Kapitel 19

R ed stemmte sich gegen die Wand und trat mit beiden Füßen aus. Es fühlte sich an, als hätte er gegen einen Granitblock getreten, doch es brachte wenigstens den Aborgianer aus dem Konzept. Red brüllte und sprang, um sein Messer weiter in die Spitze des Stammes zu rammen. K’Twillis blockte den Angriff mit einem Ast und fegte den Menschen mit dem anderen weg. Red landete auf der anderen Seite von Billister.

K’Twillis stürmte auf Red zu und zerquetschte dabei seinen Sicherheitschef. Red lief im Krebsgang den Korridor hinunter und rollte sich wieder auf die Beine, doch der Aborgianer stürmte unerbittlich weiter. Red griff an und duckte sich, um seinen Gegner auf mittlerer Höhe zu erwischen. Er wurde langsamer und schlang seine Arme um die Kreatur, drückte zu und hob sie an. Er spürte, wie sich der Rumpf vom Deck hob. Reds kräftige Beine spannten sich an.

Die Arme des Astes begannen auf seinen Rücken zu hämmern. Selbst durch die ballistische Rüstung geschützt, waren die Schläge brutal. Red schrie vor Schmerz auf. Mit einem Kraftschub hob und drehte er sich und schleuderte den Aborgianer auf Billister. Red stürzte nach vorn und sprang in eine Flugrolle.

Bei der Landung rollte er sich ab und schnappte sich die Railgun. Aus seiner Position auf dem Rücken feuernd, rissen die Hochgeschwindigkeitsprojektile große Teile des Stammes heraus. Holzspäne flogen durch die Gegend, wie von einer Kettensäge bearbeitet. Das Echo in dem Metallkorridor war ohrenbetäubend. Die Kreatur kreischte auf und flüchtete durch die Luke, aus der sie ihren Angriff gestartet hatte.

Red kam wieder auf die Beine und taumelte hinter K’Twillis her.

»Warte!«, rief Rivka, als sie ihn verschwinden sah. Sie verdoppelte ihre Geschwindigkeit und bog in den hydroponischen Raum des Schiffs ein. Sie verlangsamte sich und lauschte. Der Raum war mit Pflanzen gefüllt. Nichts bewegte sich.

»Er ist hier drin«, knurrte Red. »Und verletzt.«

»Schnitter«, sagte sie leise. Red ging rückwärts auf sie zu, bis er neben ihr stand. Er ließ den Lauf seiner Railgun hin und her schwingen. Rivka stellte die Neutronenpulswaffe auf zehn und gab ein paar Schüsse ab, wobei sie den Knopf nicht länger als eine Zehntelsekunde gedrückt hielt. Sie wollte nicht alles in den benachbarten Abteilungen zerstören, lediglich den Aborgianer.

Sie feuerte weiter auf enge Gebiete.

»Ich schätze, wir kriegen ihn nicht lebendig«, sagte Red mit großen Augen, als er nach einer Bewegung Ausschau hielt.

»Wahrscheinlich nicht. K’Twillis. Sie wurden verurteilt«, sagte Rivka. Einer ihrer letzten Schüsse gab ihr das, wonach sie gesucht hatte. Ein Teil des Grünzeugs löste sich vom Rest und begann zu zucken. Sie traf es mit weiteren Pulsen. Red gab ein paar Dutzend Schüsse aus seiner Railgun ab.

Er platzierte seine Railgun auf dem Rücken und holte aus einer Westentasche einen tragbaren Schweißbrenner hervor, der nicht größer als ein Kugelschreiber war. »Du solltest hier vielleicht besser verschwinden«, sagte Red, zündete den Schweißbrenner an und hielt die blaue Flamme an den Rumpf des Aborgianers.

Rivka ging zurück in den Korridor. Red blieb einen Moment stehen, um sich zu vergewissern, dass die Flammen sich ins Holz fraßen. »Setzt ein Kopfgeld auf mich aus, verdammtes Arschloch! Schmor in der Hölle!«

Red schlenderte hinaus und schloss die Luke, als der dichte Rauch zu wabern begann. Der pfeifende Schrei konnte kochendes Wasser sein, das durch die Ritzen im Holz zischte oder der letzte Schrei des Aborgianers, der als K’Twillis bekannt war.

Für Rivka spielte das keine Rolle.

Im ganzen Schiff ertönten Feueralarme. »Sieht aus, als wäre unsere Arbeit hier erledigt«, sagte Red und zuckte von dem Schmerz, den die vernichtenden Schläge des Aborgianers hinterlassen hatten. »Das nächste Mal, wenn wir gegen einen seiner Rasse kämpfen, benutzen wir direkt einen Flammenwerfer, dann klappt das auch mit dem frühen Feierabend.«

»Dieses Schiff fliegt nirgendwo hin. Du hast dem Maschinenraum ganz schön zugesetzt, wenn man von den Warnleuchten auf der Brücke ausgeht«, sagte Rivka, als sie endlich merkte, dass er Hilfe benötigte. Sie legte sich einen seiner Arme über die Schulter und stützte ihn, während er weiter humpelte.

»Ich melde mich besser bei den anderen«, sagte Rivka, bevor sie auf ihren internen Komm-Chip umschaltete. K’Twillis wurde verurteilt und unschädlich gemacht. Wir sind auf dem Weg vom Frachthafen.

Hier ist die Adresse für Mackestray, sagte Ankh. Rivka spürte die Vibration ihres Tablets.

»Meinst du, du wirst für die zweite Runde wieder fit sein?«

»Ich hoffe es«, sagte Red.

»Glaubst du, Grainger hatte das im Sinn, als er dich als meinen Leibwächter einstellte?«

»Was meinst du genau?«, fragte Red.

Sie erreichten die Luke und Rivka drückte auf den Knopf, der die Rampe zum Boden ausfuhr. Der zivile Lieferwagen der Polizei rollte aus dem Weg und wartete.

»Dass ich dich trage. Das ganze Rumgerenne. Das Schießen. Jetzt können wir Feuer und Verbrennen in unser Repertoire aufnehmen.«

»Ich bin mir sicher, dass er genau das vorhatte.« Red schnaubte lachend und gemeinsam eilten sie die Rampe hinunter, so schnell es Reds angeschlagener Körper zuließ.

Im Van angekommen, holte Rivka ihr Tablet hervor. »Melden Sie das Schiff den Behörden, da es mit Schmuggelware beladen ist. Melden Sie den Standort der illegalen Mine. Dann bringen Sie uns zu dieser Adresse.« Rivka zeigte ihm die Karte auf ihrem Bildschirm.

»Das ist weit weg, aber ich schalte die Sirene ein«, sagte der Fahrer und schnalzte anzüglich grinsend mit der Zunge. Er raste vom Raumhafen in den Verkehr und erfreute sich sichtlich daran, endlich mal die Sirene zu nutzen.

Lindy?, rief Red an.

Ich bin auf dem Weg zu Mackestrays Raumschiff. Es steht auf einem privaten Raumhafen außerhalb der Stadt.

Wir sind jetzt auf dem Weg dorthin. Wann kommst du an?

Wir sind fünfzehn Minuten entfernt.

»Wie lange dauert es, bis wir dort sind?«, fragte Red.

»Dreißig Minuten, schätze ich«, antwortete der Fahrer.

Warte auf uns. Wir sind fünfzehn Minuten hinter dir.

Was Red gesagt hat. Warte auf uns, fügte Rivka hinzu.

Was ist mit der Wahlkampfmanagerin? Sie war die, die Mackestray mit Bandersnatch in Verbindung brachte. Ich habe sie in Gewahrsam.

Red und Rivka tauschten einen Blick aus.

Ist sie eine Bedrohung?, fragte Rivka.

Ich glaube, sie könnte den Blokiten warnen. Ich habe ihr die Hände gefesselt und den Mund zugeklebt.

Du bist nur eine Viertelstunde unterwegs? Nimm ihr die Handfesseln und das Klebeband ab und wirf sie an den Straßenrand. Eine Zivilistin darf nicht im Weg sein. Das könnte chaotisch werden, wenn der Aborgianer ein Beispiel dafür ist, was zu erwarten ist, erklärte Rivka.

* * *

»Halten Sie an«, sagte Lindy dem Taxifahrer.

»Erst wollen Sie, dass ich mich beeile und dann wollen Sie, dass ich anhalte. Immer diese unentschiedenen Fremdweltler!«, schimpfte er.

»Halten Sie einfach an, verdammt!« Lindys Geduld war am Ende. Sie riss ihrer Gefangenen das Klebeband vom Gesicht und schnitt die Fesseln an ihren Handgelenken durch. Als der Fahrer den Straßenrand erreichte, griff Lindy an ihrer ehemaligen Gefangenen vorbei und öffnete die Tür. »Aussteigen.«

Die Capstanianerin zögerte. Mit einem Fuß stieß Lindy sie auf den Bürgersteig. Sie befanden sich zwischen Wohngebieten, ein paar Kilometer von allem entfernt.

»Meine Handtasche liegt im Büro«, jammerte sie.

Lindy zeigte ihr den Finger und schloss die Tür. »Vorwärts!«, rief sie triumphierend.

»Wollen Sie sie so zurücklassen?«

»Ja, will ich. Weiter jetzt.«

»Ich kann nicht. Schauen Sie doch, wie sie aussieht!«

Lindy rollte mit den Augen und stöhnte. Die ehemalige Wahlkampfmanagerin stand mit gebeugten Schultern da und blickte verzweifelt auf das Taxi.

»Haben Sie den Teil vergessen, in dem sie um sich getreten und geschlagen hat?«

»Aber jetzt tut sie das nicht.«

»Was Sie nicht sagen. Sie merkt jetzt, was es ihr gebracht hat.«

Der Taxifahrer verschränkte die Arme.

Lindy dachte, ihr Kopf würde gleich explodieren. Beruhige dich, dachte sie und schloss die Augen. Warum willst du so schnell ankommen? Um Red zu retten und um ihm zu zeigen, dass du ihn liebst. Er wird kommen. Es ist noch Zeit. Ihr könnt den Tag gemeinsam retten.

»Ja. Wir werden den Tag gemeinsam retten«, platzte es aus ihr heraus, bevor sie den Kopf schüttelte und die Tür öffnete. »Steigen Sie ein und halten Sie die Klappe. Er bringt Sie zurück ins Büro, sobald das hier vorbei ist.«

Die Wahlkampfmanagerin stieg ein und verschränkte, in sich eingekehrt, die Hände auf ihrem Schoß.

»Ich hätte Sie schon vor zwanzig Minuten rausschmeißen sollen, wenn das alles gewesen wäre, um Sie davon abzuhalten, eine Psychopathin zu werden.« Lindy bemerkte, dass das Taxi noch immer am Straßenrand stand. »Worauf warten Sie noch? Fahren Sie los.«

»Sie sind ziemlich gemein«, sagte er über seine Schulter, bevor er sich wieder dem Fahren zuwandte.

Bin ich gemein geworden?, fragte sie sich. Ich glaube, diese blöde Zicke hat die dunkle Seite von mir zum Vorschein gebracht. Sie hat sich mit demjenigen verschworen, der einen Preis auf Reds Kopf ausgesetzt hat. Ich habe jedes Recht, wütend zu sein.

Mit ein paar geschickten Manövern hatte das Taxi wieder an Geschwindigkeit gewonnen und der Fahrer schrie aus dem Fenster.

Fünfzehn Minuten später fuhr das Taxi zur Auffahrt des privaten Flugplatzes, der hauptsächlich von Atmosphären-Flugzeugen genutzt wurde. Am äußersten Rand, in der Nähe höherer Bäume, war eine schnittige, weiße Weltraum-Jacht geparkt.

Ich habe die Pandora Express in Sicht, meldete Lindy.

* * *

»Irgendetwas stimmt nicht«, sagte Margarat, deren Stimme über die Schiffslautsprecher dröhnte.

»Erkläre es mir«, forderte Tohd Mackestray.

»Ich kann meine Zehen nicht spüren.«

»Du hast keine Zehen. Ich verstehe nicht, was du meinst.«

»Meine Finger sind taub und die Dunkelheit nähert sich.«

»Erkläre es bitte so, dass ich es verstehen kann.«

»Ich werde eingekesselt und finde keinen Ausweg.«

»Was? Wie? Ich mag deinen neuen Sinn für Humor nicht, Margarat. Zeig mir die Statistik zu Capstans Einnahme.«

»Kann ich nicht. Ich kann nicht über diese Mauern hinaus. Es tut mir leid, Tohd.«

»Was zum Teufel ist hier los?« Der Blokit öffnete die Luke und stolperte ins Freie. Am Rande des Flugplatzes wartete ein Taxi. Niemand bewegte sich. Er fragte sich, ob es das Taxi war, das Margarat gerufen hatte, um ihn zum Abendessen zu bringen.

Als ein Polizeiwagen hinter dem Taxi vorfuhr, wusste Tohd Mackestray, dass es Zeit war zu verschwinden. Er eilte zurück ins Raumschiff und sicherte die Luke. »Mach dich bereit, uns in die Umlaufbahn zu bringen.«

»Ich kann nicht, kann nicht, kann nicht …« Margarats Stimme wiederholte die letzten Worte.

Tohd quetschte sich in das Cockpit. »Pandora. Manueller Flugmodus, bitte.«

Eine andere mechanische Stimme antwortete: »Der manuelle Modus wird für einen Weltraumstart nicht empfohlen.«

»Setze die Sicherheitsprotokolle außer Kraft. Gib mir den manuellen Flugmodus.«

Die Kontrollleuchten im Cockpit leuchteten grün auf. Drei blinkten rot. Er wandte sich an jedes System, schloss sie, versiegelte sie oder öffnete die Leitungen, je nachdem, was das Schiff verlangte. Als alle Systeme im grünen Bereich waren, aktivierte er die Antischwerkrafttriebwerke, um das Schiff vom Boden abzuheben. Sobald es die Bäume hinter sich gelassen hatte, gab er Vollgas. Das Schiff beschleunigte schnell in Richtung Weltraum. Er glaubte, ein Klirren am Rumpf zu hören, doch es gab keinen Alarm und die Anzeige blieb grün.

* * *

»Verdammt noch mal!«, brüllte Red, als er eine Reihe von Geschossen aus seiner Railgun abfeuerte. Lindy schloss sich ihm an und schickte eine Salve von Hochgeschwindigkeitsprojektilen in den Himmel.

Chaz, bring das Schiff zu diesen Koordinaten und hol uns ab. Er flieht. Ankh, schalte das Tor ab. Er verlässt dieses System nicht, befahl Rivka.

Wir verfolgen ihn gerade, sagte Ankh. Wenn wir für dich anhalten, riskieren wir, ihn zu verlieren. Der Weltraum ist riesig.

»Verdammt noch mal!«, rief Rivka. Verfolge ihn. Mach ihn bewegungsunfähig, wenn du kannst. Ich will immer noch mit ihm reden.

Wenn du die Informationen siehst, die wir von seiner KI besorgt haben, hast du vielleicht alles, was du brauchst.

Die Peacekeeper ist in der Luft. Beschleunige auf Abfangkurs, meldete Chaz.

Rivka verschaffte sich einen Überblick über ihre Umgebung. Sie sah die ehemalige Wahlkampfmanagerin und machte sich auf den Weg zu ihr. Die Frau wollte sich zurückziehen, doch Rivka packte sie am Arm und hob sie einige Zentimeter in die Luft.

»Was haben Sie getan?«

»Ich habe versucht, Bander zu helfen. Er wird ein wunderbarer Premierminister sein. Es war alles nur für Bander«, jammerte sie.

Rivka sah, dass sie die Wahrheit sagte. »Sie hätten eine Kaskade von Ereignissen auslösen können, die Capstan verändert hätte, und zwar nicht auf eine gute Art. Jetzt jagt mein Schiff die Jacht und ich sitze in Ihrer Gesellschaft am Boden fest. Ganz großes Kino.«

Der Taxifahrer, der an seinem Auto lehnte, murmelte: »Ihr seid doch alle gemein.«

Lindy schüttelte den Kopf. »Bringen Sie sie zurück ins Hauptquartier. Sie kann keinen Schaden mehr anrichten.« Rivka setzte sie ab und nickte zögernd.

»Was ist mit dir passiert?«, fragte Lindy plötzlich besorgt, als sie einen Moment Zeit hatte, Red zu betrachten.

»Eine intensive Begegnung mit zu viel Natur«, scherzte Red, nachdem er größtenteils abgeheilt war. »Das bestärkt mich in dem Grundsatz, niemals fair zu kämpfen. Ich hätte ihn von Anfang an abfackeln sollen.«

»K’Twillis ist …?«

»Neutralisiert.«

Das Taxi manövrierte um den Polizeiwagen herum und raste davon, sobald es das Tor hinter sich gelassen hatte.

»Was jetzt?«

»Die Mine muss geschlossen werden, bevor die Schläger noch jemanden verletzen«, knurrte Rivka.

»Sind Einheiten auf dem Weg zur Mine?«, erkundigte sich Rivka beim Fahrer des Polizeiwagens. Er nickte. »Sagen Sie ihnen, dass wir sie dort treffen werden. Leute, steigt ein.«

Das war für ihn das freudige Signal, Blaulicht und Sirene einzuschalten und eine neue Runde zu drehen.

Rivka stützte sich mit einer Hand ab, während sie mit der anderen versuchte, ihr Tablet zu bedienen. Die Peacekeeper würde ohne sie in den Kampf ziehen. Auch wenn ihre Rolle als Kapitänin im Weltraum nur ehrenamtlich war und sie Chaz und Erasmus den Kampf gegen den Feind anvertraut hatte, wollte sie trotzdem bei ihnen sein. Ihr Platz war an ihrer Seite.