12. Kapitel

Eirik trieb sie zur Verzweiflung. »Ich muss mit dir reden«, sagte Eadyth, als sie an jenem Abend zu Bett gingen. Sie wollte ihm unbedingt ihre lächerliche Maskerade gestehen. Ihre Angst vor seiner Reaktion, sollte sie ihre Enttarnung noch länger hinauszögern, wurde von Stunde zu Stunde größer.

Aber sich zu konzentrieren war nicht leicht, wenn ihr nackter Ehemanns so dicht neben ihr lag und er nicht das geringste Interesse erkennen ließ, die Ehe mit ihr zu vollziehen. Wenn er noch ein einziges Mal so laut gähnen sollte, würde sie ihm ihren Ehevertrag vielleicht einfach in den Mund stopfen.

»Eirik, hör mit diesem rüpelhaften Gähnen auf und sieh mich an.«

»Gähnen ist rüpelhaft? Das wusste ich nicht. Siehst du, du tust mir richtig gut, Eadyth. Du bringst mir so viele grundlegende Dinge bei.«

Eadyth warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Machte er sich über sie lustig? »Eirik! Hör auf, das Thema zu wechseln. Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen.«

»Nein, es ist viel zu warm zum Reden. Ich bekomme sowieso schon kaum noch Luft unter all diesem Bettzeug«, sagte er mit einem vielsagenden Blick auf das Laken über ihrem nackten Körper. »Und jedes Mal, wenn du mir etwas Wichtiges zu sagen hast, bedeutet es noch mehr Arbeit für mich. Du bringst mein Blut zum Kochen, wenn du nörgelst, und es ist wirklich heiß genug hier drinnen.«

»Vielleicht rührt das von all diesen Kerzen, die du angezündet hast.« Sie sah sich im Schlafzimmer um, in dem auf sein Beharren hin ein Dutzend Kerzen ihr verschwenderisches Licht verbreiteten. Eirik behauptete plötzlich, Licht zu brauchen, falls er während der Nacht den Nachttopf aufsuchen musste.

»Außerdem hatte ich gar nicht vor zu nörgeln.« Eadyth zwang sich, ihren Blick von seinem nackten Körper abgewandt zu halten, als sie fortfuhr: »Ich wollte nur …«

Ihr versagte die Stimme, als sie ihn beim Reden versehentlich anschaute und er, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, seine langen Beine übereinandergeschlagen, dalag und sie den unübersehbaren Beweis seiner männlichen Begierde zwischen seinen Schenkeln sah.

Sie rang nach Atem und zwang sich, ihren Blick wieder auf sein Gesicht zu richten.

»Du nörgelst immer, Eadyth.«

Zum Glück schien Eirik ihren prüfenden Blick oder ihre anschließende Verlegenheit nicht einmal bemerkt zu haben. Er sah sie völlig unbefangen an, und seine blauen Augen glitten abfällig über das Laken, das sie bis zu ihrem Kinn hoch gezogen hatte.

»Hier drinnen ist es so heiß wie in einem Backofen«, brummte er wieder.

»Und was soll ich deiner Meinung nach dagegen tun?«, versetzte sie und bereute ihre impulsive Frage sofort.

»Du könntest aufhören, dich unter diesem Bettzeug zu verkriechen.«

Eadyth schluckte.

Eirik glitt tiefer, rollte sich ein bisschen hin und her und versuchte, es sich zu bequem zu machen. Einmal streckte er einen Arm aus und streifte versehentlich ihre linke Brust unter dem groben Leinen. Als sie ihm den Rücken zukehrte, stieß sein Knie für einen Moment an ihren Po.

Sie versteifte sich. Nach einer Weile erkannte sie aber, dass diese Berührung zufällig gewesen sein musste. Er hatte ihr oft genug gesagt, wie sehr ihre Figur, ihr Gesicht und ihre Eigenheiten ihm missfielen. Das Einzige an ihr, was einen gewissen Reiz auf diesen unerträglichen Mann auszuüben schien, war das Muttermal an ihren Lippen. Heilige Maria Mutter Gottes! Der Mann war abartig. Wenn er noch einmal davon sprach, dass er so gern mit seiner Zunge über ihr Muttermal strich, würde sie ihn erwürgen!

Und trotzdem schob er es immer noch hinaus, die Ehe mit ihr zu vollziehen. Hmmm.

Plötzlich wurde Eadyth klar, dass sie ihm wieder einmal erlaubt hatte, sie von ihrem Thema, ihrer Beichte, abzulenken. Abrupt setzte sie sich auf und konnte gerade noch verhindern, dass das Laken über ihre Brüste hinunterrutschte.

Eiriks Augen weiteten sich und fielen ihm fast aus dem Kopf. Manchmal schien er doch wohl gut genug sehen zu können!

»Eirik, ich bestehe darauf, dass ich dir etwas Wichtiges zu sagen habe. Verhalt dich also bitte einmal ruhig und hör mir …«

»Vielleicht sollten wir unsere Ehe vollziehen«, unterbrach er sie. »Jetzt sofort.«

»Jetzt sofort?«, fragte sie verdutzt. Gott, der Mann verstand es wirklich bestens, sie aus dem Konzept zu bringen!

»Ja. Wenn du nur mir nur ein bisschen helfen würdest, könnte ich mich der Situation vielleicht gewachsen zeigen«, gab er eine Spur besorgt zurück. Eadyth hätte schwören können, dass sie ein leises Zucken um seine Mundwinkel sah, das aber schon wieder vorbei war, bevor sie Gelegenheit bekam, ihn genauer zu betrachten.

»Mir scheint, dein Teig ist mehr als aufgegangen«, bemerkte sie trocken und erinnerte sich nur allzu gut daran, wie dieser Teil seines Körpers vor wenigen Minuten noch ausgesehen hatte. Sie deutete mit der Hand in Richtung seiner Männlichkeit, verzichtete aber darauf, noch einmal hinzusehen. »Eine welke Lilie hast du jedenfalls nicht.«

»Ah, dann hast du es also bemerkt. Doch wie du sehen kannst, ist der Teig schon wieder zusammengefallen. Überzeug dich selbst.«

Nicht einmal, wenn mein Leben davon abhängen würde! Eadyth schob das Kinn vor und blickte stattdessen zu der gegenüberliegenden Wand hinüber. Mit vor Verlegenheit glühenden Wangen versuchte sie, das Bild aus ihrem Gedächtnis zu verbannen.

Eirik gab ein seltsam glucksendes Geräusch von sich. »Wenn du allerdings versuchen würdest, einige … Dinge zu tun, könnten wir ihn wahrscheinlich dazu bringen, wieder aufzugehen.«

»Dinge? Was für Dinge?«, fragte sie argwöhnisch und drehte sich wieder auf den Rücken, um ihn anzusehen.

»Na ja, ich kannte einmal einen Mann …«

»Nicht schon wieder dieser verdammten Kalif!«

»Eadyth! Was für eine Ausdrucksweise! Außerdem war es nicht der Kalif, sondern ein anderer Mann. Ich glaube, es handelte sich um einen Seidenhändler aus Micklegaard«, sagte er mit gleichgültigem Tonfall. »Dieser Mann hatte auch Schwierigkeiten, seinen Teig zum Aufgehen zu bringen. Wahrscheinlich, weil das Gesicht seiner Gemahlin wie das Hinterteil eines Maulesels aussah.« Er sah Eadyth mit einem Ausdruck von aufrichtigem Mitgefühl in seinen blauen Augen an.

Seine Bewertung ihrer körperlichen Reize … oder ihres Mangels daran ließ Eadyth innerlich zusammenzucken.

»Aber seine Frau gab sich die größte Mühe, das muss ich ihr lassen«, fuhr er fort. »Er sagte, bisweilen würde sie sogar am Fußende des Bettes einen Kopfstand machen, um ihn zu verführen. Nackt natürlich. Und wenn sie auf dem Kopf stand, verdeckte ihr langes Haar ihr unscheinbares Gesicht. Der Mann sagte, auf diese Weise hätte es dann immer funktioniert. Und natürlich hatten sie zehn Kinder. Ich weiß nicht, ob du …«

»Nie im Leben!« Eadyth presste die Lippen zusammen und drehte sich auf die Seite, um ihren flegelhaften Ehegatten nicht mehr ansehen zu müssen. Er log natürlich. Frauen taten so etwas nicht. Eadyth wusste einfach, dass sie so etwas nicht taten.

Oder doch?

Und dann erboste Eirik sie noch mehr, indem er sich umdrehte und sie wieder nicht beachtete. Nicht, dass sie etwa von ihm begehrt werden wollte. Im Grunde ist es sogar besser so, sagte sie sich.

Warum fühlte sie sich dann aber so allein gelassen?

Am nächsten Morgen wurde sie von Abduls wütendem Gezeter geweckt. Vor dem Vogelkäfig stand Eirik, in einer eng anliegenden schwarzen Hose, Stiefeln und seiner gepolsterten und gesteppten Untertunika, und schien sich für einen Tag auf dem Übungsplatz mit seinen Männern vorzubereiten. Er hielt dem hungrigen Vogel ein Stückchen Brot hin.

»Widerlicher Flegel! Arrk!«, krächzte der Vogel mit einer Stimme, die wie die von Eadyth klang. »Lästiger Kerl! Hirnloser Idiot! Lord Hohlkopf! Arrk!«

Eirik warf ihr mit erhobener Augenbraue einen vorwurfsvollen Blick zu. »Mir scheint fast, du hast zu viel Zeit, Eadyth.«

»Willst du meine Schwanzfedern küssen?«

»Das habe ich ihm nicht beigebracht«, beteuerte Eadyth, als Eirik erneut spöttisch fragend eine Braue hochzog.

»Schlaffe Lilie. Schlaffe Lilie. Schlaffe Lilie.«

Eirik machte eine drohende Handgebärde, als der Vogel Eadyths Worte vom Vorabend wiederholte.

Sie spürte, wie ihre Wangen vor Verlegenheit brannten.

»Hmm. Vielleicht brauchst du eine Lektion, meine Teuerste«, sagte Eirik mit samtener Stimme und griff in den Käfig, um eine lange grüne Feder aufzuheben, die der Vogel verloren hatte. Mit einem nachdenklichen Blick auf Eadyth kam Eirik zum Bett hinüber und setzte sich so dicht neben sie auf die Kante, dass sie trotz des Lakens zwischen ihnen seine warme Hüfte an der ihren spüren konnte.

Während er mit der Spitze der Feder ihr kleines Muttermal berührte, sagte er mit rauer Stimme: »Eines Tages … eines Tages, Eadyth, werden wir einige interessante Dinge mit dieser Feder tun.«

Sie starrte ihn an, fasziniert von dem schnell pochenden Puls seiner Halsschlagader, der unverhohlenen Sinnlichkeit in seinen hellen blauen Augen, der verführerischen Fülle seiner wohlgeformten Lippen. Wie konnte ein Mann im Bruchteil einer Minute von einem völligen Mangel an Interesse zu hemmungsloser Leidenschaftlichkeit wechseln? Denn Eadyth hegte nicht den kleinsten Zweifel, dass er sie, in diesem Moment zumindest, so begehrte, wie ein Mann eine Frau begehrte. Und er hatte unter seiner eng anliegenden Hose garantiert auch keine Schwierigkeiten, ›sich der Situation gewachsen zu zeigen‹, wie er es nannte.

Ihr fest in die Augen blickend begann Eirik mit der Feder über ihre Lippen, ihr Kinn, ihre nackte Schulter und, o heilige Maria Mutter Gottes, auch über die Spitzen ihrer noch immer bedeckten Brüste zu streichen. Selbst durch den Stoff konnten sie beide sehen, wie ihre zarten Knospen sich versteiften.

Eirik sog scharf den Atem ein.

Eadyth schloss leise aufstöhnend die Augen, als ein neues und ganz wundersames Prickeln sie durchflutete.

Ihre Augen flogen jedoch wieder auf, als sie die Feder zwischen ihren Brüsten hinab über ihren Bauch zu ihren Schenkeln wandern spürte. Das dünne Laken bot ihr wenig Schutz. Ihre kostbare Selbstbeherrschung drohte sie im Stich zu lassen, als sie plötzlich nur noch ihre Beine öffnen und sich der federleichten Zärtlichkeit entgegenbiegen wollte. Sie musste ihre ganze Willenskraft aufbieten, um es nicht zu tun.

Oh, was für eine schamlos lüsterne Person aus mir geworden ist, schalt Eadyth sich. Und es gefällt mir auch noch!

Ihre Haut begann an den Stellen zu glühen, an denen er sie berührte – auf ihren Knien, an ihren Beinen entlang, an ihren Knöcheln. Das Blut rauschte in ihren Ohren, und ihr Atem kam in tiefen, unsicheren Zügen. Ihr Körper verzehrte sich nach irgendetwas, das sie weder kannte noch verstand. Bevor sie merkte, was Eirik vorhatte, hob er den Rand des Bettlakens ein wenig an und kitzelte ihre Fußsohlen mit der Feder.

Ein verzückter kleiner Schrei entrang sich ihr, so wohlig waren die Empfindungen, die er mit seiner süßen Tortur in ihr weckte. Noch nie hatte sie so …

Mit einem Ausdruck grimmiger Genugtuung auf seinem Gesicht erhob sich Eirik, als er sich der prickelnden sinnlichen Erregung zwischen ihnen bewusst wurde. Für einen Augenblick schien er zu zögern, dann wandte er sich widerstrebend von ihr ab und ging zur Tür.

»Du wirst gehen und mich in diesem … Zustand hier zurücklassen?«

Er blieb stehen, drehte sich langsam zu ihr um und schenkte ihr ein atemberaubendes Lächeln. Eadyth konnte sehen, dass er genauso aufgewühlt wie sie selbst war. Leise fragte er: »In was für einem Zustand?«

»Ich schwöre dir, ich habe keine Ahnung, aber ich bin mir völlig sicher, dass du es weißt. Also hör auf damit, ja?«

»Womit?«

Eadyth konnte sehen, dass ihr Unbehagen ihn belustigte. »Mit diesen Spielchen, die du mit mir treibst.«

»Spielchen? Nein, Teuerste, nicht ich bin es, der Spielchen treibt.« Er steckte die Feder in die Brosche an seiner Schulter und klopfte leicht darauf. »Ich werde mir die Feder für ein andermal aufheben, Eadyth. Und ich verspreche dir, dass wir das Spiel dann zu Ende spielen werden.«

»Welches Spiel?«, rief sie ihm nach, aber er war schon aus der Tür hinaus.

Und ihr ganzer Körper pochte und prickelte von einem Verlangen, das er in ihr geweckt hatte … mit einer Feder!

Ja, der Mann trieb sie noch zur Verzweiflung.

Eadyth trieb ihn zur Verzweiflung.

Auf dem Übungsfeld zwang Eirik sich und seine Männer, bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit zu gehen, und trotzdem konnte er das Bild seiner Frau nicht aus seinem Kopf verdrängen, wie sie an diesem Morgen bebend vor Verlangen nach der Vereinigung mit ihm in seinem Bett gelegen hatte. Ein Verlangen, das er mindestens genauso stark empfunden hatte.

Er hatte sich nicht nur hinsichtlich des wahren Aussehens seiner Frau getäuscht. Sie schien auch gar nicht so eine kalte Männerhasserin zu sein, wie er ursprünglich geglaubt hatte. Kalt? Ha! Wenn sie noch heißer wäre, würde er in Flammen aufgehen.

Ja, Eirik hatte wirklich ein Problem. Er war ein gesunder Mann mit den Bedürfnissen eines gesunden Mannes. Und er hatte keine Frau mehr seit seiner Verlobung vor zehn Wochen gehabt. Er wusste, er würde Eadyths Reizen nicht eine Nacht länger widerstehen können. Aber er konnte nicht riskieren, sie zu schwängern, solange er sich ihrer Loyalität noch nicht sicher war.

Nein, er musste eine Barriere zwischen ihnen errichten, bis Sigurd von seiner Bespitzelungsmission zurückkam. Aber wie konnte er das tun, wenn er doch schon kurz davor war, der Versuchung zu erliegen? Es lag bei Eadyth. Er musste etwas tun, um seine Frau gegen sich aufzubringen; irgendetwas, das sie wütend genug machte, um ihre unbewussten Verführungsversuche vorübergehend einzustellen. Er musste irgendwie erreichen, dass sie nur noch mit Eiseskälte auf ihn reagierte.

Das dürfte eigentlich nicht zu schwierig sein.

Eirik fuhr sich mit dem Oberarm über seine verschwitzte Stirn und blickte geistesabwesend zur Seite, wo Aaron, einer seiner neuen Männer, seine junge Frau begrüßte, eine schöne Maurin von zierlicher Gestalt mit mandelförmigen Augen und olivfarbener Haut. Eirik lächelte, als ihm plötzlich eine Erleuchtung kam, und näherte sich dem jungen Paar mit einem schnell zurechtgelegten Plan. Zuerst standen sie seinem ungewöhnlichen Vorschlag skeptisch gegenüber und protestierten, aber kurz darauf schon, als ein paar Geldstücke den Besitzer gewechselt hatten, erklärten sie sich gern zur Mitarbeit bereit.

Eadyth wird einen Anfall bekommen, dachte Eirik grinsend. Er hoffte nur, dass er bis Sigurds Rückkehr dauern würde.

Eadyth ließ ihren Bienenschutzschleier auf die Küchenbank fallen und klopfte sich die Regentropfen von ihrem Umhang und Gewand. Der laut krachende Donner draußen schien ein kurzes, aber heftiges frühsommerliches Gewitter anzukündigen.

»Sind die Männer schon zurückgekehrt?«, erkundigte sie sich bei Bertha, die Eier in eine Tonschale aufschlug, um mit ihnen Pudding zu kochen.

Die Köchin nickte, vermied es aber, Eadyth dabei anzusehen.

»Was ist?«

»Nichts.«

»Du lügst, das sehe ich doch. Wo ist Eirik?«

Berthas pausbäckiges Gesicht lief krebsrot an. »Woher soll ich das wissen?«

»Du weißt doch sonst immer alles.«

»Ha! Sucht ihn doch selbst.«

»Benimm dich, Bertha, sonst schicke ich dich zum Latrinenschrubben«, sagte Eadyth tadelnd, aber nicht unfreundlich. Die offenherzige Köchin war ihr nämlich längst ans Herz gewachsen.

Nachdenklich an einem Stückchen Käse knabbernd, das sie sich vom Tisch genommen hatte, ging Eadyth wieder hinaus. Bertha hatte recht, sie würde Eirik selber suchen. Sie spürte, dass sie und ihr Mann ihre Ehe bald vollziehen würden, und dann wollte sie nicht, dass es noch Geheimnisse zwischen ihnen gab. Sie beschloss, Eirik über ihre Scharade aufzuklären, und zwar auf der Stelle, selbst wenn sie ihn knebeln und fesseln musste, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sie lächelte im Stillen über das ungewohnte, aufgeregte Flattern, das sie bei dieser seltsam reizvollen Vorstellung in ihrem Magen verspürte.

Der Regen trommelte aufs Dach, und Eadyth hielt nach Anzeichen von Feuchtigkeit an der Decke Ausschau, während sie durch die große Halle ging. Aber ihre Arbeiter hatten endlich alle undichten Stellen repariert, stellte sie zufrieden fest. Als Nächstes würde sie die Männer zur Instandsetzung der Kapelle einsetzen.

Eadyth wollte gerade die Treppe zu Eiriks Schlafzimmer hinaufgehen, als sie Britta rufen hörte: »Ich würde da jetzt nicht hinaufgehen, Herrin.«

»Warum nicht?«

»Es wäre nicht klug«, murmelte Britta und wandte sich ebenso betreten und schnell wie Bertha ab.

Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas, das ihr nicht gefallen würde. Und es hatte etwas mit Eirik zu tun. Mit schmalen Augen und fest entschlossen, dem Rätsel auf den Grund zu gehen, setzte Eadyth ihren Treppenaufstieg fort.

»O Gott«, hörte sie Britta hinter sich murmeln. »Jetzt werden die Gänsefedern fliegen.«

Eadyth machte sich nicht die Mühe, an Eiriks Schlafzimmertür anzuklopfen – an meiner Tür, berichtigte sie sich im Stillen–, sondern öffnete sie einfach nur und zog sie schwungvoll auf. Der Anblick, der sich ihr bot, ließ sie empört nach Luft schnappen.

Auf die Ellbogen gestützt, lag Eirik auf seinem Bett. Er trug nur einen Lendenschurz, und sein Körper und sein glatt zurückgekämmtes Haar schimmerten vor Feuchtigkeit, als hätte er gerade erst gebadet.

Er war nicht allein.

Eine junge Frau – eine schöne, junge Frau – kniete vor ihm auf dem Bett und hielt seinen Fuß in ihrem Schoß.

Eadyths Augen weiteten sich vor Fassungslosigkeit.

Die junge Maurin schnitt Eiriks Zehennägel, und er lag praktisch splitternackt vor ihr. Mit seinem Fuß in ihrem Schoß.

»Eadyth, ich wusste nicht, dass du da bist. Komm herein«, sagte Eirik in gespielter Unschuld. Seine schläfrigen Augen jedoch zeugten von einem ganz anderen Gefühl.

Oh, wie erniedrigend! Eirik hatte doch tatsächlich vor aller Augen eine Buhle in ihr Haus gebracht! Sie würde ihn umbringen! Vielleicht mit diesem kleinen Fußpflegemesser, das die junge Frau in ihrer Hand hielt. Oder vielleicht würde sie sie sogar beide umbringen.

Trotz ihrer Empörung spürte Eadyth, wie ihre Augen sich mit Tränen der Enttäuschung füllten. Sie hatte bis dahin nicht erkannt, wie sehr sie begonnen hatte, Eirik zu vertrauen und sich auf ihre endgültige Vereinigung zu freuen. Oh, es war so ungerecht! Zuerst Steven, und nun auch noch dieser Schwerenöter!

Wie dumm sie doch gewesen war, so aufrichtigen Herzens diese Ehe einzugehen! Wütend schob sie ihr Kinn vor und versuchte, ihr Elend vor Eiriks prüfendem Blick zu verbergen. Sie war eine starke Frau und an die ernüchternde Realität der Einsamkeit gewöhnt. Sie würde auch den Verrat eines weiteren Mannes überleben. Oh ja, das würde sie.

Ohne nachzudenken, ergriff sie einen Eimer, der neben seinem schmutzigen Badewasser stand, und schüttete das kalte Wasser auf seinen noch immer lässig ausgestreckten Körper. Es durchnässte ihn und das Bettzeug, und bespritzte auch auf das Kleid der kleinen Schlampe, die sich auf ihr Hinterteil fallen ließ und sie erschrocken anstarrte.

»Heiliger Bimbam, Eadyth! Das Wasser war eiskalt!«, rief Eirik, während er nach einem Handtuch griff. »Nimmst du jetzt auch schon Anstoß an meiner Körperpflege?«

»Körperpflege?«, wiederholte Eadyth mit erstickter Stimme, und dann füllte sie den Eimer mit schmutzigem Badewasser und ging erneut auf das Bett zu. Kreischend vor Entsetzen sprang die junge Frau vom Bett und huschte an ihr vorbei und aus der Tür hinaus.

Eirik stand auf und musterte sie herausfordernd. »Wag es ja nicht, dieses schmutzige Wasser über mich zu schütten, oder du wirst die Folgen tragen müssen.«

Trotz ihrer Wut musste Eadyth sich eingestehen, dass dieser vor ihr stehende fast völlig nackte Mann einen beeindruckenden Anblick bot. Das durch die Pfeilscharten hereinfallende Licht spielte auf den ausgeprägten Muskeln an seinen Schultern und Armen und betonte die von Jahren des Reitens gestählten Sehnen und Muskelstränge an seinen langen Beinen. Er warf das große Leintuch auf das Bett und stemmte arrogant die Hände in die Hüften. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine wohlgeformten Lippen, und seine hellen blauen Augen sprühten förmlich vor Vergnügen.

Eine Welle unbeherrschten Zorns erfasste Eadyth. Er lachte sie aus! Er vergnügte sich mit einer anderen Frau und fand ihren Zorn auch noch belustigend. Er hatte ihr in der Verlobungsvereinbarung Treue versprochen, und dann brach er die Ehe, noch bevor sie überhaupt vollzogen war. Am schlimmsten aber war, dass er diese ungebildete Bäuerin anziehend fand und es bei ihr … seiner wahren Ehefrau, nicht einmal ertrug, ihr beizuwohnen.

Sie schüttete den Eimer Wasser mit Schwung über Eiriks Kopf aus. Schmutziges Seifenwasser tropfte von seinem Haar, seinen Wimpern und von seinem Kinn. Bestürzt und überrascht, dass sie seine Warnung tatsächlich missachtet hatte, starrte Eirik sie mit offenem Mund an. Aber nur für einen Moment. Dann verdrängte Wut seine Überraschung, und er sagte in Unheil verkündendem Ton: »Du wirst es noch bereuen, Frau, dass du meiner Warnung keine Beachtung geschenkt hast.«

Und da erkannte Eadyth, dass ihre Methode, Eirik ihr Missfallen kundzutun, vielleicht ein bisschen voreilig gewesen war. Sie hätte warten sollen, bis sie ihre Wut wieder unter Kontrolle hatte, und vernünftig mit ihm reden sollen. Herrgott noch mal! Wo war die besonnene, beherrschte Frau, die sie vor ihrem Umzug nach Ravenshire gewesen war? Sie erkannte diese leicht erregbare, hitzköpfige Furie, zu der sie sich entwickelt hatte, nicht wieder.

In Eiriks Augen stand ein beunruhigender Glanz, als er jetzt langsam auf sie zukam.

Eadyth drehte sich auf dem Absatz um und stürmte die Treppe hinunter und durch den großen Saal, ohne die Ritter zu beachten, die sich vor dem Regen hereingeflüchtet hatten und sich nun an den langen Tafeln mit Würfelspielen die Zeit vertrieben. Ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollte, stürzte sie blindlings aus der Tür zum Hof hinaus; sie wusste nur, dass sie den Schritten hinter sich entkommen musste.

Sie hatte kaum den Hof erreicht, als sie hörte, wie Eirik mit seinen nackten Füßen auf der Außentreppe ausglitt. Er fluchte laut, als er die Stufen hinunterfiel und auf dem schlammigen Boden des Burghofs landete.

Eadyth warf einen besorgten Blick über ihre Schulter und überlegte, ob sie zurückgehen sollte, um nach ihm zu sehen. Aber ein Blick auf Eirik reichte, um sie davon abzuhalten. Noch immer nur mit seinem knappen Lendenschurz bekleidet saß er im Dreck und funkelte sie wütend an, sodass sie es für besser hielt, sich ein Versteck zu suchen, bis er sich beruhigt hatte.

Sie war schon fast im Küchengarten, als Eirik sich von hinten auf sie stürzte und sie an der Taille packte. Unter Eiriks Gewicht schlug sie der Länge nach hin und landete mit ihrem Gesicht im Schlamm. Der Regen prasselte auf sie hinunter und verwandelte die Erde um sie herum in einen See aus Schmutz.

Sich mit beiden Händen auf den durchweichten Boden stützend versuchte Eadyth, ihren Kopf und ihre Schultern anzuheben, aber sie konnte sich nicht bewegen. Eirik bedeckte sie von Kopf bis Fuß mit seinem eigenen, viel größeren Körper, sodass sie sogar Schwierigkeiten mit dem Atmen hatte.

»Geh runter von mir, du Trampeltier!«

Eirik drehte Eadyth auf den Rücken, hielt sie aber auch weiterhin mit seinem Körper auf dem Boden fest. Trotz des Regens, der nun nachließ, als die Sonne zwischen den Wolken hervortrat, trotz der Tatsache, dass seine Frau Gemahlin wie eine in Schlamm getauchte Ratte aussah, und trotz seines gewaltigen Ärgers fand Eirik Gefallen an dem Gefühl ihrer weiblichen Rundungen unter seinem harten Körper. Ja, Rundungen, erkannte er erfreut; seine Frau war auf jeden Fall nicht das knochige Geschöpf, für das er sie gehalten hatte.

Behutsam veränderte er seine Haltung ein wenig und ließ sie zwischen ihren Schenkeln den Beweis seiner männlichen Begierde spüren.

Sie sog scharf den Atem ein und blickte mit großen Augen fragend zu ihm auf. Rinnsale von Regen hinterließen Streifen in dem Schmutz, der ihr Gesicht bedeckte, und unter ihrem Schleier hing in hässlichen grauen Klumpen ihr nasses Haar hervor.

Irgendwie fühlte Eirik sich aber überhaupt nicht abgestoßen.

Mit einer geschickten Bewegung beider Beine verschränkte er Eadyths Fußknöchel mit den seinen und spreizte ihre Beine. Durch ihr dünnes, tropfnasses Gewand hindurch ließ er sie dann seine pulsierende Härte an ihrer empfindsamsten Körperstelle spüren – oder zumindest war es die empfindsamste Stelle aller anderen Frauen, die er kannte. Aber vielleicht war seine Frau ja anders.

Ein wohliger kleiner Seufzer entrang sich Eadyths Lippen. »Oh.«

Eirik lächelte. Sie war also doch nicht anders. Und das zu wissen, erfüllte ihn mit einer überwältigenden Befriedigung … und freudiger Erwartung. »Oh?«

»Oh, du bist ein Flegel!«, rief Eadyth in ihrem gewohnt kratzbürstigen Ton und versuchte, ihn von sich wegzustoßen, als sie sich wieder fasste.

»Ich bin also ein Flegel?«, fragte er. »Du weißt noch gar nicht, Teuerste, was für ein Flegel ich sein kann.« Und dann griff er mit seiner rechten Hand in den Schlamm und schmierte ihn ihr mit einem schadenfrohen Lachen ins Gesicht. »Das ist für das schmutzige Badewasser, das du mir ins Gesicht geschüttet hast.«

Eadyth prustete und spuckte, bespritzte sein Gesicht mit Schlamm und versuchte, ihn zu kratzen. Aber er ergriff ihre beiden Handgelenke und zog sie ihr mit einer lässigen Bewegung über den Kopf. Dann nahm er eine weitere Hand voll Schlamm, verteilte ihn auf ihren beiden Brüsten und begann ihn mit langsamen, kreisenden Bewegungen auf ihrem nassen Mieder glatt zu streichen. Fasziniert beobachtete er, wie ihre Brustspitzen sich unter dem dünnen Stoff verhärteten.

Und spürte, wie seine eigene Erregung immer stärker wurde.

»Warum tust du das?«, stöhnte sie.

»Weil es mir gefällt.«

Langsam ließ er seine Hüften an den ihren kreisen und beobachtete sie scharf, um ihre Reaktion zu sehen. Sie enttäuschte ihn nicht.

Sie spreizte ganz instinktiv die Beine und bog sich ihm verlangend entgegen. Verträumt schloss sie die Augen und öffnete wie von selbst die Lippen, als ihre Atemzüge immer schneller und flacher wurden. Ihr Körper verriet ihm, was ihre stolze Zunge ihm nicht sagen konnte: Sie begehrte ihn. Nicht weniger, als er sie begehrte.

»Ähem. Ähem.«

Eirik stöhnte laut auf, als er dieses diskrete Hüsteln vernahm und wusste, noch bevor er aufschaute und Britta, Bertha und einige seiner Ritter an der Küchentür stehen sah, dass die Gunst des Augenblicks verloren war.

Eadyth bezwang ihre leidenschaftlichen Empfindungen fast augenblicklich und maßregelte ihn mit zutiefst beschämter Stimme: »Oh, du bist der schlimmste Ehemann der Welt! Unsere Ehe in aller Öffentlichkeit vollziehen zu wollen! Bei helllichtem Tag und dazu auch noch in all dem Dreck!«

»Ist es das, was wir getan haben?«, entgegnete er belustigt. »Nun, ich muss gestehen, so etwas habe ich zum ersten Mal gemacht. Du musst einen schlechten Einfluss auf mich haben. Auf was für andere abwegige Gedanken wirst du mich noch bringen, Frau?«

»Ich? Ich?«, schrie sie und versuchte, ihn abzuschütteln.

Er lachte und rührte sich nicht von der Stelle.

Sie biss ihn in die Schulter.

»Au!«

Er biss sie in die Schulter.

Sie schrie noch lauter als er.

Währenddessen staunte ihr Publikum noch immer offenen Mundes über das Schauspiel, das sie boten. Eirik hielt es für an der Zeit, hineinzugehen, bevor sie wirklich ihre Ehe noch vor aller Augen vollzogen. Es hatte aufgehört zu regnen, und das helle Sonnenlicht, das durch die Wolken fiel, ließ Dampf von dem feuchten Erdboden aufsteigen. Nach kurzer Überlegung blickte Eirik auf und rief: »Britta, hol Seife, einen Kamm und ein paar große Leintücher. Und saubere Kleider für mich und meine Frau Gemahlin. Bring sie zur Quelle.«

»Was?«, stieß Eadyth bestürzt hervor.

»Wir gehen baden … im Teich.«

»Wir?«

Eirik hörte die Panik in Eadyths Stimme, aber das scherte ihn nicht im Geringsten. Sie hatte ihn zu weit getrieben. Er hatte lange genug gewartet, um mit seiner Frau zu schlafen, und er würde nicht noch länger warten. Die Wahrheit war, er konnte einfach nicht mehr länger warten.

»Ist das ein intimes Spiel, oder darf hier jeder mitspielen?«, fragte eine tiefe Stimme über ihm.

Eirik blickte sich über die Schulter um und sah unmittelbar hinter sich Sigurd auf seinem Schlachtross sitzen. Er war mit dem Tier in den Küchengarten hineingeritten. Eadyth würde einen Wutanfall bekommen, wenn er ihre kostbaren Kräuter zertrampelte.

Aber dann wurde Eirik sich der Bedeutung von Sigurds Auftauchen bewusst, und so erhob er sich und erlöste Eadyth endlich von seinem Gewicht. Doch obwohl er ihr erlaubte aufzustehen, hielt er noch immer fest ihr Handgelenk umklammert und weigerte sich, sie loszulassen.

»Was hast du herausgefunden?«, fragte er aufgeregt, als Sigurd absaß und die Zügel seines Pferdes einem Stallknecht übergab. »Hat sie mich ausspioniert oder nicht?«

Erstaunt blickte Sigurd von Eirik zu Eadyth und wieder zurück, und dann warf er einen vielsagenden Blick auf die noch immer deutlich zu erkennende Ausbuchtung unter Eiriks Lendenschurz. In übertriebener Verzweiflung schüttelte Sigurd den Kopf und lachte. »Mir scheint, das Warten war wohl ziemlich hart für Euch, Mylord.«

»Mir scheint, du solltest besser ausspucken, was du weißt, wenn du kein Schlammbad mit uns nehmen willst.«

Sigurd grinste breit und erhöhte die Spannung noch. Aber schließlich sagte er: »Sie ist unschuldig wie ein neugeborenes Kind.«

Diesmal war es Eirik, der von einem Ohr zum anderen grinste. »Bist du sicher? Wo hast du dich erkundigt?«

»In Hawk’s Lair. In Jorvik. Sogar auf zwei von Gravelys Landgütern. Ja, ich bin mir sicher. Sie hasst den Mann. Die Menschen, die sie kennen, wissen das. Und sie hatten keinerlei Kontakt mehr, bis er letztes Jahr urplötzlich auftauchte, um seinen Sohn zu suchen.«

»Du hast Spione auf mich angesetzt?«, fragte Eadyth entgeistert und entzog Eirik abrupt ihre Hand. Ihr Gesicht verdunkelte sich vor Zorn. »Wie konntest du das wagen? Oh, wie konntest du nur!« Sie holte aus und stieß Eirik ihre Faust in den Magen.

»Au!« Eirik war so überrumpelt, dass er ausrutschte und wieder in den Schlamm fiel, wobei er Eadyth mit sich zog.

Sie schwenkte ihre Arme und kämpfte wie eine Wilde, um sich zu befreien, während sie sich im Schlamm herumwälzten und sich noch einmal von Kopf bis Fuß damit beschmierten.

»Du arroganter Idiot!« Sie schlug ihn ins Gesicht und versuchte von ihm abzurücken.

»Du eigensinniges Frauenzimmer!« Er packte sie am Fußknöchel und zog sie grob wieder zu sich zurück.

In diesem Moment versteifte sich ihr ganzer Körper, und ihr Gesicht erstarrte zu einer Maske der Verbitterung. Plötzlich schien sie sich an irgendetwas Schmerzliches zu erinnern. »Du hast mich mit einer anderen Frau betrogen«, warf sie ihm vor, als sie sich auf die Knie aufrichtete.

»Habe ich das?« Bis dahin hatte Eirik schon fast vergessen, was zu diesem Bad im Schlamm geführt hatte – das Komplott, das er mit Aarons junger Frau ausgeheckt hatte. War er wirklich so dumm gewesen, zu glauben, er könne seine Frau verärgern, indem er so tat, als wäre er mit einer anderen Frau zusammen, ohne die Folgen zu tragen? »Ach, das war nur eine kleine Scharade, um dich zu ärgern«, gab er unumwunden zu.

»Warum?«, fragte sie und runzelte verwirrt die Stirn.

»Damit du mich nicht in Versuchung führen konntest, unsere Ehe zu vollziehen, bis …« Eirik brach ab, als er die grenzenlose Wut in ihren veilchenblauen Augen sah. Vielleicht hatte er zu schnell zu viel verraten. Einige Frauen waren leicht erregbar und mussten vorsichtig behandelt werden. In seinem Ärger hatte er vergessen, taktvoll vorzugehen.

»Dich in Versuchung zu führen? Ich?«, entfuhr es Eadyth. Dann reckte sie ihr aufsässiges Kinn gen Himmel und drehte den Spieß um. Sie hob ihre Hände, die beide voller Schlamm waren, den er sie nicht einmal hatte aufheben sehen, und schleuderte ihn ihm ins Gesicht. Vorübergehend geblendet setzte er sich auf sein Hinterteil und ließ sie los, um sich die Augen abzuwischen. Als er endlich wieder sehen konnte, stand Eadyth vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt, und funkelte ihn verächtlich an. »Du selbstherrlicher Bastard, du!«

»Ich mag weder deine Ausdrucksweise, Frau, noch deinen Ton.« Als ihm dann plötzlich bewusst wurde, dass sie noch immer ein großes Publikum hatten, brüllte Eirik den Zuschauern an der Küchentür zu: »Fort mit euch! Verschwindet! Ich will mit meiner Frau allein sein.«

Britta kicherte und sagte zu Bertha, sie sähen aus wie zwei sich im Schlamm suhlende Schweine. Bertha lachte anzüglich und machte eine Bemerkung darüber, dass sogar die flachsten Brüste noch zu wackeln schienen, wenn sie mit Schlamm bedeckt waren. Sigurd und Wilfrid lachten nur.

Als Eirik und Eadyth endlich allein waren und einander schwer atmend gegenüberstanden, warf sie ihm vor: »Du hast Nachforschungen über mich anstellen lassen, obwohl ich dir mein Wort gegeben hatte, dass ich ehrlich sein würde. Du dachtest, ich würde ein Komplott mit deinem ärgsten Feind – und meinem ärgsten Feind schmieden. Und du hattest vor, mit einer anderen Frau ins Bett zu gehen, nur um meine dir widerwärtige Nähe zu vermeiden. Ich könnte dich ja aus Versehen berühren.«

»Widerwärtige?«, stieß er hervor. »Mylady, du leidest unter Wahnvorstellungen, wenn du nicht merkst, dass ich mich nach deinem Körper verzehre und danach sehne, von dir berührt zu werden.«

»Wirklich?« Die Freude, die für einen Moment ihr Gesicht erhellte, verschwand wieder, als ihr die volle Bedeutung seiner Worte klar wurde. »Soll das heißen, dass du diese Szene mit der Maurin in deinem Schlafzimmer mit voller Absicht inszeniert hast?«

»Ich wiederhole es noch mal, es war nur ein kleiner Trick. Ich hatte nicht die Absicht, mit der jungen Frau ins Bett zu steigen. Sie ist mit einem meiner Männer verheiratet.«

»Wie arglistig von dir!«

Er zog spöttisch eine Braue hoch.

Eadyth blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten, die in ihren Augen aufstiegen.

Für einen Moment verspürte Eirik tatsächlich Gewissensbisse. »Ich musste mir sicher sein können«, verteidigte er sich.

»Warum konntest du mich dann nicht fragen? Ich hätte dir die Wahrheit gesagt.«

»Hättest du das?«, entgegnete er leise.

Er wusste es.

In diesem Moment bemerkte Eadyth, dass Eirik sie mit seinen blauen Augen auf ganz andere Art als sonst ansah, und begriff, dass er von ihrer Maskerade wusste. Damit verstand sie auch, warum er sich während der letzten Tage so eigenartig verhalten hatte.

»Wie lange?«, fragte sie und wich beunruhigt zurück. »Wie lange hast du es schon gewusst?«

Er zuckte mit den Schultern. »Lange genug.«

»Bist du … böse auf mich?«

Er nickte und trat einen Schritt näher.

Sie trat einen Schritt zurück.

»Nun, ich bin auch böse auf dich.«

»Ach?« Er trat wieder auf sie zu.

Diesmal zog sie sich gleich zwei Schritte zurück. »Du hast mir nachspioniert.«

»Aus gutem Grund.«

»Vielleicht hatte ich ja auch einen guten Grund für meine … meine harmlose kleine Maskerade.«

Eirik grinste über ihre Wortwahl, und Eadyth merkte, dass er ihr zwei Schritte nähergekommen war, während sie gesprochen hatte. Sie trat fünf Schritte zurück, um mehr Distanz zwischen sich und diesen Mann, der ihr schier den Verstand raubte, zu bringen, und er lächelte sie auf eine Art und Weise an, die ihr ganz und gar nicht gefiel. Sie kam sich wie ein hilfloser, von einer klugen alten Katze gejagter Vogel vor.

»Vielleicht solltest du mich dann vielleicht einmal über deine Motive aufklären«, sagte er und rieb sich nachdenklich seine schlammbedeckte Oberlippe.

»Du siehst lächerlich aus, wie du praktisch splitternackt und von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt da stehst«, bemerkte Eadyth ohne nachzudenken. Denn eigentlich sah er bemerkenswert lebendig und alarmierend gut aus, wie sie sich eingestehen musste. Aber das würde sie ihm natürlich niemals sagen.

Ein mutwilliges Funkeln trat in Eiriks schöne helle Augen. »Ah, dann ist es nur gerecht, dass wir das ausgleichen.«

Eadyth runzelte verwirrt die Stirn. Sie hatte gesagt, dass er so nackt und mit Schlamm bedeckt, wie er war, lächerlich aussehen würde. Als sie an sich herabblickte, sah sie, dass auch sie von Kopf bis Fuß vor Dreck starrte. Damit blieb nur …

Sie starrte ihn sprachlos an. Das würde er nicht wagen!

Eirik griff nach ihr.

Also offensichtlich doch.

Ohne Eadyths protestierendes Geschrei zu beachten, warf Eirik sie sich einfach über seine Schulter. Als sie den Teich erreichten, schüttelte er den Kopf über ihre undamenhafte Ausdrucksweise.

Gott ja, er liebte einen guten Kampf, und diese eigensinnige, überhebliche und kratzbürstige Ehefrau würde ihm in dieser Hinsicht noch so manchen Spaß bereiten. Ohne das geringste Zögern watete Eirik bis zu den Knien in das eisig kalte Wasser des von einer Quelle gespeisten Teichs. Trotz der inzwischen warm auf sie hinunter scheinenden Sonne würde es wegen des gerade erst gefallenen Regens ein erfrischendes und vor allem ziemlich kaltes Bad werden. Eirik grinste breit und ließ Eadyth mit Kleidern, Schuhen und allem Drum und Dran ins Wasser fallen.

Prustend tauchte sie wieder auf und schrie ihm jedes Schimpfwort zu, das ihr gerade einfiel. »Du widerlicher Flegel! Du einfältiger Kretin! Du verdammtes Scheusal! Du Lustmolch!«

Schamlos nahm Eirik seinen Lendenschurz ab und kam langsam auf sie zu. »Dann wollen wir doch mal sehen, was ich mir mit dieser Heirat erworben habe, Frau.«

»Erworben? Erworben? Du hast mich nicht gekauft, du Strolch. Wenn überhaupt, habe ich dich mit meiner Mitgift gekauft«, kreischte sie und versuchte, trotz ihrer vollkommen durchnässten, schwer an ihrem Körper herunterhängenden Kleidung so würdevoll wie möglich an ihm vorbei zum Ufer zurückzuwaten. Ihren Schleier und ihr Stirnband hatte sie bei ihrem unfreiwilligen Bad verloren, und durch den nassen Stoff ihres Gewands zeichneten sich auf verführerische Weise die Konturen ihres Körper ab.

Ihre ärgerlichen Worte entlockten Eirik ein belustigtes Grinsen, und er zwang sich, seinen Blick von den klar zu erkennenden Umrissen ihrer Brüste, Hüften und langen Beine loszureißen. »Nun, dann werden wir eben beide unsere Errungenschaften begutachten.«

Als Eirik ihr durch das flache Wasser nachging, blickte sie sich um und sog scharf den Atem ein, als sie bemerkte, dass er seinen Lendenschurz abgelegt hatte. »Hast du denn gar kein Schamgefühl?«

»Überhaupt keins.«

Und dann begann er, auch sie von ihren Kleidern zu befreien, was kein leichtes Unterfangen war, so wie sie ihn trat und kratzte und ihm pausenlos Vergeltung schwor.

»Wag es nicht, mich anzufassen … oh, jetzt hast du mein Kleid zerrissen, du ungeschickter Tölpel.«

»Hör auf, so herumzuzappeln. Du bist glitschig wie ein Aal. Au! Du hast mich gekratzt. Es blutet sogar!«, rief er fassungslos und drückte sie unter das Wasser.

»Du Schuft!«, rief sie, nachdem sie prustend wieder aufgetaucht war, und warf sich gegen seine Brust, um ihn umzustoßen und sich auf seine Brust zu knien. Seine Nase brannte, und er entkam nur knapp einer Entmannung, als sie versuchte, ihm ihr Knie in den Unterleib zu stoßen.

»Eadyth! Es wird Zeit, sich wie eine Ehefrau und nicht wie ein Fischweib aufzuführen.«

»Ha! Es wird Zeit, sich wie ein galanter Ritter und nicht wie ein rüder Flegel zu benehmen.«

»Flegel!«, stieß er hervor. »Wir werden sehen, wer hier der Flegel ist. Ich habe endgültig genug von deinem Ungehorsam und deinem undamenhaften Benehmen.« Und damit riss er ihr auch schon ohne jede Rücksichtnahme grob das Kleid und ihre Unterwäsche vom Leib.

»Sieh dir nur an, was du mit meinen Schuhen angestellt hast! Oh, du wirst für den Schaden bezahlen, den du meinen Sachen zugefügt hast.«

Aber Eirik grinste nur über ihre weichen Lederschuhe, die an ihnen vorbeischwammen, und zerrte ihr die Strümpfe von den Beinen.

Als er sie bis auf die Haut entkleidet hatte, gab Eadyth ihm keine Gelegenheit, ihre körperlichen Reize zu begutachten. Mit einer blitzschnellen Bewegung entzog sie sich ihm, stürzte sich ins Wasser und schwamm so hastig von ihm weg, dass ihm nur ein kurzer Blick auf ihren nackten Po und ihre herrlich langen Beine vergönnt war.

Eirik lächelte.

Er schnappte sich die Seife, die Britta am Ufer zurückgelassen hatte, schwamm Eadyth nach und holte sie schon nach wenigen kräftigen Stößen ein. Dann packte er sie mit einer Hand am Haar, zog sie zum Rand des Teichs zurück und setzte sich ans Ufer, wo er sie zwischen seine Knie zog. Ihre Schreie waren bestimmt bis nach Jorvik zu hören.

»Kehr mir von heute an nie wieder den Rücken zu, du gottlose wikingische Bestie, denn ich werde es dir zehnfach heimzahlen!«

»Ich zittere schon vor Angst, Mylady.« Bevor sie sich umdrehen und ihn womöglich doch noch entmannen konnte, seifte Eirik schnell ihr Haar ein und tauchte ihren Kopf dann unter Wasser. Dreimal wiederholte er die Prozedur und ignorierte ihre Empörungsschreie über seine rohe Behandlung.

Als er schließlich sicher sein konnte, auch das letzte Fett aus ihren Haaren gewaschen zu haben, erlaubte er Eadyth aufzustehen. Erbost warf sie ihr langes, nasses Haar über ihre Schulter und stürmte von ihm fort, bevor er eine Chance bekam, sich ihren Körper genauer anzusehen. Na ja, dachte er, dazu würde er später noch genug Gelegenheit bekommen.

Für seine eigene Körperpflege watete er an eine Stelle, an der das Wasser etwas tiefer war. Gründlich schäumte er sein Haar und seinen Körper ein und tauchte immer wieder unter, bis auch der letzte Schmutz beseitigt war. Als er nach geraumer Zeit dann aus dem Wasser stieg, stand Eadyth schon voll angekleidet in einem gegürteten Gewand aus lavendelfarbener Seide am Ufer und kämmte ihr langes Haar.

Und sie sah bezaubernd aus.

Britta – der Himmel möge es ihr danken – hatte offenbar keine Unterkleider für seine Frau Gemahlin mitgebracht, denn der dünne Stoff ihres Gewands brachte ihre weiblichen Rundungen hervorragend zur Geltung. Sie war schlank, wie er ursprünglich gedacht hatte, aber nicht knochig oder hässlich. Wieder schalt er sich im Stillen, ein solch schwachsichtiger Narr zu sein.

Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem erwartungsvollen Lächeln, als er nach einem Leinentuch griff, sich schon fast aufreizend langsam damit die Feuchtigkeit vom Körper abtupfte und Eadyth unentwegt beobachtete.

Auch sie beobachtete ihn sehr genau.

Eirik spürte, wie seine Männlichkeit sich unter ihrem festen Blick zu regen begann.

Sie errötete und wandte das Gesicht ab.

»Wir werden nun endlich unsere Ehe vollziehen. Das ist dir doch klar, Eadyth, nicht wahr?«

Sie zögerte und biss sich auf die Unterlippe, bevor sie widerstrebend nickte. »Aber glaub ja nicht, dass ich für dich einen Kopfstand machen werde.«

Eirik schaute sie aus großen Augen an. »Nun, jetzt, wo ich sehe, dass du nicht so sehr wie das Hinterteil eines Maultiers aussiehst, wird das vielleicht auch gar nicht nötig sein.«

Eadyth warf ihm einen Blick zu, der klar besagte, dass er derjenige war, der dem Hinterteil eines Maultiers ähnlich sah. »Und bilde dir bloß nicht ein, dass ich dir eine von diesen Fünfstundenkerzen für deine schamlosen Zwecke geben werde«, setzte sie kratzbürstig hinzu.

»Wie bitte?«

Sie winkte ab. »Du weißt schon … für dieses Spielchen mit der fünfblättrigen Lotusblume, mit dem du herumgetönt hast. Oh, ich weiß, dass ich dem Ehebett nicht mehr entkommen kann, aber glaub ja nicht, dass du mich dazu bewegen kannst, deine Perversionen zu unterstützen.«

Da dämmerte es Eirik, und er lachte laut. Ach, du liebe Güte! Eadyth hatte ihm seine haarsträubende Geschichte über fünfstündiges sinnliches Vergnügungen tatsächlich abgekauft und erwartete nun vermutlich eine solche Darbietung von ihm in ihrer Hochzeitsnacht.

»Ah … hilf meiner Erinnerung auf die Sprünge, Eadyth … wie viele Male, sagte ich, erreicht die Frau ihren Höhepunkt an einem Abend?«

»Ich weiß es nicht mehr genau«, antwortete sie errötend. »Sieben oder acht Mal, glaube ich.«

»Sie … sieben oder acht Mal?«, fragte er, erstaunt über seine eigenen fantastischen Geschichten. Dann fiel ihm etwas anderes ein. »Und wie oft, sagte ich, erreicht der Mann während dieser fünfstündigen Begegnung seinen Höhepunkt?«

»Zwölf Mal«, erwiderte sie ohne Zögern.

Eirik gab einen erstickten kleinen Laut von sich und trat näher, nahm Eadyth den Kamm aus der Hand und warf ihn auf den Boden. Er umfasste ihre schmale Taille, die er mit seinen großen Händen fast vollständig umspannen konnte, und zog sie an sich, bis ihre Körper sich berührten.

Dann senkte er den Kopf und murmelte an ihren Lippen: »Eadyth, meine Teuerste, ich fürchte, ich werde es keine fünf Minuten durchhalten, geschweige denn fünf Stunden.«

»Ah, das hätte ich mir ja denken können. Männer prahlen immerzu mit Fähigkeiten, die sie nicht besitzen.«

Mit der Zungenspitze berührte er das kleine Muttermal über ihren Lippen und zeichnete die Umrisse ihres wohlgeformten Mundes nach. »Höre ich da eine Herausforderung, Frau?«

»Nein, darin sind wir uns ausnahmsweise einmal einig. Ich halte nichts von ausgedehnten Liebesspielen. Ich würde es lieber einfach nur schnell hinter mich bringen«, entgegnete sie in einem abwehrenden, aber nicht sehr überzeugend klingenden Ton und legte den Kopf zurück, um Eiriks Lippen zu entkommen. Ihre Bewegung verschaffte ihm aber nur einen besseren Zugang zu der glatten Haut an ihrem schlanken Nacken.

»Ah, aber da täuschst du dich, Frau. Wir werden unsere Fünfstundenkerze auf jeden Fall anzünden«, sagte er, während er mit den Lippen ihre warme Haut liebkoste. »Und ich verspreche dir ein lang anhaltendes Vergnügen … auch wenn wir beide wieder und wieder den Gipfel der Ekstase erreichen müssen, bis wir es hinbekommen.«

Eadyth fehlten in diesem Moment wieder einmal die Worte. Aber der wild pochende Puls an ihrem Nacken zuckte verräterisch an Eiriks Lippen.