Kapitel 8

D as ist ein Umkleideraum.«

»Vielleicht gibt es noch eine andere Tür. Lass uns reingehen.« Rivka fragte sich, warum Red zurückgetreten war. Sie wirbelte mit dem Finger – beeil dich.

Er zog sie auf und trat zurück. Rivka blieb am Eingang stehen und ließ ihren Augen einen Moment, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Sobald sie sehen konnte, wurde sie von der überall verstreuten Frauenunterwäsche begrüßt.

»Sieht aus, als hätte es hier eine verdammte Orgie gegeben.« Rivka ging vorsichtig durch den Raum. »Von hier kam also der Geruch. Ich hätte nicht gedacht, dass du so zimperlich bist. Was ist los?«

»Lindy lässt ihre Unterwäsche auch überall herumliegen. Wie kann sie so viel Zeug haben?«, platzte es aus Red heraus.

»Ich dachte, du magst ihre Unterwäsche überall außer an ihr«, parierte Rivka.

»Na ja, stimmt auch irgendwie wieder.« Red schmunzelte und schloss sich Rivka an. Er benutzte seine Nachtsichtbrille, um sich die Gegend noch einmal anzuschauen. »Wenn das alles ist, worüber ich mich beschweren kann, ist das Leben doch verdammt gut, oder?«

»Da hast du recht.« Rivka bog um eine Ecke und hielt an. »Leiche.«

»Es riecht nicht nach einer Leiche«, meinte Red.

»Eine Ledonierin, kein Mensch.« Rivka lehnte sich heran und bedeckte ihr Gesicht mit ihrem Hemdkragen. »Ich weiß nicht, was sie getötet hat.«

Red drehte die Leiche mit einer Zehe um. Im unteren Brustbereich befand sich ein getrockneter Blutfleck.

»Erstochen.«

»Sie sind während des Kampfes geflohen und haben ihre schönen Sachen zurückgelassen. Sie sind nie zurückgekommen«, mutmaßte Rivka.

Red ging weiter durch den Umkleideraum, durch das Bad und zurück. »Keine weiteren Türen.« Er hielt die Tür für die Magistratin offen. »Sehen die Umkleiden der Frauen immer so aus?«

»Nicht, soweit du weißt«, antwortete Rivka. Sie schaute auf die seltsame Tür ohne Beschriftung. »Warum sollten sie solch einen Eingang für die Umkleide haben?«

Red schüttelte den Kopf.

»Schauen wir mal, ob es eine Männer-Version gibt.« Rivka joggte die Laufbahn entlang und untersuchte dabei die Wand. Der vertiefte Verschluss war offensichtlich, da sie wusste, wonach sie suchte. Sie und Red sprachen zur gleichen Zeit. »Hier drüben!«

Red deutete auf den Griff auf der gegenüberliegenden Seite des Trainingsraums und Rivka auf ihren.

»Ich komme«, rief Red, rannte los und erreichte Rivka in kürzester Zeit. »Wenn ich so schnell wäre wie Jay, wäre ich schon hier, bevor ich den ersten Schritt gemacht habe.«

»Das ergibt keinen Sinn.« Rivka trat zurück und ließ Red sein Ding machen.

»Das ergibt genauso viel Sinn wie die Tatsache, dass sie sich so bewegen kann.« Red setzte seine Nachtsichtbrille auf und öffnete die Tür. Wie im anderen Raum war es auch hier dunkel, doch dieser Raum war anders. »Hier war früher das Datenzentrum.«

Rivka eilte hinein und fand einen leeren Raum vor, in dem Computerkabel von der Decke baumelten wie Lianen im Regenwald. Sie mussten sich durchzwängen und fanden eine Doppeltür mit einer Rampe, die nach draußen führte.

»Kontaktiere die anderen. Ich muss mit Ankh sprechen.« Rivka zog ihr Tablet hervor.

Wie sieht’s bei euch aus, Leute?, fragte Red.

Ich wollte dich gerade anklingeln. Wir sind im ersten Stock. Ihr müsst so schnell wie möglich herkommen, antwortete Lindy.

»Wir müssen sofort los!«, schrie Red laut auf.

Rivka war in ihren Bildschirm vertieft und stritt sich mit Ankh.

Red packte sie an der Schulter und schüttelte sie. »Jetzt sofort , Magistratin. Sie stecken in Schwierigkeiten.«

Rivka machte sich nicht die Mühe, das Tablet auszuschalten, sondern rannte Red hinterher, der nicht mehr warten wollte. Sie sprinteten die Stufen so schnell wie möglich hoch, wobei Red sich von einer Seite auf die andere schlängelte. Er rannte durch die Lobby des Gebäudes zur Treppe und stürmte dicht gefolgt von Rivka nach oben.

»Was haben sie gefunden?«, rief Rivka.

»Keine Ahnung«, antwortete Red.

Rivka machte sich nicht die Mühe, dem nachzugehen. Manchmal war es besser, einfach zu laufen.

Sie erreichten den ersten Stock in Rekordzeit und rutschten auf dem Treppenabsatz zum Stehen. Lindy und Jay standen vor einer Barrikade mit wütenden, ledonischen Gesichtern, die sie anstarrten. Aus einer offenen Tür schauten noch mehr wütende Gesichter heraus.

»Was haben wir denn hier?«, fragte Rivka und hob ihre Hände als universelles Zeichen der Ruhe, während sie vorsichtig vortrat. Red bewegte sich zur Seite, um eine klare Schusslinie auf die Personen hinter der Barrikade zu haben.

»Diese Gruppe«, Jay deutete auf die Leute hinter der Barrikade, »will gegen diesen Haufen kämpfen.« Sie zeigte auf die Tür, verschränkte die Arme und tippte ungeduldig mit einem Fuß. Rivka konnte keine Waffen sehen.

»Worüber streiten Sie?«, fragte Rivka die Gruppe hinter der Barrikade.

»Sie haben den Usurpator unterstützt!«, rief der selbst ernannte Sprecher. »Sie müssen sterben!«

»RUHE!« Rivka ging schnell nach vorn und zwang Red, seine Position zu wechseln.

»Sie sollten eine zivilisierte Gesellschaft sein. Benehmen Sie sich auch so!« Die Worte der Magistratin schallten durch den Flur. So sieht es also aus, wenn Tohd Mackestray seine Auszahlung nicht bekommt?

Das zeigt den Wert von Erpressung, antwortete Red.

»Ahnen Sie nicht, dass Sie beide manipuliert wurden?«, fragte Rivka die Anwesenden. Es klang wie eine Frage, war jedoch nicht so gemeint. Es war eine Feststellung der Tatsachen. »Kriechen Sie aus Ihren Löchern und reichen Sie sich die Hände. Sie sind Ledonier. Es gibt keinen Grund zu streiten. Kümmern Sie sich um Ihre Probleme und genießen Sie diese schöne Stadt.«

»Was glauben Sie, wer Sie sind, dass Sie uns hier so herumkommandieren können? Benji Sie sich selbst!«

»Benji? Mal von vorn. Ich bin Magistratin Rivka Anoa. Ich komme von der Föderation und bin auf der Suche nach einem Kriminellen, der für die Aufwiegelung, die zu all dem geführt hat, verantwortlich sein könnte.« Rivka winkte mit den Händen und betrachtete den gesamten Flur.

Oder die Stadt. Sie schüttelte den Kopf, bevor sie fortfuhr: »Ich benötige Ihre Hilfe, um die Beweise zu finden, die die Täter entlarven und den Frieden auf Ihrem Planeten wiederherstellen werden.«

»Hundefressender, langhaariger Freak!«, fluchte ein Ledonier von der Tür her.

Red schnaubte. »Ihr seht unser Dilemma«, erklärte Lindy.

»Dieser Kampf ist vorbei und Sie werden mir helfen, diese Nachricht an alle auf Leeds Planet zu übermitteln.« Rivka marschierte zum Rädelsführer. Die Ledonier waren klein, ihre kurzfelligen Köpfe standen der Magistratin schulterhoch gegenüber. Sie zögerte, einen von ihnen zu berühren, doch sie musste es wissen. »Sagen Sie mir, was nötig ist, um Frieden zu schließen.«

Die fremden Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen, zwangen sie zurück. Sie verlor den Halt und stolperte. Jay fing die Magistratin auf, die in Gedankenschnelle an ihre Seite getreten war.

»So viel Wut«, flüsterte Rivka. »Das hat lange auf sich warten lassen, es hat unter der Oberfläche gebrodelt und als der Katalysator da war, ist Leeds Planet aus den Angeln gehoben worden.« Mit lauter Stimme fuhr sie fort: »Wir müssen diese Welt wieder zusammenbringen und das beginnt genau hier. Sehen Sie sich an, was Sie in so kurzer Zeit verursacht haben. Sie zerstören Ihre Welt, nur um zu verhindern, dass die anderen sie bekommen. Das ist Wahnsinn.«

»Sie verstehen das nicht!«, behauptete der hinter der Barrikade.

»Helfen Sie mir zu verstehen, wie das besser sein soll.« Rivka ging langsam auf ihn zu. »Und sagen Sie mir nicht wieder, dass ich mich ›benjin‹ soll. Sie werden ein erwachsenes Maß an Anstand an den Tag legen. Die Rückkehr zum Frieden beginnt genau hier.«

»Ha!«, rief der Ledonier theatralisch.

»Lindy, bring den da bitte hier rüber und Red, nimm den hier.«

Lindy schloss die Tür, packte den Ledonier wortlos am Hinterkopf und zerrte ihn in den Flur. Red schlenderte zur Barrikade, lächelte, nickte, griff dem rebellischen Anführer am Hemd und zerrte ihn über die Barrikade.

»Bindet ihre Handgelenke mit Klebeband zusammen, sodass sie sich gegenüberstehen. Klebt ihre Knie zusammen, damit sie nicht treten können.« Jay holte eine Rolle Klebeband aus ihrem kleinen Rucksack und Red und Lindy machten sich schnell an die Ledonier. Sie sahen aus wie humpelnde Tanzpartner, bis einer versuchte, dem anderen ins Gesicht zu beißen. Die Hühnerpick-Attacken hörten auf, als Red beiden die Münder überklebte.

»Wie gehen wir mit den Gefühlsvulkanen um?«, fragte Rivka.

Jay seufzte. »Das können wir nicht. Solange sie nicht bereit sind zu reden, können wir nichts tun. Ja, ich bin jemand, der glaubt, dass eine Umarmung Leute durch die schlimmsten Zeiten bringt. Wenn der Rest von ihnen so ist wie diese beiden Gruppen, ist ihre gesamte Lebensweise dem Untergang geweiht«, sagte Jay trocken.

»Außer die der Gewinner«, sagte Rivka mit der Stimme, die sie benutzte, wenn sie ein Rechtsgutachten erstellte. »Die Verlierer werden um ihr Leben fürchten. Bis dahin werden die Kämpfe wüten wie die Feuer, die im Inneren geschürt werden. Wenn Sie ihren Zorn nicht kontrollieren können, dann verdienen Sie das, was Sie Ihnen selbst aufhalsen. Ich kann Sie nicht härter verurteilen als die Verbrechen, die Sie sich gegenseitig antun werden. Abgesehen davon muss ich wissen, wo der Datenspeicher ist. Er wurde aus dem Keller entfernt. Wo ist er?«

Rivka ergriff die Arme der gefesselten Kämpfer und versuchte, in ihre Köpfe zu sehen. »Wo ist der Datenspeicher hingebracht worden?«, fragte sie. Keiner von beiden wusste es. »Verdammt!«

Sie entfernte sich von ihnen und versuchte, Ankh zu kontaktieren.

»Vielleicht kann ich behilflich sein«, sagte eine Stimme jenseits der Barriere.

»Verräter!«, rief jemand. Es gab ein Handgemenge. Jay rannte auf die Barriere zu und sprang in weniger als einem Herzschlag über sie hinweg. Das Handgemenge verwandelte sich in Bäume, die von einem Tornado gefällt wurden. Der Ledonier, der gesprochen hatte, blieb an Ort und Stelle stehen, während die anderen auf dem Boden lagen und vor Schmerzen stöhnten.

»Kommen Sie«, sagte Jay zu ihm. Auf Zehenspitzen schlich er sich an den anderen vorbei, ohne zu wissen, was passiert war. Gemeinsam kletterten sie über die Barrikade. Rivka dankte ihr mit einem Nicken.

»Wie können Sie uns helfen?«

»Ich habe beobachtet, wie die Lastwagen beladen wurden.«

Rivka betrachtete aufmerksam die Gesichtszüge des Ledoniers, doch es fiel ihr schwer, einen Unterschied zwischen diesem und den anderen zu erkennen. Sie fand, dass sie alle gleich aussahen und dieser Eindruck ging ihr nicht aus dem Kopf. »Wissen Sie, wo sie hingefahren sind?«

»Es waren Lastwagen der Regierung. Die Regierung hat sich ins Hauptverwaltungsgebäude zurückgezogen und eine massive Barrikade errichtet. Ich denke, dass die Datenspeichergeräte dort sein werden.«

»Wie sicher sind Sie sich?«

Der Ledonier zuckte ratlos mit den Schultern. Die Gruppe, die sich in dem Raum verschanzt hatte, schrie ihn an.

»Klappe halten!« Rivka deutete auf sie. Lindy packte einen am Kragen und schüttelte ihn, bevor sie ihn zu den anderen zurückwarf.

»Ruhe«, knurrte sie.

»Sie kommen besser mit uns«, entschied Rivka.

»Hallo?«, sagte eine Stimme aus dem Tablet.

»Ankh! Ich habe schon versucht, dich zu erreichen. Die Ausrüstung war in einem Nebenraum im Keller, aber sie wurde entfernt. Wir glauben, dass sie sich im Hauptgebäude der Regierung befindet.«

»Das habe ich befürchtet«, bemerkte Ankh.

»Seit wann?«, schoss Rivka zurück. »Es wäre schön gewesen, zu wissen, dass es eine gewisse Unsicherheit in deiner Gewissheit gibt.«

»Das tut nichts zur Sache«, antwortete Ankh. »Geh zum Hauptgebäude der Regierung und installiere eines meiner Geräte in der Nähe der Ausrüstung. Den Rest überlasse mir.«

Das Gesicht des Crenellianers verschwand vom Bildschirm.

»Zeit zu gehen?«, fragte Jay und wollte den Ärger über das Patt im ersten Stock hinter sich lassen.

»Danke, dass du dich darum gekümmert hast. Du hast deine Superkraft für das Gute eingesetzt.« Rivka wandte sich an den Ledonier. »Ich hoffe, Sie haben keine Angst vorm Laufen, da ich glaube, dass es von Vorteil ist, wenn Sie mitkommen. Laufen ist eine Sache, die wir sehr oft tun. Vielleicht können Sie uns den Weg zeigen.«

»Es ist auf der anderen Seite der Stadt«, sagte er und strahlte bei diesen Worten. »Danke. Ich glaube nicht, dass ich hier hätte bleiben können.«

»Lasst sie so zusammengeklebt«, sagte Rivka. Sie ballte eine Faust und ging auf die Treppe zu. Red winkte Lindy zu, vorauszugehen, während er zurückblieb, um sicherzustellen, dass die Einheimischen nicht versuchten, die Verfolgung aufzunehmen.

Eine Flasche flog durch die Tür und traf Red in die Brust. Er richtete seine Railgun aus, doch sie ließen sich nicht einschüchtern. Ein zweiter Gegenstand, ein seltsames Stück Metall, flog auf ihn zu. Er wich dem mühelos aus, zielte dann nach oben und schickte eine Reihe von Hochgeschwindigkeitspfeilen durch die Wand über der Tür. Als die Ledonier aufschrien und in Deckung rannten, stürzte Red davon, um sich den anderen anzuschließen.

»Findest du deine Reaktion nicht ein wenig zu abgedreht?«, fragte Rivka.

»Nein«, antwortete Red. »Die kleinen Scheißer haben angefangen, Scheiße nach mir zu werfen, also habe ich ihnen eine Nachricht geschickt, ohne sie zu verletzen. Na ja, vielleicht sind ihre Trommelfelle geplatzt, aber ansonsten … Sie hätten nicht mit Sachen werfen sollen. Bring keinen Stein zu einer Schießerei mit.«

»Normalerweise gibt es einen gewissen Anschein von gesundem Verstand, aber bei den beiden habe ich ihn nicht gesehen. Sie waren völlig in ihrer Wut versunken. Es war erschütternd«, erzählte sie.

Als sie draußen waren, reaktivierte Lindy den Mech-Anzug und kletterte hinein. Sobald sie aufrecht und kampffähig war, ging sie voran und hielt dann inne.

Ankh, ich brauche eine Karte, bitte «, bat Lindy.

Die Karte erschien auf ihrem digitalen Blickfeld und sie blickte auf den Ledonier hinunter, der sie ehrfürchtig musterte. Sie aktivierte ihre externen Lautsprecher. »Ich gehe diese Straße für etwa drei Kilometer runter, biege dann links ab und folge dann der Straße für sechs Kilometer, um dann an einem Park abzubiegen. Unser Ziel befindet sich auf der rechten Seite. Hört sich das richtig an?«

»Das ist der lange Weg«, antwortete der Ledonier. »Wir können ein paar Seitenstraßen nehmen, dann ist es etwas kürzer.«

»Es ist uns egal, ob es etwas länger ist. Wir bevorzugen mehr offenen Raum, in dem wir manövrieren können. Wissen Sie, ob es hier draußen irgendwelche Straßensperren gibt?«, fragte Rivka.

»Ich weiß es nicht.« Er deutete auf das hässliche Gebäude des Datenspeichers. »Ich kam da nicht raus.«

»Vielleicht können wir uns Ihre Geschichte anhören, aber erst einmal müssen wir Beweise sammeln.«

»Unsere Mission, sollten wir sie annehmen, besteht darin, eine militärische Barrikade zu durchbrechen und eine gut verteidigte Stellung anzugreifen, um heimlich ein elektronisches Münzding zu platzieren«, dröhnte Red.

»Das ist ein Fall und wir sammeln Beweise.«

»Das ist ein Kampfeinsatz. Alle vier – fünf, wenn du ihn mitzählst …« Red neigte sein Kinn in Richtung des Ledoniers, »werden sich mit der Regierung duellieren.«

»Vielleicht sind sie bereit zu reden«, kommentierte Rivka und rümpfte die Nase, da es nicht sehr überzeugend klang.

»Genau wie die da drinnen.« Red brauchte die Worte nicht auszusprechen. Es war das, was sie alle dachten.

»Lindy, melde dich bei Ankh und sag ihm, er soll das Schiff startklar machen, falls wir Luftunterstützung brauchen.«

Roger, antwortete Lindy über das interne Kommunikationssystem, bevor sie auf das robustere System des Anzugs umschaltete.

Ein paar Sekunden später gab sie einen Daumen hoch, nahm die übergroße Railgun des Anzugs in eine gepanzerte Hand und hob den Schild mit der anderen an. Sie fing an zu laufen und das unkontrollierte Ruckeln war sanfter als zuvor, da der Anzug es ausglich. Lindy trottete leichtfüßig die Straße mit den gepanzerten Füßen des Mechs entlang. Rivka und Jay hatten den Ledonier zwischen sich und stützten ihn. Red nahm die Position der Nachhut ein und achtete auf die Umgebung, die sie hinter sich ließen sowie auf mögliche Hinterhalte von den Seiten. Lindy stürmte vorwärts.

Die Gruppe lief durch zerstörte Straßensperren und die Verwüstung einer Stadt in Not. In den verlassenen Straßen hallten ihre Schritte wider.

Wir sind nah dran, Magistratin, berichtete Lindy.

Geh langsam, wenn du willst. Lasst uns unsere Intelligenz nutzen und vielleicht erst einmal das Gebäude und seine Verteidigungsanlagen analysieren, schlug Rivka vor. Sie sahen Jay an.

»Mit großen Fähigkeiten kommt große Verantwortung«, mischte sich Red ins Gespräch ein.

Sie schmunzelte. »Und ich habe mir Sorgen gemacht, dass ich nicht genug zum Team beitrage.« Sie zeigte in die Richtung, in die sie gegangen waren und der Mech nickte, indem er die Railgun aufrichtete.

»Ich bin gleich wieder da.« Und weg war sie.

Rivka zog einen Wasserbeutel aus ihrem kleinen Rucksack und reichte ihm dem Ledonier. Er keuchte schwer und sein Brustkorb hob sich, als er versuchte, mehr Luft in sich aufzunehmen. Er nahm den Beutel und leerte ihn. Die Magistratin kämpfte dagegen an, die Augen zu verdrehen. Red reichte ihr seinen, woraufhin Rivka einen Schluck nahm. Er trank den Rest, bevor er seine Railgun untersuchte und sie mit einem kleinen Lappen abwischte, den er für den einzigen Zweck, seine Waffen sauber zu halten, griffbereit hielt.

Jay trat vor die Gruppe. »Er hat recht. Es ist eine Festung.«

»Blazer ist bereit«, erklärte Red.

Rivka tippte auf ihr Tablet. »Ankh. Wir brauchen die Peacekeeper . Sie muss für uns anklopfen.«

»Weil die Mission Luftunterstützung erfordert?« Red hob herausfordernd die Augenbrauen.

»Weil der Fall Beweise erfordert«, konterte Rivka.

»Mission.«

»Fall.«

»Ich hoffe, dass ich eines Tages in deiner rosaroten Welt leben kann. Wir rennen uns den Arsch ab und schießen auf Dinge, die zurückschießen. Wir bereiten uns darauf vor, eine Festung anzugreifen. Das hört sich für mich nach einer Mission an, aber wenn du dein legales Märchen aufrechterhalten willst, ist das deine Sache.«

»Früher hattest du nicht so viele Meinungen, was die rechtliche Seite meines Jobs angeht. Ich mag den neuen Red. Der erste Riegel, wenn wir wieder auf der Peacekeeper sind, geht auf mich.«

»Ich habe das Gefühl, ich habe etwas verpasst.«

»Hast du nicht. Jay, kannst du uns eine Karte von dem Gebiet zeichnen?«

Sie hockten um ein Fleckchen Erde herum, während Lindy mit dem Rücken zur Kamera im Anzug das Geschehen beobachtete und gleichzeitig Wache hielt.

Jay skizzierte ein rechteckiges Gebäude und fügte kleine Quadrate an jeder Ecke und dann eine äußere Linie hinzu. »Es gibt eine Barrikade aus Stacheldraht und Fahrzeuge mit Waffen, darunter auch Panzer. Die Eckgebäude sind Blockhäuser mit maschinengewehrähnlichen Dingern oben drauf. Es gibt eine Menge Leute, die hinter einer Deckung umherlaufen und beobachten. Draußen liegen auch Leichen. Es sieht so aus, als ob sich eine Gruppe genähert und den Verteidigern das nicht gefallen hat.«

»Sie haben die Leichen einfach liegen gelassen?«, wunderte sich Rivka laut.

Red schüttelte den Kopf. »Klingt nicht so, als wären sie sehr glücklich über die Situation.«

»Wut. Red, wärst du so freundlich, unsere Taktik zu planen? Ich will diese Beweise und wenn Tohd Mackestray der Katalysator für die Misere war, dann will ich seinen Kopf auf einem Tablett haben.«

»Ich glaube, der Vulkan hat schon ordentlich gebrodelt. Ein paar gut gewählte Worte würden nicht ausreichen, um sie in Rage zu bringen, wenn sie nicht ohnehin schon wütend waren.«

»Willst du damit deinen alten Chef entlasten?«

Red schüttelte energisch den Kopf.

»Aber ich stimme dir zu. Irgendetwas anderes ging hier vor sich, aber sobald der Treibstoff entzündet war, konnten wir nicht mehr mit ihnen reden.«

»Was ist dein Ziel, Magistratin?«

»Ich will die Daten haben, aber niemanden töten, um sie zu bekommen.«

Red schaute auf das Diagramm im Dreck vor ihm, bevor er das in Augenschein nahm, was ihm zur Verfügung stand. Lindy mit dem Mech-Anzug. Rivka, die er beschützen sollte. Und Jay.

Der Ledonier war unruhig. »Was ist los?«, fragte Rivka.

»Ich wohne nicht weit von hier«, antwortete er.

»Sie können jederzeit gehen, wenn Sie wollen. Wahrscheinlich wollen Sie kein Teil von dem sein, was jetzt kommt. Gehen Sie schon. Sobald die Schießerei aufhört, kommen Sie zurück und schauen sich an, was es zu sehen gibt.«

Er nickte und entfernte sich eilig von der Gruppe.

Red lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Bleibt wachsam, Leute. Ich muss nachdenken.«