Kapitel 11

B illister«, antwortete der Mann am Kommunikator. Er hörte der Stimme am anderen Ende zu. »Ja, Sir. Ich kümmere mich darum.«

Der Sicherheitschef von K’Twillis schaute von Mann zu Mann und überlegte, wem er das Verschwindenlassen der Mitglieder der Bergbau-Zulassungsbehörde anvertrauen konnte. Sie mussten es tun, ohne dass die Alarmglocken auf dem Planeten schrillten. K’Twillis musste nur etwas mehr Zeit für den Abbau gewinnen, das war alles.

Billister beschloss, dass er keinem von ihnen trauen konnte. »Ihr drei.« Er deutete auf eine Gruppe von Schlägern, die über ein paar Bergarbeitern thronten, die ein Förderband reparierten. »Kommt mit mir. Wir haben einen Job zu erledigen.«

Einer der Schläger zeigte auf die Männer und dann auf seine Augen. »Ich behalte euch im Blick«, knurrte er.

Die Bergleute versuchten, ihn zu ignorieren, während sie daran arbeiteten, das Band zum Laufen zu bringen.

»Kommt schon!«, rief Billister und stürmte davon. »Geistige Zwerge«, brummte er vor sich hin.

Als sie oben ankamen, wartete ein Fahrzeug mit abgedunkelten Scheiben. Sie stiegen ein und der Fahrer fuhr los, ohne nach einem Ziel zu fragen. Man hatte ihm bereits gesagt, wohin er sie bringen sollte.

Ein schäbiges Lagerhaus am Rande der Stadt, in dem sie vor Einbruch der Dunkelheit ein paar Geräte bauen mussten. Dann würde die eigentliche Arbeit beginnen.

* * *

»Wie lange wird es dauern, bis die Anführer eintreffen?«, fragte Rivka und griff den Arm des Präsidenten, um seine Antworten zu sehen. Red hatte ihm den Mund mit Klebeband zugeklebt, da der Ledonier genetisch unfähig zu sein schien, die Wahrheit zu sagen. »Ah, sie sollten jeden Moment hier eintreffen.«

Der Präsident wehrte sich gegen seine Fesseln. Red schüttelte ihn, bis er aufhörte.

»Was ist denn los? Wollen Sie nicht, dass die Leute Sie so sehen? Lassen Sie es mich Ihnen schonend beibringen. Ich bin eine Magistratin der Föderation. Sie sind in meinem Gewahrsam, weil Sie das Gesetz gebrochen haben. Sie stehen nicht vor Gericht, da Sie bereits verurteilt und für unzureichend befunden wurden. Im Moment sind Sie ein Verurteilter, aber ich lasse Sie hier, da Sie Informationen haben, die ich brauche. Ich bin froh, dass ich sie von Ihnen bekommen kann, ohne dass ich mir Ihre ständigen Lügen anhören muss. Wie können Sie nur mit sich selbst leben?«

»Vielleicht hochgradig psychotisch?«, bot Jay ihre laienhafte Diagnose an.

Das habe ich mir auch schon gedacht. Hast du eine Ahnung, wann ich aus diesem Ding raus kann?, fragte Lindy.

Ankh?, meldete sich Rivka beim Crenellianer.

Pandora Express. Das Schiff flog nach Amberstrom. Von dort aus dann durch eine Reihe von Toren mit dem Endziel Capstan. Dort sollte es innerhalb des letzten Tages angekommen sein.

Reds Augen verengten sich und er setzte harte Gesichtszüge auf.

»Na dann, keine Zeit zum Trödeln«, sagte sie zum Präsidenten, der keine Ahnung hatte, was sie meinte. Sie hielt sich die Hände vor den Mund und rief: »Kommt schon, Leute! Los geht’s!«

Red konnte da draußen niemanden sehen. Es war noch zu früh am Morgen für Licht. Der Präsident murmelte durch den Knebel.

»Wie war das?«, erkundigte sich Rivka verärgert. Sie legte ihre Hand auf seine Wange. »Sie könnten uns angreifen? Das wäre ein Fehler.«

Was siehst du, Ankh? , fragte Rivka.

Es kommen Fahrzeuge auf eure Position zu. Die meisten sind nur leicht bewaffnet, aber es gibt eine schwer bewaffnete Einheit, die den Hauptkorridor vor euch herunterkommt.

Wenn sie mit harten Bandagen kämpfen wollen, erledige sie.

Was ist der Harte-Bandagen-Auslöser für diese Aktion?, bat Ankh um Anweisungen.

Rivka hielt einen Moment inne und überlegte. »Red, es nähert sich eine Militäreinheit. Ab welchem Punkt verwandelt die Peacekeeper sie in ein rauchendes Loch?«

»Sie könnten der Bitte gegenüber skeptisch sein. Ich sage es nur ungern, aber wenn sie zuerst schießen?« Red zuckte mit den Schultern und ging zu Lindy.

»Das habe ich mir auch gedacht.« Ankh, wenn sie zuerst schießen, ist das dein Stichwort. In der Sekunde, in der das passiert, vernichte sie.

Lindy begab sich auf der anderen Straßenseite in eine bessere Position, damit sie die herannahende Einheit von der Seite sehen konnte.

Die ersten, die erschienen, kamen aus den Seitenstraßen und fuhren auf die Barrikade zu. Zwei Ledonier sprangen heraus und benutzten ihre Türen als Schutzschilde, während sie zielten. Rivka vermutete, dass der Anführer im Inneren war. Sie schlenderte zu den Überresten der Verteidigung. Mit Red an ihrer Seite verschränkte sie ihre Arme und wartete.

Niemand rührte sich.

»Wer ist hier der Sprecher für das Friedensgespräch?«

»Ich!«, rief der Ledonier aus dem Inneren des Fahrzeugs.

»Ich bin Magistratin Rivka Anoa. Kommen Sie heraus und reden Sie mit mir.«

»Ich bin Treacher. Wie kann ich Ihnen vertrauen?«

»Trauen Sie dem, der behauptet, der Präsident zu sein?«

»Nein, verdammt!«

Rivka deutete mit dem Kinn und Red packte den Präsidenten am Arm, stieß ihn gegen ein umgestürztes Auto und lehnte sich gegen ihn, sodass er zwischen Reds massiven Körper und dem Fahrzeug eingequetscht wurde.

»Ich auch nicht, daher führe ich die Verhandlungen.«

»Woher soll ich wissen, dass Sie mich nicht töten?«

»Dann wären Sie schon tot«, antwortete Rivka. »Kommen Sie heraus und wir geben uns die Hand. Je eher wir anfangen, desto eher kann diese Welt wieder in den Normalzustand.«

Treacher verließ das Fahrzeug und befahl seinen Sicherheitsleuten, sich zurückzuhalten, bevor er zielstrebig auf die Magistratin zuging. Er streckte seine Hand aus.

»Werden Sie mit guter Absicht verhandeln?«, fragte Rivka, als sie seine Hand ergriff. Verwirrung machte sich in seinem Kopf breit. Wut kochte hoch, doch der Anblick des Präsidenten, der wie ein Verbrecher gefesselt war, gab ihm ein wenig Trost.

»Natürlich«, antwortete der Ledonier. »Ich weiß nicht mehr, was für Leeds Planet normal ist.«

»Es wird eine neue Normalität sein. Ich kann mit Ihnen arbeiten. Danke, dass Sie Ihre Wut beiseite geschoben haben, um zu tun, was für Ihr Volk richtig ist.«

Ein zweites Fahrzeug raste herbei und umkreiste sie dann langsam. Es parkte neben dem ersten Besucher. Es erschien kein Sicherheitspersonal, lediglich eine junge Ledonierin. Sie vollzog eine unhöfliche Geste zu den Wartenden im Fahrzeug, bevor sie direkt auf Rivka zuging und ihr Gegenüber pflichtbewusst ignorierte.

»Mein Name ist Faith und ich vertrete die Frauenfraktion«, sagte sie selbstbewusst.

»Werden Sie in guter Absicht verhandeln?«, fragte Rivka und die beiden schüttelten ihre Hände.

»Ich werde im Namen der Unterdrückten verhandeln. Ich verantworte mich nur vor ihnen.«

Rivka sah die Ehrlichkeit in den Gedanken der Frau, zusammen mit ihrer ungezügelten Wut. »Da ich die Verhandlungen leite, werden Sie eine gleichberechtigte Stimme und eine gleichberechtigte Vertretung haben.«

»Ich will zwei Stimmen, um die Art und Weise, wie wir behandelt wurden, wieder gutzumachen«, forderte sie.

Der erste Ledonier rollte mit den Augen und murmelte: »Jetzt geht das schon wieder los.«

»Klappe halten, beide.« Rivka packte sie an den Armen und drückte zu. »Ich sagte gleichberechtigt. Ich dulde keinen Schwachsinn, keine Quoten, keine Verunglimpfungen und keine Forderungen. Sie sollten sich vielleicht verstecken. Die nächste Gruppe hat eine Menge Freunde mitgebracht.«

»Ich verlange …«, begann die Frau. Rivka zog die beiden Anwärter hinter das nächste Fahrzeug und duckte sich. Ein Panzergeschoss donnerte die Straße entlang und schlug in einen Wachturm ein.

Die Luft knisterte, als Energiewaffen vom Himmel schossen und die Kriegswerkzeuge der Angreifer zur Explosion brachten. Rivka spähte über die Barriere und beobachtete die beinahe vollständige Zerstörung. Eine zweite Salve überraschte sie, doch das waren Präzisionsschläge, um den Rest der kleinen Angreifertruppe zu beseitigen.

Der Feind ist vernichtet, berichtete Ankh.

Sieh nach, ob die War Axe für einen Besuch verfügbar ist. Dieser Planet wird sich selbst zerstören, wenn wir ihnen nicht unseren größten Hammer über den Kopf ziehen. Der einzige Grund, warum sie jetzt reden, ist unsere Feuerkraft und die offensichtliche Bereitschaft, sie einzusetzen.

Verstanden, antwortete Ankh.

Rivka hoffte, dass der Crenellianer ihr sagen würde, was er arrangieren konnte, doch sie erwartete, dass sie es herausfinden würde, wenn alle anderen es taten – nachdem das Kriegsschiff der Anrüchigen Gesellschaft über der Stadt schwebte.

»Wer kommt noch?«, fragte Rivka. »Fahrer, geben Sie mir das Mikrofon. Finden wir heraus, wer noch da draußen ist.«

Sie führte die Durchsage durch und wartete. Es meldete sich nur eine Person, die Zeuge der Zerstörung seiner regierungsfreundlichen Einheit geworden war. »Ich halte Sie für Terroristen und werde Sie mit jeder Faser meines Seins bekämpfen.«

Rivka wandte sich vom Fahrzeug ab. »Was soll diese verdammte Wut? Sie wollen Wut sehen? Da haben Sie!« Sie deutete auf den rauchenden Krater und die Trümmer, wo kurz zuvor noch eine Militäreinheit gestanden hatte. »Sie wollen mehr davon? Ich habe noch mehr davon.«

Ich sehe ihn, berichtete Lindy.

Nimm ihn gefangen und bring ihn her, befahl Rivka.

Ein einziger Schuss krachte aus der übergroßen Railgun des Mechs. Lindy stürmte durch die Zerstörung und rannte um eine Ecke und einen Moment später tauchte sie mit zwei sich windenden Ledoniern wieder auf.

Sie warf sie kurzerhand vor die Barrikade. Red packte sie jeweils am Kragen und schleifte sie zu den anderen. Treachers Lippen kräuselten sich und er ballte seine Fäuste zusammen. Faith verschränkte ihre Arme und knurrte.

»Wie ich sehe, sind Sie alle alte Freunde«, warf Rivka schnippisch ein. »Ich bin Magistratin Rivka Anoa.« Sie streckte ihre Hand aus.

Der gefangene Offizier setzte zum Spucken an, doch Red hielt ihm das Kinn und den Mund zu, während er ihn am Kopf hochhob. »So behandelt man keine Magistratin«, knurrte Red dem Ledonier ins Ohr. »Wenn ich dich runterlasse, wirst du dich benehmen, sonst breche ich dir sämtliche Knochen.«

Red ließ die Füße des Gefangenen den Boden berühren, doch dieser versuchte weiterhin, sich zu wehren. Rivka kam näher und legte ihre Hand auf seinen Arm. Sie wich vor der Wut zurück. »Er wird nie wieder das Licht der Welt erblicken. Ich glaube, sein gesunder Verstand ist verloren.« Rivka ging auf den zweiten Gefangenen zu. »Was ist mit Ihnen? Ist da noch ein Fünkchen Anstand übrig?«

Sie packte den jungen Ledonier. Noch mehr Wut, doch er versuchte, sie zu unterdrücken. Die Angst vor dem Unbekannten packte ihn. »Mit Ihnen kann ich arbeiten. Was unbekannt ist, wird bekannt werden. Was Sie fürchten, wird aufgedeckt werden und sich als harmlos herausstellen. Das ist der Grund für Verhandlungen. So erreichen wir einen dauerhaften Frieden. Sie alle werden das Gefühl haben, dass niemand gewonnen hat, doch das Endergebnis wird sein, dass das Volk auf Leeds Planet überleben und wieder aufblühen wird.«

Red band die Handgelenke des wütenden Ledoniers mit einem Kabelbinder zusammen und fesselte ihn mit weiteren Bindern an den Präsidenten. »Hey Sie, wollen Sie sterben?« Der angesprochene Soldat, der für die Magistratin die Funkfrequenzen eingestellt hatte, schaute sichtlich besorgt drein.

»Nein«, antwortete dieser.

»Dann kommen Sie her. Ich habe eine Aufgabe für Sie.« Zögernd trat der Soldat näher. »Sperren Sie die beiden ein. Ich komme später vorbei, um nach ihnen zu sehen. Wenn sie entkommen, ist Ihr Leben verwirkt. Sperren Sie sie ein, dann überleben wir alle

»Gehen wir rein, dann können wir in Ruhe reden. Jay, kommst du bitte mit?«, bat Rivka. Die junge Frau hatte an der Seite gestanden und zog ein langes Gesicht, doch sie freute sich, dass sie bei der Gestaltung einer besseren Zukunft für einen Planeten, der sich selbst zerriss, mithelfen konnte.

* * *

Billister hatte die anderen zur Mine zurückgeschickt und wartete allein in einem Café auf der anderen Straßenseite, wo die Mitglieder der Bergbau-Zulassungsbehörde zusammentreffen sollten. Er hatte die Vermutung, dass sie sich am Morgen treffen würden, doch er hatte keine Bestätigung dafür. Billister war bereit, so lange zu warten, wie es nötig war.

Nach dem Mittagessen machte er einen langen Spaziergang, wobei er das Gebäude stets im Blick behielt. Er meldete sich bei K’Twillis, der mit dem Vorgehen einverstanden war. Die Sonne stand bis zum späten Nachmittag am Himmel. Billister hatte ein Auge auf ein nahe gelegenes Hotel geworfen und wollte sich gerade ein Zimmer nehmen, als eine Reihe von Fahrzeugen auftauchte und vor dem Haus parkte.

Er ging zügig in diese Richtung und studierte die Gesichter.

Der Vorstand war angekommen. Sie trösteten einander angesichts des tragischen Unfalls ihres Vorsitzenden, waren jedoch fest entschlossen, die Angelegenheiten des Volkes zu erledigen.

Billister lächelte vor sich hin. Zumindest noch ein paar Minuten länger, dachte er.

Er schlenderte lässig und bog von der Straße in eine Seitenstraße ab, wo er anhielt, an etwas in seiner Tasche herumfummelte, einen verwirrten Gesichtsausdruck annahm und dann zur Ecke zurückkehrte, als ob er sich fragte, welchen Weg er nehmen sollte.

Nachdem die letzten Mitglieder das Gebäude betreten hatten, gab er ihnen noch eine Minute Zeit. Er nahm seinen Kommunikator heraus, gab eine Nummer ein, hielt das Gerät an sein Ohr und führte ein Gespräch. Jeder Beobachter hätte angenommen, dass er mit einem Freund telefonierte, da er seine Sätze mit Lachen und Nicken durchtränkte. Er verabschiedete sich lautstark. Als das Gerät vor ihm lag, war das, was wie das Antippen zum Auflegen aussah, tatsächlich das Antippen zum Anrufen der Nummer auf dem Bildschirm.

Niemand hörte die Verbindung, als eine gewaltige Explosion das Gebäude erschütterte. Er war auf die Explosion vorbereitet gewesen, jedoch nicht auf das Ausmaß der Wucht. Sie schleuderte ihn durch die Luft, woraufhin er von einem Fahrzeug abprallte und auf die Straße rollte. Trümmerteile regneten auf ihn und das Fahrzeug nieder. Er war kaum in der Lage, sein Gesicht zu bedecken, während er versuchte, sich zu einem Ball zusammenzurollen.

Als die unmittelbare Gefahr vorüber war, stieg der Fahrer aus, um seinem Kollegen zu helfen. Er war entsetzt über die Wolke, die aus den Trümmern des ehemaligen Gebäudes aufstieg.

Billister stöhnte und versuchte, aufzustehen. Der Fahrer riet ihm, er solle liegen bleiben.

»Nein, wir müssen helfen. Es muss Leute geben, die schlimmer verletzt sind als ich«, behauptete Billister. Als er aufstand, hatte er das Gefühl, dass nichts gebrochen war, doch die blauen Flecken würden andere von seiner Unschuld überzeugen. Er war das Opfer eines scheinbaren Unfalls, wie alle anderen auch. »Ich habe vorhin Benzin gerochen«, log Billister. »Ich hätte jemanden informieren oder etwas sagen sollen! Es ist alles meine Schuld!«

»Es ist nicht Ihre Schuld«, sagte der Fahrer beschwichtigend, während er Billister stützte. »Diese alten Gebäude. Man sollte sich mal darum kümmern, aber niemand ist schuld.«