Kapitel 10

K annst du mich hören?« Lauras Stimme knisterte über das Walkie-Talkie.

Lunis grinste und drückte den Knopf an der Seite seines Geräts. »Laut und deutlich, kleine Spielerin. Over and out.«

Sie kicherte.

Er wusste, dass die junge Fußballerin mutig war. Trotzdem verlangte er ihr eine Menge ab. Sie war im Begriff, ein Gespräch mit einem Geist zu führen, um die Bühne zu bereiten. Also tat er etwas, was er Sophia schon oft angeboten hatte und gab Laura die Illusion seiner Unterstützung. Sie war allein im Spukhotel und musste Informationen durchsickern lassen. Doch das Walkie-Talkie würde ihr das Gefühl geben, dass sie es nicht war.

Normalerweise sprach Lunis mit Sophia in ihrem Kopf und sie antwortete ihm stets in Situationen wie dieser. Da Laura und er nicht telepathisch miteinander verbunden waren, waren die Walkie-Talkies die beste Option. Außerdem musste es für den Geist realistischer wirken.

»Ich bin fast da«, murmelte Laura.

Lunis wusste, dass sie mit ›da‹ den Heizungsraum meinte, in dem der Geist von Baron Fabien Coulter am aktivsten war. Das Timing musste perfekt sein, also hatte Laura gewartet, bis Doktor Beth Hailey gegangen war, um sich eine Tasse Tee zu holen, was sie nach mehreren Stunden Arbeit zuverlässig tat.

»Die Wände beben«, murmelte Laura.

»Das ist nur der Sturm«, log Lunis. Obwohl sich der Hurrikan aufbaute, war er auf dem Dach und wusste, dass, wenn die Wände bebten, dies höchstwahrscheinlich von einer Kraft innerhalb des Hotels Laguna Maldita kam. Wahrscheinlich war es der Geist, aber Lunis brauchte Laura, sie musste tapfer sein. Er wusste, dass sie mutig war.

»Da ist ein seltsames heulendes Geräusch«, übermittelte sie.

»Das kommt vom Kessel. Siehst du die Maschinen schon?«

»Ich bin fast da.« Ihre einstudierte Antwort kam genau nach Plan. »Du willst mir sagen, dass Doktor Beth Hailey versucht, das Hotel mit dem von ihr entwickelten Gerät zu zerstören?«

»Das will ich.« Er folgte dem Skript. Der Geist hörte zu diesem Zeitpunkt zu. Lunis wusste das, weil das Heulen über das Walkie-Talkie leiser wurde, als Laura sprach.

»Das verstehe ich aber nicht.« Laura klang verwirrt. Das Mädchen war eine gute Schauspielerin. »Warum will sie unser Hotel zerstören?«

»Weil die Nachfahren der Familie Coulter sie angeheuert haben«, gab Lunis zur Antwort. »Sie haben erfahren, dass Fabiens Geist hier drin wohnt. Sie werden nicht ruhen, bis sie ihn und den Ort, den er einst sein Zuhause nannte, vernichtet haben.«

Das Heulen wurde plötzlich so laut, dass Lunis sich anspannte. Er stand auf und war bereit, notfalls hinunterzufliegen. Sein Herz raste, weil er sich Sorgen machte, dass er Laura in Gefahr bringen könnte.

Einen Moment später ertönte ihre Stimme über den Lautsprecher. »Ich glaube, der Wind hat sich gedreht.«

Er seufzte. Auf dem Dach hatte sich der Wind nicht gedreht, aber es klang, als hätte der Geist die Nachricht erhalten. »Wir werden doch nicht zulassen, dass Doktor Beth Hailey dem Hotel Schaden zufügt, nicht wahr, Laura? Wir sind doch auf der Seite der Guten, oder?«

»Das ist richtig.«

Lunis hörte das Lächeln in ihrer Stimme trotz des Heulens im Hintergrund.

»Gute Menschen müssen schlechte Menschen aufhalten, nicht wahr?«, fuhr Lunis fort.

»Ja, aber ich bin mir nicht sicher, wie ich das kann.«

»Ich bin mir auch nicht sicher. Ich wünschte nur, es gäbe einen Weg, sie aus diesem Hotel zu verscheuchen. Dann wäre ihre Arbeit beendet und die Maschine könnte keinen Schaden mehr anrichten.«

»Ich bin nur ein kleines Mädchen.« Laura klang plötzlich nervös. Es war eine gespielte Reaktion, aber Lunis glaubte nicht, dass sie viel schauspielern musste, um überzeugend zu wirken.

»Ja, vielleicht ist das alles zu viel für uns.«

»Außerdem muss ich noch Hausaufgaben machen«, fügte Laura hinzu.

»Okay, wir werden darüber nachdenken. Warum machst du nicht erst einmal in der Lobby deine Hausaufgaben?«

»Hört sich gut an«, stimmte sie eilig zu, kaum hörbar durch das Heulen um sie herum. »Ich will Emmanuel von dem Boot mit den Diamanten erzählen, das hier anlegt.«

»Gute Idee.« Lunis lächelte, als er erkannte, dass der am wenigsten verdächtige Spieler alles auf dem Schachbrett in Position brachte.