abenteuer voller skurrilem Humor und unglaublicher Ideen. Mit weit über 35.000 Lesern gilt PRÄHUMAN inzwischen als heimliche Kultserie.
Prähuman Band 1: Das Geheimnis der Hyperzivilisation
Frederic Tubb und sein Team begegnen hier zum ersten Mal der Hyperzivilisation. Kambodscha, London und Seoul sind die Schauplätze der spannenden Handlung …
Prähuman Band 2: Angriff der Anderen
Unheimliche Maschinen greifen London an. Tubb und sein Team setzen alles daran, um das Rätsel des Angriffs zu lösen …
Prähuman Band 3: Frederic Tubb funkt SOS
Mitten auf dem Pazifik haben es Tubb und sein Team mit einer gigantischen Maschine zu tun, die ganze Schiffe versenkt. – Tubbs bisher gefährlichstes Abenteuer …
Prähuman Band 4: Und es gibt sie doch!
Seltsame Funksignale aus dem Himalaja, eine sonderbare Expedition aus den 30er Jahren und ein gefährlicher Mann, der ebenfalls hinter das Geheimnis von Shangri-La kommen möchte. Das sind sie Zutaten des bisher umfangreichsten Abenteuers von Frederic Tubb und seinem Team.
Prähuman Band 5: Invasion der Doppelgänger
Frederic Tubb und sein Team werden Opfer einer bizarren Intrige. Auf einmal scheint es Tubb , Maki und Hans doppelt zu geben. Und die Lage spitzt sich zu, als Maki Asakawa auf einmal spurlos verschwindet …
Prähuman Band 6: Welt in Gefahr! (Teil 1: Der Lemuria-Zwischenfall )
Kaum hat Frederic Tubb Maki Asakawa wieder gefunden, geraten er und sein Team auch schon in das nächste Abenteuer. Eine seltsame Insel hebt sich im Indischen Ozean aus dem Meer. Kurz darauf ist Makis Schwester Yui spurlos verschwunden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Denn nicht nur Yui ist in Gefahr, sondern die gesamte Menschheit …
Prähuman Band 7: Welt in Gefahr! (Teil 2: Todesobjekt X)
Auf der Suche nach Makis Schwester geraten Tubb und sein Team von einer Gefahr in die nächste. Vom Chinesischen Meer über London bis nach Peru erstrecken sich ihre Abenteuer. Und die Zeit drängt. Denn Todesobjekt X hinterlässt eine Spur der Zerstörung …
Prähuman Band 8: Spur ins Unbekannte
Seltsame Dinge geschehen mitten in den Highlands. Unheimliche Laute hallen durch die Nacht und auf einer Lichtung finden Tubb und sein Team zwei Skelette. Je mehr sie den rätselhaften Fall bearbeiten, desto mehr beginnt Tubb , an seinem Verstand zu zweifeln …
Prähuman Band 9: Tödliche Schatten
Gray House ist eine Villa, die sich auf einer Felseninsel vor San Francisco befindet und um die sich merkwürdige Gerüchte ranken. Angeblich soll in dem Haus ein wertvoller Schatz versteckt sein. Kürzlich hat sich darin ein rätselhafter Todesfall ereignet. Frederic Tubb und sein Team gehen den Gerüchten nach und geraten dabei in Lebensgefahr …
Prähuman Band 10: Fall 01
Band 10 erzählt davon, wie Frederic Tubb zum ersten Mal nach England gekommen ist. Der Grund: er möchte den Gerüchten über einen Werwolf in dem Ort Darkmoore nachgehen. Doch dann wird Tubb beschuldigt, einen Mann ermordet zu haben. Einen Mann, der seit Jahren bereits tot sein müsste …
Prähuman Band 11: Hauser
Eine Reihe seltsamer Morde an Wissenschaftlern führt Frederic Tubb und sein Team von London nach Nürnberg und Paris.
Prähuman 12: Die Unheimlichen
In dem kleinen Ort Peterchurch gehen seltsame Dinge vor sich. Unheimliche Gestalten suchen in Vollmondnächten die Stadt heim. Tubb und sein Team gehen dem sonderbaren Fall nach …
Prähuman 13: Augen des Todes
Frederic Tubb und sein Team haben es mit einer unheimlichen Mordserie zu tun. Sämtliche Opfer wurden versteinert …
Prähuman 14: Der Schrecken von Mount Nock
Auf einer geheimnisvollen Insel vor Schottland sind zwei Forscher spurlos verschwunden. Für Frederic Tubb und sein Team der Beginn eines unglaublichen Abenteuers …
Prähuman 15: Das Ostsee-Rätsel
In der Ostsee findet ein Manövers statt. Doch handelt es sich dabei wirklich um eine militärische Übung? Denn tief unten am Grund des Meeres liegt ein rätselhaftes Objekt …
Prähuman 16: Das Geheimnis der verschwundenen Menschen
In einem Hotel in den Schweizer Alpen gehen sonderbare Dinge vor sich. Menschen verschwinde spurlos. Einer klarer Fall für Frederic Tubb .
Von Car l Denning ist ebenfalls erschienen:
Hexensabbat
Bei den älteren Bewohnern der kleinen Küstenstadt Leonardtown löst der Name Moll Dyer noch immer Furcht und Schrecken aus. Und das, obwohl sie seit fast 400 Jahren tot ist. Der Legende nach soll Moll Dyer eine Hexe gewesen und Ursache für eine Anzahl sonderbarer Todesfälle gewesen sein.
Laura und ihre Freunde stehen kurz vor ihrem Abschluss an der Highschool. Als sie von der unheimlichen Legende erfahren, bringt sie das auf eine Idee: sie wollen mit Moll Dyer durch einer Seance Kontakt aufnehmen. Zunächst tut sich nichts. Doch dann leidet Lauras Freundin Jennifer plötzlich unter einer unerklärlichen Krankheit. Kurz darauf wird ein Mann tot in seinem Auto gefunden. Unzählige Raben suchen die Stadt heim. Doch es kommt noch schlimmer. Viel schlimmer …
Blutige Schatten
Ein Haus, in dem es tatsächlich spukt? Das Martenshaus gilt als Monster unter den Spukhäusern. Als eine Gruppe Parapsychologen den unheimlichen Gerüchten, die sich um dieses Gebäude ranken, nachgehen möchte, kommt es zur Katastrophe: Zwei Tote und eine vermisste Person. Die Polizei steht vor einem Rätsel.
Wenige Tage später sucht der bekannte Grenzwissenschaftler Frederic Tubb
zusammen mit seinem Team das Haus auf, um den sonderbaren Zwischenfall zu untersuchen. Bereits in der ersten Nacht ereignen sich unerklärliche Dinge. Und schon bald wünscht sich Tubb
, das Haus nie betreten zu haben ...
"Spannend bis zum Schluss." (amazon.de )
"Ich konnte es nicht aus der Hand legen." (amazon.de )
Monster
Altamont ist ein kleiner und friedlicher Ort am Rand des Grand Jardin Nationalparks in Kanada. Diese Idylle endet plötzlich, als auf einer Lichtung eine Gruppe Umweltschützer bestialisch ermordet wird. Kurz darauf findet ein Biologe die verstümmelte Leiche eines alten Einsiedlers. Was die Fälle noch unheimlicher macht, ist, dass an jedem der Tatorte ein mysteriöser Steinhaufen errichtet wurde. Und noch etwas macht den Fall äußerst bizarr: an einem der Tatorte wird der Abdruck eines riesigen Fußes entdeckt. Für Susan Gant , Chefinspektor und Leiterin der Polizeistation in Altamont , deutet zunächst alles auf die grausamen Taten eines Psychopathen hin. Doch bald kommt sie zu der Erkenntnis, dass etwas weitaus Schlimmeres sein Unwesen in den endlosen Wäldern treibt. Ein Monster geht um. Und die Zeit drängt. Denn schon fallen weitere Menschen der albtraumhaften Kreatur zum Opfer …
„Beginnt wie ein Krimi, nimmt aber richtig Fahrt auf.“ (amazon.de )
Boten des Schreckens
Susan Gants zweiter Fall: Zwei Ranger entdecken im Grand Jardin Nationalpark einen schwer verletzten Mann. Von fünf weiteren Personen fehlt jede Spur. Noch am selben Tag wird die verstümmelte Leiche eines Zoomitarbeiters gefunden. Mehrere Tiere des Zoos liegen tot in ihrem Gehege. Doch dabei bleibt es nicht. Weitere Zwischenfälle ereignen sich und nehmen von Mal zu Mal bedrohlichere Formen an. Bei ihren Ermittlungen stößt Susan immer wieder auf den Namen Waheela ? Aber was hat es damit auf sich? Und nach was haben ein Wissenschaftler und seine Mitarbeiter aus Quebec in einem abgelegenen Gebiet des Nationalparks gesucht? Susan Gant und ihr Team setzen alles daran, um hinter das dunkle Geheimnis zu kommen. Denn die Reihe von unheimlichen und schrecklichen Zwischenfällen reißt nicht ab …
„Spannung von Anfang bis zum Schluss.“ (amazon.de )
Menschenfresser
In Altamont , einer kanadischen Kleinstadt am Rand des riesigen Grand Jardin Nationalparks, sind eine Mutter und ihr 15-jähriger Sohn brutal ermordet worden. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass der Mörder eine äußerst krankhafte Neigung besitzt: eine Gier nach Menschenfleisch. Nur wenige Stunden später werden auf einer einsamen Straße die verstümmelten Leichen eines jungen Ehepaars gefunden. Für Chefinspector Susan Gant ist eines klar: Es handelt sich um denselben Täter. Die Suche nach diesem erweist sich jedoch als äußerst schwierig. Es gibt nur einen einzigen Anhaltspunkt: die beiden ersten Opfer müssen den Mörder gekannt haben. Doch dann ereignet sich ein weiterer entsetzlicher Todesfall. Und in Susan Gant keimt eine schlimme Befürchtung: das Grauen hat erst begonnen …
„Klasse!“ (amazon.de )
„Eine weitere tolle Geschichte um Susan Gant und die Stadt Altamont .“ (amazon.de )
Das Böse
Das Einsame Haus steht auf einer kleinen Insel vor der Küstenstadt Belsen . Eine 200 Meter lange Brücke verbindet die Insel mit dem Festland. Bei Flut ist das Haus vom Festland vollkommen getrennt. Seit 20 Jahren steht das Gebäude leer. Mira sieht darin einen geeigneten Ort für ihre Uni-Abschlussfeier. Zusammen mit ihren Freunden plant sie, eine Nacht dort zu verbringen. Zunächst scheint alles in Ordnung zu sein. Doch dann kommt die Flut. Und das Grauen beginnt …
"Ein toller Schreibstil, der einen das Buch nicht aus den Händen legen lässt." (amazon.de )
Darkmoore
Ein Mystery-Thriller
Darkmoore , eine Kleinstadt in Devonshire , wird von einer unheimlichen Mordserie heimgesucht. Der Schriftsteller Jeff Cooper zieht zusammen mit seiner Frau Linda in den Ort, um in dem Haus von Jeffs verstorbenen Onkel zu wohnen. Jeff hofft, dort ungestört an seinem neuen Roman arbeiten zu können. Doch kaum sind Jeff und Linda eingezogen, als sie auf Aufzeichnungen seines Onkels stoßen, in denen er darauf hinweist, dass die Morde etwas mit einem sonderbaren Wesen zu tun haben, das in den tiefen Wäldern haust, die sich um Darkmoore herum ausbreiten. Fasziniert von den Notizen seines Onkels, beginnt Jeff selbst Nachforschungen anzustellen. Während die Polizei glaubt, einem Serienmörder auf der Spur zu sein, stößt Jeff auf immer rätselhaftere Hinweise über die Natur des Mörders …
Todesstation
Die Besatzung einer abgelegenen Forschungsstation in den Alpen macht eine seltsame Entdeckung: Bei einem Zwischenfall wird der Eingang einer Höhle freigelegt, in der sich prähistorische Felszeichnungen befinden. Manche von ihnen erscheinen äußerst bizarr. Die junge Archäologin Joan Jansen soll die Bilder untersuchen. Doch sie steht selbst vor einem Rätsel. Solche Bilder hat sie bisher noch nirgendwo anders gesehen. Die Situation erhält noch einen merkwürdigeren Anschein, da sowohl in der Station als auch um sie herum auf einmal unheimliche Dinge geschehen, die sich von Mal zu Mal intensivieren. Als es schließlich zu einem schrecklichen Todesfall kommt, gerät die Lage zunehmend außer Kontrolle …
„Ich habe das Buch regelrecht verschlungen.“ (amazon.de )