Kurz später rief Eadyth sämtliche sich innerhalb der Burgmauern aufhaltende Bedienstete zusammen, damit sie ihr für den Rest des Tages beim Honigsammeln halfen. Die Frühlingsernte ergab stets die größte Menge und den von der Qualität her besten Honig, aber seine Verarbeitung war eine anstrengende und oft auch ausgesprochen klebrige Prozedur.
Bevor Eadyth sich an diese Arbeit machte, die ihr von allen Aufgaben einer Burgherrin die liebste war, zwang sie jeden, der in die Küche kam, sich mit Seife die Hände zu schrubben und saubere Übertuniken anzuziehen. Sie untersuchte sogar die Honigwaben auf Sauberkeit und entfernte peinlich genau auch die kleinsten Überreste von Staub oder Insekten.
Einige dieser Honigwaben zerteilte sie in Stücke und füllte sie in spezielle Tonbehälter, für die Kunden, die es vorzogen, ihren Honig direkt aus der Wabe zu verzehren. Den größten Teil der wächsernen Bienenwaben hob Eadyth allerdings für ihren eigenen Gebrauch auf. Von diesen verkaufte sie nur den Honig.
Sie bestand darauf, einige der Aufgaben, die spezielle Fachkenntnisse verlangten, persönlich zu verrichten. Mit kritischen Augen überprüfte sie zunächst die Farbe des Honigs in den Waben und sortierte sie entsprechend.
»Was macht das für einen Unterschied? Honig ist Honig«, maulte Bertha, die die vielen Helfer, die ihre Domäne bevölkerten, so schnell wie möglich wieder loswerden wollte. Inzwischen war die dank Eadyths Reinlichkeitsregeln blitzsaubere Küche Berthas ganzer Stolz.
»Es macht einen großen Unterschied, Bertha. Siehst du diesen hellgelben Honig? Der ist von Löwenzahnblüten. Der weißlich-gelbe kommt vom Klee. Obstblüten, wie die der Kirschbäume, verleihen den Honig ein leicht goldenes Gelb. Ich beschrifte meine Gefäße gern, damit die Leute, die meinen Honig kaufen, wissen, welche Sorte sie kaufen.«
Bertha brummte: »Manche Leute sind eben viel zu eigen, scheint mir.«
Eadyth lächelte nur, als sie mit einem scharfen, über dem Feuer erhitzten Messer die Deckel von den Bienenwaben entfernte. Es war eine Prozedur, die schnell und sicher und geschickt erledigt werden musste, um zu vermeiden, dass etwas von dem kostbaren Bienennektar verloren ging und der ganze Arbeitstisch bekleckert wurde.
Danach reichte Eadyth die Waben dann an Britta weiter, die sie in locker gewebte Tücher über großen irdenen Töpfen neben der warmen Feuerstelle legte, um den süßen Nektar aus den wächsernen Bienenwaben herauszuseihen. Später würde Bertha die ausgelaufenen Waben in einer großen Schüssel gut zerstampfen. Die so entstandene Masse würde dann ebenfalls in ein sauberes Durchseihtuch über einem anderen Topf neben dem Feuer gelegt werden. Dieser zweite Extrakt würde von minderwertigerer Qualität sein, und auch wenn er nicht auf dem Markt von Jorvik verkauft werden konnte, würde er doch immer noch für den Küchengebrauch geeignet sein.
Eadyth gab die Wabenteile und Wachskappen, die sie vorher abgeschnitten hatte, in warmes Wasser, um sie gründlich zu reinigen, und legte sie dann zum Trocknen aus. Sie würden aufbewahrt bis zum Herbst werden, um aus ihnen Bienenwachskerzen herzustellen.
Später schnitt sie die Durchseihtücher in schmale Streifen, die sie John, Larise und Godric als kleine Naschereien zum Lutschen gab und mit denen sie sie auf den Hof hinausschickte. Die Kinder, die ständig in Begleitung von mindestens zwei von Eiriks Wachen waren, hatten sich unter dem Vorwand helfen zu wollen den ganzen Morgen in der Küche herumgedrückt, aber im Grunde doch mehr Unsinn angestellt als tatsächlich irgendetwas Sinnvolles zu tun.
»Dürfen wir mit Prinz im Obstgarten spielen?«, fragte John, als Eadyth ihm mit einem feuchten Tuch die klebrigen Finger abwischte.
»Nein, Schatz. Dein Vater will, dass ihr heute alle in der Burg bleibt.« Seit der Hochzeitsfeier gab Eadyth sich die größte Mühe, Eirik ihrem Sohn gegenüber immer als seinen Vater zu bezeichnen, und ihr kleiner Junge überraschte sie damit, dass er ihn so ohne weiteres als solchen akzeptierte.
Nun blickte John aus ebenso schönen blauen Augen, wie Eirik sie hatte, zu ihr auf und murrte: »Aber niemand will uns in seiner Nähe haben. Alle sagen, wir sollen aufhören, sie zu stören. Wir machen zu viel Krach. Vater sagte, er würde uns beibringen, wie man von den Zinnen spuckt, wenn er wieder da ist, aber bis dahin könnte es schon zu dunkel sein.«
Eadyth bedachte Johns Begeisterung über das Spucken mit einem abfälligen Laut und sagte dann: »Warum bittet ihr nicht Onkel Wilfrid, euch dieses Brettspiel beizubringen, Schatz? Hnefatafl, nennen es die Wikinger, glaube ich.«
Sein trübseliges Gesicht hellte sich auf, und er war so enthusiastisch, dass er Larise und Godric, die neben ihm standen, seine neuen Pläne geradezu zuschrie. Eine Minute später rannten sie kreischend vor Vergnügen aus der Küche.
Wilfrid würde später sicher einiges über den Gefallen zu sagen haben, den Eadyth ihm damit erwiesen hatte. Aber in der Küche atmeten alle erleichtert auf, als endlich wieder Stille herrschte.
»Du liebe Güte, ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Gequake und Gebrüll gehört«, stellte Bertha lächelnd fest.
»Dieser Godric hat nie mehr als ein, zwei Worte von sich gegeben, bevor John und Larise hierher kamen«, fügte Britta kopfschüttelnd hinzu. »Und jetzt plappert der Kleine pausenlos.«
Eadyth sagte nichts, weil sie wusste, dass beide Frauen, obwohl sie sich so viel beschwerten, entzückt über den Trubel waren, den die Kinder in die vor kurzem noch so trostlose Burg gebracht hatten. Und trotz der ständigen Bedrohung durch Steven begann auch Eadyth sich unter Eiriks Schutz allmählich zu entspannen und Gefallen am Familienleben auf der Burg zu bekommen.
Am späten Nachmittag, nachdem sie die Küche endlich wieder aufgeräumt hatten, betrachtete Eadyth voller Stolz die lange Reihe von Tongefäßen – zwanzig Töpfe mit Bienenwaben und fünfzig mit durchgeseihtem Honig, alle mit einem hübsch beschriebenen kleinen Schild versehen, das die darin enthaltene Sorte benannte.
»Was riecht hier so fürchterlich?«
Als Eadyth aufblickte, sah sie Eiriks hochgewachsene Gestalt in der Tür zur Küche stehen. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein viel zu langes Haar. Seine Kleidung war verschmutzt. Und sie hätte schwören können, dass sie von der anderen Seite des Raums her seinen Magen knurren hören konnte.
Ihr Mann war seit dem frühen Morgen zu den nördlichsten Grenzen seiner Ländereien unterwegs gewesen, um sich ein Bild von den von dort gemeldeten neuen Schandtaten zu machen. Eadyth war gespannt zu erfahren, was er herausgefunden hatte, aber seine finstere Miene ließ darauf schließen, dass er vollkommen erschöpft war. Deshalb beschloss sie, noch ein wenig abzuwarten, bevor sie ihn mit ihren Fragen bombardierte.
In der Zwischenzeit beauftragte sie einige der Küchenmägde, die Tafeln im großen Saal zum Abendessen aufzudecken. Dann wandte sie sich wieder ihrem noch immer demonstrativ schnuppernden Ehemann zu.
»Das ist mein Honig«, erklärte sie verteidigend und versuchte, ihr wild pochendes Herz unter Kontrolle zu bringen. Es war das erste Mal, dass sie ihren Mann sah, seit sie in der Nacht zuvor das Bett mit ihm geteilt und er ihren nackten Körper so intim berührt hatte. Sie zog den Schleier etwas tiefer, um das ihr mittlerweile schon allzu vertraute Erröten zu verbergen. »Magst du keinen Honig?«
»Ich liebe Honig, aber von zu viel Süßem kann einem auch übel werden. Die ganze Burg riecht schon danach. Sogar der Burghof draußen. Es sind so viele Fliegen draußen, dass einige sogar von Jorvik hergekommen sein müssen.«
Eadyth versteifte sich bei seiner spöttischen Bemerkung. »In Hawk’s Lair hatte ich einen separaten Schuppen in einiger Entfernung von der Burg für die Verarbeitung des Honigs. Und die Fliegen werden in ein, zwei Tagen schon wieder verschwinden.«
»Oh, ich wage zu behaupten, dass sie sogar noch schneller verschwinden werden«, entgegnete er gedehnt, »insbesondere, da sie jede Krähe aus sämtlichen Grafschaften Northumbrias angelockt zu haben scheinen. Es liegt so viel Vogeldreck im Burghof, dass ich den normalen Schmutz darunter kaum noch sehen konnte.« Dann senkte er vielsagend den Blick auf seine weiß gesprenkelten Stiefel, die bereits Spuren auf dem frisch geschrubbten Küchenboden hinterlassen hatten, und lächelte ein bisschen boshaft. »Vielleicht solltest du deine Putzbrigade noch mal hierher beordern. Die dummen Vögel da draußen haben noch nichts von deinen strengen Reinlichkeitsregeln gehört.«
Eadyth reagierte ungehalten auf seine spöttische Kritik. Scherzte er nur? Oder missfiel ihm ihre Vorstellung von Sauberkeit tatsächlich?
Als Bertha und Britta begannen, die Tongefäße hinüber in die Spülküche zu tragen, trat Eirik näher an den Tisch heran, wo Eadyth stand. Während er einen Blick über ihre Schulter warf, legte er in plump-vertraulicher Manier eine Hand auf ihre rechte Pobacke und ließ sie dort auch liegen.
Eadyth ging fast in die Luft. »Nimm sofort die Hand weg, du lüsterner Flegel«, zischte sie.
»Oh, Verzeihung, Gnädigste«, sagte Eirik und setzte eine Unschuldsmiene auf. »Ich dachte, es sei die Tischkante, die ich umfasste.«
Eadyth funkelte ihn nur wütend an.
»Ich muss wohl vergessen haben, es zu erwähnen, aber ich habe ein Problem damit, die Dinge aus der Nähe zu erkennen.« Als wollte er seine Sehschwäche noch betonen, schielte er sie aus zusammengekniffenen Augen an.
Eadyth warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, nicht sicher, ob sie ihm glauben sollte, dass er nur versehentlich ihren Po berührt hatte. Als sie aber Bertha ansah, die neben ihr die letzten Töpfe einsammelte, verdrehte die Köchin ihre Augen und flüsterte gedämpft: »Was sagte ich über lüsterne Männer? Als Erstes kommen für sie die Titten und dann der Arsch.«
Eadyth musste ein Kichern unterdrücken. Ein Kichern! Heilige Maria Mutter Gottes! Der Mann macht mich noch ganz verrückt.
Aber Eadyth vergaß Eiriks dreisten Übergriff, als sie sah, was er mit ihrem Honig machte. Zuerst tauchte er einen Finger in den Topf mit ihrem besten Kleehonig und leckte seinen Finger ab. Dann wollte er auch den Inhalt eines anderen Topfs probieren, aber sie schlug seine Hand gerade noch rechtzeitig weg.
»Bist du verrückt? Das ist der Honig für meine Kunden in Jorvik. Wer soll ihn noch kaufen wollen, wenn du schon deine schmutzigen Fingern reingesteckt hast?«
Aber Eirik grinste nur und tat, als würde er sie nicht hören, als er einen Finger in den nächsten Topf steckte und dann den Honig achtlos auf den sauberen Tisch tropfen ließ, während er ihr den Finger an die Lippen hielt, um auch ihr etwas von dem süßen Nektar anzubieten. »Hier, probier mal, meine Teuerste. Es ist stets das Beste, seine eigenen Waren selbst zu kosten. Außerdem brauchst du etwas, das dich milder stimmt.«
»Ich habe für heute genug probiert«, protestierte sie und wich zurück. Aber er folgte ihr hartnäckig, schwenkte seinen mit Honig überzogenen Finger vor ihren Lippen und ließ dabei versehentlich sogar etwas von dem Honig auf ihren Busen tropfen. Zu ihrem Entsetzen erweckte Eirik für einen Moment den Anschein, als dächte er daran, ihn abzulecken, aber dann drückte er zum Glück nur seine Fingerspitze an ihre Lippen.
»Probier mal.«
»Nein. Herrgott noch mal, Eirik, benutz doch wenigstens einen Löffel. Hast du denn überhaupt keine Manieren?«
»Offensichtlich nicht.« Er grinste noch immer, und seine verführerische Nähe ließ Eadyths Herz wie wild gegen ihre Rippen hämmern. Er roch nach Pferd und Schweiß und Rauch und Mann. Statt angewidert zu sein, fühlte Eadyth sich auf unerklärliche Weise sogar von seinem Geruch angezogen. Er verunsicherte sie, dieser Mann, und das behagte ihr ganz und gar nicht. Und nun, da er seinen Schnurrbart abrasiert hatte, sah er auch jünger, nicht so hart und viel zu anziehend und attraktiv aus.
Sie war mittlerweile bis zur Wand zurückgewichen, und da sie nicht noch mehr Aufsehen erregen wollte, fuhr sie mit der Zungenspitze über seinen Finger. Das war ein großer Fehler.
Sei vorsichtig, ermahnte sie sich im Stillen, als sämtliches ihr bislang unbekanntes erotisches Leben in ihrem Körper jäh erwachte. Du hast dich schon einmal von einem verteufelt gut aussehenden Mann becircen lassen. Dieser hier könnte dich genauso leicht ausnutzen, wie Steven es getan hat.
Eadyth konnte aber das herrliche Gefühl ihrer über die raue Haut seines Zeigefingers streichenden Zunge nicht ignorieren. Es wurde immer intensiver und machte ihr ihre Weiblichkeit bewusst. Es ließ sie sich ganz schamlos fühlen. Und so wunderbar, dass sie seine Haut von neuem kosten wollte.
Es wäre besser, es nicht zu tun.
Aber sie tat es trotzdem.
»Hm«, murmelte sie, »das ist der Kirschblütenhonig.« Und nun geh, du teuflischer Verführer, bevor ich irgendetwas Dummes tue. Wie dir das Haar aus der Stirn zu streichen. Oder mit meinen Händen über deine breite Brust zu fahren. Oder – Heilige Maria Mutter Gottes –, meinen niedrigeren Instinkten nachzugeben und den Kopf zu heben, um den Honig auf deinen Lippen zu kosten.
»Probier noch mal«, forderte er sie mit rauer Stimme auf. Sein Finger war ihren Lippen immer noch verlockend nahe.
»Eirik, ich …«
Aber er legte seine andere Hand an die Wand über ihrem Kopf und beugte sich geradezu sündhaft nah zu ihr vor. Schamlos steckte er ihr seinen Finger in den Mund, sodass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als ihn abzulecken und daran zu saugen, vor allem, als er ihn noch weiter in ihren Mund schob und ihn dann wieder herauszog. Aus irgendeinem Grund, den sie sich nicht erklären konnte, dachte sie plötzlich an diesen für sie völlig neuartigen Zungenkuss, den er ihr in ihrer Hochzeitsnacht in seinem Schlafzimmer gegeben hatte. Und der ihr so unerhört und schamlos gut gefallen hatte.
Bald hatte Eadyth den Honig vollkommen vergessen, als Eiriks geschickte Finger eine sehr verwunderliche Reaktion in anderen Teilen ihres Körpers verursachten. Ihre Brüste fühlten sich plötzlich voller an. Ihr Blut schien sich zu verdicken und eine merkwürdige Trägheit in ihren Armen, Beinen und, oh Gott, auch an der geheimsten Stelle zwischen ihren Schenkeln auszulösen. Sie wollte ihre Arme um seinen Nacken legen und ihn noch näher an sich ziehen. Aber sie zwang sich, sich zusammenzunehmen, und griff auf den kleinen Teil ihres besseren Ichs zurück, der noch nicht völlig von Schamlosigkeit beherrscht war.
Das einzig Gute war, dass Eirik nicht mehr grinste. Stattdessen verdunkelten sich seine blauen Augen, und seine Lippen öffneten sich und kamen näher. Er starrte ihren Mund an wie ein Verhungernder, dem plötzlich ein Festessen geboten wurde.
Eadyth wehrte sich gegen die Anziehungskraft seines Blicks und versuchte, diesem Charmeur von einem Mann zu widerstehen, der mit einem bloßen Finger ihre Sinne erwecken und entflammen konnte. Sie musste sich wohl in eine lüsterne Frau verwandelt haben. Oh, natürlich würde er sie bestimmt nicht hier vor allen Leuten in der Küche küssen. Aber das war Eadyth egal. Aus irgendeinem Grund, den sie nicht verstehen konnte, und wider ihr besseres Wissen beugte sie sich aus heftigem Verlangen nach seinen Lippen zu ihm vor und wünschte sich etwas, das sie nicht benennen konnte, von dem sie aber wusste, dass es ihr enorme Befriedigung verschaffen würde.
Berthas anzügliches Kichern von der anderen Seite des Raums brachte ihnen schlagartig wieder zu Bewusstsein, wo sie sich befanden, aber trotzdem zog Eirik sie rasch noch einmal näher, und durch ihren Schleier spürte sie seinen warmen Atem an ihrem Ohr, als er ihr zuflüsterte: »Würdest du auch den Honig von meiner Zunge schlecken, meine Teuerste, wenn ich heute Abend einen Topf in unser Schlafzimmer mitbringe?«
Eadyths Herz überschlug sich fast vor Schreck, aber dann durchflutete sie ein erwartungsvolles Prickeln, das ihr für einen Moment den Atem raubte.
»Vielleicht werde ich ja diesmal nicht so müde sein«, sagte er mit einem verheißungsvollen Unterton in seiner Stimme, während er sie von der Wand wegschob und die Gelegenheit nutzte, um sie in den Po zu kneifen. Bevor sie ihn deswegen tadeln konnte, fragte er: »Hast du diese entzückenden Laute geübt, die ich dir gestern Abend vorgemacht habe?«
Eadyth blieb rebellisch stehen und weigerte sich, auch nur einen einzigen weiteren Schritt zu tun. Entrüstet drehte sie sich um, legte beide Hände an seine Brust und versetzte ihm einen kräftigen Stoß, um ihm ihr Missfallen zu zeigen. Aber er rührte sich kein bisschen.
Stattdessen ergriff er ihre Hand, zog sie aus der Küche durch den Gang der Burg und blickte sich dann über seine Schulter nach ihr um. »Du hältst besser den Mund, Eadyth, angesichts all dieser Fliegen hier. Du riechst wie ein Honigtopf und solltest aufpassen, dass die Tierchen dich nicht für einen solchen halten und in dich hineinfliegen.«
Verärgert über sich selbst presste sie die Lippen zusammen und schwor sich, ihre aufgewühlten Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Wenn sie doch nur aufhören könnte, auf seine ständigen Neckereien einzugehen. Dieser charmante Wüstling ging ihr langsam unter die Haut und würde sie schon bald mit seiner verführerischen Art beherrschen. Das konnte sie nicht zulassen.
Aber dann vergaß sie ihren Ärger, als Eirik sagte: »Ich muss unter vier Augen mit dir über Steven und die Ergebnisse unserer heutigen Ermittlungen sprechen.«
»Steven! Oh, heilige Maria Mutter Gottes!« Eadyth machte sich nun Vorwürfe, weil sie vorübergehend die Gefahr vergessen hatte, die sie überhaupt nach Ravenshire geführt hatte. Wie dumm von ihr, auch nur für kurze Zeit in ihrer Aufmerksamkeit nachzulassen! Was hatte dieser niederträchtige Steven jetzt getan? Eiriks düsterer Miene nach zu urteilen, musste es etwas Schlimmes sein.
Als sie in dem privaten kleinen Zimmer neben dem Burgsaal waren, ließ Eirik sich auf einen Stuhl fallen und gab Eadyth mit einer Handbewegung zu verstehen, sich ebenfalls zu setzen. Zum ersten Mal bemerkte Eadyths Eiriks Zustand wirklich. Er hatte seinen Kettenpanzer abgelegt, trug aber immer noch den gepolsterten und gesteppten Brustschutz und seine dicken Wollhosen. Kratzer, Prellungen und Ruß bedeckten sein Gesicht und seine Arme. Ruß?, dachte Eadyth beunruhigt.
»Es hat irgendwo gebrannt, nicht wahr?«
Er nickte.
»Die Bauernkaten am nördlichen Ende deiner Ländereien?«
Eirik schüttelte müde den Kopf und schenkte Met in zwei große Kelche ein, von denen er ihr einen reichte.
»Nein«, lehnte sie ab, weil ihr Magen rebellierte. Der starke Honiggeruch, der offenbar tatsächlich bis in den letzten Winkel der Burg vorgedrungen war, und Eiriks Neuigkeiten verursachten ihr Übelkeit.
Aber er drückte ihr den Kelch in die Hand. »Trink.«
Seine blauen Augen musterten sie prüfend, aber Eadyth kümmerte es nicht mehr, ob er ihre Verkleidung durchschaute oder nicht. Sie hatte ein flaues, ungutes Gefühl im Magen – starkes Schuldbewusstsein, weil sie Eiriks Leuten vielleicht Unglück gebracht hatte. Und dieses Schuldgefühl überwog die Sorge um ihre lächerliche kleine Maskerade.
Eiriks grimmige Miene beängstigte sie, und sein Beharren darauf, dass sie etwas trank … nun, dafür konnte es nur eine Erklärung geben. Sie nahm einen großen Schluck, schmeckte den Honigwein aber kaum, als er an dem sich rasch in ihrer Kehle bildenden Kloß vorbeifloss, und leerte dann rasch den ganzen Kelch in einem Zug.
»War es in Hawk’s Lair?«
»Ja.«
»Wie konnte das passieren?«, rief sie. »Ich hatte die Burg sehr gut beschützt zurückgelassen.«
Eirik schüttelte den Kopf. »Es war nicht die Burg. Die Burg und seine Mauern sind noch unversehrt.«
Eadyth runzelte verwirrt die Stirn und wartete auf die Erklärung ihres Ehemanns.
Plötzlich zog Eirik seinen Stuhl näher an ihren heran, sodass sie beinahe Knie an Knie dasaßen. Sanft nahm er ihre beiden Hände in die seinen. Doch statt sie zu trösten, erfüllte Eiriks Besorgtheit sie mit einem zunehmenden Gefühl der Angst. Dann überraschte er sie, indem er das Thema wechselte. »Sag, Eadyth, wie viele dieser Bienen hast du eigentlich in meinem Obstgarten?«
»Was?«
»Die Bienen – sie scheinen sich schon unglaublich vermehrt zu haben. Hast du eine Ahnung, wie viele du besitzt?«
Sie zog ein wenig unsicher die Schultern hoch. »Vielleicht einhunderttausend?«
»Hunderttausend Bienen!« Eiriks liebevolle Besorgtheit wich Bestürzung. »Hast du den Verstand verloren, Frau? Sie werden sich auf dem gesamten Besitz ausbreiten!«
Eadyth lächelte. »Nein, hunderttausend sind gar nicht so viele. In nur einer Kolonie, mit einer Königin, können mehr als fünfzigtausend Arbeiterinnen und zweitausend Drohnen leben. Und ich habe Dutzende von Kolonien.«
Eiriks Augen weiteten sich vor Erstaunen.
Es war das erste Mal, dass er Interesse an ihrem Geschäft erkennen ließ, und sie war überaus erfreut darüber. Sie glühte vor Stolz und verspürte nicht einmal das Bedürfnis, ihm ihre Hände zu entziehen, die er noch immer in den seinen hielt. Nicht einmal, als er mit seinem rauen Daumen die Verlobungsnarbe an ihrem Handgelenk streichelte, woraufhin ein wohliges Prickeln ihren Arm hinaufschoss und ihr Herz zum Rasen brachte.
»Immerhin«, fuhr sie dann mit überraschend ruhiger Stimme fort und versuchte, ihre innere Erregung zu ignorieren, »kann die Königin von März bis Oktober bis zu zweitausend Eier legen, Eirik.«
Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Was tun wir dann mit all diesen Bienen? Sollen wir die Burg in einen einzigen riesigen Bienenstock verwandeln?«
»Du hast mich nicht ausreden lassen. Das ist kein endlos wachsender Vorrat. Die männlichen Bienen oder Drohnen zum Beispiel sterben, nachdem sie …« Eadyth unterbrach sich, als ihr bewusst wurde, wohin ihre Erklärung sie geführt hatte.
»Nachdem sie was?«, beharrte Eirik.
»Sich gepaart haben«, sagte sie leise.
Eirik brach in johlendes Gelächter aus. »Ach, Eadyth, ist das nicht überall so auf der Welt? Männer huren sich zu Tode. Und Frauen – nun ja, Frauen schwirren einfach nur zu einer anderen … Blume weiter«, schloss er augenzwinkernd.
Eadyth versuchte, nicht zu lächeln, aber sie konnte gar nicht anders, auch wenn sie spürte, dass richtig schlechte Neuigkeiten auf sie warteten. Eirik ließ eine ihrer Hände los und berührte mit der Fingerspitze ihre Lippen. »Du solltest öfter lächeln. Du siehst nicht so sauertöpfisch aus, wenn du es tust.«
Sauertöpfisch! Eadyth versteifte sich bei seinem zweifelhaften Kompliment, und dann verengte sie misstrauisch die Augen, als sie das mutwillige Glitzern in seinen blauen Augen sah.
»Vielleicht nimmst du das Leben zu leicht. Mir scheint nämlich, du lächelst viel zu oft, du Flegel.«
»Nun, eins muss ich dir lassen, Frau. Vor ein paar Stunden dachte ich noch, ich würde für lange, lange Zeit nicht wieder lächeln können.«
Da schob Eadyth seine Hand von ihren Lippen weg, entwand energisch ihre andere Hand aus seinem Griff und sagte: »Erspar mir deine mysteriösen Worte. Was ist heute geschehen?«
»Steven hat all deine Bienenstöcke in Hawk’s Lair verbrannt«, erwiderte er mit schonungsloser Offenheit. »Es gibt keine einzige Biene mehr auf dem Weg von dort nach Ravenshire.«
Eadyth schnappte entsetzt nach Luft, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ist jemand verletzt worden?«, flüsterte sie.
»Nein, aber die Brände zu löschen und die Trümmer wegzuräumen war wirklich kein Kinderspiel. Das Feuer hatte sich über mindestens einen Morgen Land ausgebreitet.«
»Wie kann Steven so grausam sein? Ich habe ihm nie etwas getan. Und es ist nur zu offensichtlich, dass diese letzte Schandtat auf mich abzielte.«
Eirik schüttelte den Kopf. »Nein, nicht nur auf dich. Sie war als Warnung für uns alle gedacht, aber hab keine Angst, Eadyth. Ich schwöre dir, dass ich dich und deinen Sohn beschützen werde.«
Sie war gerührt von seinen so aufrichtigen Worten und wollte ihm das gerade sagen, als er fortfuhr: »Und ich werde dir dabei helfen, jede einzelne der verdammten Bienen zu ersetzen, selbst wenn ich dabei einen deiner lächerlichen Schleier tragen muss.«
Eadyth wischte sich über die Augen und versuchte zu lächeln. »Das wäre ein Anblick, der die Dienerschaft in die Flucht schlagen würde – uns zwei in hauchdünnen Schleiern durch diese düsteren Burgsäle wandeln zu sehen.«
»Besonders, wenn wir nichts darunter tragen«, fügte Eirik hinzu und warf ihr ein übermütiges, aber auch überaus charmantes und verführerisches Lächeln zu.
Zu verblüfft, um ihn zu tadeln, blieb Eadyth selbst dann noch sitzen, als Eirik schon längst in seinem Schlafzimmer verschwunden war, um zu baden. Taten verheiratete Paare solch abartige Dinge? Denn es war doch abartig, oder nicht?
*
Obwohl das Wasser bereits eiskalt geworden war, lag Eirik noch in dem großen hölzernen Waschzuber und gönnte seinen müden Knochen eine Pause. Zum Donnerwetter aber auch! Er wünschte, er könnte Steven endlich von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten und seinen üblen Machenschaften ein Ende setzen. Dafür würde Gott ihn doch wohl sicher nicht verdammen. Wahrscheinlich würde die ganze Welt ihm eher dafür danken.
Und Eadyth? Was war mit seiner unehrlichen Frau? Sollte er ihr erlauben, ihm ihre Falschheit zu gestehen, wie sie es offenbar inzwischen vorhatte? Oder sollte er sein eigenes Täuschungsmanöver noch ein Weilchen länger fortsetzen, um ihre wahren Motive vielleicht doch noch selbst zu ergründen?
Eirik bezweifelte nicht, dass sie überrascht und sehr bekümmert über die Nachricht gewesen war, dass Steven ihre Bienen verbrannt hatte. Es sei denn …
In gewisser Hinsicht traf es sich zu gut, dass Eadyth ihm eine beträchtliche Anzahl ihrer kostbaren Bienen als Teil ihrer Mitgift überlassen hatte, und dass sie die Bienen kurz vor dem Brand nach Ravenshire gebracht hatte. Das Ganze war Eirik ein Rätsel, das ihm keine Ruhe ließ und auf das er keine Antwort fand. Aber er war fest entschlossen, das Geheimnis alsbald zu lüften.
Obwohl er immer noch in der Wanne lag, ließ er Wilfrid Sigurd holen. Sein enger Freund aus dem hohen Norden lauschte aufmerksam seinen Instruktionen. Eirik gab Sigurd den Auftrag, sich nach Hawk’s Lair, zu den umliegenden Dörfern und sogar nach Jorvik zu begeben und so viel wie möglich über Eadyth und ihre Kontakte zu Steven von Gravely in den letzten Jahren herauszufinden. Wenn irgendjemand in Erfahrung bringen konnte, ob Eadyth mit Steven gemeinsame Sache machte, war es sein raffinierter Freund und Anhänger. Er wies Sigurd an, so bald wie möglich zurückzukehren.
Abgesehen von der drohenden Gefahr gab es für Eirik noch einen anderen Grund, die gewünschten Informationen so schnell wie möglich zu bekommen: Ganz unversehens brannte er darauf, diese Ehe mit der ihm bereits angetrauten Frau auch endlich zu vollziehen. Er hatte schon seit vielen Wochen keiner Frau mehr beigelegen, und sein Körper verlangte nach Erfüllung zwischen den Schenkeln einer Frau. Aber nicht irgendeiner Frau, erkannte er verdrossen. Er wollte mit der kratzbürstigen Eadyth schlafen. Wer hätte es für möglich gehalten, dass der für sein Glück bei Frauen bekannte Rabe seine eigene Ehefrau begehren würde? Nicht den unscheinbaren Spatz, der sie zu sein vorgab, sondern den grazilen Vogel, den er unter ihrer unansehnlichen Gewandung vorzufinden vermutete.
Den ganzen Tag über hatte Eirik immer wieder an Eadyth nackten Körper in seinem Bett gedacht und sich gefragt, wie sie ohne die Asche in ihrem Gesicht, die tristen Kleidungsstücke und das Schweinefett in ihrem Haar aussehen würde. Oder in leidenschaftlicher Verzückung unter seinem Körper liegend …
Wie ein Blinder hatte er in der Nacht zuvor begonnen, ihren weiblichen Körper zu ertasten. Er vermutete, dass unter der kalten Fassade, die sie so gerne präsentierte, eine glutvolle Sinnlichkeit verborgen lag, die nur noch darauf wartete, von dem richtigen Mann entfacht zu werden.
Konnte er dieser Mann sein? Wollte er es sein?
Teufel, ja!
Er schüttelte den Kopf über sich selbst, bevor er sein Haar einseifte und unter die Wasseroberfläche glitt, um es auszuspülen. Als er wieder auftauchte, um Luft zu holen, stand Eadyth vollkommen reglos mitten in dem Zimmer. Sie hielt ein Bündel frisch gewaschener Leinentücher in den Händen und beäugte ihn, als wäre er ein Wal, der Wasser durch sein Luftloch spie.
Eirik strich sich mit beiden Händen das nasse Haar aus der Stirn und richtete sich auf.
Ihre Kinnlade klappte herunter, als sie ihn so in seiner ganzen männlichen Prächtigkeit sah.
Eirik konnte gerade noch ein Grinsen unterdrücken. »Würdest du mir wohl eins dieser Tücher anreichen?«
Eadyth starrte auf einen Teil seines Körpers, der es mochte, angestarrt zu werden. Sehr sogar. Eirik konnte spüren, wie er augenblicklich reagierte, und die Augenbrauen seiner Frau schossen vor Verlegenheit in die Höhe.
»Was hast du gesagt?«, fragte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Quieken.
»Wann?«
»Gerade eben.«
»Würdest du mir bitte eins dieser Tücher anreichen?«, bat er noch einmal vergnügt.
»Oh.« Sie trat näher und gab sich alle Mühe, ihren Blick nicht tiefer als bis zu seiner Brust wandern zu lassen, als er aus der Wanne stieg.
Rasch legte sie den Rest der Wäsche auf eine Truhe und wandte sich zum Gehen.
»Könntest du mir den Rücken abtrocknen?«, fragte er, um sie noch ein bisschen aufzuhalten.
Er glaubte, einen erstickten Laut zu hören.
»Bitte?«
Sie kam zu ihm zurück, aber so langsam, dass sie förmlich schlurfte. Widerstrebend griff sie dann nach einem Tuch und begann, bei den Schultern anfangend, seinen Rücken abzutrocknen.
»Du hast eine schlimme Prellung auf der Schulter. Tut sie weh?«
Sie drückte darauf, und er fuhr zusammen. »He, verdammt! Natürlich tut das weh.«
»Wie ist es passiert?«
Er zuckte mit den Schultern. »Als wir das Feuer löschten, fiel ein glühender Ast auf mich herunter. Ich wette, dass ich auch mehr als nur ein paar Kratzer habe.«
»Dann sind die Obstbäume wohl auch verbrannt?«, fragte sie mit leiser Stimme.
»Ja, aber viele von ihnen können, wenn sie sorgfältig zurückgeschnitten werden, noch gerettet werden. Und bei deiner Kompetenz in nahezu fast allen Dingen auf der Welt bin ich mir ziemlich sicher, dass du sie wieder aufleben lassen kannst.«
Sie ignorierte seinen leisen Spott. »Die Prellung sollte mit einer Salbe eingerieben werden. Die Haut ist aufgeschürft.«
»Dann nimm doch etwas von dem Fett in deinem Haar«, entgegnete er trocken.
Er spürte, wie ihre Finger zögerten, als fragte sie sich, ob er scherzte oder seine Worte ernst gemeint waren.
»Du sagtest doch, es würde auch bei Pferden wirken, oder nicht?«
»Ja, das habe ich gesagt, und zu dieser Kategorie kann man auch dich rechnen, auch wenn du mehr ein Maulesel bist als ein Pferd.« Sie lachte, und die Anspannung wich aus ihren Fingerspitzen, als sie fortfuhr, ihn mit sanften, kreisenden Bewegungen abzutrocknen, die seine Sinne in erstaunliche Aufregung versetzten.
»Warum ist deine Haut immer so heiß?«, entfuhr es ihr plötzlich.
»Was?«
Er sah sich über seine Schulter nach ihr um. Eadyth biss sich auf die Unterlippe und errötete unter dieser grässlichen Ascheschicht auf ihrem Gesicht.
»Dein Körper strahlt Hitze wie ein Ofen aus.«
»Tut er das?« Eirik lächelte. »Vielleicht sind es ja nur du und deine berauschende Nähe, die mich glühen lassen«, scherzte er.
»Ha! Ich und jede andere Frau von hier bis Jorvik.«
Eirik ignorierte ihre Stichelei und murmelte mit heiserer Stimme: »Ich frage mich, meine Teuerste, was es wohl erfordern würde, dich so heiß zu machen?«
Das Blut wich aus Eadyths Gesicht und ließ den grauen Ton der Asche sogar noch hässlicher erscheinen. Angewidert warf sie das Tuch beiseite und rückte von ihm ab. »Hör auf, ständig meine Sinne zu verwirren!«
Eirik grinste. »Ich verwirre deine Sinne?« Ich würde dir jetzt gern noch weitaus mehr verwirren als nur deine Sinne, meine süße Hexe. Warum kommst du nicht ein bisschen näher? Komm, Eadyth, lass uns ein kleines … Verwirrspiel miteinander spielen.
Nicht nur ihre Sinne waren konfus, dachte Eirik, als er den Blick auf seine zunehmende körperliche Erregung senkte. Er begann sich umzudrehen, aber dann zögerte er, um sie nicht aufs Neue zu schockieren.
Ach, zum Teufel damit, beschloss er schließlich mit einem verwegenen Grinsen und drehte sich trotzdem zu ihr um.
Eadyth errötete und senkte wieder den Blick, kurz darauf aber sah sie ihm geradewegs in die Augen, weil sie offenbar bemerkte, dass er sie nur neckte. »Ihr solltet besser etwas anziehen, mein Herr, denn sonst könnten die Krähen, die Ihr vorhin erwähntet, womöglich einen neuen Schlafplatz finden.«
Diesmal war es Eirik, dem die Luft wegblieb. Er musste die Schlagfertigkeit seiner Frau bewundern, selbst wenn sie sie gegen ihn verwendete. Leise lachend zog er Unterwäsche und eine abgetragene Strumpfhose an und beobachtete die anmutigen Bewegungen seiner Frau, als sie die Leintücher in eine Truhe am Fußende des Betts legte, dann seine schmutzigen Kleider wie die nassen Handtücher aufhob und die feuchte Binsenstreu neben der Wanne zusammenfegte, um sie wegzuwerfen.
»Du solltest dir die Haare schneiden lassen«, bemerkte sie, als er sich mit einem Elfenbeinkamm durch sein schulterlanges Haar fuhr.
»Ja, das sollte ich«, stimmte er ihr zu, während er sich in dem polierten Stück Metall über dem Waschtisch betrachtete. »Du kannst sie mir schneiden.«
»Ich bin nicht besonders gut im Haareschneiden«, wich sie aus.
»Du überraschst mich, Eadyth! Haben wir endlich etwas entdeckt, wovon du nichts verstehst?«
Sie lächelte nicht einmal über seine Frotzelei.
»Nun sei doch nicht so furchtbar ernst, Frau. Das Leben ist zu kurz, um immer nur die Stirn zu runzeln.«
»Schneid dir selbst das Haar, du Dummkopf. Ich habe keine Zeit für deine Albernheiten.« Mit dem Bündel schmutziger Wäsche in den Armen wandte sie sich in Richtung Tür.
»Nein, bleib und schneide mir das Haar. Ich komme hinten nicht gut ran«, versuchte er sie zu überreden. »Außerdem möchte ich mit dir über Steven reden.«
Widerstrebend drehte sie sich um und legte die Wäsche hin. Als er mit dem Rücken zu ihr auf einem Schemel Platz genommen hatte, reichte er Eadyth eine Schere.
»Wie kurz willst du es haben?«
Er zuckte mit den Schultern und zog mit dem Zeigefinger eine imaginäre Linie über seinen Nacken. »Ziemlich kurz. Zwick mir nur nicht die Ohren ab.« Oder irgendeinen anderen Körperteil.
Eadyth schwieg beharrlich, während sie sein langes Haar Strähne für Strähne zusammennahm und die Enden abschnitt.
»Lachst du eigentlich je, Eadyth?«
»Ja, das tue ich, wenn ich etwas Lustiges höre. Aber meistens sind die Dinge, über die du dich amüsierst, nur vulgäre Scherze auf meine Kosten.«
Nun ja, da hatte sie wohl nicht ganz unrecht, musste er sich eingestehen. »Und was würde dich zum Lachen bringen?«
»Dich über dieses so hoch geschätzte Anhängsel zwischen deinen Beinen stolpern zu sehen«, gab sie prompt zurück. An ihren Fingerspitzen, die in ihrer Arbeit innehielten, konnte er jedoch spüren, dass sie ihre übereilten Worte sofort bereute.
Eirik lachte. »Du überschätzt meine Fähigkeit … zu wachsen«, erwiderte er schnell, da diese unbeschwertere, nicht so prüde Seite seiner Ehefrau ihm erstaunlich gut gefiel.
Ehefrau!
Eirik erinnerte sich nun wieder an seine früheren Gedanken über Eadyth und seinen Wunsch, die Ehe mit ihr endlich zu vollziehen. Und an Steven von Gravely, den Grund dafür, warum er zögerte, zu tun, wonach sein Körper sich verzehrte.
Vielleicht wäre es das Beste, sie jetzt einfach auf das Bett zu werfen und all den Spielchen ein Ende zu bereiten. Ein Tag im Bett mit einer willigen Frau war eine verdammt gute Idee. Er blickte über seine Schulter und sah Eadyths ärgerlichen Blick über seinen letzten Scherz.
Also vielleicht doch besser nicht, beschloss er weise.
Nachdem Eadyth die Schere weggelegt hatte, ging sie mit einem Kamm durch Eiriks Haare, um zu sehen, ob sie einigermaßen gleichmäßig geschnitten waren. »Das genügt«, erklärte sie und warf seine abgeschnittenen Haare auf den kleinen Haufen feuchter Binsenstreu.
Danach blieb sie mitten im Zimmer stehen, als wäre ihr gerade etwas eingefallen.
»Eirik, ich wollte schon seit langem etwas Wichtiges mit dir besprechen«, sagte sie schließlich zögernd.
Er setzte sich und gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, sich neben ihn zu setzen.
»Ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe, aber ich möchte, dass du weißt, warum es meiner Ansicht nach notwendig war.«
Eirik betrachtete sie aufmerksam, weil er wusste, dass sie ihm nun ihre Maskerade gestehen wollte. Nun, da er ihre List durchschaut hatte, konnte er deutlich sehen, dass Eadyth eine ungewöhnlich gut aussehende Frau war. Die Falten, die er ihrem fortgeschrittenen Alter zugeschrieben hatte, waren nichts als vorübergehende Spuren ihres permanenten Stirnrunzelns. Und dieser Mund mit dem bezaubernden kleinen Muttermal – nun, er konnte es kaum erwarten, ihn und viele andere Teile ihres Körpers, die sie bisher so gut vor ihm verborgen hatte, gründlichst zu erforschen.
Aber wollte er, dass sie ihr Geständnis ablegte, bevor Sigurd mit seinem Bericht zurückkehrte? Ein Teil von ihm wollte ihre Beichte hinter sich bringen, damit er mit ihr ins Bett gehen und sein brennendes Verlangen nach ihr stillen konnte. Das war mit Sicherheit der Teil von ihm, der unterhalb der Gürtellinie lag. Der andere, vernünftigere Teil warnte ihn, dass er riskierte, eine Frau zu schwängern, die möglicherweise mit Steven den Plan ausgeheckt hatte, seinen Untergang herbeizuführen. Nein, er musste noch ein paar Tage bis zu Sigurds Rückkehr warten.
Eirik versuchte, sich Möglichkeiten auszudenken, wie er Eadyths Geständnis verhindern konnte. Und nach kurzer Überlegung kam ihm auch tatsächlich eine ausgesprochen reizvolle Idee.
»Eadyth, erzähl mir doch etwas mehr über diese zeitmessenden Kerzen, die du anfertigst?«
»Hm?«
»Du hast mir doch von diesen Kerzen erzählt, mit denen man die Zeit messen kann. Wie funktionieren sie? Hast du sie selbst erfunden?«
»Nein, König Alfred hat sie als Erster schon vor vielen Jahren entworfen. Aber ich habe mit ihnen experimentiert und die Herstellung weiterentwickelt, sodass sie heute nahezu vollkommen sind.«
»Würden sie es wagen, weniger zu sein?«
»Willst du es wissen oder wieder mal nur spöttische Bemerkungen machen?«
»Ich will es wirklich wissen.«
Eadyth musterte ihn misstrauisch, aber dann erklärte sie: »Der gute Alfred stellte Kerzen her, die genau vier Stunden brannten, sodass man also mit sechs aufeinanderfolgenden Kerzen am Tag die Zeit bestimmen konnte. Ich habe eine besonders lange Kerze entwickelt, mit Stundenanzeige, die vierundzwanzig Stunden brennt, sodass man also …«
»… nicht mehr daran denken muss, die nachfolgenden Kerzen anzuzünden«, schloss er und musste wider seinen eigenen Willen ihren Einfallsreichtum bewundern. »Sie müssen ja riesengroß sein, diese Kerzen.«
»Das sind sie. Und auch sehr teuer, aber die Leute kaufen so viele, dass ich mit der Produktion kaum nachkomme.« Für einen Moment lang musterte sie ihn prüfend, bevor sie fragte: »Warum wolltest du etwas über meine Kerzen wissen?«
Ah, sie nimmt mir mein plötzliches Interesse an ihren wunderbaren Begabungen nicht ab. Kluges Mädchen! »Das willst du gar nicht wissen.«
»Doch, das will ich.«
»Na ja, wenn du darauf bestehst.« Bevor ich mit dir fertig bin, wirst du lernen, mich nie wieder zu belügen. Du wirst deine Maskerade noch erheblich mehr bereuen, als du vielleicht glaubst. »Ich habe danach gefragt, weil ich wissen wollte, ob du mir eine Fünfstundenkerze machen könntest.«, sagte er.
Sie zog eine Braue hoch, offenkundig schien sie das nun erst richtig misstrauisch zu machen. »Wozu?«
Ich dachte schon, du würdest mich nicht danach fragen, meine zimperliche kleine Ehefrau. Dann wollen wir doch mal sehen, ob ich deine Sinne noch ein bisschen mehr verwirren kann. »Hast du schon einmal von der fünfblättrigen Lotusblüte gehört?« Noch nie deinem Leben, möchte ich wetten, schließlich habe ich sie gerade erst erfunden.
»Nein.« Sie runzelte die Stirn und versuchte anscheinend, eine Verbindung zwischen seiner Frage nach zeitmessenden Kerzen und einer Lotusblüte herzustellen. »Geht es um die Sorte Kerzenwachs, die sich gewinnen lässt, wenn Bienen den Pollen der Lotusblüten sammeln?«
Eirik hätte sich vor Vergnügen fast die Hände gerieben, erwiderte aber stattdessen in gleichmütigem Ton: »Nein, es geht eigentlich mehr darum, was während der fünf Stunden, in denen die Kerze brennt, geschieht.«
»Oh?«
»Aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass dich das interessiert.« Er betrachtete gelangweilt seine Fingernägel. Frag mich. Frag mich. Frag mich.
»Jetzt hast du mich neugierig gemacht.«
Neugierde! Das ist die Parole hier, mein naives kleines Täubchen. Und besten Dank auch, dass du mir so mühelos in die Falle getappt bist. »Nun, wenn du es wirklich wissen willst, es gab da einmal einen Kalifen in einem dieser Harems im Osten …«
»Oh nein, nicht schon wieder eine deiner Haremsgeschichten!«
Eirik zog mit unschuldiger Miene seine Brauen hoch. »Habe ich dir diese schon einmal erzählt?«
»Soweit ich mich erinnere, hast du einmal erwähnt, dass durchsichtige Stoffe wie meine Bienenschutzschleier in einem Harem für einen völlig anderen Zweck benutzt würden.«
»Das hatte ich vergessen. Aber diese Geschichte hier ist eine völlig andere.« Er wedelte ungeduldig mit der Hand. »Bei ihr geht es um Zeit und möglicherweise auch um deine Kerzen.«
Eadyth betrachtete ihn zweifelnd aus den schönsten veilchenblauen Augen, die er je gesehen hatte, bevor sie schließlich sagte: »Also gut, ich höre.«
Ausgezeichnet. »Wie ich schon sagte, es gab einmal einen Kalifen in einem fernöstlichen Harem, der eine Sklavin kaufte, die die Ehre, sein Bett zu teilen, nicht zu schätzen wusste.«
»Ha!«
»Selbst als er sich bereit erklärte, sie zu seiner elften Ehefrau zu machen, verweigerte sie ihm das körperliche Zusammensein mit ihr.«
»Die Elfte! Ha! Wahrscheinlich war er zu müde, um mehr zu tun, als gerade noch zu atmen.«
Zufrieden, dass er ihr Interesse geweckt hatte, grinste Eirik und freute sich darauf mitzuerleben, wie sie sich im Netz ihrer eigenen Neugier verfing. »Er versuchte es mit Geschenken, Aphrodisiaka …«
»Aphro … was?«
Eadyths Frage ließ Eirik für einen Moment verstummen und alle möglichen erotischen Fantasien in ihm erstehen. Als er seine Fassung wiedergewonnen hatte, sagte er fast schroff: »Vielleicht sollten wir uns diese Erklärung für ein andermal aufheben. Oder gelingt es dir vielleicht, mich nicht ständig zu unterbrechen? Sonst verpassen wir das Abendessen, und ich bin sehr hungrig.«
»Sprich weiter. Ich verspreche, dich nicht mehr zu unterbrechen.«
Das bezweifle ich sehr. »Auf jeden Fall bemühte sich der Kalif in jeder Hinsicht, aber all seine Versuche waren vergeblich. Schließlich befragte er einen weisen alten Mann, der ihm von der fünfblättrigen Lotusblüte erzählte.«
Eirik warf Eadyth einen Blick zu und sah, dass sie sich gespannt vorbeugte. Schön, dass du so vertrauensselig bist, Eadyth. Nur weiter so.
»Der weise Mann riet dem Kalifen, sich fünf Stunden Zeit zu nehmen, um die einzelnen Blüten der Lotusblume abzuzupfen. In der ersten Stunde waren jegliche Berührungen strikt verboten. Mann und Frau sollten sich nur entkleiden und sich unterhalten. Sie konnten vielleicht ein Glas Wein miteinander trinken, um sich zu entspannen, und der Mann konnte der Frau beschreiben, was er tun würde. Natürlich konnte auch die Frau dem Mann sagen, was sie tun würde, aber wenn sie schüchtern war, würde sie vielleicht einfach nur darüber sprechen, was sie sich von ihm wünschte. Und wenn sie wirklich schrecklich schüchtern war, würde sie vielleicht einfach nur nicken, wenn er etwas besonders Verlockendes erwähnte.«
»Oh, du bist wirklich unglaublich, Eirik, mir solch lächerliche Geschichten zu erzählen. Ich denke, es wird höchste Zeit, dass du deine Geliebte in Jorvik besuchst. Vielleicht kann Asa dich von deinen erotischen Wahnvorstellungen kurieren.«
Eirik versteifte sich. Es gefiel ihm nicht, dass Eadyth ihn so einfach fortschickte. Und merkwürdigerweise gefiel es ihm auch nicht, wie widerspruchslos sie seine Mätresse hinnahm. Das war unnatürlich.
»Mit Asa zu schlafen, interessiert mich im Moment nicht. In letzter Zeit will ich eigentlich nur noch dich in meinem Bett haben.«
Eadyth war so verblüfft, dass ihr die Worte fehlten. Selbst er war bestürzt darüber, ihr so viel von seiner geheimen Neigung für sie verraten zu haben. Aber er nutzte Eadyths vorübergehendes Schweigen, um seine Geschichte fortzusetzen, bevor sie ihre scharfe Zunge wiederfand.
»Während der zweiten Stunde sollten sie sich nur küssen, aber wie du sicher weißt, gibt es ja viele Arten von Küssen – die alle Körperteile mit einschließen.«
Eadyth sog empört den Atem ein und sprang auf, als wolle sie seiner ihr unerträglichen Gesellschaft entfliehen. »Du … du …«
Aber er drückte sie auf ihren Stuhl zurück und fuhr fort: »Bis dahin würde sie natürlich schon einen ihrer … Höhepunkte gehabt haben, und dann …«
»Höhepunkte?«, stotterte Eadyth.
Nun war es Eirik, dem die Worte fehlten. Obwohl sie schon mit einem Mann das Bett geteilt und ein Kind geboren hatte, schien seine naive Ehefrau nicht einmal zu wissen, was es für eine Frau bedeutete, den Gipfel sinnlicher Ekstase zu erklimmen. Er suchte nach den richtigen Worten, bevor er behutsam weitersprach: »Dir ist doch sicher bewusst, dass ein Mann vor sinnlichem Vergnügen schier den Verstand verliert, wenn die Vereinigung ihren Höhepunkt erreicht. Das Gleiche kann auch einer Frau widerfahren.«
»Den Verstand verlieren? Und das soll etwas Erstrebenswertes sein? Das finde ich aber nicht.«
Eirik grinste und beeilte sich fortzufahren, bevor sie ihn erwürgte oder sogar etwas noch Schlimmeres tat. »Während der dritten Stunde streicheln sie einander und lernen all die geheimen, empfindsamsten Stellen des anderen kennen. Die Frau wird dabei natürlich ein weiteres Mal den Höhepunkt erreichen. Oder sogar zweimal.« Hörst du mir zu, Eadyth? Oder versuchst du mit deinem offenen Mund Fliegen zu fangen? Ich wüsste eine bessere Beschäftigung für diese erfreulich vollen Lippen.
Sie fasste sich schließlich wieder und schnaubte ungläubig, erhob sich aber nicht von ihrem Stuhl. Seine Geschichte weckte anscheinend doch ihr Interesse.
»Während der vierten Stunde«, fuhr er unbekümmert fort, »muss sie ganz still liegen, während der Mann ihre Brüste und diese geheimste Stelle zwischen ihren Beinen erforscht.«
»Oh, du bist abscheulich!«, rief Eadyth mit hochrotem Gesicht. »Wie kannst du über solch perverse Dinge vor mir, vor einer Dame reden?«
»Ich spreche nicht mit einer Dame, sondern mit meiner Ehefrau«, berichtigte er sie. »Und es ist auch nichts Perverses, was zwischen einem Mann und seiner Frau vorgeht. Nein, geh nicht, bevor ich zu Ende erzählt habe.«
Sie stand vor ihm und starrte ihn mit herablassender Miene an. Aber er lächelte im Stillen und dachte, dass er sie nun gleich endlich von ihrem hohen Ross herunterholen würde. »In der fünften Stunde wird sich der Mann schließlich körperlich mit ihr vereinigen, und sie wird bestimmt noch einige Male den Höhepunkt erreichen und in sinnlicher Ekstase unter ihm erschauern und erbeben.«
Eadyth setzte eine verdrossene Miene auf und schien ihm seine Geschichte nicht mehr abzunehmen. In diesem Moment war ihr Gesicht so rot und verzerrt vor Wut, dass Eirik ihr fast hätte glauben können, dass sie so alt und hässlich war, wie sie zu sein vorgab.
»Und wie oft würde der Mann bei diesem exzessiven Liebesspiel erschauern und den Höhepunkt erreichen?«
»Oh, zehn oder zwölf Mal«, log er mit unbewegter Miene.
Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Eirik war erstaunt, dass seine sonst so intelligente Frau die Absurdität seiner maßlos übertriebenen Behauptung nicht erkannte. Sei lieber vorsichtig, Mann, ermahnte er sich im Stillen, sonst erwartet sie mehr von dir, als du ihr geben kannst.
Eadyth sah ihn mit offenem Mund staunend an.
»So, jetzt kennst du die Geschichte von dem Kalifen und dem fünfblättrigen Lotus«, schloss Eirik mit einer schwungvollen Bewegung.
Eadyth zwang sich, ihre gewohnte eiserne Selbstbeherrschung wiederzugewinnen, und murmelte etwas über abscheuliche Flegel, als sie die schmutzigen Kleider wieder aufhob und empört zur Tür hinüberging.
»Wirst du mir denn nun eine Fünfstundenkerze machen?«, rief Eirik ihrem steifen Rücken nach.
»Wenn die Hölle zufriert und die Engel darin Schlittschuh laufen«, erwiderte sie frostig und ohne sich noch einmal umzuwenden. Dann zog sie laut krachend die Tür hinter sich zu.
Na ja, immerhin hatte er ihre Beichte wieder einmal hinausschieben können. Für den Augenblick zumindest. Aber er wusste, dass er sie nicht für immer davon abhalten konnte, ihm alles zu gestehen.
Was konnte er also als Nächstes tun, um sie daran zu hindern, ihm all ihre Geheimnisse zu gestehen, bevor Sigurd zurückkehrte? Und um gleichzeitig auch ihren aufreizenden Stolz und ihre übertriebene Selbstsicherheit ein wenig anzukratzen?
Eirik lächelte über eine ganz besonders gute Idee.