»Wo müssen wir denn jetzt hin?«, fragt Mama und hält sich dabei ihr Handy ans Ohr.
»Ihr geht einfach an den Elefanten vorbei, dann haltet ihr euch bei den Pinguinen links und biegt dann rechts bei den Flamingos ab. Direkt dahinter liegt das Panda-Gehege«, ertönt Angelinas Stimme aus dem Gerät.
Als Renzo meinen überraschten Gesichtsausdruck bemerkt, erklärt er es mir: »Angelina hat sich mit ihrem Laptop in die Überwachungskameras des Zoos gehackt und kann von ihrem Bett aus genau beobachten, wo wir sind.«
Dank den Anweisungen meiner Schwester finden wir mühelos den Weg zu dem Albino-Panda, dessen Gehege von einer Million Menschen belagert wird. Mindestens. Die Leute wollen alle nur den neuen weißen Panda sehen. Selbst für die Panda-Dame mit den schwarzen Flecken, die im Gehege neben ihm hockt, interessiert sich niemand, und deswegen sieht sie ziemlich beleidigt aus. Sie ist die Einzige, die ihren Nachbarn keines Blickes würdigt.
Es dauert, bis wir uns alle durch die neugierige Menge ganz nach vorne gedrängelt haben. Oma nutzt die Gelegenheit und sammelt unterwegs ein paar Portemonnaies ein. Dank ihres kurzen Nickerchens in dem grasgrünen Leichenwagen zittern ihre Hände nicht ganz so doll wie sonst und keiner merkt etwas. Keiner außer mir, der den Leuten kleine Kärtchen mit dem Wort »Entschuldigung« in die Jackentasche gleiten lässt. Die Karten habe ich vorsorglich für genau solche Fälle bei mir.
Dann stehen wir endlich direkt vor dem Gehege, das von einem Wärter bewacht wird. Er achtet darauf, dass keiner seine Finger durch die Gitterstäbe streckt oder den Panda ärgert. Der sitzt in einer Ecke und kaut auf einer Bambusstange herum, während er die ganze Zeit sehnsüchtig zu der Panda-Dame im Nachbargehege hinüberblickt. Mir tut er leid, wie er da so traurig hockt und von den Menschen angeglotzt wird. Die Einzigen, die ihn keines Blickes würdigen, sind Renzo und Papa, die hoch interessiert die gesicherten Zugänge des Geheges begutachten. Währenddessen versucht Mama mit dem Wärter ins Gespräch zu kommen.
»Waren Sie früher auch schon so ein schneidiger Bursche?«, fragte Mama und lächelt den Wärter an.
Geschmeichelt zeigt er seinen Betriebsausweis, auf dem ein Foto von ihm als junger Mann zu sehen ist. Mehr wollte Mama gar nicht. Jetzt weiß sie, wie so ein Mitarbeiterausweis hier im Zoo aussieht, und kann ihn mühelos fälschen. Nun kommt Enricos Einsatz. Mit einem Zweig, den er von einem Baum abgerissen hat, klopft er herausfordernd gegen die Gitterstäbe. Der Panda schaut nicht mal auf, aber der Wärter geht sofort dazwischen. Auf den Augenblick hat Oma gewartet. Ihre Hand schießt nach vorne in die Jackentasche des Mannes, schließt sich um den Schlüsselbund und ist schon wieder draußen. Das Ganze geht so schnell, dass nur ich es sehe. Ich kann aber nichts dagegen tun und schweige lieber, weil mir Renzo seinen Zeigefinger in die Rücken gerammt hat, als wäre es die Mündung eines Revolvers. Der Wärter hat von dem Diebstahl überhaupt nichts bemerkt, weil er immer noch mit Enrico schimpft. Damit ist der Zoobesuch für die Calzones beendet, weil meine Familie erledigt hat, was sie hier erledigen wollte. Als wir gehen, drehe ich mich noch mal zu dem Panda um, der immer noch die Panda-Dame nebenan anschmachtet.
»Ihr wollt den Panda doch jetzt nicht wirklich klauen, oder?«, frage ich Papa, als wir auf dem Rückweg sind.
»Keine Sorge«, erwidert mein Vater.
»Da bin ich aber erleichtert«, sage ich, denn das bin ich wirklich.
»Jetzt sind doch viel zu viele Leute da, mein Großer«, ergänzt meine Mutter. »Wir holen ihn heute Nacht.«