C haz, bring uns hier raus. Nächster Halt: Capstan.«
Die KI hob die Korvette ab und entfernte sich von der harborianischen Flotte, die den Himmel über dem Raumhafen beherrschte. Sobald der Abflugvektor leer war, rotierte das Raumschiff nach oben und raste auf die Sterne zu.
»Was wissen wir über den Ort?« Rivka saß im Kapitänssessel und war überrascht, als Hamlet erschien. Der Kater hatte anscheinend einen Waffenstillstand mit dem Wombat geschlossen. Floyd war es egal, doch Hamlet war nicht gerade amüsiert über den Neuzugang.
Jay! Jay!, rief Floyd fröhlich über den Kommunikationschip in alle Köpfe hinein. Jayita versuchte, den Wombat zu beruhigen, während sie Tauziehen spielten. Lindy stand immer noch unter der Dusche. Ihr langer Aufenthalt im Mech-Anzug hatte sie schwitziger gemacht, als sie es tolerieren wollte. Red stopfte sich derweil mit einem Haufen Nahrungsriegeln voll.
Ankh hatte sich wieder in sein Labor zurückgezogen. Er hatte niemandem gezeigt, was in der Tasche war, die er von der War Axe mitgebracht hatte.
Chaz gab Rivka den Standardbericht über Capstan: Demografie, allgemeine Themen und wichtige Personen. Er fügte die neuesten Nachrichten hinzu, darunter die anhaltende Berichterstattung über den vollständigen Verlust der Bergbau-Zulassungsbehörde.
Rivka setzte sich aufrecht hin, was ihr eine Kralle ins Bein einbrachte. Sie schob Hamlet von ihrem Schoß und begann, auf und ab zu gehen.
»Erasmus, bist du da?«
»Das bin ich doch immer«, antwortete die KI höflich.
»Was hältst du von der ganzen Sache mit der Bergbau-Zulassungsbehörde?«
»Capstan ist eine friedliche Gesellschaft, die in einem lockeren Rahmen arbeitet. Vielerorts tun die gesetzgebenden Organe das, was die Bergbau-Zulassungsbehörde in ihrem Fachbereich tut. Sie erlassen die Vorschriften für den Handel und die Aufsicht. Damit haben sie ein regelmäßiges und vorhersehbares Einkommen von Verkäufern und Dienstleistern. Außerdem ist es einer der sichersten Planeten in der Galaxie. Ihre Vorschriften und ihre Aufsicht schaffen ein Umfeld der Erwartungen. Da die Unternehmen den Rahmen, in dem sie arbeiten müssen, genau kennen, können sie ihre Angelegenheiten besser regeln. Das funktioniert anscheinend sehr gut für den Planeten.«
»Wenig los, denke ich. Polizei und Vollzug sind nicht in großer Zahl vertreten?«
»Es gibt nur sehr wenige Polizei- und Sicherheitskräfte, aber die meisten Staatsbediensteten sind in den Regulierungsbehörden beschäftigt.«
»Wenn ich das richtig gelesen habe, ist die mächtigste Gruppe von Individuen auf Capstan bei einem einzigen Unfall gestorben.«
»Das besagen sämtliche Berichte, sowohl die öffentlichen als auch die privaten«, antwortete Erasmus.
»Und unser Junge ist jetzt gerade dort, soweit du weißt?«
»Die Pandora Express ist angekommen, in die Atmosphäre eingetreten, um auf dem Planeten zu landen und hat ihn nicht mehr verlassen, soweit es die Orbitalkontrolle betrifft.«
»Sind keine Schiffe mit dem Namen Pandora sowieso abgeflogen?«
»Die Orbitalkontrolle gleicht Abflüge mit Ankünften ab. Ein außerweltliches Schiff wie die Pandora Express kann seinen Namen auf Capstan nicht ändern.«
»Dann …« Rivka blieb stehen. »Red! Kommst du bitte mal?«
Der große Mann hatte außerhalb der Brücke gewartet und verdeckte sofort den Durchgang.
»Sieht aus, als ob Tohd Mackestray irgendwo auf Capstan steckt. Leider können wir nicht herausfinden, wo er sein kleines Schiff gelandet hat. Er könnte es überall abgestellt haben.«
»Wir werden das Schiff schon finden«, antwortete Erasmus zuversichtlich. »Darüber mache ich mir keine Sorgen. Vielleicht wäre es besser, ihn aufzuscheuchen und ihn dann mit unseren Waffen auszuschalten?«
Rivka ließ den Kopf hängen. »Das kann ich nicht machen. Nach den Aussagen der Leute, mit denen ich gesprochen habe, weiß ich, dass er schlimme Dinge getan hat, aber nichts davon hat den Status eines Kapitalverbrechens erreicht. Ich kann ihn nicht hinrichten, ohne sicher zu sein. Wir müssen ihn am Boden finden und festnehmen. Dann muss ich ihn verhören und auch seine KI befragen, um weitere Beweise für den Fall gegen ihn zu sammeln. Dafür werde ich dich brauchen.«
»Ich freue mich auf die Herausforderung. Mein Stiefvater Platon musste sich mit Ten messen, der bösen KI, die mit menschlichen Sklaven, den Harborianern, in den Föderationsraum expandieren wollte. Platon, Ankh und Ted besiegten ihn und zerstörten sowohl seine physische als auch digitale Form. Es war ein glorreicher Sieg. Ich bin stolz darauf, einer von Platons Stiefkindern zu sein.«
»Ich will ihm in den Arsch treten«, gab Red zu. »Dieser Wichser hat ein Kopfgeld auf mich angesetzt, also werde ich ihn gerne für dich festnehmen, Magistratin.«
Rivka schürzte ihre Lippen und blies die Wangen auf. »Pass nur auf, dass du ihn nicht rein zufällig dabei umbringst. Darauf brauche ich dein Wort.«
»Versprochen, ich werde ihn nicht töten. Zu deiner Information: Blokiten sind im Nahkampf extrem schwierig zu töten. Sie sind zwar weder schnell noch übermäßig stark, allerdings genetisch dazu prädisponiert, Aufpralle zu überleben, wahrscheinlich weil sie in den Bergen aufgewachsen sind. Sie können Ziegen Kopfnüsse verpassen, ohne dass es ihnen etwas ausmacht.«
»Gut zu wissen.« Rivka zuckte mit den Schultern, da sie noch nie mit dem Gedanken gespielt hatte, Ziegen Kopfnüsse zu verpassen. Sie nahm sich vor, die Bedeutung später nachzuschlagen. »Hast du ein brauchbares Bild von ihm?«
Red lachte und schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle, dass es Bilder von ihm oder K’Twillis gibt. Das sind schlüpfrige Aale, die sich anonym und unbeobachtet durchs System schlängeln.«
»Apropos K’Twillis, gibt es weitere Informationen über seinen möglichen Aufenthaltsort?«
»Keine. Beide sind Phantome, bis wir die richtigen Hinweise haben. Wir müssen uns das Himmelszelt anschauen, um ein oder zwei Sterne zu finden, die nicht zu sehen sind, weil sie sich dort verstecken. Bei Tohd Mackestray konnten wir die Suche eingrenzen, bis wir die Leere fanden, in der er sich versteckt. Bei K’Twillis suchen wir immer noch in der Gesamtheit eines endlosen Universums«, erklärte Erasmus.
Rivka zwinkerte Red zu. »Aber du bist Erasmus, eine künstliche Intelligenz wie keine andere. Ich habe keinen Zweifel daran, dass du mit Ankh das Universum so schrumpfen lassen wirst, dass K’Twillis wie ein Mond, der das Licht der Sonne reflektiert, hervorsticht.«
»Du bist zu freundlich, Magistratin«, antwortete Erasmus.
Jay!, schrie Floyd wieder. Rivka lachte und schüttelte den Kopf.
»Die Stimmung hat sich definitiv aufgehellt«, sagte die Magistratin erleichtert. Hamlet jaulte lang und leise von der Brücke aus. »Nur deine nicht, pelziges Kätzchen.«
Jay warf einen kleinen Ball, dem Floyd hinterherlief, wobei ihre Krallen über die harte Oberfläche des Decks kratzten, außer dort, wo es gummiert war, wo das Tier schneller wurde.
»Ich liebe sie!«, sagte Jay mit strahlendem Gesicht.
Rivka blinzelte eine Träne weg. Die alte Jay kam zu ihnen zurück. Rivka hatte gar nicht bemerkt, wie sehr sie den fröhlichen Teenager vermisst hatte. Sie vermisste es, Jayita am Wandgemälde arbeiten zu sehen.
»Was kommt als Nächstes in dein Wandgemälde?«, fragte Rivka.
»Floyd muss ihren Platz bekommen, also ist sie die Nächste. Ich denke, ich werde sie genau dort platzieren.« Jay deutete auf eine Stelle an der Wand, an der jedes Mitglied des Magistratenteams abgebildet war, auch Hamlet. »Und dann die Welten, die wir gesehen haben. Ich muss sie einfangen.«
»›Capturing Capstan‹, also Capstan einfangen. Klingt wie der nächste Pophit.«
»Du hast recht, wir brauchen mehr Musik«, rief Jay begeistert. Floyd hüpfte vor Freude herum, bevor sie in einen der Liegesessel kletterte und innerhalb von Sekunden schnarchend einschlief.
»So schnell würde ich auch gerne mal einschlafen können«, bemerkte Rivka.
»Zu viel Aufregung«, sagte Jay mit gedämpfter Stimme und lächelte den Wombat an, als wäre es ihr eigenes Baby.
Rivka wirbelte mit dem Finger in der Luft. »Wir müssen über unsere nächsten Schritte sprechen.«
»Ich hole Lindy«, sagte Red.
»Du suchst ja nur einen legitimen Grund, ihr beim Duschen zuzusehen.«
»Das macht mich nicht zu einem schlechten Menschen.« Red winkte Rivka abwehrend und machte sich auf den Weg zum Badezimmer des Schiffes.
Ankh, wir müssen über unseren Einsatzplan sprechen, jetzt, wo wir in Capstan angekommen sind «, sagte Rivka über den internen Kommunikationschip.
Erasmus ist bereits dabei. Brauchst du mich noch? Ich bin beschäftigt.
Du bist ein Mitglied meines Teams und dies ist eine wichtige Besprechung. Du musst zugeben, dass ich nicht viele Besprechungen abhalte, aber wenn, dann brauche ich dich ebenfalls dabei . Rivka wartete geduldig. Sie wollte nicht mit Ankh streiten. Er war sich immer sicher, dass das, woran er arbeitete, wichtiger war als alles, was die anderen taten.
Er hatte meistens recht.
Gut.
Die kleinen Siege, dachte Rivka resigniert. Sie hätte sich hingesetzt, doch Floyd schlief auf ihrem Platz. Der andere Sessel war leer, doch der Mensch war ein Gewohnheitstier. Sie dachte nicht daran, sich in den anderen zu setzen, da das Reds Platz war. Sie entschied sich dafür, sich an den Tresen zu lehnen, der die kleine Kombüse vom Rest des Hauptraums der Peacekeeper trennte.
Ankh erschien direkt vor Red und Lindy und die drei traten gemeinsam ein. Red nahm seinen Sessel ein und Lindy kletterte auf seinen Schoß. Ankh stand mit seinen verschränkten, dünnen Ärmchen da. Jay saß am Tisch auf einem Stuhl nicht weit von dem schlafenden Wombat entfernt.
»Chaz, zeig uns die allgemeinen Informationen von Capstan, einschließlich der Bräuche und Dinge, die Besucher beachten sollten.«
Die KI des Schiffes präsentierte eine langweilige Sammlung von Bildern wie aus einem Touristenflyer und gab die Geschichte im monotonen Ton wieder. Ankh wandte sich zum Gehen.
»Das ist genug, Chaz. Danke. Erasmus, zeig uns die Informationen über die kommende Wahl. Gibt es Änderungen oder Wendungen bei den Prognosen?«
Erasmus ging die drei Hauptläufe durch und betonte, dass nichts Unerwartetes passiert war. Die einzige Wendung war der Unfall, bei dem die verbliebenen Mitglieder der Bergbau-Zulassungsbehörde ums Leben gekommen waren.
»Du sagtest ›die verbliebenen Mitglieder des Vorstands‹. Ist etwas vor dem Unfall passiert?«
»Ja«, antwortete Erasmus. »Der Vorstandsvorsitzende hatte einen unerwarteten Herzinfarkt und ist gestorben.«
»Eine Zeitleiste für dieses Ereignis, bitte«, bat Rivka.
»Mackestray war zu dieser Zeit noch auf Leeds Planet.«
»Er heuert einfach Leute an, die seine Drecksarbeit für ihn erledigen«, sagte Red und deutete auf sich. »Er muss nicht anwesend sein.«
»Aber was hat er davon, wenn er den Vorstand ausschaltet? Sie haben vielleicht das Sagen auf Capstan, aber so viele auf einmal zu beeinflussen, erscheint seltsam.«
»Ich weiß es nicht. Er hat vorher Personen zerstört, ohne sie zu töten.« Red sah finster drein und blickte aufs Deck.
»Ich glaube, wir übersehen hier etwas«, meinte Jay.
»Ich sehe keine kausalen Zusammenhänge. Ich glaube, Jayita hat recht. Wir übersehen etwas. Ich werde sämtliche Daten neu auswerten«, sagte Erasmus.
»Was bedeutet das für uns, Magistratin?«, fragte Lindy.
»Dass wir ohne Spur sind. Wisst ihr, was wir tun, wenn wir keine Spur haben?«
»Wir schrecken Leute auf!«, rief Jay.
»Lasst uns zuerst mit den drei Amtsanwärtern sprechen. Sie profitieren am meisten von Mackestrays Einfluss.«
»Sie haben auch am meisten zu verlieren, wenn sie in das Bordell des Blokiten eintreten.« Red grinste.
* * *
»Eine Stimme für Bandersnatch ist eine Stimme für den Fortschritt!« Diese Botschaft ertönte aus riesigen Lautsprechern, die an der Fassade des Gebäudes angebracht waren.
»Nicht lachen«, warnte Rivka die anderen und wunderte sich, wie groß die Chance war, dass jemand genauso hieß wie die Figur aus dem Gedicht von Lewis Carroll. Sie lehnte sich ins Fenster des Taxis und sprach den Fahrer an: »Wenn Sie bitte warten würden, wir brauchen nicht lange.«
»Das Taxameter läuft«, antwortete dieser lächelnd und lehnte sich mit den Händen hinter dem Kopf zurück.
»Wie nicht anders zu erwarten. Die Taxifahrer sind auf jeder Welt gleich.« Sie folgte Red, als er durch die Vordertür eilte, um dem Lärm zu entkommen. Jay eilte ihm nach und hielt sich die Hände über die Ohren. Rivka und Lindy waren langsamer. »Bleibt nicht hier draußen. Ich will nicht, dass ihr wahnsinnig werdet von der Wahlwerbung.«
»Ich will nicht wahnsinnig werden, also ist das okay für mich. Ich warte dann an der Vordertür. Ich hoffe, dass sie da drinnen nicht genauso an den Trommelfellen hämmern.«
Rivka zuckte zusammen. »Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.«
Die schweren Türen und Fenster schirmten sie akustisch ab. Sie atmeten beide erleichtert auf und holten tief Luft, als wäre die Luft frischer.
Rivka schlenderte auf jemanden zu, der wichtig aussah. »Ich bin die Magistratin und ich muss den Kandidaten sehen, bitte. Ich habe einen Termin.«
»Ich fürchte, das geht nicht«, sagte die Frau. »Weil er nicht hier ist. Er hat eine Versammlung auf der anderen Seite des Planeten.«
Rivka zog ihr Tablet hervor und tippte auf die Bestätigungsnachricht aus dem Büro des Kandidaten. Sie zeigte sie vor.
»Da muss es sich um einen Fehler handeln. Dieser Austausch ändert nichts an der Tatsache, dass er nicht hier ist«, antwortete die Capstanianerin. Die Frau, die bis auf die fehlenden Ohren kaum von einem Menschen zu unterscheiden war, blieb standhaft.
»Kein Problem«, lächelte Rivka und streckte ihre Hand aus. Als die Frau sie nahm, sagte Rivka anschließend: »Sind Sie sich sicher, dass er nicht hier ist?«
In ihrem Kopf war ein Bild von ihm in seinem Büro zu sehen und sie fragte sich, ob er gesehen worden war.
Mit ihrer nano-modifizierten Kraft begann Rivka, die Hand der Frau zu drücken. »Warum lügen Sie mich an?«
»Sie tun mir weh!«, schrie die Capstanianerin und versuchte mit wachsender Verzweiflung, sich zu befreien. Sie geriet in Panik und ihr Geist wurde zu einem Wirrwarr von Gedanken, aus dem Rivka nichts Wesentliches ziehen konnte.
Die Magistratin ließ von ihr ab. »Wir gehen jetzt durch und treffen uns mit dem Kandidaten. Lindy, halte sie fest.«
Lindy überragte die Capstanianerin, packte sie am Kragen und hob sie hoch, bis sie auf ihren Zehenspitzen stand.
»Du kannst sie loslassen, sobald wir in Bandersnatchs Gesellschaft sind. Er hat doch keine Frau da hinten, oder?«, fragte Rivka und erinnerte sich an die unangenehme Szene mit der remanischen Bürgermeisterin. »Wir werden nicht lange brauchen.«