R ivka starrte finster auf den Bildschirm und lehnte sich im Kapitänssessel zurück. »Du hast nichts gefunden? Wie ist das möglich?«
»Mister Tohd Mackestray ist nicht präsent. Soweit es die Föderation betrifft, existiert er gar nicht«, antwortete Chaz, die künstliche Intelligenz des Raumschiffs.
»Er muss existieren oder zumindest seine Unternehmen. Du kennst das alte Sprichwort, Chaz. Folge dem Geld. Du weißt mittlerweile, wie Red bezahlt wurde. Was hast du herausgefunden?«
»Die Firma, die ihn bezahlte, hatte genau einen Mitarbeiter. Sobald Red ging, löste sich das Unternehmen auf. Es gibt zu viele Unternehmen mit nur einem Angestellten. Ich kann sie nicht alle abklappern.«
»Ankh ist an Bord. Hast du Erasmus und ihn um Hilfe gebeten?« Ankhs eigens entwickelte KI mit dem Namen Erasmus hatte bei der Lösung von Rivkas letzten beiden Fällen entscheidend mitgewirkt. Erasmus lebte im Kopf des Crenellianers.
»Ankh ist zurzeit nicht an Bord. Er ist verschwunden, kurz nachdem Jayita zur Arbeit gegangen ist.«
»Wir werden ihre Hilfe brauchen. Moment.« Rivka öffnete die Luke zur Brücke und rief: »Red! Beweg deinen Arsch hierher.«
Sie lachte leise, während sie wartete.
»Ernsthaft? Reden wir jetzt so miteinander?«, erkundigte sich Red. Lindy war an seiner Seite, bekleidet mit Shorts und einem von Reds alten T-Shirts.
»Nein. Tut mir leid, großer Mann. Ich wollte dir nur sagen, dass Chaz keine Daten über deinen alten Chef finden kann.«
»Welchen?«
»Mackestray«, stellte Chaz klar.
»Der Typ war eine totale Schlange, jedenfalls für einen Blokiten. Er ist von Planet zu Planet gesprungen und hat sich nie lange an einem Ort aufgehalten. Ich weiß nicht, wie man ihn aufspüren kann. Er hat keine Einzelheiten über seine Geschäfte verraten, aber er hat Einfluss ge- und verkauft.«
»Wie kann ein Phantom mit Einfluss handeln?«
»Das ist wahrscheinlich die beste Art, mit so etwas zu handeln. Er hält seine Hände sauber, während er anderen mit Erpressung droht. Bezahlung für Diskretion oder für die Entthronung eines Kontrahenten. Die Politik ist ein schmutziges Geschäft und damit ein fruchtbarer Boden für Abschaum wie Mackestray. Bevor du was sagst: Ich dachte, er sei ein Politiker, der ein hohes Amt anstrebt, aufgrund der Leute, mit denen er sich trifft. Bis ich die Gespräche mitbekam und dann konnte ich nicht schnell genug von dort verschwinden.«
»Wer ist der andere Typ und wie bist du dazu gekommen, für ihn zu arbeiten?«, hakte Rivka nach.
»Der andere ist eine interessante Persönlichkeit. Sein Name ist K’Twillis, ein Aborgianer. Er ist halb Pflanze, halb Humanoid und braucht jeden Tag eine bestimmte Menge an Sonneneinstrahlung für die Fotosynthese. Eine seltsame Rasse. Er spricht mit einem Lautsprecher, den er bei sich trägt und umgibt sich mit einem Sicherheitsteam aus Einheimischen und Aliens.«
»Da die Föderation rassenneutral ist, können wir Außerirdische nicht anhand ihrer Spezies aufspüren, aber wir können sie anhand ihrer Ernährungsgewohnheiten suchen, wenn sie diese bei den Behörden registriert haben«, bemerkte Chaz. »Eine Schnellsuche findet nirgendwo in der Föderation eine Person namens K’Twillis.«
»War ja klar. Warum hast du seinen Dienst verlassen?«, wollte Rivka interessiert wissen.
»Bergbau. Er betreibt Betriebe, die Risse in die Oberfläche von Planeten reißen«, antwortete Red.
Rivka kaute auf ihrer Lippe. »Du kommst mir nicht vor wie ein Ökoverfechter und moderne Rückgewinnungstechnologien können solche Dinge in kürzester Zeit wiederherstellen, also warum hat dich das gestört?«
»Es verletzt mich zutiefst, dass du denkst, ich würde mich nicht um die Umwelt scheren.« Red zwinkerte der Magistratin zu. »Es ist nicht so, dass es nicht zurückgewonnen werden könnte, aber er hat die Einheimischen gewaltsam vertrieben oder sie getötet, wenn sie nicht umziehen wollten. Bist du schon mal mitten in der Nacht in das Haus einer Person eingedrungen und hast ihn aus seinem Bett gerissen? Ich schon. Ein einziges Mal. Danach nie mehr. Die Leute hatten große Angst und das aus gutem Grund. K’Twillis schickte Trupps los, die einen Ort ausplünderten und ihn wieder verließen, nachdem er bekommen hatte, was er wollte.«
»Bergbaubetriebe haben einen riesigen Fußabdruck. Illegaler Bergbau? Wie zum Teufel kommt er damit durch?«
»Er kauft lokale Beamte.«
»Aber dann wäre es legaler Bergbau, basierend auf der Korruption der Einheimischen. Bestechung ist kein großes Verbrechen. Seinen Planeten zu verraten? Diese Leute müssen von einem Magistraten bestraft werden.«
»Das auch«, gab Red zu. »Aber wir haben uns auf sie gestützt, wenn es nötig war.«
»Chaz, kannst du beim Tagebaubetrieb von …?«
»Versuch es mit Remus Sechs«, kommentierte Red.
»Von Remus Sechs aus nachforschen. Mal sehen, ob er eine Spur in der Galaxie hinterlässt.«
»Es wäre einfacher, wenn Erasmus mir helfen könnte«, bat Chaz.
Ankh. Könnten du und Erasmus bitte zur Peacekeeper kommen? Wir brauchen eure Hilfe , sagte Rivka über die interne Kommunikation. Sie erwartete eine sofortige Antwort, doch wartete vergeblich.
»Chaz, kannst du Ankh bitte ausfindig machen?« Sorgenfalten zogen sich über Rivkas Stirn.
»Er ist im Pod-Doc auf Ebene Vier.«
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Rivka und rannte zur Luke. Red stürmte hinter ihr her, dicht gefolgt von Lindy. Die Magistratin stemmte sich nicht dagegen. Sie akzeptierte, dass die beiden sie begleiten würden und hoffte, dass sie ihr Fachwissen diesmal nicht benötigte.
* * *
Jay lehnte sich gegen die Wand, während der Techniker seine Hände von den Bedienelementen ließ. Sein Arm zuckte, weil er Einstellungen vornehmen wollte, ein »Pssst« von Jay ihn jedoch davon abhielt. Ankh und Erasmus hatten die Kontrolle, sogar vom Inneren des Pod-Docs aus.
Als der Zyklus endete, öffnete sich lautlos der Deckel, Ankh kletterte heraus und zog sich an. Jay kniete sich auf seine Augenhöhe. »Du siehst gar nicht anders aus.«
»Davon gehe ich nicht aus, nein«, antwortete der Crenellianer gleichmütig. Er machte sich nicht die Mühe, dem Techniker zu danken. Das war nicht seine Art. Er ging ohne ein weiteres Wort hinaus und blieb stehen, als Rivka ihn fast umrannte.
»Ankh! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, gab die Magistratin zu. Red und Lindy suchten den Korridor ab, um sich zu vergewissern, dass Rivka in Sicherheit war, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf den kleinen Außerirdischen richteten.
»Warum?«, fragte Ankh unschuldig.
»Ich wusste nicht, dass du …« Ihre Stimme verstummte, als sie ihn von einer Seite zur anderen musterte. »Was hast du angestellt?«
»Die Begebenheiten auf Collums Tor haben mich davon überzeugt, dass ich überleben muss, wenn ich angeschossen werde, also habe ich meine Nanozyten so programmiert, dass sie auf Verletzungen reagieren. Zudem habe ich mein Skelett verbessert, inklusive Schädel. Er ist jetzt durch eine Titanlegierung geschützt. Ich kann Erasmus schließlich nicht riskieren.«
»Oder dich selbst«, warf Jay mit einem Lächeln ein.
Rivka stand mit den Händen in den Hüften da und wusste nicht, wie sie sich fühlen sollte. »Ich weiß nicht, ob ich wütend sein soll, dass du es mir nicht gesagt hast oder froh, dass du jetzt besser geschützt bist.« Rivka hob eine Augenbraue, als sie Jayita fokussierte. »Warum bist du eigentlich nicht bei der Arbeit?
»Ich wurde gefeuert.«
»Ich habe lange genug mit Menschen zu tun gehabt, um zu wissen, dass eure Gefühle euer Verderben sind«, begann Ankh. »Ich tue, was getan werden muss. Dafür bin ich im Team. Vertraust du mir?«
Rivka stammelte, bevor sie sich dem Technikspezialisten zuwandte und antwortete: »Tut mir leid, Ankh. Du hast recht.«
»Natürlich habe ich das.« Ankhs Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Er trug seine Nachtsichtbrille auf der Stirn, was ihn nicht wirklich lebendiger wirken ließ.
Rivka wollte ihn schon einen Arsch nennen, überlegte es sich jedoch anders. Sie brauchte ihn mehr als er sie und grob wurde er sicherlich nicht. Ankh war hoffnungslos ehrlich. Ankh war eben Ankh.
»Wir benötigen deine Hilfe, Ankh. Wir suchen nach ein paar Personen, die nicht gefunden werden wollen.«
Ankh sah zu ihr auf. »Ist es ein Fall oder eine Mission?«
Rivka lächelte. »Wir nennen es eine Abrechnung, aber wir bleiben im Rahmen des Gesetzes. Wir sind schließlich die Guten.«
»Ja, okay. Lass uns zurück zum Schiff, dann kannst du mir alles erzählen.« Ankh schlenderte in seinem langsamen Tempo davon, doch Red hob ihn mal wieder hoch. Die Geduld des Leibwächters war sehr begrenzt und Ankh hatte anscheinend nichts dagegen, getragen zu werden – da war die Gleichmütigkeit sehr praktisch.
»Du meintest, du wärst gefeuert worden«, sagte Rivka an Jay gewandt. »Warum?«
»Sie haben gesagt, dass sie meine Art dort nicht haben wollen.«
»Wie meinen die das?«, erkundigte sich Rivka.
»Jemand, der dort wegen der Vergünstigungen arbeitet oder nicht zur Familie gehört oder zu blaue Haare hat oder was auch immer.«
Rivkas Lippen zuckten und sie knurrte tief in ihrer Kehle. »Planänderung.«
»Das dachte ich mir«, bemerkte Red. Lindy nickte und übernahm die Führung in Richtung Spa.
»Was hast du vor?«, fragte Jay.
»Was ich immer tue: die Wahrheit herausfinden.«
Jay ließ resigniert den Kopf hängen und folgte ihr. Rivka fragte sich, ob Jay komplett ehrlich gewesen war, doch sie drängte sie nicht und vermied es, sie zu berühren. Die Magistratin wusste, dass Jay bestürzt war, doch sie konnte nicht genau sagen, warum. Sie würde es schon noch früh genug erfahren.
* * *
K’Twillis schlenderte durch den Park und breitete die Arme aus, um so viel Sonne wie möglich einzufangen. Zwei Leibwächter liefen in der Nähe, die Hände auffallend um automatische Waffen geklammert. An einem Ort wie Capstan waren Waffen nur selten erlaubt. Wer sie bei sich trug, wurde weiträumig umgangen und genau das gefiel K’Twillis.
Er zog ein Kommunikationsgerät aus dem Laub, das seinen Körper umgab und hielt es an das, was als Mund durchging. »Haben wir schon die Genehmigungen?«, fragte er in der pfeifenden und raschelnden Sprache der Aborgianer. Das Gerät konvertierte es in den galaktischen Standard.
»Noch nicht. Die scheinen zu glauben, dass die Arbeiten bereits im Gange seien. Sie wollen das Gelände besichtigen, um die Grenzen zu verstehen.«
»Wir arbeiten jetzt seit zwei Wochen. Unter keinen Umständen dürfen sie die Baustelle besuchen. Zeigen Sie ihnen das Video.«
»Das habe ich und sie sind nicht überzeugt. Sie wollen es persönlich sehen«, sagte die Stimme am anderen Ende, die mit jedem Wort lauter wurde.
K’Twillis legte auf und rief einen neuen Kontakt an. »Er ist nicht mehr von Nutzen. Ersetzen Sie ihn durch jemanden, der tut, was ich verlange.«
»Wird heute noch erledigt«, antwortete die neue Stimme, woraufhin die Verbindung unterbrochen wurde.
»Was denkt ihr?«, fragte der Aborgianer in die Luft. »Schöne Tage sollten voller schöner Taten sein, an die man sich erinnern kann.«
Die Leibwächter blieben auf Distanz und hielten stumm Wache.
* * *
Die alte Frau an der Rezeption verschränkte die Arme und blickte finster auf die ungebührliche Gruppe, die in das Foyer des Spas stürmte. »Sie haben Hausverbot. Sie dürfen nicht wiederkommen«, erklärte die Frau und zeigte mit dem Finger auf Jay, als sie hinter Reds Masse hervorlugte.
»Was ist der Grund für das Hausverbot?«, verlangte Rivka zu wissen und trat näher heran. Die Frau blieb standhaft. Rivka lächelte freundlich und berührte die Frau am Arm. »Ich habe gefragt, warum sie Hausverbot hat.«
»Sie war eine schlechte Angestellte. Sie nimmt keine Reservierungen an!«
Rivka sah in den Gedankenfetzen Lücken im Terminkalender, wo es Massagetermine hätte geben können.
»Jay?« Sie warf der jungen Frau mit den dichten Locken einen kalten Blick zu.
»Sie schwankten bei ihren Terminen. Ich konnte sie nicht überzeugen, einen Platz zu reservieren.« Jay hob ihren Kopf und starrte die alte Frau an. »Sie hat die Preise erhöht und gibt mir nun die Schuld, dass die Leute denken, es sei zu teuer.«
Rivka rollte mit den Augen und bedauerte, dass sie sich selbst in die Sache hineingesteigert hatte. Die Schuldgefühle der alten Frau stiegen an die Oberfläche, bevor sie sich schnell wieder legten.
»Wir verschwinden«, beschloss Rivka und wirbelte mit einem Finger durch die Luft. Ankhs Augen waren unkonzentriert. Rivka fragte sich, was er vorhatte, doch sie wollte nicht fragen. Manche Dinge sollten besser im Verborgenen bleiben und man sollte nie etwas fragen, wenn man die wahrscheinliche Antwort nicht hören möchte.
»Sie verschwinden! Sie alle!«, wiederholte die alte Frau.
Rivka blieb stehen und schüttelte seufzend den Kopf. Sie drehte sich um, bis sie Nase an Nase mit der Frau stand. »Wenn Sie wollen, dass ich den Laden hier dichtmache, sagen Sie ruhig noch ein Wort.«
Die Besitzerin sah aus, als wollte sie etwas sagen, hielt dann jedoch inne, verschränkte erneut die Arme und starrte die Gruppe böse an. Rivka eilte davon, damit sie ihre Drohung nicht wahr machen musste.
»Jay«, sagte Rivka ruhig. »Würdest du bitte ein wenig näher kommen?«
Die junge Frau zögerte, bahnte sich jedoch ihren Weg an Rivkas Seite. »Wirst du mich bestrafen?«
»Nein. Ich denke, du quälst dich schon selbst genug, aber hör mir zu. Du darfst nie wieder dorthin gehen. Vielleicht bist du keine Verkäuferin, aber du kannst keine Plätze freihalten, nur damit du einen hohen Rabatt auf eine Massage bekommst. Das ist nicht cool.«
»Ich weiß, aber sie waren alle wütend über die neuen Preise und ich konnte den Terminplan nicht füllen. Ich kann mich nicht ewig entschuldigen. Ich habe die offenen Termine genommen, damit sie nicht zu viel Geld verlieren.«
»Ich verstehe«, sagte Rivka und blieb stehen, um die junge Frau zu umarmen. »Es sah aus, als würde es gut passen, aber so ist das nun mal nicht. Du hast einen Job bei mir, also lass uns dafür sorgen, dass du besser dafür geeignet bist. Ich möchte, dass du mit Lindy ins Fitnessstudio gehst. Red, Ankh und ich müssen noch ein paar Dinge erledigen, um uns auf unseren nächsten Fall vorzubereiten, also werden wir zum Schiff zurückkehren.«
»Ich habe keine Lust zu trainieren«, murmelte Jay.
»Das ist dein Job und du musst ihn machen. In unserem Beruf müssen wir auch dann Leistung bringen, wenn uns ein Pups quersitzt. Betrachte das als gute Übung. Wir treffen dich auf dem Schiff, wenn du mit dem Training fertig bist.«