Mr Witeks Blick flackerte nicht – er blinzelte auch nicht –, aber er sah mich, er sah mich zum ersten Mal richtig, und in meinem Kopf riefen lauter Stimmen durcheinander,
er ist verrückt ich mag keine Erbsen die kleine Nutte trägt kein Höschen ich bin drei Wochen überfällig kleine Nutte sie glaubt nur weil ich alt bin krieg ich keinen mehr hoch ruf lieber den Wachdienst wenn ich nur wüsste was mit mir los ist so ist’s recht komm näher damit ich deine kleinen Titten sehen kann ach ich kenn mich gar nicht mehr aus
vereinten sich zu einem lärmenden Schwall, wie Wasser, das aus einem geborstenen Damm bricht.
Ich schrie auf, drückte die Hände an die Schläfen und taumelte rückwärts. Dabei stolperte ich, schlug unwillkürlich um mich und warf den Ständer mit dem Tropf um.
»Was hast du denn?«, rief Stephanie erschrocken. »Was ist los, Christian?«
Ihre panischen Gedanken überschlugen sich: Ruf den Wachdienst ruf lieber den Wachdienst sonst kriegst du einen Anschiss …
»Mein … Kopf …« Ich knirschte mit den Zähnen und krümmte mich vor Schmerzen. Vor meinen Augen wurde erst alles rot, dann grellweiß. Plötzlich lief etwas Warmes über meinen Mund. Ich drückte die Hand auf die Nase, und mein Handrücken färbte sich leuchtend rot. Der Schmerz war so heftig, als müssten meine Augen platzen. »Es … es tut so weh …«
»Komm erst mal hier raus!« Stephanie zog mich am Arm. »Du musst dich irgendwo hinsetzen.«
»N-nein«, protestierte ich. Die nächste Schmerzattacke wütete in meinem Kopf, sengend und feurig wie Napalm.
ach ich kenn mich gar nicht mehr aus meine Augen tun weh
Plötzlich der jähe Gedanke: So muss es sein, wenn man stirbt …
Wieder blitzten Bilder auf: ein Zug, ein weißes Kleid, ein spitzenbesetzter Sonnenschirm.
»Lucy!« Ich tappte in Richtung Tür, blieb schwankend stehen und suchte an der Wand Halt. Meine blutverschmierten Hände hinterließen rostrote Spuren auf dem beigefarbenen Anstrich. Nicht ich, sondern sie, sie … »Holen Sie sofort die Ärztin! Lucy geht es schlecht!«
Aber Stephanie läuft schon los,
den Typen einsperren er ist verrückt ein Geisteskranker
weil sie mich einsperren lassen will.
»N-n-nein!« Ich will Stephanie festhalten, aber sie weicht mir aus. Grauer Nebel trübt meine Sicht, die Neonröhren flackern, das ganze Zimmer und Stephanies Gesicht, alles wird unscharf und grobkörnig, so wie abends, wenn es dunkel wird.
Ein neues Bild: ein unförmiger Eierkopf, aber diesmal nicht mit schwarzen Knopfaugen, sondern mit riesigen, schreckgeweiteten Augen. Das Gesicht ist zur Grimasse verzerrt, der Mundschlitz blutet schwarz, weil die Hand mit der Zeichenkohle abrutscht und herunterfällt, alles dreht sich …
Das brachte mich wieder zur Besinnung.
»Halt! Sie haben mich falsch verstanden!« Ich stürzte zur Tür, die mir Stephanie eben vor der Nase zuschlagen wollte, und riss sie wieder auf. Stephanie stolperte mit einem spitzen Schrei rückwärts, und die Tür schlug mit solcher Wucht gegen die Wand, dass das Gemälde mit der Frau im seidenen Morgenmantel herunterfiel.
»Lassen Sie mich durch!« Ich sprintete den Flur entlang und brüllte: »Dr. Rainier muss kommen, rufen Sie die Ärztin, sie muss zu Lucy, zu Lucy!«
nein, nicht, Hilfe, Hilfe, Hilfe, nicht weggehen, nicht