Eadyth betrachtete das Pergament in ihren Händen und las es noch einmal, um zu versuchen, zu verstehen:
Eadyth,
es ist vorbei!
Eirik
Was bedeutete das? Wilfrid war an diesem Abend mit den Männern zurückgekehrt und hatte Godric, der glücklicherweise alles wohlbehalten überstanden hatte, heimgebracht. Aber Eirik war mit Tykir nach Jorvik weitergeritten, ohne ihr auch nur ausrichten zu lassen, wann er nach Ravenshire zurückkehren würde.
Es ist vorbei. Hieß das, dass der Kampf mit Steven von Gravely endlich ein Ende hatte? Oder hieß es, dass er ihre Ehe für beendet hielt?
Eadyth fragte Wilfrid, nicht nur einmal, ohne aber eine Antwort zu erhalten. Oh, er hatte Eadyth von Stevens letzten Worten erzählt, und sie hatte großes Mitleid mit ihrem Ehemann und Tykir, für die es furchtbar schwer sein musste zu wissen, dass sie vom gleichen Blut wie ein solcher Teufel waren. Oder vielleicht bekümmerte es sie auch, dass sie Steven als kleinem Jungen nicht hatten helfen können, bevor Misshandlungen und Missbrauch ihn um den Verstand gebracht hatten.
Eadyth ließ die Geschehnisse der letzten Tage in Gedanken noch einmal Revue passieren. Hätte sie zu Eirik gehen und ihm alles sagen sollen, selbst auf die Gefahr hin, sein eigenes und Godrics Leben zu riskieren? Eirik schien es jedenfalls zu glauben.
Würde sie anders handeln, wenn sie eine Möglichkeit hätte, die Uhr zurückzudrehen? Wahrscheinlich nicht, gestand Eadyth sich ein. Dazu war sie viel zu eigensinnig, genau wie Eirik immer sagte.
Vielleicht konnte sie sich ändern. Vielleicht würde er erfreut sein und sie wieder lieben, wenn es ihr gelänge, all die unangenehmen Eigenschaften, die er an ihr kritisierte, abzulegen. In den nächsten paar Tagen, als Eirik in Jorvik blieb und ihr auch keine Nachricht sandte, beugte Eadyth sich in vielen Dingen, die das Gut betrafen, Wilfrids Wünschen, auch wenn er sie immer wieder ein bisschen komisch ansah. Selbst wenn er seine Pflichten nicht zu ihrer vollen Zufriedenheit erledigte oder sie glaubte, es besser als er zu können, kritisierte sie ihn nicht.
Sie erhob nicht ein einziges Mal ihre Stimme, nicht einmal, als Bertha lautstark in der Halle rülpste.
Eadyth verbrachte mehr Zeit mit den Kindern, unterrichtete sie und erzählte ihnen Geschichten. Machte sie das nicht sehr viel weiblicher? Würde das zumindest ihren Ehemann beeindrucken?
Wenn Eirik doch nur zurückkäme, würde sie ihn für all ihre Ungerechtigkeiten ihm gegenüber schon irgendwie entschädigen. Sie sehnte sich nach der Rückkehr ihres Mannes, nach der Liebe, die sie offenbar verloren hatte.
Aber sie litt auch noch aus anderen Gründen. Denn während all der Tage, die Eirik fortblieb, erbrach Eadyth sich jeden Morgen, aß für den Rest des Tages mit einem wahren Heißhunger und brach schon beim allerkleinsten Anlass in Tränen aus.
Sie erwartete ein Kind von Eirik. Sie war glücklich wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Und zugleich auch todunglücklich, weil sie ihrem Mann die guten Neuigkeiten nicht mitteilen konnte. Aber würde er sie jetzt überhaupt noch als gute Neuigkeiten betrachten?
»Schick dem Dummkopf eine Nachricht nach Jorvik und erzähl ihm von dem Kind«, riet Girta. »Er wird kommen, wenn er von deiner Schwangerschaft erfährt.«
»Nein. Ich will, dass er kommt, weil er mich liebt, und nicht des Kindes wegen.«
»Und wenn er nicht zurückkommt?«
»Ach, Girta«, rief Eadyth und warf sich in die Arme ihrer alten Amme. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn er nie wieder zu mir zurückkäme.«
Und dann, als eine Woche verstrichen war und sie noch immer nichts von ihrem Mann gehört hatte, begann sich ein heimtückischer Gedanke in Eadyths Seele einzuschleichen.
Könnte er bei Asa sein?
Nein, er würde nicht zu ihr gehen. Er hat doch gesagt, er hätte sie aufgegeben, weil er mich vorzieht, entgegnete ihr Verstand.
Aber das war, bevor ich ihn zum wiederholten Mal belogen habe.
Nun, wenn der Schuft dir eine andere Frau vorzieht, dann lass ihn gehen.
Eadyth dachte höchstens einen Moment lang über diese letzte Möglichkeit nach.
Nein! Himmeldonnerwetter, nein! Ich werde nicht zulassen, dass eine andere Frau mir meinen Mann wegnimmt.
Und Eadyth kehrte zu ihren alten Gewohnheiten zurück. Mit grimmiger Entschlossenheit befahl sie Wilfrid, ihr Pferd satteln zu lassen und zwei Bewaffnete bereitzustellen, die sie nach Jorvik begleiten sollten.
Und dann, wie immer ganz die praktische Geschäftsfrau, beschloss sie, dass es unvernünftig wäre, eine Reise in die Marktstadt anzutreten, ohne ihrem Vertreter etwas von ihrem Honig und ihren Kerzen mitzunehmen. Und vielleicht konnte sie ja auch gleich noch etwas Wolle verkaufen. Deshalb trug sie Wilfrid auf, den Pferdewagen zu holen und einen Fahrer zu besorgen.
»Und vielleicht finde ich ja auch einen Käufer für die Kirschen und die von Girta bestickten Stoffe«, sagte sie zu Wilfrid. Und obwohl der Seneschall schon wieder die Augen verdrehte, murmelte er nur: »Schön, dass Ihr wieder ganz die Alte seid, Mylady.«
Als sie gegen Abend in Jorvik eintraf, begab Eadyth sich sofort zum Haus ihrer Vertreters, wo sie während ihrer Besuche in der Stadt gewöhnlich übernachtete. An jenem Abend besprach sie ihre Geschäfte, und am nächsten Tag machte sie sich auf den Weg zu dem Waisenhaus vor der Stadt, wo Eiriks Nennonkel Selik und seine zweite Frau Rain, Eiriks und Tykirs Halbschwester, lebten.
Das glückliche Paar begrüßte Eadyth herzlich, nachdem sie sich im Lärm von Dutzenden schreiender, lachender und weinender Kinder vorgestellt hatte. Eadyth konnte das gut aussehende Paar nur sprachlos anstarren. Rain war fast so groß wie ihr wikingischer Ehemann. Beide waren blond und schön. Wann immer sie bei ihren alltäglichen Aufgaben aneinander vorbeikamen, berührten sie sich, und die Liebe zwischen diesen beiden Menschen war für alle mehr als offensichtlich.
Erstaunlicherweise war Rain eine Heilerin, was eine ungewöhnliche Beschäftigung für eine Frau war, und sie führte sogar ihr eigenes kleines Spital auf dem Gelände, auf dem sich das Waisenhaus befand. Selik besaß Handelsschiffe, die um die ganze Welt reisten. Eadyth wurde bald schon klar, dass sie eine vorteilhafte Vereinbarung hinsichtlich ihrer Bienenzuchtprodukte mit ihm treffen konnte.
»Es tut mir leid, dass wir nicht zu eurer Hochzeit kommen konnten«, sagte Rain. »Ich fühlte mich damals nicht ganz auf der Höhe, und Selik machte sich Sorgen, dass die Reise in diesem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft zu anstrengend für mich werden könnte.« Sie strich über ihren sich wölbenden Leib, und Eadyth konnte den Blick nicht von ihrem enormen Bauch abwenden. Eadyths Augen wurden feucht, als Selik hinter seine Frau trat, seine Hände liebevoll über ihr ungeborenes Kind legte und Rain zärtlich auf den Nacken küsste. Eadyth hatte noch nie ein verheiratetes Paar gesehen, das seine Gefühle so offen zeigte, was sie sogar fast ein bisschen neidisch stimmte.
Rain, die Eadyths Kummer zu bemerken schien, bat sie, sich zu ihnen zu setzen. »Was ist, Eadyth? Wie können wir dir helfen?«
»Habt ihr Eirik gesehen?«, entfuhr es ihr.
»Vor ungefähr fünf Tagen«, sagte Selik. »Er kam auf der Suche nach Helfern für die Reparatur seines Schiffs vorbei.«
»Seines Schiffs?« Eadyth versteifte sich vor Verärgerung. Ihr Mann besaß also nicht nur eine Schatzkammer zu Hause, sondern darüber hinaus auch noch ein Schiff in Jorvik! Und während sie von ihren geschäftlichen Unternehmungen dahergeplappert hatte, hatte er die ganze Zeit sein eigenes Handelsschiff besessen. Bei Gott und allen Heiligen! Wenn sie diesen Schwachkopf nicht so lieben würde, hätte sie es vielleicht sogar in Betracht gezogen, ihn ohne langes Federlesen vor die Tür zu setzen!
Dann kam ihr ein weiterer beunruhigender Gedanke. »Hat er die Absicht, selbst mit diesem Schiff in See zu stechen?«
Selik schaute sie unsicher an. »Das hat er nicht gesagt.« Dann musterte er Eadyth prüfend. »Aber sag uns doch, warum du deinen Mann suchst.«
Eadyth spürte, wie sie errötete, doch jetzt war nicht der richtige Moment für falschen Stolz. Sie begann ihre Geschichte ganz von vorn, bei ihrer albernen Scharade, und endete mit Steven von Gravelys schockierender Enthüllung.
Selik und Rain warfen sich einen merkwürdigen Blick zu, und dann umarmten sie sich fest. Mit tränenfeuchten Augen erklärte Rain: »Selik und ich – wie so viele andere – haben allen Grund, uns über Stevens Tod zu freuen.«
»Hm. Jetzt kann ich verstehen, warum Eirik so durcheinander war«, sagte Selik. »Er war immer so ein sensibler, ernster Junge. Er nimmt die Dinge viel zu ernst. Und wahrscheinlich wollte er uns einfach nur verschonen.«
»Eirik? Ernst?« Eadyth lachte. »Nein, da müsst ihr Tykir meinen. Wenn Eirik nicht gerade wütend ist, dann scherzt, grinst oder zwinkert er schier unaufhörlich.«
Rain und Selik starrten sie sprachlos vor Erstaunen an. Dann wandte Rain sich Selik zu. »Hast du je gehört, dass Eirik Scherze macht?«
»Noch nie«, erwiderte Selik entschieden. »Und ich kannte den Jungen schon, als er noch in den Windeln steckte.«
»Und Eirik und zwinkern?« Rain lachte laut. Dann nahm sie Eadyths Hände in die ihren und drückte sie warm. »Er muss dich lieben, Eadyth, wenn du diese Seite von ihm zum Vorschein bringst.«
Eine leise Hoffnung keimte in Eadyth auf, aber das brachte sie Eirik und einer Versöhnung noch nicht näher. Selik und Rain luden sie ein, bei ihnen zu bleiben, aber sie lehnte dankend ab, weil sie in der Stadt sein wollte, wo sie Eirik näher war.
Es war erst Mittag, als sie nach Jorvik zurückkam, und deshalb beschloss sie, sich am Hafen nach Eirik umzusehen. Sie war erst ein paar Meter gegangen, als sie Tykir mit einigen Seemännern sprechen sah, die ein Schiff beluden. Mit Bedauern registrierte sie, dass er sich auf eine Handelsreise vorbereitete. Ob Eirik ihn wohl begleiten würde?, fragte sie sich unglücklich.
Als Tykir sie sah, leuchteten seine Augen auf, und er beendete das Gespräch und schickte die Seeleute mit irgendeinem Auftrag fort. »Eadyth! Wie schön, dich zu sehen!« Mit ausgebreiteten Armen zog er Eadyth freudestrahlend an seine Brust. Dann legte er ihr einen Arm um die Schultern und führte sie auf sein Schiff.
»Wo ist er?«, fragte sie sofort. »Hast du Eirik gesehen?«
»Ja, natürlich habe ich ihn gesehen. Er arbeitet ja auf seinem Schiff hier ganz in der Nähe. Aber gestern ist er nach Wessex geritten, um König Edred zu besuchen, und bis jetzt noch nicht zurückgekommen.«
»Wird er heute kommen?«
Tykir zuckte mit den Schultern. »Eirik ist nicht er selbst, Eadyth. Er erzählt mir nichts.«
»Ich mache mir Sorgen um ihn. Meine Lügen und was Steven ihm erzählt hat …« Außerstande fortzufahren, brach sie ab.
Tykir strich ihr mit brüderlicher Fürsorge das Haar aus der Stirn. »Er war total schockiert über Gravelys Enthüllung. Das kann ich nicht bestreiten. Wir beide waren es. Aber er hat eingesehen, dass er nichts tun konnte, um den Lauf von Stevens Leben zu ändern. Wir wussten ja als Jungen nicht einmal etwas von Stevens Existenz, und Eirik kann höchstens fünf gewesen sein, als Steven verwaiste.«
Eadyth nickte. »Und meine Lügen? Wird er mir die verzeihen?«
»Du liebe Güte, Eadyth, lass Eirik ein bisschen Zeit. Er ist ein ernster Mensch, aber …«
»Ernst! Ernst! Warum bezeichnet eigentlich jeder meinen Mann als ernst? Eirik ist ein Schelm, und das weißt du nur zu gut.«
»Ein Schelm? Eirik?« Tykir betrachtete sie lange, dann sagte er: »Er muss dich lieben, wenn er dir und niemand anderem gegenüber seine schelmische Seite erkennen lässt.«
Es war so ziemlich das Gleiche, was Selik und Rain ihr schon gesagt hatten. Aber dann beunruhigte Eadyth Tykir und erstaunte sogar sich selbst, indem sie in Tränen ausbrach. Nun, sagte sie sich, als sie auch noch einen Schluckaufanfall bekam, ihren Mageninhalt hatte sie bereits am Morgen erbrochen. Und nun weinte sie sich die Augen aus dem Kopf. Und als sie kurz darauf auf einem Weinfässchen an Deck saß und Tykir ihr Herz über ihren abwesenden Ehemann ausschüttete, verputzte sie drei Äpfel, vier Stücke Honigkuchen und zwölf getrocknete Feigen.
Tykir starrte sie verwundert an und staunte über ihren Appetit. »Weiß der abscheuliche Flegel es schon?«
»Was?«
»Dass du seinen abscheulichen Flegel von einem Sohn erwartest?«
Überrascht über Tykirs scharfsinnige Bemerkung blickte Eadyth auf. »Nein, und sag es ihm auch bitte nicht. Ich will nicht, dass er aus Pflichtgefühl zu mir zurückkehrt.«
Eine Stunde später begleitete Tykir sie zum Haus ihres Vertreters. Auf dem Weg blieb Tykir plötzlich am Verkaufsstand eines arabischen Händlers stehen und sah Eadyth mit mutwillig funkelnden Augen an.
»Ich glaube, ich kenne genau das Richtige, um deinen Ehemann heimzulocken.«
»Was?«, fragte sie misstrauisch.
Als Omar, der Händler, ihr zeigte, was Tykir verlangte, formten Eadyths Lippen ein verblüfftes kleines ›Oh‹. »Meinst du … nein, nein, das könnte ich nicht … niemals … na ja, ich weiß nicht … wenn du wirklich meinst …«
Eirik kehrte weder an jenem Abend noch am nächsten Morgen nach Jorvik zurück, und Eadyth begann in Panik zu geraten. Tykir hatte ihr versprochen, dafür zu sorgen, dass Eirik gleich nach seiner Ankunft zu ihr kommen würde, selbst wenn er ihn fesseln und ihn höchstpersönlich zu ihr tragen musste. Eadyth gewann ihren reizenden Schwager immer lieber.
War es möglich, dass Eirik nach Jorvik zurückgekehrt war und sich weigerte, sie zu sehen? Immerhin konnte Tykir Eirik nicht wirklich dazu zwingen, etwas zu tun, was er nicht wollte. Oder vielleicht war er in die Stadt zurückgekehrt und gar nicht erst zu seinem Schiff gegangen. Und wenn er nun …
Ein scharfer Schmerz durchfuhr Eadyth bei dem Gedanken, dass Eirik bei Asa, seiner früheren Geliebten, sein könnte. Sie konnte einfach nicht mehr länger herumsitzen und warten. Und so kleidete sie sich mit größter Sorgfalt an, mit einer Tunika in einem hellen Lavendelton, zu der ein cremefarbenes, langärmeliges Hemd gehörte. Auf den Wimpel verzichtete sie, aber nicht auf den durchsichtigen violetten Schleier, den sie bei ihrer Hochzeit schon getragen hatte. Ein schmaler Goldreif, der zu dem goldenen Kettengliedergürtel passte, den sie um die Taille trug, hielt den Schleier fest. Eadyth fand, dass sie trotz ihres inneren Aufruhrs ziemlich gut aussah … oder jedenfalls, bis sie Coppergate erreichte und dort Asas Schmuckstand fand.
Die zierliche, schwarzhaarige Schönheit war ein wahres Juwel – neben dem sich Eadyth wie ein Stück Granit vorkam. In einem Anfall heftigen Selbstmitleids erkannte sie, dass sie mit einem solch bezaubernden Geschöpf nicht konkurrieren konnte.
Als sie sich Asa vorstellte, machte diese große Augen und lud Eadyth in ihr hinterm dem Verkaufsstand liegendes Haus ein. Eadyth sah sich rasch in dem kleinen, aber makellos sauberen Zuhause um, das mit kunstvoll geschnitzten Stühlen und Tischen eingerichtet war – wahrscheinlich aus Eiriks Schatzkammer, dachte sie böse. Sie versuchte, sich Eirik hier mit Asa vorzustellen, vor diesem Kamin sitzend, ihr Essen essend, zu diesem gemütlichen Schlafzimmer im ersten Stock hinaufgehend … Oh Gott.
Zu ihrer großen Schmach brach sie in Tränen aus.
Eirik war außerordentlich verärgert. Er war gerade aus Winchester zurückgekommen, wo er einen ganzen Tag damit verbracht hatte, sich mit Edred und seinen Beratern über deren Pläne zu streiten, Northumbria und all die Grafschaften zu besetzen, die sich mit Erzbischof Wulfstan und seinem Onkel Erik Blutaxt gegen ihn verschworen hatten. Seine Argumente waren auf taube Ohren gestoßen. Edred würde einen blutigen Krieg anzetteln, und Northumbria würde der Verlierer sein. Obwohl Ravenshire keins der Ziele war, würde es doch viele von Eiriks Nachbarn treffen, und Eirik befand sich nun in der alles andere als beneidenswerten Position, sich unter Freunden für eine Seite entscheiden zu müssen.
Er musste so schnell wie möglich nach Ravenshire zurückkehren, nicht nur wegen der durch Edred drohenden Gefahr. Eirik bekam allmählich auch Gewissensbisse wegen der Art und Weise, wie er Eadyth behandelt hatte.
Aber Teufel auch, die Frau trieb ihn zum Wahnsinn! Er hasste ihre Einmischungen, ihre zänkische und anmaßende Art. Und ganz besonders wütend machte ihn ihre Lügerei. Aber, Gott, er liebte diese Frau bis zur Raserei. Sie würden eben einfach einen Weg finden müssen, ihre Probleme zu bereinigen.
Als er sich dem Hafen näherte, sah er Tykir dort sein Schiff beladen. Er erinnerte sich, dass sein Bruder sich am nächsten Morgen auf die Reise nach Hedeby machen würde. Er würde ihn sehr vermissen.
Tykir blickte kaum auf, als er ihm einen Gruß zurief. Und Tykirs steife Haltung zeugte von nur mühsam unterdrücktem Ärger.
»Was ist denn nun schon wieder?«
»Deine Frau ist in Jorvik und sucht dich«, informierte Tykir ihn schroff, nachdem er seiner Mannschaft ein paar Fässer zugerollt hatte.
Eirik zog fragend eine Braue hoch. »Eadyth? In Jorvik? Und sie sucht mich?«
»Du nimmst wohl Unterricht bei deinem Papagei, Eirik?«
»Ja, und ich brauche keinen Unterricht in Sarkasmus von dir, Bruder. Warum sucht mich meine Frau?«
Tykir stützte die Hände in die Hüften und funkelte ihn an. »Du bist ein Dummkopf. Warum zum Teufel glaubst du wohl, dass sie dich sucht? Damit du dich um ihre Bienen kümmerst?«
»Mir gefällt dein Ton nicht, Tykir.«
»Und was gedenkst du dagegen zu tun?«
Eirik ballte ärgerlich die Fäuste und konnte es nicht glauben, dass er seinen eigenen Bruder schlagen wollte. Nachdem er ein paar Mal tief ein- und ausgeatmet hatte, um sich zu beruhigen, fragte er mit erzwungener Höflichkeit: »Und warum ist meine Frau in Jorvik, Bruderherz?«
»Weil diese unvernünftige Frau ihren abscheulichen Flegel von einem Ehemann vermisst, Bruderherz«, erwiderte Tykir nicht minder höflich. »Und weil sie ganz krank vor Sorge um dich ist.« Tykir stieß ärgerlich die Luft aus. »Geh heim, Eirik. Geh heim und gründe eine Familie mit Eadyth. Ich weiß nicht, warum, aber die Lady liebt dich.«
Eirik grinste. »Ja, ich bin ein liebenswerter Flegel, nicht?«
»Das liegt in der Familie«, stimmte Tykir ihm zu und schlug ihn ausgelassen auf den Arm. »Ach übrigens«, fügte er wie nebenbei hinzu, »hast du eine Ahnung, warum Eadyth den Kopfstand geübt hat?«
Eirik erstickte fast, so heftig schnappte er nach Luft, und Tykir musste ihm dreimal kräftig auf den Rücken klopfen, bevor er wieder atmen konnte. »Du lügst, Tykir. Das hast du dir nur ausgedacht.«
»Meinst du?«, fragte Tykir und betrachtete gelangweilt seine Fingernägel. »Na ja, vielleicht habe ich sie ja missverstanden.«
Die beiden Brüder lachten und legten sich gegenseitig die Arme um die Schultern. Dann gingen sie auf Tykirs Schiff und tranken etwas von dem vorzüglichen Honigwein, den Eadyth Tykir für die Reise gegeben hatte. Nachdem sie eine Weile über dies und das geplaudert hatten, berichtete Eirik seinem Bruder von Edreds Plänen und sagte ihm, wie froh er war, dass Tykir Britannien noch vor dem unvermeidlichen Gefecht verlassen würde. Tykir informierte ihn, dass er im Morgengrauen auslaufen und ihn deshalb vor seiner Abreise nicht mehr sehen würde.
Dann schnippte er plötzlich mit den Fingern. »Oh, jetzt hätte ich fast etwas vergessen!« Er ging zu einer Truhe und kam mit einem Päckchen in der Hand zurück.
»Was ist das?«, fragte Eirik misstrauisch.
Tykir wackelte mit seinen Augenbrauen. »Mein Hochzeitsgeschenk für dich. Ich habe es gestern mit Eadyths Erlaubnis an einem der Marktstände gekauft.«
»Für mich? Warum solltest du ihre Erlaubnis brauchen, um mir etwas zu kaufen? Außerdem hast du uns schon diesen verflixten Papagei zur Hochzeit geschenkt.«
»Nein«, berichtigte Tykir Eirik lachend. »Den Papagei habe ich Eadyth geschenkt. Das hier ist etwas ganz Besonderes für dich.«
»Wird es mir gefallen?«
»Eirik, du wirst mir bis ans Ende deiner Tage dankbar dafür sein.«
Die Brüder umarmten sich noch einmal auf dem Dock. Eirik wollte sich gerade abwenden und zum Haus von Eadyths Vertreter gehen, als Tykir wieder mit den Fingern schnippte. »Oh, da ist noch etwas, was ich vergessen habe.«
»Was? Noch ein Geschenk für mich?«
»Nein. Ich dachte nur, du wüsstest vielleicht gern, wo Eadyth gerade ist.« Tykir lehnte nonchalant an einem hohen Stapel aufgerollter Taue, und Eirik war für einen Moment versucht, ihn zu packen und in den Fluss zu befördern. Irgendwie wusste er nämlich schon, dass es ihm nicht gefallen würde, was Tykir ihm zu sagen hatte.
»Nun?«
»Sie ist zu Besuch bei Asa.«
Asas Schmuckstand war geschlossen, als Eirik Coppergate erreichte, und zuerst erhielt er auch keine Antwort, als er an ihrer Tür anklopfte. Aber schließlich öffnete ihm eine Dienerin. Da sie ihn gleich erkannte, winkte sie ihn in die große Diele. Eirik ging zu dem kleinen Wohnzimmer, zu dem die Magd ihn schickte, und verhielt plötzlich entsetzt den Schritt.
Eadyth und Asa saßen nebeneinander auf einer Bank in dem Erkerfenster. Eadyth weinte, und Asa hatte ihren Arm um sie gelegt und flüsterte ihr beruhigende Worte zu.
»Eadyth?«, fragte Eirik, als er nähertrat.
»Eirik!«, sagten Eadyth und Asa wie aus einem Mund, während sie beide aufsprangen, wobei Eadyths Asas sehr viel kleinere Gestalt um einiges überragte. Eirik hatte Asa immer für die schönste Frau der Welt gehalten, aber nun erkannte er, wie sehr er sich geirrt hatte. Eadyth, seine Frau, war sehr viel schöner. Sie war einfach wunderschön. Und sie gehörte ihm.
Und ich liebe sie.
Er lächelte Eadyth freundlich an und erwartete, dass sie das Lächeln erwiderte. Doch stattdessen schaute sie mit schmerzerfülltem Blick von ihm zu Asa. Und dann begannen ihre veilchenblauen Augen vor Zorn zu funkeln. »Oh … oh …«, stotterte sie, während sie ihn beiseitestieß und dann durch die Diele zur Tür hinaus rannte.
»Wa-as ist?«, fragte er Asa.
Asa schüttelte nur den Kopf, als wäre er der dümmste Narr der Welt.
Eirik drehte sich auf dem Absatz um und eilte seiner Frau nach, aber sie war auf der belebten Straße schon nicht mehr zu sehen. Er holte sein Pferd und ritt zum Haus ihres Vertreters. Bis er sich endlich durch die lästige Menge hindurchmanövriert hatte, war seine Stimmung auf dem Nullpunkt angelangt. Er betrat das Haus des Handelsvertreters, ohne auch nur anzuklopfen.
Eine Frau blickte erschrocken auf – vermutlich die Dame des Hauses – und Eirik fragte sie mit barscher Stimme: »Wo zum Teufel ist Eadyth?«
»Und Ihr seid …?«, entgegnete die dralle Frau und kam mit einer drohend erhobenen Kupferkelle auf ihn zu.
»Ihr Ehemann.«
»Oh. Der abscheuliche Flegel.«
Eirik verzog das Gesicht über die Worte der Frau.
Sie senkte ihre Waffe und deutete mit dem Kopf auf die Treppe, die ins obere Stockwerk führte. Er glaubte, sie noch sagen zu hören: »Vielleicht wird das Mädchen jetzt endlich aufhören zu weinen.«
Eirik fand Eadyth in einem der Gästezimmer, wo sie ihre Sachen in eine Ledertasche packte. »Guten Abend, Eadyth«, sagte er so unbefangen, als käme er wie vor einer Woche, vor ihrem Streit und ihrer Trennung und vor Stevens Tod, einfach nur vom Übungsplatz auf Ravenshire zurück. Er zog die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel um, damit sie nicht gestört wurden. Dann lehnte er sich lässig an die Wand und musterte Eadyth prüfend.
Sie blickte aus geröteten Augen zu ihm auf und bedachte ihn mit einem strafenden, herablassenden Blick – mit diesem strengen Blick, den sie so meisterlich beherrschte und mit dem sie tollpatschige Dienstboten und schwachköpfige Ehemänner gern bedachte. Gott, er liebte diese Frau.
»Fahren wir nach Hause?«, fragte er mit einem vielsagenden Blick auf ihre Reisetasche.
»Ich weiß nicht, wohin du gehst, aber ich kehre nach Ravenshire zurück.«
»Dann werden wir zusammen reisen, nehme ich an.«
»Ich brauche deine Gesellschaft nicht.«
»Aber ich brauche deine«, sagte er leise.
Sie warf ihm einen Blick zu. »Seit wann?«
»Seit dem Tag, an dem du in meine Burg gestürmt bist, meinen Hund getreten und mein Leben zu organisieren begonnen hast.«
»Ich habe deinen Hund nicht getreten«, protestierte sie. »Ich habe ihn nur angestupst.« Dann registrierte sie seine anderen Worte und errötete. »Was ist mit Asa?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Treib keine Spielchen mit mir, Eirik. Du bist zu ihrem Haus gegangen.«
»Und …?«
»Eirik, ich habe dir, als wir uns das erste Mal begegnet sind, gesagt, du könntest deine Mätressen behalten, so lange du sie nicht nach Ravenshire mitbringst. Also … na ja, wenn es also das ist, was du willst …«
»Eadyth … Eadyth … Eadyth«, sagte er leise und schüttelte den Kopf. »Wenn du je wieder sagst, es sei dir egal, ob ich eine Mätresse habe, werde ich …«
»Ich habe nie gesagt, es wäre mir egal!«, widersprach sie heftig. »Gerade weil es mir nicht egal ist und weil ich möchte, dass du glücklich bist, werde ich nicht die spitzzüngige Ehefrau spielen.«
Er zog spöttisch eine Augenbraue hoch. »Wirklich? Ich weiß nicht, ob mir diese Vorstellung gefällt. Ich habe nämlich eine ziemliche Schwäche für … spitze Zungen entwickelt.«
Eadyth gab einen abfälligen kleinen Laut von sich, schon wieder ganz die Alte. Eirik hätte sie vor Freude herumwirbeln können. »Ich war das letzte Mal vor unserer Verlobung und danach nie wieder mit Asa zusammen«, sagte er jedoch stattdessen.
Sie erstarrte plötzlich, und er sah, wie ihre Hände zitterten, als sie mit dem Packen aufhörte, um ihn prüfend anzusehen. »Warum bist du hier, Eirik?«
»Warum bist du nach Jorvik gekommen?«, gab er zurück.
Sie senkte ihre Lider und sagte mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war: »Um dich zu überreden, heimzukommen.«
»Nun, dann überrede mich.«
Sie warf ihm einen Seitenblick zu und versuchte, seine Stimmung einzuschätzen. »Wirst du heimkommen?«, fragte sie dann und schob ihr hochmütiges Kinn vor, als würde sie ein Nein von ihm erwarten.
Eirik tat, als dächte er über ihre Frage nach, und ging langsam von der Tür zu ihr hinüber. Schweigend hob er ihre Reisetasche vom Bett und stellte sie auf den Boden, setzte sich dann müde hin und zog Eadyth zu sich auf die Bettkante.
Eadyth wollte eine Antwort von ihrem Mann, wollte allerdings nicht ihr stolzes Schweigen dafür brechen müssen. Da sie aber vor allem ihre Ehe retten wollte, sagte sie dann doch mit leiser Stimme: »Ich habe Fehler gemacht, Eirik, aber ich glaube, dass ich mich ändern könnte.«
Eirik grinste sie an, als würde er ihr nicht glauben. Und Eadyths Herz begann wild zu pochen. Er war aber auch so ein gut aussehender Mann!
»Ich muss dir vertrauen können, Eadyth. Ich kann keine Lügen mehr dulden. Ich kann es einfach nicht.«
»Das weiß ich, und es tut mir auch sehr leid, Eirik. Ich dachte, ich täte das Richtige.«
»Das denkst du immer.« Er hatte feine Linien um seine Augen und seine Mundwinkel, die ihn erschöpft und abgekämpft aussehen ließen, und Eadyth bedauerte es zutiefst, dass sie ihm so viel Schmerz bereitet hatte.
Eirik nahm ihre Hand in die seine und strich über die kleine Narbe an ihrem Handgelenk, die sie sich als Zeichen ihrer Verlobung gegenseitig zugefügt hatten. Eadyths Puls begann zu flattern unter seiner zärtlichen Berührung. Dann verschränkte er seine Finger mit den ihren, sodass ihre beiden Narben sich berührten. »Blut von meinem Blut«, wiederholte er ihr Verlobungsversprechen, und Eadyth hatte das Gefühl, als öffnete sich ihr Herz so weit, dass es ihr schier die Brust zersprengen würde. So viele Gefühle durchfluteten sie und überschwemmten ihre Sinne, dass sie sie unmöglich alle zum Ausdruck bringen konnte.
Und so begann sie einfach nur zu weinen.
»Was sollen wir tun, Eadyth?«, fragte Eirik und wischte ihr behutsam mit den Fingerspitzen seiner freien Hand die Tränen ab.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie schluchzend. »Was willst du?«
Er sah sie ruhig an. »Eine Frau, die ich lieben kann und die mich wiederliebt. Eine Familie. Ein liebevolles Zuhause.« Lange blickte er ihr schweigend in die Augen, um dann mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war, hinzuzufügen: »Dich.«
Eadyths Herzschlag stockte für einen Moment. Dann warf sie sich auf ihn, stieß ihn rückwärts auf das Bett, als sie sein Gesicht, seinen Nacken, seine Ohren und sein Haar mit Küssen bedeckte und dabei unaufhörlich weinte. Ihr goldenes Stirnband verrutschte und fiel mit einem metallischen Klirren auf den Boden.
»Oh, Eirik, ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst. Ich werde die folgsamste Frau der Welt sein.«
Er lachte ungläubig, während er mit seinen flachen Hände über ihren Rücken strich, sie von ihren Schultern zu ihren Schenkeln hinab und dann wieder nach oben gleiten ließ.
»Es ist wahr, und ich werde dich nie wieder belügen.«
Eirik hob ihren Kopf, indem er ihr Gesicht zwischen seine Hände nahm, und sah ihr prüfend in die Augen. »Versprich mir bitte nichts, was du nicht halten kannst, Eadyth.«
Sie konnte den Schmerz in seinen wundervollen blauen Augen sehen, den Schmerz, den sie mit ihrer – egal wie gut gemeinten – Unaufrichtigkeit verursacht hatte. »Ich möchte es versuchen«, sagte sie.
Eirik nickte zustimmend. »Das genügt mir einstweilen.« Und dann zog er ihren Kopf zu sich hinunter und küsste sie mit all der in der einen Woche ihrer Trennung in ihm angestauten Leidenschaft. Als er endlich nach Atem ringend seinen Mund von ihrem löste, sagte er mit belegter Stimme: »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr du mir gefehlt hast, Liebste.«
»Ich will dich nicht verlieren, Eirik. Aber du musst mir helfen. Denn du weißt, ich neige dazu, alles Mögliche übernehmen und zuwege bringen zu wollen, worüber du dich ja auch schon oft genug beklagt hast. Und … warum grinst du?«
»Weil es auch die eine oder andere Gelegenheiten gab, bei denen deine zupackende Art gar nicht so schwer zu ertragen war.«
Eadyths Augen weiteten sich, als sie an die unerhörte Art und Weise dachte, mit der sie eines Nachts ›zugepackt‹ hatte. Und sie staunte über die Veränderungen, die dieser Mann in ihrem kalten Leben und Gemüt bewirkt hatte. Gute Veränderungen, dachte sie.
Eirik versuchte inzwischen, sich mithilfe seiner Finger auch als ›zupackend‹ zu erweisen. Er öffnete ihren Gürtel, um ihr die Tunika und das Hemd über den Kopf zu streifen, hielt aber immer wieder inne, um eine ihrer Schultern oder Brustspitzen zu küssen oder mit der Zungenspitze ihr entzückendes kleines Muttermal zu berühren.
Als Eadyth nackt war, stellte er sie vor sich hin und begann seine eigenen Kleider abzulegen, wobei er ihr die ganze Zeit fest in die Augen blickte. »Kannst du mich in diesem dämmrigen Licht sehen?«, fragte sie vorsichtig, weil sie wusste, wie empfindlich er hinsichtlich seiner schwachen Augen war.
Er lachte leise. »Gut genug, um das zunehmend schnellere Heben und Senken deiner Brüste zu sehen. Gut genug, deine sich verlangend aufrichtenden Brustspitzen zu sehen. Gut genug, deine erwartungsvoll geöffneten Lippen zu sehen. Gut genug, um die heiße Feuchte …«
Eadyth trat einen Schritt vor und brachte ihn zum Schweigen, indem sie einen Finger an seine Lippen legte. Dann versuchte sie, ihre Arme um seinen Nacken zu schlingen, aber er schob sie mit einem sanften Kuss wieder zurück. »Nicht so schnell. Zuerst möchte ich mein Hochzeitsgeschenk von Tykir öffnen.«
»Hochzeitsgeschenk? Oh«, sagte sie errötend, als sie sah, dass es das Päckchen war, das Tykir gestern auf dem Markt für sie erstanden hatte. »Er hat gesagt, es wäre ein Geschenk für mich.«
Eirik nahm das seidene Haremsgewand aus der Verpackung und überreichte es Eadyth lächelnd. Es waren im Grunde nur eine Reihe kunstvoll übereinanderdrapierter, durchsichtiger Schals mit winzigen Glöckchen an den Säumen. »Wirst du für mich tanzen, Eadyth?«, fragte Eirik mit plötzlich ganz heiser gewordener Stimme.
Errötend legte Eadyth das hauchdünne Kostüm an und zwang sich, sich nicht verschämt mit ihren Händen zu bedecken, als sie den erfreuten Blick sah, mit dem Eirik sie betrachtete.
»Ich kann nicht tanzen. Ich habe es nie gelernt«, gestand sie. »Aber ich könnte auf deinem Schoß sitzen, während du mir eine deiner Kalifengeschichten erzählst.«
Eirik hielt das für eine großartige Idee.
Bevor sie aber auch nur über den Beginn seiner Geschichte hinausgelangen konnten, war der Boden schon mit Seidenschals bedeckt. Als Eirik mit einer kraftvollen Bewegung in sie eindrang, hielt sie ihn fest umschlungen, um den Augenblick höchster Ekstase hinauszuzögern, der sie nur allzu bald in einen Abgrund rauschhafter Gefühle stürzen würde. Sie liebte diesen Augenblick des absoluten Einsseins mit ihrem Gemahl, diesen Moment, in dem die Zeit stillzustehen schien und nur er und sie existierten.
Eirik schien diesen ganz besonderen Moment genauso zu genießen wie sie selbst. Auf seine ausgestreckten Arme gestützt blickte er liebevoll auf sie hinab und flüsterte mit vor zärtlicher Stimme: »Ich liebe dich, Eadyth.«
»Ich liebe dich auch, Eirik. Nein, beweg dich noch nicht … oh!« Sie umfasste mit beiden Händen seinen Po, um ihn festzuhalten, und schloss für einen Moment die Augen, bis das heiße Prickeln an der Stelle, an der sie und er miteinander verschmolzen, nachließ. Dann nahm sie seufzend eine seiner Hände in die ihre und legte sie auf ihren Bauch. Mit vor Emotionen erstickter Stimme sagte sie: »Bei all den Hochzeitsgeschenken, die du und Tykir mir gegeben habt, hast du bisher noch keins von mir bekommen. Hier ist es, und ich hoffe, du wirst es ebenso sehr schätzen wie ich all die, die ich von dir bekommen habe.«
Zuerst blickte er sie nur verwundert an. Als er dann aber zu verstehen begann, lächelte er sie mit solch unverhohlener Liebe an, dass Eadyth sich von Gott gesegnet fühlte. Und dann zeigte Eirik ihr mit sehr, sehr langsamen Bewegungen, süßen Küssen und leise geflüsterten Worten der Liebe, wie sehr er ihr Geschenk zu schätzen wusste.
Viel später lag Eadyth in den Armen ihres Mannes, strich mit den Fingerspitzen über sein weiches Brusthaar und dachte, wie sehr es ihr gefiel, dass sie ein Recht hatte, ihn so zu berühren. Eiriks Blick und seine streichelnden Hände glitten immer wieder zu ihrem flachen Bauch, als sei er immer noch zutiefst verblüfft darüber, dass sie ein Kind miteinander gezeugt haben konnten.
Dann, obwohl es schon sehr spät war, beschlossen sie, nach Ravenshire zurückzukehren, weil sie in ihrem eigenen Heim und bei ihren Kindern sein wollten. Als sie sich kurz darauf anschickten, den Wagen zu besteigen, an den sie ihre Pferde gebunden hatten, und auch ihre Bewaffneten sich zum Aufbruch rüsteten, bemerkte Eadyth an Eirik gewandt: »Da ich ja nun weiß, dass du ein Handelsschiff besitzt, mein Bester, und ich all diese Produkte zu verkaufen habe, da dachte ich …«
»Du denkst zu viel, Eadyth«, brummte er und gab ihr zur Unterstreichung seiner Worte einen kleinen Klaps auf den Po. »Ich beabsichtige, dafür zu sorgen, dass du in Zukunft viel zu sehr mit mir beschäftigt bist, um noch mehr geschäftliche Projekte zu übernehmen.«
Sie warf ihm einen enttäuschten Seitenblick zu, als er sich neben sie auf den Wagen setzte, und murmelte vor sich hin: »Ich glaube, ich könnte beides schaffen.«
Aber Eirik hatte es gehört und warf den Kopf zurück und lachte. »Das bezweifle ich überhaupt nicht, Eadyth.« Dann legte er seinen Arm um ihre Schulter und zog sie näher zu sich heran. »Und, ja, wir werden es zusammen schaffen.«
– ENDE –