Kapitel 3

T ohd Mackestray saß gemütlich in einem Vorzimmer des Gouverneurspalastes, dem schönsten Haus auf Amberstrom. Im Gridlow-Sternhaufen gelegen, hatten sich sechs bewohnbare Planeten zusammengeschlossen, um der Föderation beizutreten. Sie agierten mehr schlecht als recht unter einem Dach, was zu mehr Reisen führte, als Tohd vorgehabt hatte.

Er murrte. »Jedes Mal, wenn ich von einem Ort zum anderen reise, rennen die Einheimischen durch die Gegend und ich muss Zeit damit verschwenden, sie wieder unter Kontrolle zu bringen.« Er grinste bei dem Gedanken. »Was kann ich dagegen tun? Ich muss einen Agenten zurücklassen, aber ich vertraue niemandem genug, um ihn in meinem Namen handeln zu lassen.«

Er schritt in seinem gemieteten Büro herum, das von einer Scheinfirma finanziert wurde. Er hinterließ nie einen Fußabdruck – weder auf dem Fliesenboden noch in der Geschäftswelt. Wenn er mit seinen Gedanken allein war, führte er oft Selbstgespräche, da er überzeugt war, dass er sich selbst die besten Ratschläge gab. Er vertraute niemandem den Einblick in sein Geschäft an.

Das hatte er den Politikern deutlich gemacht. »Es ist nichts Persönliches. Rein geschäftlich.«

Für den Preis, den sie zahlten, wurden sie entweder von der Öffentlichkeit abgeschirmt oder ihre Kontrahenten wurden ihm ausgesetzt. Es war das Persönlichste, das es gab: der eigene Ruf. Doch letztlich ging es Mackestray darum, Geld zu verdienen. Wenn beide Seiten zu zahlen versuchten, würde der Höherbietende ungeschoren davonkommen.

Er saß an dem massiven Schreibtisch, der zum Büro gehörte. Niemand, der bei Verstand war, würde versuchen, so ein Ding zu bewegen. Er lehnte sich zurück und legte seine Füße auf den Schreibtisch, woraufhin der Stuhl unter seinem Gewicht ächzte. Blokite waren ziemlich kopflastig, entwickelt wie Moschusochsen, um Schläge auf Kopf und Schultern zu verkraften.

»Margarat, verbinde mich bitte mit dem Vorsitzenden.«

»Natürlich«, antwortete die KI über den Tischlautsprecher.

»Büro des Vorsitzenden Tip Nel«, antwortete eine junge Frauenstimme nach kurzer Wartezeit.

»Entschuldigen Sie. Das sollte die direkte Verbindung zum Vorsitzenden sein«, grummelte Tohd lautstark.

»Es gibt keine direkte Verbindung zum Vorsitzenden. Sämtliche Anrufe werden über dieses Büro weitergeleitet. Kann ich Ihnen helfen?«

»Ja. Verbinden Sie mich mit dem Vorsitzenden Nel.«

»Darf ich ihm sagen, wer anruft?«

»Mackestray«, sagte Tohd. Er benutzte seinen Namen, um allen, die ihn hörten, Angst einzujagen. Es gab Fußspuren, die er nicht hinterlassen wollte und es gab Wirbelstürme, die aus dem Nichts auftauchten, eine breite Schneise übers Land zogen und genauso schnell wieder verschwanden.

Eine schroffe Stimme antwortete: »Mister Mackestray. Der Vorsitzende würde sich gerne mit Ihnen treffen, um Ihnen persönlich für Ihre Unterstützung bei der letzten Wahl zu danken. Hätten Sie heute Zeit?«

Tohd ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. Als er sich genug entspannt hatte, griff er mit einem Finger zum Kommunikator und schaltete ihn aus. Seine KI hatte das Signal vom Planeten weggeleitet, damit es nicht zurückverfolgt werden konnte. Diese Anonymität würde er auch für seinen nächsten Schritt nutzen.

»Margarat. Bitte verbinde mich mit Fil Pol.«

»Natürlich«, antwortete die stets freundliche KI.

»Pol«, antwortete eine Frauenstimme.

»Sie wissen, dass Sie die Wahl gewonnen haben, richtig?«, begann Tohd.

»Wer ist da?«, fragte sie.

»Ich bin derjenige, der die Wahl zu Tip Nels Gunsten manipuliert hat. Schauen Sie auf Ihren Bildschirm. Hier ist ein Beispiel für die Beweise, die ich für sein Verbrechen habe. Was ist es Ihnen wert, dass die Wahl annulliert wird und Sie selbst eingesetzt werden, sobald die wahren Zahlen ans Licht kommen?«

Es gab langes Schweigen. Margarat warf die Politikerin auf den Bildschirm, deren Kamera ohne ihr Wissen angezapft wurde. Sie runzelte nachdenklich die Stirn, während ihr die unterschiedlichsten Gefühle durch den Kopf gingen.

»Ich denke, Sie sollten einfach reinen Tisch machen, zum Wohle des Volkes«, schlug sie schließlich vor.

»Immer, wenn ein Politiker den Mund aufmacht, kommt Mist dabei raus.« Tohd schnaubte hörbar. »Mein Preis ist eine halbe Million Credits. Er hat mir eine Million bezahlt, aber ich bin bereit, Ihnen einen niedrigeren Preis anzubieten, weil er unsere Abmachung nicht eingehalten hat.«

»Woher wissen Sie, dass ich nicht das Gleiche tun werde?« Ihr Kopf hing nach unten und sie sprach mit einem Zittern in der Stimme.

»Wenn Sie erst einmal mit mir im Bett liegen, gibt es kein Zurück mehr, da Sie sonst zerstört werden, so wie ich den Vorsitzenden Nel zerstören werde. Ich werde Ihnen helfen, das Amt zu bekommen. Das ist mein Geschäft. Wenn Sie eine ehrliche Politikerin bleiben wollen, dann ist das Ihre Sache. Mir ist das egal, auch wenn ich vielleicht sporadisch einen Gefallen einfordere. Eine halbe Million ist das Günstigste, wofür ich je für die Führung eines Planeten verkauft habe, also sind Sie mir noch etwas schuldig. Meinen Sie, Sie können sich besser um diese Leute kümmern als Nel?«

Sie nickte, doch Tohd wartete, bis sie sprach.

»Ich habe keine halbe Million«, gab sie zu.

»Die werden Sie haben, sobald Sie im Amt sind. Ich unterschreibe Verträge, die auf Versprechen basieren. Geben Sie mir Ihr Wort?«

Sie lehnte sich vor und ließ den Kopf hängen, bevor sie aufstand. Dann verschränkte sie ihre Finger hinter dem Rücken, während sie ihre Haltung korrigierte und so tat, als ob sie zu einer bewundernden Menge sprechen würde. »Ich bin die richtige Person für den Vorsitz von Regola Sieben. Dieser Planet braucht eine starke Führung, um dem Joch unserer Nachbarn zu entkommen und unabhängig zu werden. Ich habe einen Plan. Ja, wer auch immer Sie sind. Ich bin mit Ihren Bedingungen einverstanden. Wie sieht Ihr Zeitplan für die Umsetzung aus?«

»Mackestray ist der Name. Die Nachrichtensender werden innerhalb von Minuten überflutet. Die Kerndaten werden an jede Staatsanwaltschaft auf dem Planeten gehen. Die Daten und Anschuldigungen werden auch an die Rechtsprechungsorgane der Föderation geschickt, um sie zu überprüfen. Verlassen Sie sich darauf. Tip Nel wird morgen nicht mehr der Vorsitzende sein.«

»Mister Mackestray. Ich kann nicht sagen, dass es mir ein Vergnügen war oder dass ich gerne eine halbe Million Credits zahle, um eine Wahl zu bestätigen, die ich fair gewonnen habe.« Sie schüttelte den Kopf.

»In der Politik kommt es nicht darauf an, wer die meisten Stimmen bekommen hat. Es geht um die, die diese Stimmen zählen. Sie finden meine Zahlungsinformationen auf Ihrem Bildschirm. Notieren Sie sich alles, denn die Informationen werden verschwinden, sobald ich die Verbindung beende. Es wird keine digitale Aufzeichnung unseres Gesprächs geben oder dass ich überhaupt existiere. Bitte halten Sie sich an unsere Vereinbarung. Zwingen Sie mich nicht, Sie ebenfalls zu ruinieren.«

Sobald sie die Informationen vom Bildschirm notiert hatte, beendete er das Gespräch.

»Margarat, bitte führe das Programm Nukleare Tiefenbombe Tip Nel aus.«

»Ausgeführt«, bestätigte die KI.

Da hast du recht, dachte Tohd. Wie kannst du es wagen, mich zu verarschen? Ich habe deine Million und jetzt habe ich ein Beispiel dafür, was passiert, wenn du versuchst, dich gegen mich zu wenden. In einer Woche wirst du aus einer Mülltonne essen.

»Margarat, Zeit zu gehen. Ein Taxi soll mich draußen für die Fahrt zum Raumhafen abholen. Ich werde mich in den Orbit zurückziehen und von dort aus zusehen.« Tohd nahm ein Taschentuch aus seiner Tasche und wischte die Tischplatte ab. »Das löst immer noch nicht das Problem, wie ich eine effektive Präsenz aufrechterhalten kann, wenn ich nicht hier bin.« Auf dem Weg nach draußen wischte er die Türklinke ab. »Mir wird schon was einfallen.«

Er begann zu pfeifen, als er auf den Aufzug zuging, hielt dabei ein Taschentuch in der Hand, um alles andere auf dem Weg aus dem Gebäude abzuwischen.

* * *

»Erasmus, bitte zeig Chaz, wie man es macht«, forderte Ankh zur Ermunterung aller. Er brauchte nicht laut zu sprechen und tat es auch nur selten, wenn er versuchte, den weniger bedeutenden Wesen – also grundsätzlich allen – etwas klarzumachen.

Rivka rollte mit den Augen und zwang sich zu Geduld, um die Situation nicht in einen Streit ausarten zu lassen. Red rollte die Trainingsbank heran, sicherte sie am Boden und stellte die Magnetstange auf einen anspruchsvollen Widerstand ein, bevor er sich zurücklehnte und einen Satz trainierte.

»Ich bin auf der Brücke«, sagte die Magistratin über ihre Schulter und betonte damit das Offensichtliche, um Ankh einen kleinen Seitenhieb zu versetzen. Die Luke schloss sich hinter ihr. Beim Anblick des grauen Fellknäuels, das sich in der Mitte des Kapitänssessels zusammengerollt hatte, blieb sie stehen. »Hamlet, du brauchst ein eigenes Leben«, sagte sie zu dem Kater.

Sie hob ihn auf, was ihr einen Kratzer am Arm bescherte, bevor sie sich mit ihm auf dem Schoß in den Sessel setzte. Der Kater öffnete seine Augen nicht. Sie beobachtete, wie sich die Wunde an ihrem Arm schloss. Es faszinierte sie immer wieder, wie die Nanozyten auf ihre Verletzungen reagierten, während sie beiläufig das weiche Fell des Katers streichelte.

»Chaz, nimm es Erasmus oder Ankh nicht übel.« Sie war sich nicht sicher, wen sie mit ihren Worten besänftigen wollte.

»Tue ich nicht. Erasmus ist sehr viel schlauer als ich. Er hat bereits einen Verfolger-Wurm entwickelt, um die Elemente zu finden, die auf das Profil einer der von Vered genannten Parteien passen könnten. Ich habe daher große Hoffnung, dass wir bald unterwegs sein werden.«

»Ich mag deine positive Einstellung, Chaz. Während wir warten, verbinde mich bitte mit Grainger.«

Der Bildschirm verschob sich und Graingers Gesicht erschien. »Hey! Warum bist du auf meinem Tablet?«

»Ich rufe dich an.«

»Frechheit«, konterte er, bevor er den Kopf schüttelte und fortfuhr: »Das könnte das erste Mal sein, dass du mich tagsüber anrufst. Ich fühle mich geehrt, aber das ist trotzdem seltsam. Sollte ich mir Sorgen machen?«

»Wir sind hinter Reds ehemaligen Arbeitgebern her. Ich kann nicht zulassen, dass der Preis auf seinem Kopf erhalten bleibt. Nach dem, was wir auf Collums Tor durchgemacht haben, können wir nicht zulassen, dass irgendwelche Leute auf uns schießen. Davon haben wir meinetwegen schon genug.«

»Sag mir etwas, was ich nicht weiß.« Grainger lächelte und wackelte mit den Fingern auf dem Bildschirm. »Diese Typen sind Kriminelle, richtig?«

»Soweit ich weiß. Ich vertraue Red und er sagt, dass sie das Gesetz brechen, weil es zu ihrem Geschäftsmodell gehört.«

»Dann ist es eine Angelegenheit der Föderation. Vergiss nicht den Teil, in dem sie einen Killer auf ihn angesetzt haben. Das macht es zu unserer Angelegenheit, also ist es eine offizielle Untersuchung.«

»Ich muss also keinen Urlaub nehmen und bekomme mein normales Gehalt? Du bist der Beste, Liebowitz.«

»Liebchen. Es heißt Liebchen

»Ich wollte es nur von dir hören. Mein Tag ist jetzt gerettet.« Rivka zog einen Finger über ihre Kehle und Chaz unterbrach das Signal. »Entweder wird Grainger langsamer oder mein Spiel hat sich dramatisch verbessert. Was denkst du, Chaz?«

»Ich glaube, du hast Talent.«

»Ich hab’s einfach drauf!«, verkündete Rivka stolz grinsend. Der Kater streckte sich und entblößte seine nadelartigen Krallen. Sie verharrte und er entspannte sich in ihrem Schoß.

Erasmus sprach durch die Lautsprecher auf der Brücke: »Ich glaube, wir sollten auf Remus Sechs beginnen und von dort aus K’Twillis’ Weg folgen.«

»Das habe ich schon vor zwei Tagen gesagt.« Rivka starrte auf den Bildschirm, als eine Sternenkarte langsam Gestalt annahm. Unten links war Remus Sechs zu sehen. Eine Unzahl von Systemen füllte den Rest des Bildschirms aus. Einige von ihnen begannen zu blinken.

»Was du da siehst, sind die möglichen Orte, die K’Twillis nach seiner Operation auf Remus aufgesucht hat. Er könnte sie alle aufgesucht haben, aber es gibt einige zeitliche Überschneidungen. Wenn es nur einen von ihm gibt, ist eine davon eine falsche Spur. Die andere nicht und dort werden wir die Spur aufnehmen. Ich schlage vor, dass wir jeden Planeten besuchen, um ein vollständigeres Profil zu erstellen. Mit deinem Talent werden wir in der Lage sein, mehr Informationen von den Beamten zu bekommen, die er ›beeinflusst‹ hat.«

»Beeinflusst. Genötigt. Mit Gewalt bedroht. Erpresst. Getötet. Ich denke, eine ganze Reihe von Begriffen könnte zutreffen. K’Twillis ist ein watschelnder Aborgianer. Er würde überall auffallen, nur nicht auf einem Dschungelplaneten mit empfindungsfähiger Flora«, kommentierte Rivka. »Und was ist mit Tohd Mackestray?«

»Das Profil von Herrn Mackestray ist viel schwieriger zu erstellen. Von neunhundertsiebenundvierzig Wahlen in den letzten Jahren wurde bei fast neunhundert Korruption oder illegale Einflussnahme in den Raum geworfen.«

»Kein Politiker, egal welcher Rasse, glaubt, dass er eine faire Wahl verlieren kann. Das ist die Natur des Geschäfts. Ich will ihn einfach nur finden. Die Einflussnahme von Politikern ist mir egal. Fängt einer von ihnen Kriege an?«

»Nicht mehr als gewöhnlich.«

»Definiere ›gewöhnlich‹, Erasmus.«

»Ein Prozent. Wir haben neun Planeten auf der Liste, die sozusagen die Kriegstrommeln schlagen.«

»Wir werden diese neun Gebiete meiden. Warte, pack sie auf den Bildschirm.«

Lichter begannen zu blinken und bildeten einen Pfeil, der auf Remus Sechs zeigte.

»Ich bin mir nicht sicher, ob das unter unsere Definition des Wortes ›gewöhnlich‹ fällt.«

»Ich schätze deine menschliche Einsicht. Die geografische Ansicht legt nahe, dass sie nicht zufällig sind. Wenn ich sie jedoch innerhalb der dritten Dimension drehe, wird die scheinbare Linie eher zufällig.«

»Zeige die Tore zwischen diesen Systemen an.«

»Von einem dieser Systeme zu einem der anderen braucht man mindestens zwei Tor-Transits. In den meisten Fällen sind es drei und für die beiden am weitesten entfernten Systeme sind es vier.«

»Also zurück zum Zufall. Schließe nicht aus, dass unser Junge nicht derjenige ist, der diese Kriege anzettelt. Wie sollte er davon profitieren, dass ein Planet in den Krieg zieht, wenn er lediglich Einfluss verkauft?«

Die Luke glitt auf und Red trat herein. »Er verlangt Geld dafür, den Krieg zu beenden.«

»Nach dem, was du über ihn wusstest, war er der Typ, der gerne Kriege anzettelt?«

»Er schien zu wollen, dass die Leute, die er an die Macht brachte, an der Macht bleiben . Er sah das als Verdoppelung seines Einflusses an, weil er fortan Gefallen einfordern konnte. Weißt du, Erpresser hören nie auf, Geld zu verlangen, selbst wenn es nicht in Form von Credits ist. Die Quelle versiegt nie. Die Mackestrays des Universums saugen jedes bisschen Leben aus ihren Opfern und verlangen dann immer wieder einen weiteren Tropfen Blut.«

»Ich dachte, diese Leute wären seine Klienten?« Rivka rieb sich in Gedanken das Kinn.

»Sie sind alle Opfer, auch wenn einige mehr für das Vergnügen bezahlen. Das Beste, was du tun kannst, wenn du am falschen Ende von Tohd Mackestray bist, ist, zu verschwinden.«

»Diese Leute wollen unbedingt öffentliche Positionen innehaben und zahlen ein Vermögen, um durch Betrug daran zu kommen. Dann sind ihre Rollen so schwach, dass sie bereit sind, alles zu zahlen, um sie zu behalten. Ich kann diese Logik nicht begreifen, weil sie für mich keinen Sinn ergibt.«

»Deshalb existiert Tohd Mackestray. Für ihn ergibt das absolut Sinn. Er weiß, wer seine potenziellen Klienten sind und wo ihre Schwachstellen liegen. Er steckt eine Brechstange hinein und fängt an, sich darauf zu stützen. Am Ende knicken sie alle ein.«

»Habt ihr das verstanden, Erasmus und Chaz? Könnt ihr euch einen Reim auf diese Informationen machen, um eure Suche zu verfeinern?«, fragte Rivka.

»Ja. Das war sehr informativ. Mit den neuesten Informationen bin ich mir sicher, dass wir so schnell wie möglich zu Remus Sechs aufbrechen müssen. Chaz wird die Vorbereitungen zur Abreise treffen.«

»Vergiss es«, meinte Rivka bremsend. »Lindy und Jay sind noch nicht an Bord. Wir fliegen los, sobald sie zurück sind.«

»Ruf sie sofort zurück!«, forderte Erasmus.

Rivka legte ihren Kopf schief und schaute auf den Bildschirm. »Bist du das, Ankh? Es hört sich ganz nach dir an. Nein. Sie werden ihr Training beenden.« Rivka schaute über ihre Schulter. »Wie lange ist es her, dass du auf Remus Sechs warst, acht Monate?«

»Ungefähr«, bestätigte Red.

Lindy und Jay, bitte kehrt so schnell wie möglich zur Peacekeeper zurück. Wir müssen bald los. Erasmus glaubt, er hat eine Spur.

* * *

Lindy lag flach auf dem Rücken. Nanozyten strömten zu ihrem gebrochenen Kiefer und den aufgesprungenen Lippen. Blut floss aus beiden Nasenlöchern und seitlich am Gesicht herunter und ihre Augen wurden vor Schreck glasig.

»Es tut mir so leid!«, kreischte Jay verzweifelt und kniete sich neben ihre Freundin, um ihr beim Aufsetzen zu helfen.

Lindy blinzelte, während ihr Kopf hin und her wippte und stöhnte voller Schmerzen in ihrem kaputten Gesicht, dann hustete sie und drehte sich um, spuckte Blut. Als ihr Nasenbluten aufhörte, wandte sie sich an Jay. »Habe ich dir mit meinem Gesicht wenigstens die Hand verletzt?« Sie kicherte und berührte mit einem Finger zaghaft ihre Lippen. »Ich muss ein richtig toller Anblick sein.«

»Ich glaube nicht, dass es für irgendjemanden sicher ist, in meiner Nähe zu sein!« Jay stand auf, stampfte auf der Matte herum und weinte vor Kummer.

»Heul leiser!«, rief Lindy. Jay verharrte und sah die Frau am Boden an.

»Hilf mir auf.« Sie hielt ihre Hand hoch, woraufhin Jay sie annahm. Als sie auf die Füße kam, stolperte sie vorwärts, erwischte Jay unerwartet und warf das Mädchen auf den Rücken. Als sie landete, entwich die Luft aus Jays Lungen und sie stöhnte auf.

»Wenn du zuschlägst, bist du schneller als gedacht, aber du musst dich trotzdem verteidigen können.«

… bitte kehrt so schnell wie möglich zur Peacekeeper zurück …

»Wir machen uns besser frisch. Das Training ist für heute beendet. Das hast du gut gemacht, Jay. Du baust Kraft auf, auch wenn du laut Ankh nie so ekelhaft massig sein wirst wie Rivka oder ich.«

»Das hat er nicht so gemeint! Ich finde, ihr seid beide wunderschön.« Jay lächelte, während sie versuchte, das Blut auf Lindys Gesicht wegzuwischen.

»Ich werde es abwaschen. Du bist ja nicht mal ins Schwitzen gekommen.« Lindy duschte schnell, danach Jay, die einen Monolog darüber hielt, wie sehr sie ihre lockigen Haare nicht mochte.

»Warum sind sie so geworden?«, fragte Lindy.

»Keiner scheint es zu wissen.«

»Vielleicht ist es eine Geheimwaffe?«

Jay verharrte mit ihrem Handtuch, dachte über die Worte nach, schüttelte ungläubig und vehement den Kopf und begann dann wieder den aussichtslosen Kampf mit ihren Haaren.

Als sie aus der Trainingshalle eilten, waren Lindys Lippen fast wieder normal, doch sie stupste sich immer wieder zaghaft ins Gesicht und sagte: »Aua.«

Jay versuchte sich zu entschuldigen, doch Lindy wiegelte das ab.

»Hör zu, wir sind alle verbessert, aber ich sollte schon geheilt sein. Wir sind größere und bessere Versionen unseres Selbst, aber wir haben immer noch Grenzen. Du hast eine echte Superkraft. Du kannst dich so schnell bewegen, dass du kaum wahrgenommen werden kannst. Die Magistratin? Sie hat auch eine Gabe. Ankh ist ein Genie. Red und ich? Wir sind normale Menschen und freuen uns über die Gesellschaft von Leuten, die etwas Besonderes sind, so wie ihr drei.«

Lindy beobachtete die jüngere Frau sorgfältig auf Anzeichen einer Depression. Sie benötigten niemanden mit übermenschlicher Geschwindigkeit, der labil war.

Jay nickte. Sie fühlte sich nicht besonders. Sie konnte ihre Verbesserung überhaupt nicht spüren . Ihr Geist wollte, dass etwas passierte und das tat es auch.

Jay wies Lindys Worte mit einem Schulterzucken zurück. »Du und Red seid das Power-Paar des Teams. Wir alle wünschten, wir hätten, was ihr beide habt.«

Lindy lächelte. »Was glaubst du, was wir haben?«

»Einen Partner, mit dem du dein Leben teilen kannst.«

»Was ist mit der Frau auf Zaxxon Major?«

Jay errötete, als sie wegschaute.

»Na, komm. Du hast dich doch gemeldet, oder? Vielleicht rufst du sie an, wenn wir wieder auf dem Schiff sind. Halte den Funken am Leben.«

»Sie hat viel zu tun! Lauton hat jetzt das Sagen auf dem ganzen Planeten. Man nennt sie ›Premierminister‹.«

»Dann braucht sie jemanden, mit dem sie reden kann, der nicht für sie arbeitet. Ich wette, sie will genauso gerne von dir hören, wie du von ihr. Das willst du doch, oder?« Jay nickte. »Und du nennst uns das Power-Paar. Wir regieren keinen Planeten. Läuft bei dir, Jayita!«

Lindy klopfte ihr auf den Rücken und die jüngere Frau stolperte.

»Wir sollten uns beeilen«, meinte Jay und begann zu rennen. Lindy machte noch einen Schritt und Jay war weg.

»Das ist doch verrückt«, murmelte Lindy, als sie den Korridor zum Hangar hinunter joggte.