D as Wasser in der Lagune war ruhig im Vergleich zum unruhigen Ozean. Lunis glaubte bereits, dass ein Aufenthalt im Hotel Laguna Maldita viel entspannender war als auf der geschäftigen Ozeanseite von Tortugas Locas.
Was wussten diese dummen Polizisten schon? Er glitt über die Lagune und entdeckte ein dreistöckiges Gebäude auf der westlichen Seite. In der Ferne konnte er eine hübsche, kleine Cabana erkennen. Es schien der perfekte Ort für Lunis zu sein, um die Annehmlichkeiten des Hotels zu genießen.
Er konnte sich gut vorstellen, wie er sich morgens schön bräunen und nachmittags im Infinity-Pool planschen würde. Die anderen Gäste mochten vielleicht keinen Wasserkrieg, aber sie würden sich daran gewöhnen. Lunis war allerdings schrecklich darin, Marco Polo zu spielen, denn er war groß und konnte sich nicht leise im Wasser bewegen.
Er landete jedoch ohne viel Lärm auf dem Dach des Hotels. Lunis sah sich um und zuckte mit den Schultern. Es gab ein paar niedrige Terrassenstühle zum Sonnenbaden, einen großen Sonnenschirm, der schon bessere Tage gesehen hatte, ein paar Topfpflanzen und ein paar alte Terrassenmöbel, die er in ein Bett verwandeln konnte.
»Es ist nicht das Hilton, aber ich kann damit arbeiten.«
Das Geräusch trappelnder Schritte veranlasste ihn, sich zur Treppe umzudrehen. Einen Moment später tauchte ein kleines Mädchen von etwa zwölf Jahren auf. Sie hatte dunkelbraune Augen und ihr blondes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihr stand der Mund offen und sie deutete völlig schockiert auf ihn.
»D-D-Du bist ein Drache …«, stotterte das Mädchen.
Lunis schaute sie mit großen Augen an und täuschte einen Schock vor. Er mochte es immer, wenn Kinder ihn entdeckten, denn ihre Reaktionen waren ehrlich. »Du bist ein kleines Mädchen!«
»Oh, mein Gott.« Das Kind trat einen Schritt vor und machte dann zwei Schritte rückwärts. »Willst du mich fressen?«
»Nein.« Lunis tat so, als wäre er beleidigt. »Ich kann amerikanisches Essen nicht ausstehen. Du bist doch Amerikanerin, oder? Deinem Akzent nach zu urteilen, schätze ich, dass du das bist.«
»Ja, ich bin Amerikanerin.« Sie sah nicht gerade erleichtert aus, als sie einsah, dass der riesige blaue Drache sie allein aufgrund ihrer ethnischen Herkunft nicht fressen würde.
»Wenn du Italienerin oder Französin wärst, dann würde ich dich vielleicht essen«, erzählte Lunis.
»Was machst du denn hier?« Die Zuversicht des Mädchens wuchs. »Wohnst du hier? Haben wir ein Hotel mit einem Drachen gekauft? Gehörst du jetzt mir?«
Lunis warf ihr einen verwirrten Blick zu. »Nein, niemand kann mich besitzen, aber sag das nicht meiner Reiterin Sophia. Und nein, ich wohne in Beverly Hills …«
»Das ist ein merkwürdiger Platz für einen Drachen«, unterbrach sie ihn.
»Nun, zeitweise auch in unserer Burg in Schottland«, erklärte Lunis. »Ich mache hier Urlaub, weil ich das hier bekommen habe.« Er hielt ihr seine Einladung hin. Das Mädchen zögerte, auf ihn zuzugehen und den Zettel zu nehmen, aber sie tat es trotzdem.
Ihre Augen fuhren über das edle Schriftbild, bevor sie laut las,
»Lunis, du bist herzlich eingeladen, eine Woche im All-Inclusive-Hotel Laguna Maldita im wunderschönen Tortugas Locas zu verbringen. Aufgrund deiner Dienste für die Drachenelite und gegen die abtrünnigen Reiter möchte dich die Familie Ward verwöhnen, damit du weiterhin unseren Globus schützen kannst. Du findest deine Unterkunft auf dem Dach des Hotels. Die Mahlzeiten werden rund um die Uhr serviert und alle deine Wünsche und Erwartungen werden erfüllt. Wir hoffen, du genießt deinen Aufenthalt. «
Nachdem sie die Karte gelesen hatte, blickte sie auf und war völlig verwirrt. »Du bist Lunis?«
»Das bin ich«, antwortete er stolz. »Ich freue mich darauf, die Familie Ward kennenzulernen, die mich verwöhnen und meinen Dienst für den Planeten würdigen wird.«
»Ich bin Laura Ward, aber meine Familie hat das nicht geschickt.«
Lunis senkte sein Kinn. Rauch quoll aus seinen Nasenlöchern. »Was sagst du da?«
»Ja, meine Mutter und mein Vater, nun ja, sie kämpfen darum, das Hotel zum Laufen zu bringen. Also hätten sie das niemals verschickt. Wir haben zwar gehört, dass es Drachen gibt, aber wir haben es nicht geglaubt. Ich auch nicht, bis jetzt. Es ist also unmöglich, dass mein Vater dir das geschickt hat. Er wüsste nicht einmal, wohin er es schicken sollte.«
»Das ist also eine Falle«, murmelte Lunis und bestätigte damit, was er von Anfang an vermutet hatte, aber er ließ sich nicht beirren. »Kein Wunder, dass es hier oben keine Kissen oder Bettdecken gibt. Können wir das ändern?«
»Du hast gesagt, es sei eine Falle.« Laura sah sich plötzlich um. »Warum willst du trotzdem bleiben?«
»Also, wenn mich jemand hierhergelockt hat, will ich diesen Typen treffen, damit er Bekanntschaft mit meiner Flamme machen kann. Außerdem ist meine Reiterin Sophia gerade auf einer Solo-Mission unterwegs. Deshalb habe ich etwas Zeit zum Totschlagen … nicht dich. Ich werde dich nicht töten … wahrscheinlich … vielleicht … höchstwahrscheinlich nicht.«
Laura kicherte, offensichtlich amüsiert von seinen Witzen. »Du bleibst also hier?«
»Besorgst du mir Kissen und rund um die Uhr Essen?«
»Nun, ich weiß nicht.« Laura atmete aus. »Ich könnte in Schwierigkeiten geraten. Vielleicht, wenn meine Eltern es wissen …«
»Du darfst es deinen Eltern nicht sagen«, unterbrach Lunis.
»Ich darf sie nicht anlügen.«
»Nein, das darfst du nicht. Aber irgendetwas ist hier faul. Ich wurde aus einem bestimmten Grund hierhergebeten und je weniger Leute über mich Bescheid wissen, desto besser.«
»Was ist, wenn mein Vater hier heraufkommt und dich findet? Ich meine, es kommt nie jemand hier hoch, aber was, wenn doch?«
»Wenn also niemand hier hochkommt, warum dann du?«, wollte Lunis wissen und folgte den Hinweisen.
»Oh, ich habe diese komische Katze gesehen und bin ihr gefolgt«, erzählte Laura bereitwillig und sah sich um. »Ich weiß nicht, wo sie hin ist.«
»Eine Katze, sagst du …« Lunis schaute sich auf dem Dach um und suchte nach Plato, dem Lynx. Er hätte wissen müssen, dass er dahintersteckte. Langsam ergab das alles Sinn. Die Einladung, das Portal, die sich entwickelnde Mission. Ja, Lunis würde jetzt wahrscheinlich bleiben, je nachdem, wie Laura seine nächste Frage beantwortete. »War diese Katze vielleicht schwarz-weiß?«
»Das war sie!«, rief Laura aus.
»Gute Arbeit, Plato«, sang Lunis, verengte seine Augen und schaute sich auf dem Dach der Terrasse um, entdeckte aber den hinterhältigen Kater nicht. »Was soll ich also tun?«
»Was meinst du?«, fragte Laura.
Der blaue Drache richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das junge Mädchen. »Du sagtest, deine Familie kämpft darum, das Hotel zum Laufen zu bringen.« Lunis ließ sich auf dem Dach nieder und machte es sich bequem. »Erzähl mir mehr, Laura Ward. Erzähl mir alle wichtigen Details.«
»Oh, wir haben diese Anlage gerade erst gekauft«, erklärte Laura. »Meine Mutter kommt aus Mexiko und ist eine großartige Köchin. Mein Vater hat schon immer davon geträumt, ein kleines Hotel zu besitzen und zu betreiben. Also haben sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt.«
»Aber dir gefällt es hier nicht.« Lunis bemerkte das Bedauern in ihrem Tonfall.
»Nun, ich habe hier keine Freunde.«
Lunis nickte. »Aber deine Mutter kommt aus Mexiko, also bedeutet ihr das sehr viel.«
»Ja, ich denke schon.« Laura trat gegen das Dach.
»Hey, weißt du, wie man einen Mexikaner ohne Auto nennt?« Lunis sah plötzlich ernst aus.
Laura blickte verwirrt auf. »Hm, wie?«
»Car-los!«
Das junge Mädchen blinzelte ihn an. »War das ein Witz?«
Lunis ärgerte sich. »Wenn das funktionieren soll, musst du wissen, wann ich einen Witz erzähle.«
»Wenn was funktionieren soll?«
»Ich hänge mich rein und rette das Hotel, wovor auch immer es gerettet werden muss«, meinte Lunis.
Laura zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich meine, wir haben eigentlich keine Gäste, abgesehen von den fiesen Typen, die Papa vorhin schikaniert haben.«
Lunis unterbrach sie, als er eine einzelne Kralle wie einen Finger hochhob. »Hierher. Erzähl mir von diesen Typen.«
»Oh, na ja, Papa hat sie Mafiosi oder so genannt«, erklärte Laura. »Sie wollen die Zimmer nicht bezahlen und haben ihn bedroht. Ich weiß es nicht …«
»Nur immer raus damit«, drängte Lunis.
»Und dann sind da noch die komischen Geräusche, die der Heizkessel macht«, fuhr sie fort. »Das macht es schwer, nachts zu schlafen. Mama glaubt, dass etwas im Hotel spukt. Papa sagt, dass sie erschöpft ist und unter Schlafentzug leidet. Jedenfalls sollte der Lärm bald verschwunden sein, weil heute eine Wissenschaftlerin aufgetaucht ist. Sie wohnt im Hotel und hat angeboten, den Heizkessel für uns zu reparieren.«
»Interessant«, überlegte Lunis.
»Ist es das?«, erkundigte sich Laura. »Ich weiß es nicht. Ich denke, wir sollten wieder zurückziehen und den Traum vom Leben in Mexiko aufgeben.«
»Ja, vielleicht.« Lunis sah plötzlich auf. »Oh, hey. Das erinnert mich an etwas. Weißt du, wie ein Mexikaner heißt, der alles beseitigt?«
Verwirrung legte sich auf Lauras Gesicht auf. »Wie?«
»Entfernando.« Lunis lachte über seinen Witz.
Laura verstand die Pointe und musste lachen. »Oh, der war lustig.«
»Natürlich war er das«, meinte er kühl.
Laura lachte immer noch. »Du bist wirklich witzig. Ich kann nicht glauben, dass ich einen Drachen getroffen habe und der auch noch Witze erzählt.«
»Tolle Witze«, fügte Lunis hinzu.
»Du bleibst also hier?«, wollte Laura wissen.
»Wirst du mich füttern?«
»Erzählst du mir tolle Witze?«
»Du könntest mich nicht aufhalten, selbst wenn du es wolltest«, bemerkte er. »Glaub mir. Viele haben es versucht und sind gescheitert.«
»Glaubst du, es gibt hier etwas, vor dem du uns retten musst?« Laura schaute sich vorsichtig um.
»Es klingt, als gäbe es eine Menge verdächtiger Aktivitäten«, antwortete Lunis. »Wenn Plato das eingefädelt hat, ist das wahrscheinlich eine der wichtigsten Missionen, die ich in diesem Jahr zu erledigen habe.«
»Dann kann ich dir vielleicht etwas Weiches zum Schlafen suchen.« Laura zeigte auf die zerschlissenen Terrassenkissen, auf denen er lag.
»Ich bevorzuge Bambusbettwäsche und Bio-Daunendecken«, merkte er an.
Sie rümpfte die Nase. »Vielleicht kann ich ein paar leichte Decken aus einem der unbenutzten Zimmer holen.«
»Abgemacht«, zwitscherte Lunis.
»Wie wäre es, wenn ich dir aus der Küche etwas zu essen bringe?«, bot Laura an. »Ich glaube, Mama hat extra Roastbeef gemacht, weil wir heute Abend mehr Gäste haben.«
»Ich denke, das wird der Beginn einer wunderbaren Partnerschaft.«
»Ich auch.« Das junge Mädchen ging auf die Treppe zu und lief sofort hinunter.