8. Kapitel

Küss mich, Liebling, arrk.« »Küss dich selbst.«

»Willst du mich nackt sehen?«

»Und willst du, dass ich dir die Federn ausrupfe und sie dir in deine verdammte Kehle stopfe?«

»Zeig mir deine Beine.«

»Du kannst mich mal.«

»Küss mich, Liebling. Küss mich, Liebling. Küss mich, Liebling.«

Wutschnaubend warf Eirik eine Wolldecke über den Vogelkäfig und murmelte etwas äußerst Unanständiges. Das Gekrächze erstarb sofort.

Eadyth stand sprachlos vor Erstaunen in der Tür zu Eiriks Schlafzimmer. Sie hätte nicht sagen können, was sie mehr erstaunte – ihren Mann ein solch ordinäres Streitgespräch mit einem dummen Papagei führen zu hören oder ihm mit dem Rücken zu ihr und nackt wie am Tag seiner Geburt im Zimmer stehen zu sehen. Das Letztere gewann.

Die Wahrheit war, dass dieser umwerfend gut aussehende Mann, ihr Ehemann, ihr schier den Atem raubte.

Langsam ließ sie ihren Blick von der sonnengebräunten Haut an seinen breiten Schultern zu seinen ausgeprägten Rückenmuskeln, seiner sich verjüngenden Taille und den herrlich schlanken Hüften gleiten. Mit der Zungenspitze fuhr Eadyth sich über ihre plötzlich trockenen Lippen. Selbst seine kräftigen Oberschenkel und sehnigen Waden waren braun gebrannt. Wahrscheinlich trug er nur einen Lendenschurz, wenn er mit seinen Männern trainierte oder sich auf einem Schiff aufhielt. Sein knackiger Po war sein einziges Körperteil, das hell geblieben war.

Na, nicht ganz, berichtigte Eadyth sich schnell, als Eirik sich zu ihr umdrehte. Er hatte auch noch einen anderen ungebräunten Körperteil. Und – oh du meine Güte! – das war ein wirklich sehr bemerkenswerter Körperteil.

Eadyth legte die Hände an ihre brennenden Wangen und zwang sich, ihren Blick zu Eirik zu erheben, der wissend und kühl lächelte. Sein frostiger Blick ließ sie bis ins Mark erschaudern und brachte sie schlagartig zu ihrem augenblicklichen Dilemma zurück – Eiriks Bienenstichen.

»Verschwinde, Eadyth«, sagte er mit erzwungener Ruhe. »Ich werde mich später mit dir und deiner Niederträchtigkeit befassen. Lass mich jetzt bitte mit meinem Elend allein.«

»Es tut mir aufrichtig leid, was im Burghof passiert ist, Eirik. Aber das war wirklich nicht meine Schuld. Bienen stechen nun mal, wenn sie sich bedroht fühlen, und …«

»Bedroht? Sei lieber vorsichtig, Frau Gemahlin, und geh mir aus den Augen, bevor ich dir zeige, was eine wirkliche Bedrohung ist!«

»Warum bist du so wütend auf mich? Du warst es, der die Bienen gereizt hat. Aber so seid ihr Männer nun mal, nicht? Immerzu müsst ihr den Frauen die Schuld an euren eigenen Fehlern geben.«

»Ha, dass ich nicht lache, wer von uns beiden einen Fehler gemacht hat, steht ja wohl außer Frage. Ich kann dir jedenfalls versichern, dass dein größter Fehler war, zu glauben, du könntest mich hintergehen und ungestraft damit davonkommen.« Eiriks Nasenflügel blähten sich, als er mit drohender Miene auf sie zuging.

Verblüfft über seine unbändige Wut trat Eadyth rasch ein paar Schritte zurück und sagte: »Du missverstehst mich ganz bewusst, Eirik. Sei vernünftig. Lass mich wenigstens nach deinen Stichen … Ach du meine Güte!«

Eadyth verstummte, als sie die unzähligen hellen, sich schon rot verfärbenden Stichen auf seinem Gesicht und Nacken, seiner Brust, seinem Rücken und seinen Beinen, ja, auf seinem ganzen Körper sah. Und das Schlimmste war, dass Eirik sich überall dort, wo er mit seinen Fingern hinkam, die Haut aufkratzte.

»Du musst aufhören, dich zu kratzen«, befahl sie und schlug ihm auf die Finger. »Du solltest wissen, du Narr, dass man an einem Bienenstich nicht herumkratzen darf. Man muss zuerst den Stachel aus der Wunde ziehen.«

Ohne ihre Worte zu beachten, trat Eirik in die Fensternische, um besser sehen zu können, während er sich den Hals verrenkte und versuchte, sich auch an den Stichen auf seinem Rücken zu kratzen.

Wieder schob Eadyth seine Hände beiseite und zog ein kleines Messer mit Elfenbeingriff aus der Scheide an ihrem Gürtel. »Warte, lass mich helfen.«

Eirik beäugte die scharfe Klinge in ihrer Hand und lachte humorlos. »Deine Fürsorglichkeit kommt zu spät, meine Teuerste. Ich bin nicht so dumm, dich mit einer Waffe an mich heranzulassen.« Mit blitzartiger Geschwindigkeit nahm er ihr das Messer ab und warf es hinter sich auf einen Tisch.

»Das ist doch lächerlich! Ich will doch nur mit dem Rand der Klinge die Stachel herausziehen. Wenn eine Biene sticht, lässt sie ihren Stachel unter der Haut zurück und stirbt danach, aber …«

»Ha! Genau wie ich dachte! Du sorgst dich mehr um deine kostbaren Plagegeister als um meine Wunden.«

»Oh, wie ungerecht von dir, so etwas zu sagen! Und Bienen sind auch keine Plagegeister. Ich wollte dir nur erklären, dass der Stachel mit größter Vorsicht und so schnell wie möglich entfernt werden muss, weil sein Gift sonst in die Wunde gelangt und eine Entzündung oder sogar Fieber verursachen kann.«

»Das würde dich freuen, was – dich und deinen hinterhältigen Geliebten?«

Eadyth versteifte sich angesichts der nur mühsam unterdrückten Wut in seiner Stimme. »Geliebter? Was für ein Geliebter?« Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen. Doch jetzt war nicht die Zeit für Groll oder Erklärungen. Und so erwiderte sie nur ruhig seinen anklagenden Blick und fragte kühl: »Willst du nun, dass ich dir helfe, oder nicht?«

Er funkelte sie noch einen Moment lang böse an, dann blickte er auf die schon immer deutlicher werdenden Schwellungen an den Stellen, wo er sich gekratzt hatte. »Aber ohne Messer. Benutz deine Fingernägel«, forderte er schließlich.

Eadyth warf einen skeptischen Blick auf ihre kurzen Nägel, ging dann aber doch mit einem ärgerlichen Kopfschütteln zu ihm hinüber. Dachte er allen Ernstes, sie wollte ihn umbringen? So wütend war sie doch über seinen rüden Kuss bei ihrer Verabschiedung doch nun wirklich nicht. Aber dann war ihr Mitgefühl für seine offensichtlichen Qualen stärker als ihr wachsender Verdruss.

»Setz dich«, fordert sie ihn auf und deutete auf einen niedrigen Stuhl am Fenster. Um besser sehen zu können, schlug sie ihren Bienenschutzschleier zurück. Sie hatte an diesem Morgen darauf verzichtet, sich wie üblich das Gesicht mit Asche einzureiben, da sie Eirik erst am nächsten Tag in Ravenshire zurückerwartet hatte. Sie hoffte, dass Eirik, dem immer noch die Tränen in den Augen standen, sich momentan zu elend fühlte, um ihr Aussehen zu bemerken. Es war auf jeden Fall ein Risiko, das sich im Augenblick leider nicht vermeiden ließ.

»Tut es weh?«

»Pinkelt ein Pferd?«

Eadyth schnalzte missbilligend mit der Zunge und erwiderte ärgerlich: »Du machst es einem wirklich nicht leicht, Mitgefühl mit …«

»Spar dir dein Mitgefühl für jemanden, der es zu schätzen weiß. Für deinen Liebhaber vielleicht.«

Eadyth reagierte nun doch äußerst ungehalten. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst!«

Eirik setzte nur eine finstere Miene auf.

»Willst du denn nun, dass ich dir helfe, oder nicht?«

Statt einer Antwort beugte Eirik sich nur vor und stützte seine Arme auf seine weit gespreizten Oberschenkel. Dieser undankbare Flegel! Sie musste sich ermahnen, nachsichtig mit ihm zu sein. Wahrscheinlich konnte er, wie viele Kämpfer, größere Kriegsverletzungen mit Fassung tragen, jammerte aber wie ein Kind über die kleineren Wehwehchen des Lebens wie Zahnschmerzen, ein bisschen Fieber oder einen Bienenstich.

Zuerst befasste Eadyth sich mit seinem Rücken. Behutsam strich sie mit ihrem Fingernagel über den Mittelpunkt jedes Stichs, bis der Stachel heraustrat. Es war keine leichte Aufgabe. Eadyths Finger zitterten, als sie die gebräunte Haut ihres Ehemanns zum ersten Mal berührte und sein Duft sie einzuhüllen begann wie eine Aura aus Seife, Sonnenschein und seinem eigenen männlichen Geruch.

Sie biss sich auf die Unterlippe, um ein zufriedenes kleines Aufstöhnen zurückzuhalten.

»Hast du was gesagt?«

»Nein. Halt deinen Kopf nach unten.«

Eadyth bewegte sich tiefer, zu seiner Taille und seinen Hüften, und drückte prüfend ihre Fingerspitzen auf seine heiße Haut. Heilige Maria Mutter Gottes, sein Körper strahlte eine Hitze aus wie ein Backofen! Hatte er Fieber oder war es nur sein heißes Blut? Und waren alle seine Körperteile so betörend heiß?

Schockiert über ihre eigenwilligen Gedanken rief Eadyth sich zur Ordnung. Sie hatte noch nie solch lüsterne Ideen gehabt, nicht einmal bei Steven. Im Grunde waren ihre Gefühle für Steven immer nur reiner, lauterer Natur gewesen. Bis zu jenem einen, unglücklichen Paarungsakt zumindest.

Es musste an ihrem fortschreitenden Alter liegen, beschloss sie. Sie hatte gehört, dass manche Frauen diese seltsamen Bedürfnisse verspürten, wenn sie älter wurden und reifer. Was für eine andere Erklärung könnte es für diese eigenartige, aber gar nicht unangenehme Schwere in ihren Gliedern sonst geben? Einen langen Moment betrachtete sie Eiriks wohlproportionierten Rücken und weigerte sich zu glauben, dass diese neuen Gefühle einzig und allein nur von der Nähe dieses Mannes herrühren konnten.

»Herrgott noch mal! Wieso dauert das so lange? Oder trödelst du mit Absicht, um mein Elend zu verlängern?«

»Ach, sei einfach still«, verlangte Eadyth.

Als sie mit Eiriks Rücken und seinen Armen fertig war, bat sie ihn aufzustehen, um sich seine Beine vornehmen zu können. Und obwohl sie diesen Körperteil von ihm geflissentlich aussparte, begann doch ihre Haut zu prickeln, als sie sich über ihn beugte und versehentlich mit der Wange mit dem etwas rauen Haar an seinem Bein in Berührung kam.

Es schien eine kleine Ewigkeit zu dauern, die Stacheln aus seinen Beinen zu entfernen.

»Amüsierst du dich gut, Frau Gemahlin?«, fragte Eirik mit vor Spott ganz heiserer Stimme.

»Nein, und du?«, erwiderte sie gedankenlos, und als sie ganz unwillkürlich aufsah, fiel ihr Blick auf sein großes aufgerichtetes Glied, das sich aus dem krausen dunklen Haar zwischen seinen Schenkeln erhob. Sofort wandte sie ihren Blick wieder ab und verfluchte die heiße Röte, die ihr in die Wangen stieg.

Eirik lachte voller Verachtung. »Diesen Teil des männlichen Körpers kümmert es nicht, ob eine Frau schön oder hässlich wie ein Maulwurf ist. Und es beunruhigt ihn auch nicht, ob sie so heimtückisch wie eine schwärende Wunde ist.«

Eadyth presste angesichts seiner verletzenden Worte die Lippen zusammen und würdigte sie keiner Antwort. Sie achtete darauf, ihr Gesicht abgewandt zu halten, als sie sich aufrichtete, um an seiner Brust weiterzumachen. Es war nicht besonders hell im Zimmer, und Eirik wischte sich immer wieder über seine halb geschlossenen Augen, aber sie konnte gar nicht vorsichtig genug sein.

Doch selbst so fiel es ihr schwer, ihr wild pochendes Herz zu beruhigen, das auf Eiriks ungeniert zur Schau gestellte sinnliche Erregung so heftig reagierte. Trotz ihres langjährigen Widerwillens vor der Berührung eines Mannes, trotz Eiriks grausamer Beschuldigungen und trotz der Gefahr, die ihre Empfindungen für ihre ihr so kostbare Beherrschtheit darstellten, merkte sie, wie sie auf seine verführerische Nähe reagierte.

Sich dazu zwingend, mit schriller Stimme zu sprechen, zog sie ihre Schultern ein wenig ein und fragte: »Warum beschuldigst du mich ständig, heimtückisch zu sein? Ich habe nichts getan, um dein Misstrauen zu wecken.«

Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu, sagte aber nichts.

Sie fuhr mit den Fingern durch das krause Haar, das seine flachen Brustwarzen umgab, und entfernte dort die letzten Stacheln. Dann kniete sie vor ihm nieder, um auch nach Stacheln in seinem flachen Bauch zu suchen. Es war eine Haltung, die ihr nicht behagte. In ihrer Verlegenheit achtete sie sorgfältig darauf, Abstand zwischen sich und ihm zu wahren, und vermied es, ihren Blick zu senken.

»Kannst du nicht wenigstens irgendetwas überziehen?«

»Wieso?«

»Es ist schamlos von dir, deinen … deinen Körper so zur Schau zu stellen.«

Er lachte spöttisch. »Es ist nichts, was du nicht auch schon bei deinem Geliebten gesehen hast. Oder ist Stevens Schwanz sehr anders?«

Seine Geschmacklosigkeit schockierte Eadyth so, dass sie ganz blass wurde. Aber dann wich ihr Schock fast augenblicklich Wut. Sie erhob ihre zur Faust geballte Hand, um sie Eirik in den Magen zu schlagen, aber er packte sie am Handgelenk und hielt es schmerzhaft hart umfasst.

»Denk nicht mal daran, mich zu schlagen. In meiner momentanen Stimmung würde ich nicht zögern zurückzuschlagen.«

»Deine Mutter hätte dir dein schmutziges Mundwerk mit Seife auswaschen sollen, als du noch ein Kind warst.«

»Ich hatte keine Mutter.«

»Bist du unter einem Fels zur Welt gekommen?«

Er verdrehte ihr das Handgelenk noch heftiger und musterte sie kalt, als überlegte er, ob er es ihr brechen sollte oder nicht. Schließlich ließ er ihre Hand mit einem angewiderten Schnauben wieder fallen.

Tränen brannten in Eadyths Augen, und sie blinzelte, um sie zurückzuhalten, während sie ihr schmerzendes Handgelenk massierte. »Warum bist so gemein zu mir? Ich habe nichts getan, um dich zu kränken.«

»Meinst du? Na, dann denk noch einmal nach. Das Einzige, was ich von dir verlangte, bevor ich die Verlobungsvereinbarung unterschrieben habe, war Treue. Ha! Die Tinte war kaum trocken, da hast du die Beine schon für einen anderen breitgemacht. Und unsere Ehe ist noch nicht einmal vollzogen!«

Eadyth versteifte sich und legte fragend ihren Kopf ein wenig schief. »Du denkst, ich hätte das Bett mit einem anderen Mann geteilt?«

»Ja, genau das denke ich.«

»Mit wem?«

»Mit diesem verdammten Bastard Steven. Mit wem denn sonst?«

»Bist du verrückt? Du weißt, dass ich ihn hasse.«

»Das habe ich dir auch tatsächlich die ganze Zeit über abgekauft. Aber inzwischen musste ich wohl oder übel erkennen, dass ich dein wahres Ich so gut wie gar nicht kenne. Aber eins kann ich dir sagen, Teuerste: Du wirst zehnfach für deinen Verrat büßen, und damit beziehe ich mich nicht nur auf die Bienenstiche.«

Eiriks absurde Beschuldigungen trafen Eadyth bis ins Mark, und ihr Schmerz darüber verwandelte sich fast augenblicklich in wilde Wut. Sie fuhr herum, um hinauszustürmen, weil sie erst einmal allein sein musste, um über diese absurden Beschuldigungen nachzudenken. Vielleicht konnte Girta ihr erklären, was hier vorging. Aber Eirik packte sie am Oberarm und zog sie grob wieder zurück.

»Bring das, was du angefangen hast, auch zu Ende.«

Eadyth funkelte ihn ärgerlich an. »Wenn du dich vor den Spiegel stellst, solltest du dir die Stacheln an Hals und Gesicht wohl problemlos selbst ziehen können«, erklärte sie und deutete auf das Stück poliertes Metall an seiner Wand.

»Nein. Du wirst meine Stiche versorgen – und zwar alle. Schließlich ist es deine Schuld, dass ich gestochen worden bin.«

Eadyth hatte schon eine bissige Erwiderung auf der Zunge, zwang sich aber zu schweigen. Ohne zu wissen, was in ihrer Abwesenheit geschehen war, wäre jeder Protest gegen Eiriks lächerlichen Verdacht, sie habe einen Geliebten, ohnehin sinnlos.

In seinen Augen loderte ein eisiges blaues Feuer, das von einer solchen Stärke war, dass es alles zu verschlingen drohte.

»Setz dich wieder«, befahl sie ihm kühl. »Und schließ die Augen.« Sie wollte unbedingt vermeiden, dass er ihr aus nächster Nähe ins Gesicht sah.

In der empfindlichen Haut an seinem Nacken steckten nur noch wenige Stacheln, die sich leicht herausziehen ließen, allzumal sich Eadyth auch mit ihren Fingernägeln als einziges Werkzeug recht geschickt anstellte. Danach begann sie mit seinem Gesicht, das er ein wenig anhob, um ihr die Arbeit zu erleichtern.

Was vor kurzem einmal Lachfältchen um seine Augen und seinen Mund gewesen waren, hatte sich für Eadyth in Anzeichen für Grausamkeit verwandelt. Eiriks lange Wimpern lagen wie seidige schwarze Fächer über den dunklen Ringen unter seinen Augen. Er hatte in der vergangenen Nacht offenbar kaum geschlafen – wahrscheinlich, weil er Pläne geschmiedet hat, wie er mich bei meiner Rückkehrt quälen kann, dachte sie bedrückt.

Vorsichtig hielt sie sein trotzig vorgeschobenes Kinn fest und konnte das ärgerliche Zucken unter ihren tastenden Fingern nicht ignorieren. Sie entfernte einen Stachel direkt neben seinem rechten Auge. Es würde sicher zuschwellen, noch bevor es Abend wurde. Sie strich einige Strähnen seines langen, zerzausten Haars zurück, um an die vier Stiche an seiner Stirn heranzukommen, wobei ihr der völlig belanglose Gedanke kam, dass er einen Haarschnitt brauchte. Das glatte, rabenschwarze Haar, das ihm nach angelsächsischer Art bis auf die Schultern fiel, war eindeutig zu lang.

Sie war fast fertig. Gott sei Dank!

»Du hast auch mehrere Stiche unter deinem Schnurrbart. Vielleicht solltest du ihn abrasieren, um die Stacheln herausziehen zu können.«

»Warum ist deine Haut so glatt?«

Es dauerte einen Moment, bis Eadyth seine Worte registrierte. Und da merkte sie, dass seine Augen – strahlend blau wie Gletschereis –, weit aufgerissen waren und er sie prüfend beobachtete. Aus allernächster Nähe.

Sie legte ihre Stirn in Falten und beugte die Schultern, aber es war bereits zu spät.

Eirik umfasste mit einer Hand ihr Kinn und drehte ihr Gesicht ins Licht. »Deine Haut ist gar nicht mehr so grau wie sonst. Und sie ist auch nicht so faltig, wie ich eigentlich gedacht hatte.«

Eadyth konnte das Zittern ihrer Unterlippe kaum unterdrücken, als er sie so eindringlich betrachtete. »Während deiner Abwesenheit war ich häufig in der Sonne. Sonnengebräunte Haut sieht ja immer etwas gesünder aus, nicht wahr?«

Das schien er ihr nicht wirklich abzunehmen.

»Außerdem liegt gute Haut bei uns in der Familie. Es heißt, meine Großmutter habe kaum eine Falte gehabt, als sie mit zweiundfünfzig Jahren starb.«

Oh Gott!, dachte Eadyth verzweifelt. Dies könnte der ideale Augenblick sein, ihm ihre Maskerade zu gestehen, aber angesichts seiner momentanen Stimmung fürchtete sie sich vor seiner Reaktion. Und da ihre Ehe noch nicht vollzogen war, würde er sich problemlos wieder von ihr trennen können. Durfte sie da riskieren, aufrichtig zu ihm zu sein? Nein, beschloss sie; sie würde lieber noch ein bisschen länger warten, bis sie das Missverständnis in Bezug auf Steven aufgeklärt hatte.

Sie musste Eirik ablenken. »Wen du deinen Schnurrbart schon nicht abrasieren willst, dann schließ wenigstens die Augen, damit ich zwischen diesen stacheligen Härchen suchen kann.«

Eirik brummte irgendetwas, das sie nicht verstehen konnte, weil ihre linke Hand auf seinem Mund lag. Tatsächlich fühlten seine Schnurrbarthaare sich gar nicht stachelig, sondern erstaunlich glatt und seidig unter ihren Fingern an, und wider ihren eigenen Willen musste Eadyth daran denken, wie sie sich bei diesem einen sinnlichen, ja, schwindelerregenden Kuss in ebendiesem Zimmer angefühlt hatten.

Eirik schien sich auch genau daran zu erinnern, denn als sie zurücktrat, war seine Stimme ganz belegt. »Bist du fertig?«

»Ja, aber dreh dich noch mal um. Ich muss die Stiche mit etwas einreiben, damit sie nicht anschwellen und sich entzünden.«

Zwei Diener hatten inzwischen eine Wanne voll dampfend heißem Wasser hereingetragen und auch das Salz und die Zwiebeln mitgebracht, die sie verlangt hatte. Nachdem sie den vollen Topf Salz in das Badewasser geschüttet hatte, ging sie zum Tisch, auf dem ihr Messer lag, schnitt eine Zwiebel in zwei Hälften und begann mit ihnen Eiriks Rücken einzureiben.

»Aaah! Das tut gut.«

»Das dachte ich mir. Und nun steh auf, damit ich dir auch die Beine einreiben kann.«

Als sie niederkniete und sich an die Arbeit machte, spürte sie, wie Eiriks Beinmuskeln sich jäh versteiften.

»Was stinkt hier so entsetzlich?«

»Zwiebeln.«

Fluchend griff er nach Eadyth und zog sie auf die Beine. Zuerst starrte er nur fassungslos die beiden Zwiebelhälften in ihrer Hand an, dann die durch den Zwiebelgeruch hervorgerufenen Tränen, die ihr über die Wangen liefen.

»Bei Gott und allen Heiligen! Was fällt dir ein, meinen Körper mit diesem widerlichen Zwiebelsaft einzureiben? Ist das noch so ein Streich, den du mir spielst, während ich hier stehe und leide?«

»Nein. Das weiß doch jeder, dass Zwiebelsaft das beste Mittel zur Vorbeugung gegen Schwellungen nach Bienenstichen sind.«

»Nun, dann soll jeder verdammt noch mal zur Hölle fahren.« Eirik packte sie an der Hand und zog sie mit sich zu der Wanne. Dort gab er ihr ein Tuch und ein Stück Seife. »Du wirst jetzt jeden Tropfen von dem Zeug wieder von mir abwaschen, oder aber ich stecke dir Zwiebeln in den Hals, bis dir der Saft zu den Ohren rauskommt!«

Er ließ sich in das heiße Wasser sinken, sprang aber augenblicklich wieder auf und blieb schaudernd in der Wanne stehen. »Au! Das brennt ja höllisch. Was ist in dem Wasser drin?«

»Salz.«

Eirik stieg aus der Wanne, packte Eadyth an den Oberarmen und hob sie auf, bis sie sich auf gleicher Augenhöhe mit ihm befand.

»Du willst also auch noch Salz in meine Wunden streuen? Du hast die Grenzen der Frechheit wahrlich überschritten, Frau, und bist in die Arena purer Dummheit eingetreten.«

Er schüttelte sie so heftig, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, und ließ sie dann abrupt wieder auf die Füße fallen. Sie starrte ihn entgeistert an, als sich sein gut aussehendes Gesicht zu einer Maske wilder Wut verzog.

»Wie würde es dir gefallen, wenn ich deinen Körper mit Sand abschrubben und dich danach in eine Wanne mit Salzwasser hineinsetzen würde?«

»Das meinst du nicht ernst.«

»Oh, du glaubst, das kann ich nicht?«

Sie wich zurück und stammelte entsetzt: »Du verstehst es nicht … fass mich nicht an … oh, jetzt hast du mein Kleid nass gemacht … lass das … Salz verhindert, dass die Stiche anschwellen und sich entzünden … ehrlich, hör mir doch mal zu … oh, du verdammter Fle …«

Weiter kam sie nicht, denn Eirik hob sie auf, setzte sie, so wie sie war, mit all ihren Kleidern am Körper in die Wanne und drückte ihren Kopf unter das Wasser. Prustend tauchte sie wieder auf, nur um zu hören, wie Eirik gerade sagte: »Und wenn du schon dabei bist, dann wasch dir auch gleich dieses eklige Fett aus deinem Haar. Es stinkt.« Und bevor sie antworten konnte, drückte er ihren Kopf aufs Neue unter Wasser und hielt ihn dort so lange fest, bis ihre Nase brannte.

Als sie schließlich wütend aus der Wanne stieg, hing ihr Haar unter dem durchnässten und verrutschten Schleier heraus, und aus ihrem Wollgewand tropfte das Wasser und bildete eine große Pfütze auf dem mit Binsenstreu bedeckten Boden. »Du … du … du …«, stammelte sie, weil sie nicht einmal in Worte fassen konnte, was sie von ihm hielt.

Und Eirik stand da in seiner ganzen nackten Pracht, die Hände in die Hüften gestemmt, die Beine leicht gespreizt, und bog sich vor Lachen. Als sein Lachanfall vorüber war, sagte er mit spöttischer Belustigung: »So, jetzt fühle ich mich schon sehr viel besser.«

»Du Kröte!«

Noch immer lachend, warf er ihr ein Handtuch zu und bedeutete ihr, sich auf den Stuhl zu setzen. Nachdem er rasch in eine Hose und ein langärmeliges Hemd geschlüpft war, verkündete er in unheilvollem Ton: »Und nun werden wir uns über deine Untreue unterhalten und sehen, was wir wegen dieser völlig unpassenden Verbindung, die wir eingegangen sind, unternehmen werden.«

Eirik ging zu dem kleinen Tisch neben seinem Bett und nahm ein zerknittertes Pergament aus der Schublade. Ohne ein Wort zu sagen, strich er es auf der Tischplatte glatt und reichte es seiner Frau. Dann ging er zur anderen Zimmerseite, lehnte sich dort an die Wand und wartete, bis sie den belastenden Brief gelesen hatte. Seine Haut juckte wie verrückt, aber er kratzte sich nicht und dachte auch nicht einmal daran, Eadyths Zwiebelsaft oder gar das Salzwasser auf seine Stiche aufzutragen. Er würde bis später warten und Wilfrid dann zu der ortsansässigen Kräuterfrau schicken und eine Salbe für ihn holen lassen.

»Nun?«, fragte er schließlich, als Eadyth sich übertrieben lange mit dem Lesen des Schriftstücks beschäftigte. »Hast du denn gar nichts zu deiner Verteidigung zu sagen?«

»Woher hast du diesen Brief?«

»Britta hat ihn unter deiner Matratze gefunden.«

Eadyth Mienenspiel spiegelte unverhohlenes Entsetzen, als sie endlich ihren Blick wieder zu ihm erhob. Eirik schüttelte ungläubig den Kopf. Sie sah wie eine nasse Ratte aus mit ihrem fettigen grauen Haar, das in nassen Klumpen unter ihrem Schleier hervorhing, und den Tränenspuren auf ihren Wangen.

»Ist dir klar, was das bedeutet, Eirik?«, fragte sie besorgt. »Steven, oder einer seiner Männer, ist hier in der Burg gewesen.«

»Sag mir etwas, was ich noch nicht weiß«, erwiderte Eirik sarkastisch. »Wie zum Beispiel wo und mit wem zum Teufel du in den vergangenen vier Tagen warst.«

Eadyth winkte ab, als wäre seine Frage ganz und gar bedeutungslos. »In Hawk’s Lair. Wie du bereits weißt. Aber was ich meinte, ist, dass wir bessere Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen, wenn Steven diese Burg so problemlos betreten kann. Er könnte meinen … oh, mein Gott, er hätte mir John wegnehmen können!«

»Ja, das hätte er gekonnt. So wie ihr es geplant hattet.«

Eadyth runzelte verwirrt die Stirn. Oh ja, das hinterhältige kleine Biest konnte sich wirklich gut verstellen. Eirik hätte ihr schon beinahe glauben können. »Ich habe gewiss keine Jungfräulichkeit von dir erwartet, Teuerste, aber ich hätte auch nicht gedacht, dass ich so kurz nach der Hochzeit schon Hörner aufgesetzt bekommen würde.«

»Wie meinst du das?«, fragte sie mit zittriger Stimme. »Soll das etwa heißen, dass du die Lügen in diesem Brief glaubst? Willst du etwa andeuten, dass ich … dass ich mit dem Mann zusammen war, der mir meinen Sohn wegnehmen will?«

»Es deutet alles darauf hin. Und ich habe nur dein Wort darauf, dass er dir Schaden zufügen will«, erwiderte Eirik achselzuckend, während er zu Eadyth hinüberging und ihr den Brief aus ihren Händen nahm. »Halte durch, Liebste, nur noch ein bisschen länger, bis wir endlich wieder vereint sein können …«, las er in sarkastischem Tonfall vor. »Deines Herzens wahrer Gatte, Steven

Eadyth erhob sich so abrupt, dass sie dabei den Stuhl umstieß. Mit vor Wut hochroten Wangen fauchte sie ihn an: »Du denkst, ich wäre Stevens Hure?« Als Eirik nicht antwortete, murmelte Eadyth einen Fluch und stieß dann mit schriller, aufgebrachter Stimme hervor: »Du verdammter Bastard! Die einzig wahre Behauptung in diesem Schreiben ist, dass Steven dich als Scheusal von Ravenshire bezeichnet! Denn ein Scheusal bist du, wenn du so etwas von mir denkst.«

Wieder glänzten ihre Augen verdächtig, aber ihre Tränen ließen Eirik kalt. Sie hatte gemeinsam mit seinem verhassten Feind ein falsches Spiel mit ihm getrieben, und das konnte er nicht hinnehmen.

»Wenn du doch weißt, wie niederträchtig Steven ist, warum kannst du diesen Brief dann nicht als das hinterhältige Manöver erkennen, das er ist? Er wurde mir untergeschoben, um uns gegeneinander aufzubringen und damit unsere Bemühungen, ihn nicht an seinen Sohn heranzulassen, zunichte zu machen. Und dank deiner Leichtgläubigkeit ist ihm das ja auch gelungen, du verdammter Narr!«

Und damit fuhr sie herum und lief, so schnell ihre Füße sie trugen und es ihre nassen Kleider erlaubten, auf die Tür zu. Einen Moment lang fragte Eirik sich, ob er ihr vielleicht Unrecht getan hatte, aber dann erinnerte er sich an den anderen, noch viel wichtigeren Teil des Briefs.

»Erwartest du ein Kind? Ein … weiteres Kind von Steven?«

Sie schnappte nach Luft und richtete sich kerzengerade auf. Dann wandte sie sich langsam um, und kalter Zorn sprühte aus ihren veilchenblauen Augen – erstaunlich schönen Augen für eine alte Frau, dachte Eirik in diesem Moment unpassenderweise.

»Nein, ich erwarte kein Kind. Aber vielleicht traust du mir ja auch noch eine unbefleckte Empfängnis zu!«

Eadyths Sarkasmus irritierte ihn. Sie hatte keinen Grund, gekränkt zu sein. Der Betrogene war schließlich er.

»Ich werde nicht noch einen von Stevens Bastarden beherbergen«, erklärte er. »Einer ist genug.«

Ihre Wangen glühten, und er sah, dass sie beide Hände zu Fäusten geballt hatte. Dann griff sie nach der Scheide an ihrem Gürtel und vergaß anscheinend, dass ihr kleines Messer noch immer auf dem in einiger Entfernung stehenden Tisch lag. Eirik war nicht so schwachsichtig, dass er den spekulativen Glanz in ihren Augen hätte übersehen können, als sie die Entfernung abschätzte und überlegte, ob sie es wohl schaffen würde, das Messer zu ergreifen und ihn zu erstechen.

»Denk nicht mal daran, denn sonst könntest du mit durchschnittener Kehle enden, bevor du auch nur blinzeln kannst.«

Angesichts dieser Alternative hielt sie es wohl für besser aufzugeben, denn nun schob sie das Kinn vor und starrte ihn schweigend an. Wenn sie doch nur wüsste, wie lächerlich sie aussah, dachte er, mit dieser finsteren Miene und den nassen Kleidern, die eine Pfütze zu ihren Füßen hinterließen.

»Diese Ehe wird nicht eher vollzogen werden, bis du deine Monatsblutung hast und ich sicher kann, dass du keinen Bankert in dir trägst.«

»Und wenn das Gegenteil sich als wahr erweist?«, höhnte sie mit unverhohlener Verachtung in der Stimme.

»Dann werde ich entscheiden, ob ich mit einer weiteren unaufrichtigen Ehefrau leben will.«

»Einer weiteren?«

Eirik bemerkte seinen Fehler augenblicklich, weigerte sich aber trotzdem, ihre Frage zu beantworten.

Eadyth musterte ihn hochmütig und wiederholte dann noch einmal: »Ich erwarte kein Kind.«

Er zog nur zweifelnd eine Augenbraue hoch.

Ihr Gesicht lief tiefrot an, aber sie erwiderte ruhig und offen seinen Blick. »Ich habe gerade meine Blutung.«

Dieses Eingeständnis überraschte Eirik. War es möglich, dass er sich geirrt hatte? Aber Stevens während all der Jahre an den Tag gelegte Heimtücke hatte ihn gelehrt, allzeit misstrauisch zu sein. Und deshalb konnte er gar nicht anders, als hartnäckig auf seiner Haltung zu beharren: »Woher soll ich wissen, dass du nicht lügst?«

Sie kräuselte verächtlich ihre Lippen. »Was soll ich denn tun, Mylord? Mein Kleid hochheben und Euch den blutbefleckten Lappen zeigen?«

Ihre Verachtung entwaffnete ihn. Das und auch ihr offenbar zutiefst verletzter Stolz.

»Ja, das wäre ein guter Anfang.«

Mit weit aufgerissen Augen wich sie furchtsam nach und nach Richtung Tür zurück. »Du … das kannst du nicht von mir verlangen«, stammelte sie mit zitternder Stimme.

»Darauf würde ich nicht wetten. Komm her, Eadyth, und beweis mir deine Unschuld.«

Sie sog scharf den Atem ein und wandte sich, die Hand schon an der Tür, schnell ab, aber er war sogar noch schneller und verstellte ihr den Weg. Sie fuhr alarmiert vor ihm zurück wie eine nasse Katze, bewegte sich rückwärts tiefer in den Raum hinein und sah sich fieberhaft nach einer Waffe um.

»Oh nein, oh bitte tu das nicht! Du hast mich völlig falsch beurteilt. Ich kann dir erklä …«

Eirik unterbrach ihre schon schon fast hysterischen Erklärungsversuche, indem er sie aufhob, sie zu seinem Bett hinübertrug und alles andere als sanft auf die Matratze plumpsen ließ. Er zögerte nicht, sich zu ihr zu legen, obwohl sie wild fuchtelnd mit den Armen um sich schlug und ihre Fingernägel seine ohnehin schon wunde Haut zerkratzten.

Ohne ihre großen, furchtsamen Augen zu beachten, kniete er sich über sie und hielt ihr mit einer Hand die Hände über dem Kopf fest. Trotz der Furcht, die sie unter Kontrolle zu halten versuchte, war ihr Kinn so trotzig vorgeschoben wie das einer Märtyrerin.

Eirik zögerte. Und wenn sie nun doch unschuldig war?

»Sag mir die Wahrheit, Frau. Hast du mich, seit wir die Verlobungsvereinbarung unterschrieben haben, auf irgendeine Weise hintergangen?«

In der spannungsgeladenen Stille, die nun folgte, zögerte Eadyth für einen Moment und senkte schuldbewusst die Augen zu Boden. Als sie schließlich vorsichtig zu sprechen begann: »Es gibt da eine Kleinigkeit …«, war es Eiriks Meinung nach schon zu spät. Ihr Zögern sprach schließlich für sich selbst.

Verächtlich schnaubend drückte Eirik sie mit seinem Körper noch fester auf das Bett.

»Das werde ich dir nie verzeihen, du Tier! Schlimmer noch, du wirst es dir selbst niemals verzeihen, wenn du die Wahrheit herausfindest!«

»Nein, ich werde es mir nie verzeihen, wenn ich mir nicht Gewissheit darüber verschaffe, ob du mich betrogen hast.« Eirik, der von wildem Zorn und rasender Erbitterung wie benebelt war, schob Eadyth das Kleid bis zur Taille hinauf und entblößte ihre langen Beine.

Und den blutbefleckten Lappen zwischen ihren Schenkeln.

Eirik blickte auf und sah die Tränen der Demütigung, die aus ihren geschlossenen Augen rannen. Eine innere Stimme befahl ihm beharrlich, Eadyth loszulassen, sich mit dem Beweis, den er vor Augen hatte, zu begnügen, aber gleichzeitig hatte ihn eine rasende Wut erfasst und ließ ihn völlig außer Rand und Band geraten. Das Blut dröhnte in seinen Ohren, als er die Grenze seiner Belastbarkeit erreichte. Zu lange hatte er Stevens Hinterhältigkeit hinnehmen müssen, um sich mit weniger als dem endgültigen Beweis zufriedenzugeben. Selbst das blutbefleckte Tuch könnte eine raffinierte Täuschung sein.

Rücksichtslos griff er nach Eadyths Kleid, riss es ihr vom Leib und warf es in die Binsenstreu. Schnell, bevor sie merken konnte, was er vorhatte, spreizte er mit seinen Knien ihre Schenkel und drang dann tief mit seinem Mittelfinger in sie ein.

Eadyth begann zu schreien, laut und gellend. Eirik wusste nicht, ob aus Demütigung oder Schmerz.

Und da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, noch bevor er den Finger wieder zurückzog und den blutigen Beweis sah. Sie erwartete kein Kind von Steven.

Eadyth blieb reglos liegen und bemühte sich nach Kräften, das Schluchzen zu unterdrücken, das ihren schmalen Körper schüttelte. Ihre hellen Augen starrten blicklos an die Zimmerdecke.

Eirik sprang erschüttert auf und ging zu der Wand neben dem Fenster, wo er wütend mit der Faust gegen die Steinmauer schlug, bis seine Knöchel bluteten.

Noch nie in seinem Leben hatte er sich so geschämt.