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Kein Teil des Plans

Will – Juni 2334

Quin

Ich ließ mich vom Gestell sinken und kam leicht schwankend zum Stehen. Ich würde eine Weile brauchen, um mich an die Proportionen des quinlanischen Mannys zu gewöhnen. Während ich die großen Krallen an meiner Hand betrachtete, schlug der andere Manny die Augen auf.

»Hallo, Howard.« Ich hob die Hand. »Schau dir mal diese verrückten Nägel an.«

Er zog die Augenbrauen zusammen. »Wirst du etwa ein Hippie, Riker?«, fragte er und erwiderte mein Grinsen. »Vielen Dank für die Einladung, Will. Ich gebe zu, dass ich auf Bridgets Projekt neugierig bin. Als die ihr Bad im Fluss beschrieben hat, war sie deutlich enthusiastischer, als ich es von ihr gewohnt bin.«

Ich gab der Drohne ein Zeichen, die Frachtluke zu öffnen. »Kein Problem. Ich bin ebenfalls neugierig, aber auch übungsbedürftig, für den Fall, dass ich einspringen muss. Zumindest rede ich mir das ein.« Ich deutete auf die Luke, und wir traten zusammen hinaus.

Ich hatte die Drohne in einer anderen Stadt geparkt als Bob und Bridget. Sie war etwas größer. Und wesentlich stärker zerstört. Wir mussten allerdings nur die Bereiche mit zu hoher Strahlenbelastung meiden, die selbst unseren Mannys gefährlich werden konnte. Alles andere konnten wir dagegen getrost ignorieren. Ich wollte mir einen Überblick über die Waffen verschaffen, mit denen die Quinlaner sich bekämpft hatten. In dieser Stadt hatte es zahlreiche Explosionen gegeben, die entweder von Raketen oder Fliegerbomben ausgelöst worden waren. Kinetische Waffen waren dagegen nicht zum Einsatz gekommen. Andernfalls wäre nichts mehr da gewesen, das ich hätte untersuchen können.

Dieser Ort war wahrscheinlich eine Hauptstadt gewesen oder zumindest ein wichtiger Knotenpunkt. Er vermittelte diesen typischen »Alle-Straßen-führen-nach-Rom«-Eindruck: Die Quinlaner hatten an Land vor allem auf Schienenverkehr gesetzt, und hierher verliefen bemerkenswert viele Gleise.

Außerdem stachen mir die mächtigen Gebäudeblocks ins Auge, zwischen denen breite Kanäle flossen. Ich fragte mich, ob es den hiesigen Stadtplanern ausschließlich um Effizienz gegangen war oder sie aus einem anderen Grund im besonders großen Maßstab gebaut hatten. Laut Bob und Bill schien die quinlanische Psyche der menschlichen zu ähneln, aber ich wollte nicht zu viel in sie hineinprojizieren.

Wir gingen zum nächstgelegenen Kanal und inspizierten das Wasser darin. Es wirkte längst nicht so ölig und aufgewühlt, wie Bob und Bridget es nach ihrer Exkursion auf dem Planeten beschrieben hatten. Tatsächlich schien der Kanal recht ungestört dahinzufließen.

»Sieht nett aus«, sagte Howard.

»Die Bauten sind ebenfalls weniger zerstört, als ich erwartet hatte«, erwiderte ich. »Bridget hat eine Gewebeprobe von einem Leichnam genommen und scannen lassen. Sie enthielt eine große Menge an Viren, die dem Modell der Skippys zufolge höchstwahrscheinlich künstlich erzeugt worden sind.«

»Dann sind sie also selbst vor biologischer Kriegsführung nicht zurückgeschreckt.«

»Mm-hmm. Sieht so aus, als hätte die gesamte Bevölkerung auf einen Schlag einen Wutanfall bekommen und sich gegenseitig mit allem beworfen, was sie in die Finger bekamen. Es wundert mich wirklich, dass sie es überhaupt bis zu diesem technischen Entwicklungsstand geschafft haben.«

»Vielleicht hat es etwas mit der Bevölkerungsdichte zu tun?«

Ich zuckte die Achseln und wechselte das Thema. »Ich habe nach einem unbeschädigten Kanal gesucht. Wegen des Bombardements, das hier niederging, sind einige mit Trümmerteilen gefüllt und manche sogar komplett blockiert. Wir sollten unsere Abenteuerlust besser zügeln.«

»Einverstanden. Wollen wir anfangen?« Damit sprang Howard, ohne meine Antwort abzuwarten, ins Wasser.

Ich folgte ihm unverzüglich und sah, wie er bereits in der Ferne verschwand. Mit mächtigen Schwanzschlägen und dem Einsatz meiner Armhäute machte ich mich an seine Verfolgung. Howard warf einen Blick zurück. »Das ist wirklich großartig. Ich könnte ein Geschäft daraus machen. Besuchen Sie die zerstörte Heimat der Quinlaner. Erzittern Sie beim Anblick zerbombter Städte. Staunen Sie über …«

»Dazu müsstest du dich erstmal trauen, Bridget von dieser Idee zu erzählen.«

Howard lachte. »Erwischt. Sie würde mich auspeitschen. Okay, dann vielleicht doch keine Ruinentour. Aber vielleicht könnten wir einfach die Mannys kopieren und nach Vulkan verfrachten … hmm, vielleicht besser nicht.«

»Was?«

Ich hörte Howard an, dass er lächelte. »Vulkan ist von Dinosauriern bevölkert, auch unter Wasser. Lauter riesige und sehr hungrige einheimische Arten.«

»Auch in den Flüssen?«

»Kann sein. Das müsste ich überprüfen.«

Danach schwammen wir ein paar Minuten lang in trautem Schweigen nebeneinanderher, wobei wir immer wieder innehielten, um versunkene Wracks zu inspizieren. So ähnlich stellte ich mir Flaschentauchen vor, obwohl mir die Menschen, die ich in Tauchvideos gesehen hatte, vergleichsweise plump und langsam vorgekommen ware n. Sie hatten sich im Schneckentempo durchs Wasser mühen müssen, während die Quinlaner sich darin wie Otter bewegten – oder besser gesagt wie Pinguine, da sie nicht ganz so geschmeidig und biegsam wie Otter waren.

»Kurios, an dieser Stelle ist die Strömung überraschend stark«, sagte Howard. »In der Stadt schien es gar kein so großes Gefälle zu geben.«

»Ähm, ich bin kein Experte für Fließgewässer, aber das scheint mir eher besorgniserregend als kurios zu sein.« Ich fand selbst, dass ich mich wie eine Spaßbremse anhörte, doch beim Terraformen auf Vulkan hatte ich gelernt, dass ungewöhnlich zumeist gleichbedeutend mit schlecht war. Von dieser Regel hatte es kaum je Ausnahmen gegeben.

»Klar, okay, hier drüben ist sie noch stärker. Ich schaue mir nur kurz … Aaaah!«

Verdammt! Leider hatte ich mich nicht getäuscht. »Howard? Was ist passiert?«

»Ich werde … uff … runtergesaugt. In eine … au … Art Tunnel. Moment, da oben ist ein Licht … Oh Scheiße!«

Ich befahl der Frachtdrohne, aufzusteigen und einen SUDDAR -Scan von unserer Position zu machen. Währenddessen entfernte ich mich ein Stück von der Stelle, an der Howard verschwunden war.

»Jemand wird mich auflesen müssen«, durchbrach Howard die Stille.

»Was ist passiert?«

»Ich wurde irgendwo weiter oben aus dem Tunnel herausgeschleudert und bin ein Stück durch die Luft geflogen. Aber nicht auf angenehme Weise. Ich glaube, ich habe den Manny kaputtgemacht. Er sendet ein Signal.«

»Die Drohne hat dich lokalisiert. Einen Moment.« Ich klinkte mich in den Videofeed der Drohne ein, die auf einen beinahe komplett ausgetrockneten Kanal hinabsank. Auf einem Haufen Steine und Äste lag eine quinlanische Gestalt. Ein paar ihrer Gliedmaßen standen in eindeutig unnatürlichen Winkeln ab. »Wie konnte das passieren?«

»Ich wurde in einen Tunnel gesaugt und hier wieder ausgespuckt. Ich glaube, ich bin ungefähr fünfzig Meter durch die Luft gesegelt, bevor ich aufschlug. Anscheinend haben die Städtebauer Tunnel zwischen den Kanälen gegraben, um die Pegelstände auszugleichen. Aber dieser Kanal ist ziemlich trocken. Ich wette, weiter oben ist er blockiert.«

Im Videofenster war zu sehen, wie Roamer Howard anhoben und ihn in die Drohne verfrachteten. »Hast du eine Selbstdiagnose durchgeführt?«

»Ja, an diesem Baby muss einiges repariert werden. Ehrlich gesagt überrascht es mich, dass wir uns noch unterhalten können. Das Kommunikationssubsystem ist echt hart im Nehmen.« Er verstummte einen Moment lang. »Erzähl Bridget nichts davon. Sie wird mich umbringen.«

Ich lächelte, was Howard natürlich nicht sehen konnte. »Ich habe gehört, dass du gerade ein neues Red Ale entwickelst. Ich glaube, es soll Riker’s Red heißen.«

»Nein, ich will es …« Er verstummte erneut. »Du bist ein Mistkerl.«

»Ja, aber ein Mistkerl, nach dem ab jetzt ein Red Ale benannt ist.«