T ohd Mackestray saß auf der Bank in einem Raum, der als Ess- und Wohnzimmer diente. Die Raumjacht des Blokiten war auf Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit ausgelegt und bot genug Komfort für maximal zwei Personen. Am besten war es, wenn die beiden liiert waren, da es nur ein Bett gab.
Er hatte keinen Partner oder Partnerin. Das missfiel ihm, jedoch nicht genug, um etwas dagegen zu tun. Er vertraute niemandem genug, um ihn oder sie an seinem Leben teilhaben zu lassen. Er hegte stets den Verdacht, dass alle hinter seinem Geld her waren.
»Margarat, wann erreichen wir ungefähr unser nächstes Ziel? Ich meine Planeten? Die Eroberung?« Der Blokit lachte über seinen eigenen Scherz.
»Wir sind Nummer fünfzehn in der Warteschlange an diesem Tor. Am zweiten Tor gibt es nur eine kurze Wartezeit, sodass wir voraussichtlich in neun Stunden ankommen werden.«
»Was braucht es, um einen Torantrieb und eine der neuen Energiequellen der Föderation zu bekommen?«
»Das ist eine eingeschränkte Technologie, die nur auf offiziellen Schiffen der Föderation installiert ist. Sollte ein solches Schiff gekapert werden, wird die KI Selbstmord begehen und die Technologie mitnehmen. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich keine Möglichkeit der Anschaffung eines solchen Antriebs oder Energiequelle.«
»Halt die Ohren offen. Irgendwann werden sie verfügbar sein und wenn das der Fall ist, will ich der Erste sein, der einen bekommt. Die Kosten sind mir egal.«
»Dein Wunsch ist mir Befehl«, antwortete Margarat.
»Genau wie ich es mag.«
Tohd Mackestray zog sich aufs Bett zurück.
»Sag Bescheid, wenn wir ankommen, Margarat. Ich bin mir sicher, dass ich viel zu tun haben werde, jetzt so kurz vor den Wahlen.«
* * *
Das Wirken des Torantriebs war beinahe lautlos, doch die Verschiebung durch die aetherische Dimension kündigte ihre Ankunft am Rande des Sternensystems von Leeds Planet an – ein einzelner bewohnbarer Planet in einem Drei-Planeten-System, das einen großen Stern der K-Klasse umkreiste.
»Keine ungewöhnlichen Gespräche. Überhaupt kein Lärm auf den Funkfrequenzen«, berichtete Chaz. »Keine offensichtlichen Bedrohungen.«
»Bring uns so schnell wie möglich rein.«
»Ich starte einen zehnminütigen Countdown, bis die Sprungtriebwerke wieder aufgeladen sind.«
»Danke, Chaz.«
Rivka verließ die Brücke und ging zu den anderen in den Aufenthaltsraum. »Wir werden dich umbringen, wenn wir landen, Red«, sagte Rivka sachlich. »Die Wahlen hier scheinen nicht gut gelaufen zu sein. Es gab übermäßig viele Schlammschlachten, was darauf hindeuten kann, dass Mackestray seine Finger im Spiel hatte oder auch nicht. Oder war es normales Geschäft? Bei Politikern kann man das nie genau sagen.«
Jay schüttelte den Kopf. »Es ist zu einfach, die schlimmsten Dinge anzunehmen.«
»Wir werden sehen, wer das Sagen hat und uns von dort aus nach hinten durcharbeiten. Ankh?«
Der Crenellianer sah die Magistratin aus blutunterlaufenen Augen an.
»Wann hast du das letzte Mal geschlafen?«
»Ich brauche keinen Schlaf wie Menschen. Ihr Menschen umarmt eure Zeitfetzen des Quasitodes, als ob sie magisch wären. Ich werde das nie verstehen.«
»Du siehst verdammt müde aus. Du solltest dich etwas ausruhen. Wir sind bald da.«
»Ist es das, was du wolltest?«, fragte Ankh.
»Nein, sorry. Sobald wir gelandet sind, musst du herausfinden, was mit der Pandora’s Pleasure passiert ist.«
»Erasmus ist schon dabei. Er wird auf die entsprechenden Datenbanken zugreifen, sobald wir angekommen sind.«
»Zugriff auf entsprechende Datenbanken«, sagte Rivka langsam. »In meinen Berichten bezeichne ich deine Cyberspionage als die Dinge, die du durch einen digitalen Fußabdruck entdeckt hast. Möchte ich wissen, wie du die Informationen findest?«
Ankh hielt ihrem Blick stand, als er antwortete: »Nein.«
»Eines Tages werden wir vielleicht unsere Methoden erklären müssen. Rechtfertigen, dass wir einen hinreichenden Grund für die Durchsuchung hatten.«
»Das klingt nach Zeitverschwendung. Ich hasse Zeitverschwendung. Wir werden nicht dazu aussagen.«
»Das musst du vielleicht.«
»Nein, müssen wir nicht.«
»Aber vielleicht musst du das«, wiederholte Rivka.
»Nein, müssen wir nicht. Wie lange wollen wir das noch machen, Magistratin? Ich habe Programme, an denen ich arbeiten muss.«
»Ich schätze, wir sind fertig, zumindest für den Moment. Nur für den Fall, dass du …« Rivka verstummte.
»Willst du nun die Informationen haben oder nicht? Unsere Methoden beruhen auf einer ursprünglichen Programmierung, die die meisten Leute nicht verstehen würden. Ted versteht es und Platon natürlich auch, aber nicht der Durchschnittsmensch.«
»Es ist schwer, das nicht persönlich zu nehmen, Ankh.« Rivka lachte und lächelte. »Aber es ist genau das, was du meinst, denn es ist wahr, auch wenn ich glaube, dass wir sehr unterschiedliche Definitionen vom Durchschnitt haben.«
Ankh blieb stumm.
»Wenn wir am Boden sind, gehen Lindy, Jay und ich in die Stadt. Red, auch wenn du tot bist, schlaf nicht ein. Wir brauchen dich vielleicht, aber deine erste Aufgabe ist es, Ankh zu beschützen.«
Red nickte und streckte seine Hand aus. Rivka nahm, was er ihr anbot – die münzgroßen Geräte, die Ankh gebaut hatte, um auf fremde Computersysteme zugreifen zu können.
Sie verstaute sie sofort in ihrer Jackentasche.
»Vielleicht hätte ich sie vergessen, aber ich bezweifle es«, murmelte Rivka.
»Ich habe meine!« Jay hielt ihre hoch. Lindy kramte in einer Tasche und zog ebenfalls zwei heraus.
»Ist das eine Verschwörung?« Rivka hob bei ihrer Frage eine Augenbraue.
»Du bist deinem Team wichtig«, meinte Red mit ernstem Ausdruck. »Wir haben alles zu verlieren, wenn du versagst.«
Rivkas Augen glitzerten einen Moment lang, bevor sie blinzelte. »Danke. Nicht zuletzt, weil du getötet wirst.«
»Ich nehme einen fürs Team, aber warum ausgerechnet Weltraumherpes?«, fragte Red und kassierte dafür einen Schlag auf den Arm.
»Vielleicht werde ich dich wirklich töten und die Belohnung kassieren. Weltraumherpes? Das bedeutet, dass nur ich ihn dir gegeben haben kann. Ich lasse meine Tugend nicht in den Dreck ziehen. Wo ist meine Railgun?«
Red und Lindy rangen kurz miteinander, bis ihre Lippen zueinanderfanden. Jay und Rivka wandten sich ab. Ankh sah aus, als schliefe er.
»Torantrieb aktiv. Tor gebildet. Gravitationsschilde gering. Wir beschleunigen über den Ereignishorizont.«
Einen Augenblick später materialisierte sich die Peacekeeper über Leeds Planet. Chaz bat um Anweisungen für den Landeanflug und erhielt sofort die Genehmigung für eine direkte Flugroute zum Raumhafen der Hauptstadt.
»Oh, mal keine Wartezeit. Vielleicht haben sie uns erwartet.« Rivka kehrte ins Cockpit zurück. Selbst wenn sie erwartet worden waren, lief es nie so glatt. Red und Lindy folgten ihr. »Zeig uns den taktischen Bildschirm, Chaz.«
»Es gibt einen deutlichen Mangel an Schiffen im Orbit. Die Kommunikation auf dem Planeten ist minimal. Es gibt keine öffentlichen Video- oder Audioübertragungen.«
»Wie fortschrittlich ist dieser Planet? Sollte es da nicht etwas geben?«
»Wir werden von einem automatischen System gelenkt. Der Landeplatz ist frei. Soll ich trotzdem landen?«
»Sicher. Irgendetwas stimmt nicht, aber wir werden es nicht vom Schiff aus herausfinden.«
»Ich lande jetzt. Es ist mir bisher nicht gelungen, ein Fahrzeug zu sichern, aber ich werde es weiter versuchen.«
Rivka fand Lindy in voller Montur vor. Jay sah aus, als wäre sie für einen Shoppingtag gekleidet. »Du musst deine Weste anziehen«, sagte Rivka zu ihr, während sie nach ihrer eigenen griff, um sie unter ihrer Jacke zu tragen.
»Glaubst du, dass es so gefährlich wird?«, fragte Jay.
»Ich denke das nie, aber Red hat mich gelehrt, ein gewisses Maß an Paranoia anzunehmen. Unsere Fälle haben diese Sichtweise noch verstärkt. Also ja, leg deine Ausrüstung an und dann ab in die Stadt. Ankh? Ich denke, es ist an der Zeit, Erasmus unseren geschätzten Kollegen töten zu lassen. Es war ein toller Lauf, Red. Schade, dass du gestorben bist.«
Ein Knall erschütterte das Schiff. »Chaz?«, rief Rivka und eilte zurück auf die Brücke. »Taktische Ansicht!«
»Es scheint, dass wir angegriffen werden. Ein Mörsergeschoss ist in der Nähe eingeschlagen. Weitere sind im Anflug.«
»Hol uns hier raus«, befahl Rivka.
»Einige Ledonier haben sich Unterschlupf unter dem Schiff gesucht. Wenn wir abfliegen, sind sie ungeschützt.«
»Bleib bereit.« Rivka fand Red hinter sich. »Red nicht töten! Wir haben erst noch was zu erledigen. Zieh dich an und sag Lindy, sie soll sich bereit machen, den Mech-Anzug anzulegen.«
»Yeeha!«, brüllte Red. Seine Ausrüstung war nie weit weg und in weniger als einer Minute war er bewaffnet und einsatzbereit. »Setz den Helm auf«, sagte er zu Jay.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich da überhaupt rauswill.« Jay zog sich an die Wand zurück und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen.
»Erasmus, kannst du mir sagen, was zum Teufel da draußen los ist?«
»Ich habe die Informationen analysiert, seit wir die Umlaufbahn erreicht haben und bin zu einem verblüffenden Ergebnis gekommen.«
Rivka wartete darauf, dass Erasmus fortfuhr, was er nach einer angemessenen dramatischen Pause auch tat. »Wir sind mitten in einem Bürgerkrieg gelandet.«
Rivka runzelte die Stirn und begann sich die Schläfen zu reiben. »Ich glaube nicht, dass sie nur aus Jux auf uns schießen, obwohl das nicht allzu weit hergeholt ist. Wir brauchen immer noch die Informationen, die sie irgendwo auf diesem verdammten Planeten haben und das heißt, dass wir da rausmüssen. Lindy, ab in den Mech. Red, ich und ja, auch du, Jay, machen uns auf den Weg in die Stadt. Wir werden uns auf Jays neu gewonnene Geschwindigkeit verlassen, um an unser Ziel zu kommen. Wir werden uns auf die Feuerkraft des Mechs verlassen, falls die Einheimischen uns nicht durchlassen wollen. Und Erasmus, melde deine Ergebnisse der Föderation. Ich denke, sie werden es erfahren wollen.«
Lindy legte ihre Waffen widerwillig auf den Tisch und schnallte sich einen Handblaster an den Gürtel, um ihn verdeckt durch den Anzug zu tragen.
»Sobald Lindy den Mech hochgefahren und abgekoppelt hat, hole ich euch ab«, erklärte Red das weitere Vorgehen. Er überprüfte ein letztes Mal seinen Helm, bevor er seinen Blick über Lindy schweifen ließ. Sie trug ihre Schutzkleidung, um den Mech abzukoppeln, doch sie musste sie ablegen, bevor sie in den Anzug steigen konnte. Sie würde mehr exponiert sein, als allen lieb war.
Doch es musste getan werden, da die Kriminellen ein Kopfgeld auf Vered ausgesetzt hatten und damit war niemand einverstanden.
Reds Hand schwebte über dem Knopf zum Öffnen der Luke. Er nickte der Magistratin zu, die ihre Neutronenpulswaffe mit dem Spitznamen Schnitter hervorholte und sich bereit machte, das Schiff zu sichern, nachdem die beiden ausgestiegen waren.
Explosionen schlugen weiter auf das Schiff ein. Die Gravitationsschilde funktionierten zwar, doch am Boden boten sie keinen optimalen Schutz.
»Das hört sich da draußen ganz schön übel an«, sagte Rivka unnötigerweise.
»Sobald Lindy im Anzug ist, beenden wir diesen Scheiß.«
Red drückte auf den Knopf, woraufhin sich die Luke öffnete und die Rampe ausbreitete. Er stieg als Erster aus und schrie sofort: »Zurück, verdammt!« Er feuerte seine Railgun in die Luft. »Zurück!« Noch ein paar Schüsse und er war auf dem Weg zum Boden, dicht gefolgt von Lindy.
Rivka schloss die Luke und lief zur Brücke, wo Chaz die Situation außerhalb des Schiffes überwachte. Red hielt diejenigen zurück, die unter dem Schiff in Deckung gegangen waren, während Lindy begann, aufs Dach zu klettern, wo der Mech gesichert war. Nach einem Knurren und einer Finte sprang er zu den Haltegriffen und zog sich hoch.
Lindy löste die Hauptklammern, wodurch der hintere Zugang freigelegt wurde. Er war wie der Reißverschluss an einem Ganzkörperanzug. Es war nicht viel Platz darin, also musste sie sich durch die Öffnung schlängeln und atmete erleichtert auf, als sie den Mech-Anzug einschalten und um sich herum schließen konnte. Red kniete in der Nähe und feuerte auf zufällige Ziele, um Lindy die Zeit zu geben, die sie benötigte, um die Startsequenz zu durchlaufen. »Eine Frage der Ordnung«, sagte sie zum Anzug. »Wir brauchen eine Möglichkeit, den Anzug aus der Ferne einzuschalten.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann, um das zu ermöglichen«, antwortete Erasmus über ihre internen Lautsprecher.
»Du kannst mich hören?«
»Ich glaube, du kennst die Antwort schon.«
»Bin ich mit jemand anderem verbunden?«
»Nein. Ich habe mich eingespeist, sobald du das System hochgefahren hast. Benutze deinen internen Kommunikationschip für die anderen. Du wirst das Schlachtfeld dominieren, da die kämpfenden Gruppen nicht genügend fortschrittliche Waffen haben, um dem Anzug viel Schaden zuzufügen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das gut ist oder nicht. ›Viel Schaden‹ klingt relativ. Andererseits besteht vielleicht die Hoffnung, dass diese Fraktionen keinen Krieg führen, der ihren Planeten zerstören kann.«
Sie fuhr mit der Startsequenz fort. Als alle Lichter grün aufleuchteten, löste sie die letzten Fesseln und stand auf.
Was hältst du davon, wenn wir aufhören, Zielscheiben zu spielen?, fragte Lindy.
Vielleicht kannst du eine Rakete schicken, um dem Mörser ›Hallo‹ zu sagen. Er macht mich wütend , antwortete Red.
Lindy rief das digitale Blickfeld auf und wählte eine der vier Raketen aus, die über ihrer Schulter montiert waren. Sie wählte die Position des Mörsers aus, die der Anzug anhand der Flugbahn des eintreffenden Feuers automatisch berechnet hatte. Mit einem Zischen war die Rakete weg.
Augenblicke später signalisierte eine gewaltige Explosion das Ende des Angriffs auf das Schiff der Magistratin.
Lindy hob Red hoch, tat zwei Schritte und sprang. Sie lachte im freien Fall und aktivierte die Mikro-Düsen an der Unterseite ihrer Stiefel, um ihren Abstieg zu verlangsamen, kurz, bevor sie am Boden landeten. Diejenigen, die sich unter dem Schiff versteckten, sprangen zurück, um nicht zerquetscht zu werden.
Öffnet die Luke. Die Luft ist rein.
Erasmus lud eine Karte auf Lindys digitales Blickfeld hoch.
Red stampfte mit dem Fuß auf und schrie: »Verschwindet von hier!« Die Ledonier, eine humanoide Spezies mit kurzem, braunem Fell, fuchtelten mit ihren Waffen herum und plapperten etwas, das sein Chip nicht übersetzen konnte. »Zwingt mich nicht, euch zu töten.«
Er feuerte ein einzelnes Projektil aus seiner Railgun ab und der Hochgeschwindigkeitsknall, der zwischen ihnen hindurchging, ließ sie aufschreien und sich vor Schmerz die Köpfe halten. Er schrie sie an und drohte ihnen, bis sie wegliefen.
Rivka und Jay gesellten sich zu Red und Lindy und machten eine Bestandsaufnahme der Gegend rund ums Schiff. Es war ruhig geworden.
»Unheimlich«, kommentierte Jay. »Großstädte sollten laut sein.«
Rivka griff auf ihr Tablet zu.
Red war sofort eingeschnappt. »Hättest du das nicht im Schiff machen können?«
Sie ignorierte ihn, da sie wusste, dass er recht hatte. »Ankh«, begann sie, »das ändert die Dynamik. Ich gehe davon aus, dass das Hauptgebäude der Regierung auf die eine oder andere Weise ein Ground Zero des Bürgerkriegs ist, also da wird der Bär steppen. Wo werden wir die Informationen finden?«
Ich schlage vor, ihr geht zum nationalen Datenzentrum, das vier Kilometer in nordnordöstlicher Richtung liegt. Ich habe die Wegbeschreibung auch an Lindy geschickt.
Übernehme die Führung und gehe los, meinte Lindy. Bleibt hinter mir.
Was genau das war, was Red normalerweise sagte, doch er machte sich keine Illusionen über seine eigene Überlebensfähigkeit im Vergleich zum Mech. Das rhythmische Klopfen des Mech-Anzugs beim Laufen beruhigte ihn. Die Erschütterungen jeden Schrittes standen für seine Kraft.
Rivka streckte ihre Hand aus und schnippte mit den Fingern, doch niemand reagierte. »Gib mir die andere Railgun!«
Red zuckte mit den Schultern. »Die hab’ ich nicht.«
»Sag mir nicht …« Rivka schaute zur Peacekeeper .
»Wir haben sie drinnen gelassen.«
»Uff. Stimmt ja. Lindy hat sich ihrer Ausrüstung entledigt, bevor du rausgegangen bist.«
»Alles okay, Magistratin?«, erkundigte sich Red, ohne sie anzuschauen. Er untersuchte beide Seiten ihres Weges und stellte fest, dass er joggen musste, um Schritt zu halten. Jay lief hinter dem Mech her, während Red und Rivka ihr nebeneinander folgten.
»Ich bin einfach nur genervt. Wie konnte die Föderation nicht wissen, dass der Planet in einem Bürgerkrieg verwickelt ist?«
»Keine Ahnung. Aber ich wette, Tohd Mackestray hatte was damit zu tun.«
»Du hasst diesen Kerl. Ich weiß nicht, ob ich ihm so viel anrechnen würde. Damit man so etwas tun kann, muss der Treibstoff bereits vorhanden sein. Er mag den Funken geliefert haben, aber die Bevölkerung war schon am Glühen.«
»Wer ist dafür verantwortlich?«, wunderte sich Red, »der Brennstoff oder derjenige, der das Feuer entfacht?«
»Ich hoffe, wir werden schlauer, sonst laufen wir völlig umsonst acht Kilometer.«
»Laufen. Verdammt! Ankh gewinnt den Topf.«
Da vorn ist eine Barrikade, berichtete Lindy. Sie ist bemannt und sie haben Gewehre.
Ihre Worte kamen eine Millisekunde, bevor die ersten Schüsse auf der leeren Fahrbahn widerhallten. Kugeln pfiffen vorbei und eine streifte den Panzeranzug. Lindy hob ihre übergroße Railgun an. Soll ich sie in die Luft jagen?, fragte sie.
Erschreck sie nur, befahl Rivka.
Lindy feuerte auf die Seiten der Barrikade, zerfetzte sie und ließ Schrapnelle fliegen. Die Schreie der Verletzten erfüllten die Stille, als ihr Feuer abebbte.
Tschuldigung.
»Ich wette, die haben hinreichend Angst«, kommentierte Red.
Sie bewiesen ihm das Gegenteil, indem sie alles abfeuerten, was sie hatten. Red packte die Magistratin, zog sie zu Boden und bedeckte ihren Körper mit seinem.
Jag sie in die Luft, sagte Rivka über ihren internen Kommunikationschip. Jay kroch zu ihnen und arbeitete sich neben Rivka vor. Red lag über beiden.
Lindy holte tief Luft und ließ das Railgun-Feuer von einer Seite der Barrikade zur anderen schweifen. Dann tat sie es noch einmal, beim zweiten Mal schneller. Sie rannte los, nahm schnell an Geschwindigkeit zu und sprintete durch die Trümmerteile, bis sie auf der anderen Seite zum Stehen kam. Ihre Optik und Sensoren entdeckten unter den fünfundzwanzig Ledoniern zwei verletzte Überlebende. Sie fand sie aneinander gekauert, stöhnend und kaum bei Bewusstsein.
Die Luft ist rein, meldete sie. Lindy fragte sich, ob sie herzlos geworden war. Das Argument ›sie haben zuerst geschossen‹ war in gewisser Weise sinnlos, da sie ihr mit ihren primitiven Waffen nichts anhaben konnten.
Die anderen drei schlossen sich ihr an, doch sie zögerte.
»Scheiße«, sagte Rivka leise. »Wir haben nicht angefangen, aber wenn wir es beenden können , werden wir es tun. Ich weiß, das ist nicht gerade die Aufgabe der Magistratin, aber wir tun es für die gesamte Menschheit. Wir werden Tod und Zerstörung bringen, wie sie es sich nie vorstellen konnten oder sie können aufhören zu kämpfen und anfangen zu reden.«
Das Donnern einer schweren Waffe ertönte eine Millisekunde, nachdem die Granate Lindy in ihrer mechanisierten Brust getroffen und sie über Reds Kopf katapultiert hatte. Sie blieb als regloser Haufen liegen. Er rief seinen Kriegsschrei und feuerte einen stetigen Strom aus seiner Railgun auf einen Panzer ab, der an der nächsten Ecke auftauchte. Rivka rammte ihn mit einem Schulterblock, als der zweite Schuss vorbeischoss.
Sie stellte Schnitter auf elf und aktivierte ihn, während sie auf den Panzer zielte. Der Lauf des Panzers passte sein Ziel an, woraufhin Rivka und Red aus dem Weg sprangen, bevor das Hochgeschwindigkeitsgeschoss an der Stelle einschlug, wo sie gerade noch gestanden hatten.
»Lauft!«, schrie Rivka, ohne sich nach dem Mech umzusehen.
Lindy?, fragte Red vorsichtig, während er auswich und Deckung suchte.
»Verdammt! Zu weit entfernt«, knurrte Rivka, als die Neutronenpulswaffe die Personen im Inneren des Panzers nicht töten konnte.
»Zu weit entfernt ?«, rief Jay. »Wir müssen Lindy helfen!«
Bevor Rivka sich bewegen konnte, raste ein Fleck vorbei, riss ihr Schnitter aus der Hand und stürmte die Straße hinunter. Jay rannte an dem Panzer vorbei und richtete die Waffe auf ihn, bevor sie zum Stehen kam und ihre Schritte zurückverfolgte. Sie rannte im Zickzack, doch der Panzer bewegte sich nicht mehr. Der Lauf war an der Stelle eingefroren, auf die er zuletzt gezielt hatte.
Red rannte zu Lindy, kniete sich über sie und versuchte, durch den reflektierenden Gesichtsschutz zu sehen. Lindys Augenlider flatterten und Reds Herz begann wieder zu schlagen.
»Au«, murmelte Lindy. »Ich glaube, da hat jemand bei mir angeklopft.«
Ankh. Was kannst du über die Systeme des Anzugs sagen?, fragte Rivka.
Mehrere Ausfälle. Leite Umleitung von Systemen und Neuberechnung der optimalen Stromzufuhr ein, um die Auswirkungen des Schadens zu minimieren.
Lebenszeichen?, fragte Rivka weiter.
Sie wird wieder. Ein paar gebrochene Knochen. Na ja, eine Menge gebrochener Knochen, aber die heilen bereits . Das ist die Macht von mehreren Pod-Doc-Gängen, d ie sie so massig gemacht hat, dass sie diese Gewalteinwirkung aushalten kann.
Lass sie das nicht hören, warnte Red.
Verstanden. Aber i ch sehe das Problem nicht.
Das Problem ist, dass die massige Frau dir später in den Hintern treten wird.
»Wie hast du mich genannt?«, ertönte eine gemurmelte Stimme über die externen Lautsprecher des Anzugs.
Ankh, ich schwöre, ich werde dich an die Decke kleben. Red lächelte, als er versuchte, Lindys Kopf anzuheben, jedoch scheiterte, da der Mech-Anzug zu schwer war.
Terry Henry Walton hatte mal einen Hund in seinem Gesicht kleben. Schlimmer kann es nicht sein, auch wenn es höchst unverdient wäre. Ich denke, ihr solltet lieber zum Datenzentrum weitergehen. Diese Stadt ist gefährlich. Jemand hämmert an die Schiffsluke. Moment. So. Ein aufmerksamer Stromstoß durch die Außenhülle hat sie in Deckung gehen lassen. Ihre Haare scheinen zu qualmen. Stopp. Fallen lassen. Abrollen. Okay. Klebt mich nicht an irgendwelche Decken oder Wände. Ich bin zu beschäftigt für so einen kindischen Unsinn.
Ankh. Kannst du uns mithilfe der Schiffssensoren ein taktisches Bild geben? Ich möchte vermeiden, was wir gerade durchgemacht haben. Ich will niemanden mehr töten, wenn es sich vermeiden lässt, bat Rivka.
Die Informationen befinden sich auf deinem Tablet und in Lindys Blickfeld, wenn sie bei Bewusstsein ist und es sehen kann.