Wagner hatte seinen Dienstwagen wegen der schaulustigen Meute vor Kocks Haus ebenfalls ein paar Steinwürfe entfernt parken müssen. Die beiden Autos, Hufelands schwarzer Touran und Wagners Blau-Weißer, standen jetzt direkt hintereinander.
Teichwart, der schlaksige Fotograf, beugte sich soeben nach unten, einen Arm auf dem Dach des Dienstwagens abgelegt, und versuchte sich mit dem Mann, der hinten im Wagen saß, durch die geschlossene Scheibe zu verständigen.
Der umtriebige Skatbruder kam Hufeland gerade recht, Teichwart stand auf seiner Liste der zu vernehmenden Personen ganz oben. Zusammen mit der mehr oder vielleicht auch weniger trauernden Schnapsdrossel von Witwe.
Die sachverständige Meute vor Kocks Haus bemerkte nun die Truppenbewegungen der Polizisten mit hochgradigem Interesse und war schon drauf und dran, sich zu Wagners Dienstwagen zu verlagern.
»Sie sorgen mir augenblicklich dafür, dass diese Leute die Füße stillhalten! Und am besten auch’s Maul«, blaffte Hufeland Wagner an. »Egal, wie. Und jetzt öffnen Sie verdammt noch mal den Wagen, damit ich mit Ihrem sogenannten Tatverdächtigen reden kann. Seien Sie froh, wenn er Sie nicht wegen Freiheitsberaubung anzeigt!«
Wagners Gesicht wurde weiß wie seine Mütze. »Aber ich bin doch bloß einem Hinweis nachgegangen.«
»Hinweis von wem?«
»Also … anonym.« Sein Gesicht sagte jedoch, dass er den Informanten sehr wohl kannte.
»Herrgott, Wagner!« Hufeland blieb fassungslos stehen. »Los, machen Sie schon, Sie sehen doch, die Leute verwechseln die Nummer hier mit einer Theatervorstellung.« Allzu weit davon entfernt war das Ganze ja auch nicht.
Wagner schoss aus zehn Metern Entfernung die Verriegelung an seinem Wagen auf und machte kehrt, um mit ausgreifenden, rudernden Armbewegungen die Neugierigen in Schach zu halten.
Herrgott, er durfte sich nicht ständig so aufregen, versuchte sich Hufeland am Riemen zu reißen, das ging an seine Substanz. Er musste sich jetzt auf seinen Job konzentrieren, einen Mord aufzuklären.
Was allerdings die Attacke gegen Bruno Kock zu bedeuten hatte, war ihm mehr als schleierhaft, er war sich nicht mal sicher, ob sie direkt mit dem Mord an Kock senior in Verbindung stand.
Als er den Dienstwagen erreichte, richtete sich der Fotograf hocherfreut auf und riss im nächsten Moment seine Kamera vors Gesicht. Der Mann musste sich vorkommen wie in einem Schlaraffenland für Fotojournalisten, die Objekte seiner Begierden flatterten ihm von ganz allein vor die Linse.
Hufeland fertigte ihn ab: »Erstens, die Kamera weg! Zweitens, Sie warten hier vor dem Wagen, Herr Teichwart, ich muss mit Ihnen reden.«
»Mit mir? Worüber denn?«
»Über den Mordfall Kock. Bitte warten Sie. Dauert nicht lang.«
»Bitteschöön«, sagte Teichwart so gedehnt wie möglich und mit einer Fistelstimme, die Hufeland recht unangenehm in den Ohren klingelte. Aber er wartete.
Na bitte, ging doch! Hufeland hatte das Gefühl, die Dinge allmählich doch wieder in den Griff zu bekommen. Struktur ins Chaos bringen, Licht ins Dunkel, das war es, was er an seinem Beruf wirklich liebte. »Ach, Gottchen, solche Klischees hatte jeder von uns mal in seinem Beruf«, hatte Grit einst abschätzig zu ihm gesagt, als er davon gesprochen hatte. Er hoffte inständig, sie würde Möllring heute ebenso abwatschen wie ihn damals.