Überleben im Gelände

Dort begann gleich ein Wald. Wir zogen uns an und liefen ein Stück hinein, bis auf einmal von einem der Ausbilder, die uns begleiteten, der Befehl ertönte: »In Zweiergruppen unterziehen!« – also Plätzchen suchen und Befehl abwarten.

Am nächsten Morgen bekamen wir unsere selbst genähte Tarnkleidung geliefert, die wir von da an tragen mussten. Der intensive Lackgeruch hatte sich zum Glück etwas verflüchtigt. Und wir wurden separiert. Fünf Tage sollte jeder auf sich allein gestellt sein, mit dem Erlernten überleben. Dafür wurden uns in dem Wald Plätze zugewiesen, die so weit auseinanderlagen, dass man keinen der anderen sehen konnte. Auch nicht hören, es sei denn, man hätte seine Stimme strapaziert. Das war aber nicht der Sinn der Übung. Im Gegenteil, wir sollten gerade nicht Aufmerksamkeit auf uns lenken, sondern im Verborgenen bleiben. So gut das möglich war, denn gleichzeitig galt es, einige Aufgaben zu erfüllen, die man als Überlebensrituale zusammenfassen könnte.

Eine Aufgabe bestand darin, ein Shelter zu bauen, einen Unterschlupf – nur aus natürlichen Materialien, die sich in unmittelbarer Nähe auftreiben ließen. Kindheitserinnerungen wurden wach. Wie oft war ich mit meinen Kumpels im Wald und hab Buden gebaut! Jetzt ließ ich meinen Blick durch die Gegend schweifen, um sie nach brauchbaren Gegenständen abzuchecken, und schon hatte ich einen Bauplan im Kopf. Einen abgebrochenen Kieferstamm nutzte ich für ein Schrägdach, dazu Äste und Zweige und Moos … an einer ramponierten Futterstelle fand ich sogar Bretter, die sich perfekt als Bodenbelag eigneten. Unter den Bedingungen fast schon Parkett.

Gleich am ersten Tag war Schlachttag. Jeder bekam ein Karnickel, ein Huhn und einen Fisch – lebend. Wir mussten die Tiere schlachten, ausnehmen und zerlegen, damit aus ihnen Mahlzeiten werden konnten. Dafür wiederum brauchte man eine Feuerstelle, womit die nächste Aufgabe anstand. Aus dem Huhn kochte ich eine Fleischsuppe, wie ich das früher bei meiner Mutter gesehen hatte, nur dass es ohne Suppengrün und Gewürze gehen musste. Einen Michelin-Stern hätte es dafür sicher nicht gegeben, aber genießbar war sie. Das überprüften die Ausbilder auch. Sie gingen von einem zum Nächsten und ließen sich die Kochkünste vorführen. Den Fisch brutzelte ich über dem Feuer, und für das Karnickel bastelte ich einen Smoker, indem ich den Rauch über der Feuerstelle kanalisierte. Dann schnitt ich das Fleisch in Stücke, spießte sie auf Draht und befestigte sie dort, wo der Rauch abzog. Gesund kann das nicht gewesen sein. Nach einigen Tagen waren die Fleischstücke zu kleinen Happen geschrumpft und etwa so schmackhaft wie eine Schuhsohle, aber man konnte sie essen. Und essen bedeutete überleben.

Auch trinken bedeutete überleben. Wieder eine Aufgabe: Wassergewinnung. Das in der Theorie Erlernte in der Wildnis umsetzen. Ich grub ein Loch in den Boden, an einer Stelle, wo Sonnenstrahlen hinkamen, legte frisches Gras und Blätter hinein und stellte die untere Hälfte einer durchgeschnittenen Plastikflasche dazu, die als Auffangbehältnis dienen sollte. Anschließend spannte ich über das Loch eine Folie und postierte darauf einen kleinen Stein, etwa in der Mitte, sodass sich die Folie genau über der Flasche nach unten wölbte. Den Rest musste die Sonne erledigen. Hatte sich etwas Kondenswasser in der Flasche angesammelt, brachte man es den Ausbildern und erhielt im Gegenzug frisches Trinkwasser, ungefähr die gleiche Menge – kaum mehr als ein, zwei kleine Schlucke.

Bei einem meiner Streifzüge, die ich unternahm, um die Gegend auszukundschaften, entdeckte ich einen kleinen Bach, fast nur ein Rinnsal. Aber ein guter Wasserspender. Um nicht weiter auf die mühsame Prozedur mithilfe der Sonne und der Plastikfolie angewiesen zu sein, lief ich einige Male zu dem Bach und füllte etwas Wasser in meinen Auffangbehälter, das ich bei den Ausbildern als vermeintlich selbst gewonnenes gegen trinkbares eintauschte. Das nennt man Schummeln? Ganz genau. Aber darum ging es eben auch: dass man, um zu überleben, erfinderisch war, Ideen ausbrütete, Wege fand, selbst wenn es bedeutete, einen gewissen Graubereich auszunutzen. Hier war das alles Übung, nur hätte die nicht viel gebracht, wenn man dabei das Prinzip nicht verinnerlichte. Man kann sich auf alles Mögliche vorbereiten, bestimmte Handgriffe erlernen und trainieren, die verschiedensten Szenarien durchspielen, und doch wird im Ernstfall die Situation immer eine andere sein. Also musste man stets einen Blick haben für das, was sich im konkreten Fall an Machbarem anbot.

Wäre es nach den Ausbildern gegangen, hätten wir unsere selbst zubereiteten Überlebensrationen so eingeteilt, dass wir bis zum Ende des Lehrgangs etwas zum Kauen gehabt hätten. Stattdessen futterten wir alles sofort, kaum dass wir es ihnen präsentiert hatten. Und wenn sich der Hunger dann wieder meldete, versuchten wir, irgendwo etwas aufzutreiben. Nicht weit von dem Waldstück befand sich ein kleiner Ort mit einem Supermarkt. Da sind zwei andere Kameraden von uns nachts hin, um die Abfälle nach Essbarem zu durchsuchen. Eigentlich war es nicht erlaubt, in den fünf Tagen mit anderen zusammen zu sein. Also passten wir umso besser auf, dass wir nicht erwischt wurden. Einmal zog ich mit einem Kameraden los, natürlich auch in der Nacht, um einen nahe gelegenen Bauernhof zu inspizieren, genauer gesagt, den Garten. Darin war allerhand Gemüse angebaut, reihenweise Salat zum Beispiel. Was soll ich sagen? Nach unserer kurzen Stippvisite sah das Beet aus, als hätte sich eine Wildschweinfamilie darüber hergemacht.

Die Leute, die in dieser Gegend lebten, kannten solche Aktionen. Soviel ich weiß, konnten sie die Schäden recht unbürokratisch melden, damit sie von der Bundeswehr erstattet wurden.

Wir verhungerten also nicht, und nach den fünf Tagen begann die nächste Etappe. Aufsitzen auf einen Lkw und ab ging es Richtung Ulm. Und dort irgendwo in ein Waldstück. Unbekanntes Terrain, das für uns Feindesland darstellen sollte.

Der Auftrag war, sich von diesem Ausgangspunkt verdeckt durchs Gelände zu schlagen, ohne den gegnerischen Kräften in die Arme zu laufen. Nicht 10 Kilometer, nicht 30 oder 50, über 100 – aber das sagte uns niemand. Wir wurden immer nur von einem Agent Contact Point zum nächsten dirigiert. An jedem dieser Punkte waren Ausbilder postiert, die uns mit Sketch Maps zur Orientierung ausstatteten. Und zwar immer mit einer, die man schon mal in der Hand gehalten hatte – weil es die waren, die wir zuvor im Unterrichtsraum gezeichnet hatten. Jetzt machte es Sinn, dass sie uns damit bis zum Erbrechen traktiert hatten.

Losgeschickt wurden wir in Zweiergespannen. Ich bekam einen Buddy zugeteilt, mit dem ich vorher noch nichts zu tun gehabt hatte. Aber es passte: zwei Mann, ein Ziel.

Als Wegstrecke sollten wir ausschließlich Routen benutzen, auf denen uns möglichst niemand begegnete. Straßen und Wege waren tabu, ebenso Ortschaften. Auf diese Weise sollte simuliert werden, dass wir uns in einem fremden Land befanden, in dem uns die zivile Bevölkerung nicht unbedingt zugeneigt war. Zumindest sollten wir davon ausgehen, dass sich hinter einer freundlichen Fassade ein potenzieller Feind verbergen konnte. Niemandem vertrauen, am besten um jeden einen weiten Bogen machen, das wäre das Sicherste.

Andererseits brauchte man vielleicht doch irgendwann einmal Hilfe. Dann sollte man in der Lage sein, Fremde einzuschätzen und das Risiko abzuwägen. Außerdem schickten sie uns mal wieder ohne Verpflegung los, um es so realistisch wie möglich zu gestalten. Aus der Gefangenschaft kam man für gewöhnlich nicht mit einem Fresspaket frei. Also musste man sich etwas einfallen lassen, um nicht den Hungertod zu sterben oder völlig entkräftet zusammenzubrechen und dann doch in den Händen des Feinds zu landen.

Das allein wären schon nicht die einfachsten Aufgaben gewesen. Kam noch etwas hinzu: eine feindliche Truppe. Zwar war das nicht wirklich eine feindliche Truppe, aber auch keine, die nur in unserer Vorstellung existierte. Es waren reale Menschen – Soldaten, Infanteristen. Mit Fahrzeugen und einigem an Ausrüstung, beispielsweise Nachtsichtgeräten. Womit sie eindeutig im Vorteil waren, da wir kaum mehr hatten als unsere Lumpenparade, die wir am Leib trugen.

Die feindlichen Kräfte formatierten sich in sogenannten Auffanglinien. Die Taktik des Jagdkampfs durch Infanterieeinheiten. Vereinfacht gesagt: Es hielten sich Soldaten mit Fahrzeugen in bestimmten Formationen in dem Gebiet auf, das wir unentdeckt passieren mussten, um zum nächsten Contact Point zu gelangen. Die Aufgabe dieser Soldaten bestand darin, genau das zu verhindern und uns aufzuspüren. Wurde man geschnappt, bedeutete das Gefangennahme und Verhör. Allerdings durfte man nach drei Stunden wieder seines Wegs ziehen.

Mein Buddy und ich ersparten uns diesen Zwangsaufenthalt. Hauptsächlich, indem wir einige Anweisungen großzügig auslegten, um unsere eigene Taktik durchzuziehen. Zum Beispiel sollten wir im Dunkeln laufen, also nachts, dafür tagsüber Ruhephasen einlegen, uns abwechselnd eine Mütze Schlaf gönnen. Einer wachte, der andere schlief. Wir machten es genau umgekehrt, liefen tagsüber, schliefen nachts. Am helllichten Tag konnte man logischerweise leichter entdeckt werden. Wir glichen diesen Nachteil aus, indem wir die Auffanglinie aufklärten und uns dann von ihr entfernten, genau in die entgegengesetzte Richtung liefen, vom Ziel weg. Dann warteten wir ein, zwei Stunden, bis der Weg frei war, und schlugen die richtige Richtung ein. Oder wir vergrößerten den Umgehungsradius. So konnten wir ihnen jedes Mal entgehen.

Auch die Anweisung, fremden Menschen auszuweichen, fassten wir nicht so eng. Einmal kamen wir an einem allein stehenden Bauernhof vorbei. Unsere Trinkflaschen waren leer bis auf den letzten Tropfen. Wir fragten den Bauern, ob wir sie kurz unter seinen Wasserhahn halten könnten. Der Bauer betrachtete unsere seltsame Aufmachung und wollte wissen, was uns dorthin verschlagen hatte. Plötzlich schien ihm eine Idee zu kommen, er fragte: »Jungs, habt ihr Hunger?« Ich schätze, das war nicht zu übersehen. »Okay, ich mache euch ein Angebot: Ihr helft mir, die Heuballen in die Scheune zu bugsieren. Und meine Frau deckt in der Zwischenzeit schon mal den Tisch.« Wie hätten wir uns das entgehen lassen können?

Während wir nach getaner Arbeit das köstlichste Vesper verputzten, erfuhren wir, dass der Bauer Jäger war und der nächste Contact Point, den wir ansteuern mussten, genau in seinem Revier lag. Um es kurz zu machen: Viel laufen mussten wir bis dorthin nicht mehr. Der Bauer besaß ein Auto, in dem Auto lag eine Decke, die groß genug war für zwei erwachsene Gestalten, und dann gab es da noch einen Hund, der sich auf die Decke drauflegte, die perfekte Tarnung – den Rest kann man sich denken. Am Ende hatten wir die Zeit für den kleinen, äußerst sättigenden Zwischenstopp locker wieder aufgeholt.

Alles in allem waren wir über eine Woche unterwegs, bis wir die Ziellinie erreichten. Dort wurden wir dann doch geschnappt, alle auf einmal – es war der geplante Ablauf, der uns, als krönender Abschluss, mal wieder zu Gefangenen machte.

Ein Militärgelände, ich könnte nicht sagen, wo es sich befand. Wir standen an einem Zaun, Maschendraht, unter uns Betonboden, mussten unsere Tarnkleidung ausziehen, auch die Schuhe, alles außer der Unterhose. Stattdessen sollte jeder in einen Blaumann schlüpfen. Dann kam die Blindmachbrille noch einmal zum Einsatz. Mein Nebenmann, einer von der Marine, musste dringend pinkeln. Aber das interessierte niemanden. Ein echter Feind hätte sich auch einen Scheiß darum geschert. Die Ausbilder spielten die Bösen. Es waren Kräfte der Feldnachrichten aus der Pfullendorfer Kaserne. Irgendwann ließ er es einfach laufen. Realistischer konnte man so eine Szene kaum hinbekommen.

An der Stelle sollte ich erwähnen, dass wir vor dem Survivallehrgang eine Art Einverständniserklärung unterschreiben mussten. Nicht, dass hinterher jemand kam und eine Klage anstrengte wegen Freiheitsberaubung, psychischer Körperverletzung oder welche Paragrafen es im Strafgesetzbuch dafür gab. Diese Absicherung war nicht ganz unbedeutsam für das, was sie in den folgenden Stunden mit uns anstellen sollten.

Wir trugen die Brillen und bekamen deshalb nur mit, dass sie uns in ein Gebäude führten. Dessen Innenausstattung muss ich also auch in dem Fall schuldig bleiben. Dem Hall der Stimmen unserer Bewacher nach zu urteilen, dürfte kaum etwas in dem Raum gestanden haben. Ich denke, die Wände waren kahl, keine Vorhänge, keine Bilder, das hätte den Schall geschluckt. Wir mussten wieder die üblichen Positionen einnehmen, stehend oder hockend, Hände an der Wand oder auf dem Kopf. Einer der Bewacher hatte ein ekelhaft penetrantes Parfüm aufgetragen. Es roch dermaßen intensiv, als hätte er darin gebadet. Da ich nicht annahm, dass so jemand seinen Geruchssinn verloren hatte, konnte das nur Absicht sein, um uns zu schikanieren. So wie die quietschenden Stiefel Absicht gewesen sein dürften. Das Geräusch fraß sich schlimmer ins Hirn als das übelste Bohren beim Zahnarzt. Und wehe, einer von uns hielt seine Position nicht. Dagegen waren die bisherigen Gefangenschaften das reinste Kinderprogramm. Die Jungs diesmal gingen richtig zur Sache. Sobald ihnen die Arme nicht mehr hoch genug ausgestreckt waren, landete ein Knie im Rücken, dass einem Hören und Sehen vergingen. Jedes Mal, wenn es einen erwischte, hörte man ein Aufstöhnen, das für die anderen wie eine Ermahnung war. Sofort gingen alle Arme reflexartig ein Stück höher.

Ich versuchte, mich mit der bewährten Methode abzulenken. Die gedankliche Reise in die Vergangenheit. Schöne Erinnerungen hervorkramen. Zeit totschlagen.

Ab und zu wurde eine Tür aufgerissen und krachte kurz darauf wieder in den Rahmen. Dazu waren Schritte zu hören – eine Person kam rein, Stiefel quietschten auf dem Boden, zwei Personen gingen raus. Bei einer quietschte es nicht unter den Füßen. Dann wusste man, dass sie einen von uns zum Verhör führten. Oder es kamen zwei rein und einer ging raus, mit quietschenden Sohlen. Dann wurde der Kamerad wieder zurückgebracht.

Jeder kam dran. Als ich an der Reihe war, führten sie mich in einen Nebenraum. Während es in dem ersten ausgesprochen kühl gewesen war, erwarteten mich hier Saunatemperaturen. Ich durfte die Brille abnehmen, sah brennende Kerzen. Auf dem Boden lag eine Matratze, eine etwas dickere Matte, wie man sie aus Sporthallen kennt. Hinter mir fiel die Tür zu. Ich war allein, legte mich auf die Matte und schlief erschöpft und wie betäubt von der Wärme sofort ein.

Keine Ahnung, wie lange sie mich dort liegen ließen. Der Marsch steckte mir in den Knochen, ich schlief tief und fest, eingebettet in Stille. Auf einmal krachte es, die Tür wurde aufgerissen. Ehe ich begriff, was vor sich ging, zerrten mich zwei Gestalten von der Matte und schleppten mich im Eiltempo einen Flur entlang, als käme es auf jede Sekunde an. Der nächste Raum. In der Mitte stand ein Stuhl. Auf den musste ich mich draufstellen. Eine Frau begann das Verhör. Es roch nach frisch gebrühtem Kaffee. Sie saß an einem Tisch, auf dem Snickers-Riegel ausgebreitet waren, die man nicht übersehen konnte. Uns war eingeschärft worden, in einem Verhör niemals mehr preiszugeben als unseren Namen und den Dienstgrad. Die Frau wollte natürlich mehr wissen, welche Einheit und so weiter. Ich schwieg. Sie gab sich freundlich, sagte, wenn ich ihre Fragen beantworte, bekäme ich ein Snickers, vielleicht auch einen Kaffee dazu. Ich sah sie an, schwieg weiter. Nach einer Weile tauchte ein Mann auf. Die beiden spielten good cop, bad cop . Sie fragte noch einmal, in dem gleichen freundlichen Ton wie bisher. Ich behielt mein Schweigen bei. Jetzt schaltete er sich ein, wiederholte ihre Frage, in der Stimme nicht ein Hauch von Freundlichkeit. Als ich auch seine Worte ignorierte, brüllte er los und kam dabei so nah an mich heran, dass sich unsere Nasenspitzen beinahe berührten. Allerdings dürfte das für ihn der unangenehmere Moment gewesen sein – ich hatte mir auf dem Marsch nicht die Zähne putzen können und atmete absichtlich mit offenem Mund aus.

Die Psychospielchen gingen noch ein Weilchen weiter. Nicht angenehm, aber für meinen Geschmack im erträglichen Rahmen, keine schlimme körperliche Gewalt, auch kein Waterboarding oder so. Da ging es bei den SEALs, was man so hörte, härter zu.

Später, nachdem ich wieder Stunden in dem ersten Raum, im »Wartezimmer«, an der Wand gestanden hatte, musste ich noch ein zweites Verhör durchstehen. Die gleichen Spielchen, mal auf Deutsch, mal auf Englisch. Außer dass sie mich diesmal bewirteten. Schmalkost: eine Scheibe trockenes Brot, eine Tasse Wasser. Weil ich nicht wissen konnte, ob auch das nur ein Trick war und beides im Handumdrehen wieder verschwinden würde, schnappte ich mir das Brot schneller, als man gucken konnte, drückte es in der Hand so zusammen, dass ich es mir mit einem Mal in den Mund stopfen konnte. Und das Wasser schüttete ich genauso schnell hinterher, in einem Schluck. Aber sie kriegten kein Wort aus mir heraus. Selbst als sie am Schluss meinten, die Übung sei vorüber, ich könne ihnen verraten, was sie wissen wollten, blieben meine Lippen verschlossen.

Ganze 36 Stunden hielten sie uns gefangen, mit allen Schikanen, dann war es wirklich geschafft. Wir fuhren zurück in die Kaserne nach Pfullendorf. Abends wurde ein gemeinsames Essen zelebriert, im Safe House, bei dem es sich in Wirklichkeit um das Uffz.-Heim handelte. Dieses Essen war Tradition. Es wurde reichlich aufgetischt, die Ausbilder bedienten. Alle hatten Kohldampf, nur bekam man kaum etwas herunter. Wir waren einfach zu erschöpft – aber überglücklich.

Bis auf einen hatten es alle Kandidaten geschafft. Wobei der es wahrscheinlich auch gepackt hätte. Er gab von sich aus auf, nach den fünf Tagen im Wald. Dort war er ins Grübeln geraten, wegen seiner Frau, die wollte nicht, dass er zum KSK ging. Dann würden sie sich noch weniger sehen. Die Ehe ging trotzdem auseinander und er soll seine Entscheidung immer bereut haben.