I rgendetwas war schiefgelaufen. Als Lunis die Barriere von Gullington – die unsichtbare, schützende Kuppel, die das Hauptquartier der Drachenelite umgab – verlassen hatte, wartete ein blau schimmerndes Portal auf ihn. Zumindest vermutete er, dass es auf ihn wartete.
Viele wären wahrscheinlich nicht durch die geheimnisvolle Öffnung getreten, die überall hinführen konnte oder noch wichtiger, zu irgendetwas. Lunis gehörte aber nicht zu den meisten. Er wusste, dass auf der anderen Seite Gefahren lauern konnten, die über ihn herfallen wollten. Das Portal könnte ihn mitten in einem aktiven Vulkan ausspucken. Oder noch schlimmer , dachte er. Es könnte mich in ein veganes Restaurant verfrachten.
Lunis war vorsichtig, als er durch die magische Pforte trat, aber er hatte keine Angst. Wenn jemand kühn genug war, ihn irgendwohin zu führen, war er entweder mächtig und allwissend oder er verspürte Todessehnsucht.
Zu seiner Erleichterung spuckte ihn das Portal an einem weißen Sandstrand aus, das von Sonnenschirmen und sonnenbadenden Touristen überfüllt war. Die Morgensonne glitzerte über dem Meer. Das türkisfarbene Wasser plätscherte an den Strand – eine sanfte Begrüßung, während Lunis den schönen Anblick um sich herum in sich aufnahm. Er stieß einen tiefen Seufzer aus, der sich leider eher wie ein Knurren anhörte und viele derjenigen erschreckte, die um ihn herum am Strand entspannten.
Ein paar Frauen schrien. Einige Eltern schnappten sich ihre Kinder und rannten zur Ferienanlage in der Ferne. Polizisten mit automatischen Waffen stürmten mit verzweifelten Blicken herbei.
Lunis stöhnte. »Nicht der beste Start in den Urlaub.«
Der Seewind zerrte unerwartet an seinen Flügeln und Lunis entfaltete sie vollständig. Als jedoch immer mehr verängstigte Touristen in Deckung gingen, merkte er, dass er aussah, als wollte er sie bedrohen.
»Ich bin nicht hier, um zu plündern und zu zerstören«, verkündete er mit lauter Stimme. »Ich will nur das Hotel und die versprochene Wellness!«
Das klang nach einer weiteren Drohung. Der erste Polizist, der vor Lunis ankam, richtete seine Waffe auf ihn. »Du kannst dieses Hotel nicht haben. Wir werden dich bekämpfen, Dämonendrache.«
Lunis seufzte. Böse Drachen waren verantwortlich für diesen schlechten Ruf. Leider schlossen sich einige Dämonendrachen und deren Reiter nicht Sophias abtrünnigen Reitern an, sondern plünderten weiter und drangsalierten Sterbliche. Er wurde gerade mit einem verwechselt.
»Ich will nicht kämpfen.« Lunis versuchte, seine großen Flügel anzulegen, aber der Küstenwind machte es ihm schwer und zwang ihn, mit ihnen zu flattern, während er auf seinen Hinterbeinen stand. Er sah aus wie ein Drache, der zum Angriff bereit war.
»Er wird sich einfach nehmen, was er will«, rief ein Mann in der Nähe. Er hob seinen zusammengeklappten Schirm auf und drehte ihn, um den Stock als Waffe zu benutzen.
»Oh Mann, das läuft ja gar nicht gut«, murmelte Lunis. »Wie wäre es, wenn ich mich verabschiede? Ich nehme an, das ist nicht mein Hotel.«
Die Polizisten hatten eine Barriere zwischen dem blauen Drachen, dem Hotel und den Gästen errichtet. »Nein, dieser Ort steht unter unserem Schutz. Hau ab, Dämonendrache.«
Lunis knurrte. »Verwechselt mich nicht mit diesen seelenlosen Kreaturen. Ich bin gut. Ich recycle.«
»Sir«, meinte einer der Polizisten zu demjenigen, der anscheinend das Sagen hatte. »Ich glaube, dieser Drache hat die Ladung schlechter Shrimps gefressen, die kürzlich im Hafen angekommen ist.«
Der Mann nickte und senkte seine Waffe. »Ja, er ist nicht ganz richtig im Kopf.«
»Meinem Kopf geht es gut«, entgegnete Lunis völlig beleidigt. »Pass lieber auf, sonst kippe ich diesen Krabbenkutter um und stülpe ihn mir über den Kopf.«
»Warum solltest du das tun?«, fragte einer der Polizisten verwirrt.
»Weil er meine Größe hat!« Lunis brüllte vor Lachen.
Die Polizisten sahen sich alle an und schüttelten den Kopf.
»Ja, Männer, von dem haben wir nichts zu befürchten«, stellte der verantwortliche Offizier schulterzuckend fest. »Das ist ein ›besonderer‹ Drache, wenn ihr wisst, was ich meine. Zurück auf eure Posten.«
Die Männer gingen zurück zum Hotel und winkten den sich versteckenden Touristen zu, auf ihre Plätze zurückzukehren. »Es ist alles in Ordnung. Nur ein Drache, der wahrscheinlich zu früh geschlüpft ist«, rief einer von ihnen.
»Ich bin nicht zu früh geschlüpft!«, rief Lunis. »Aber ich habe nicht mehr lange zu leben.«
Das ließ die Männer innehalten und sich wieder zu Lunis umdrehen.
»Wirklich? Warum?«, fragte einer von ihnen.
»Na ja, mein Reiter wird bald zurück sein.« Lunis lachte über seinen Scherz. »Kann mir jemand sagen, wo das Hotel Laguna Maldita liegt?«
Die Männer sahen sich an und brachen in Gelächter aus. »Da möchtest du also hin?«, fragte der leitende Offizier.
»Ja, ich wurde mit einem All-inclusive-Aufenthalt dort belohnt«, erklärte Lunis stolz.
Die Männer lachten wieder. »Vielleicht sollte man den alten Laden abfackeln«, meinte einer der Polizisten.
»Ja, das könnte eine Verbesserung werden«, stimmte ein anderer zu.
Lunis runzelte die Stirn und überlegte, ob er sie mit seinem Feuer beschießen sollte. Das würde Sophia auf den Plan rufen und er bekäme ordentlichen Hausarrest – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie würde ihm wahrscheinlich eine Zeit lang nicht erlauben zu fliegen. Sie war so vehement darauf bedacht, keine Menschen zu verletzen, als gäbe es nicht eine Milliarde von ihnen.
»Wenn du das Hotel Laguna Maldita suchst, bist du auf der falschen Seite des Strips.« Ein Beamter zeigte auf die Seite des Ozeans hinter der Hotelreihe am Strand. »Du suchst die Lagunenseite. Halte Ausschau nach einem heruntergekommenen, dreistöckigen Hotel im westlichen Teil der Bucht. Auf dem Dach gibt es eine Cabana und auf dem Rasen einen Infinity-Pool, der schon bessere Zeiten gesehen hat.«
»Oh und vergiss den Baron nicht«, lachte ein Mann. Die anderen schlossen sich ihm an.
»Cabana und Infinity-Pool.« Lunis lächelte. »Klingt toll. Danke für die Hilfe, Leute. Jetzt solltet ihr alle gehen und einen Koch verhaften.«
»Warum sollten wir das tun?«, fragte ein Beamter.
Lunis breitete seine Flügel aus und machte sich bereit, sich in die Luft zu erheben. »Weil sie Eier und Sahne schlagen.«