Ich dachte wirklich,
sie hätte mittlerweile nachgegeben. Nach dem Vorfall im Büro und der nebensächlichen Auseinandersetzung, die ich mit Luke hatte, nachdem sie gegangen war, hat es sich eindeutig herumgesprochen. Laut meiner persönlichen Assistentin wurde Olivia innerhalb der Glaswände von JBW ein wenig wie Mata Hari beschrieben. Was noch Öl ins Feuer schüttet, ist die Menge alberner Mädchen, die immer noch darauf besteht, mir schöne Augen zu machen, die den glücklosen Luke in ihre gemeinschaftlich zarten, mütterlichen Arme geschlossen hat. Personalklatsch. Es spricht sich herum. Menschen werden auf Arten beschrieben, die vielleicht unfair sind.
Also warum hat sie noch nicht nachgegeben?
Extreme Sturheit ist meine Vermutung.
Es scheint, als wäre es an der Zeit, den Einsatz zu erhöhen.
„Was tust du hier?“ Es ist keine höfliche Nachfrage, sondern mehr eine Forderung.
„Ich habe ihn unten umherwandern sehen.“ Das junge Mädchen in dem Tüllrock, mit dem pinkfarbenen Haar und den zwei Bäckereischachteln, die mit bunter Schnur zusammengebunden sind, vibriert vor Verlangen, sich mitzuteilen, beinahe auf der Stelle.
Ich! Ich! Frag mich!
„Er wusste nicht, wie man den Aufzug benutzt“, fügt sie fröhlich hinzu.
„Er ist recht altmodisch“, stimme ich zu.
„Ols nimmt die Treppe“, sagt das junge Mädchen ein wenig verschwörerisch. „Sie hat Angst vor—“
„Danke, Heather. Willst du den Wasserkocher einschalten gehen?“
„Nicht wirklich“, antwortet sie, wobei ihr Lächeln sofort fällt.
„Okay, wie wäre es, wenn wir das nochmal versuchen?“, sagt Olivia in einem Tonfall, der vermitteln soll, dass sie das unter Kontrolle hat. „Heather?“
„Ja, Ols?“
„Geh und schalte den Wasserkocher ein.“
„Aber ich habe Mir bereits einen fettarmen Cappuccino geholt.“ Sie zeigt mit einem schwarz lackierten Nagel auf den Pappbecher, den sie auf den Tisch gestellt hat, neben dem „Ols“ steht. „Wenn du einen Kaffee gewollt hättest, hättest du das nicht gesagt, bevor ich losgegangen bin?“
„Heather“, faucht sie beinahe.
„Ja, Boss“, antwortet das Mädchen mit unglücklich verzerrtem Mund, bevor sie davonschleicht.
„Was für ein reizendes Mädchen“, bemerke ich höflich.
„Heather hat Schwierigkeiten damit, nonverbale Kommunikation zu deuten“, sagt Olivia defensiv.
„Ich finde, sie ist entzückend.“ Auch wenn sie weniger als einen Tag in meinem Büro aushalten würde, bevor sie in einer Flut aus Anschuldigungen und Tränen gehen würde. „Ohne sie hätte ich vielleicht nie deine Büros gefunden.“ Mein Blick wandert umher. Die Backsteinwände, die großen, kuppelförmigen Fenster, deren Reinigung ungefähr ein Jahr überfällig zu sein scheint. „Und…wo ist dein Büro.“
„Du betrachtest es gerade.“ Sie neigt ihren Kopf, um auf einen unauffälligen Tisch zu deuten, der von ordentlichem
Aussehen ist. „Haben deine Lakaien heute frei? Nur habe ich nicht den üblichen Donnerschlag gehört, als du angekommen bist. Oder die Wolke aus Schwefel gerochen.“
„Ich dachte, wir könnten uns vielleicht privat unterhalten“, antworte ich und ignoriere ihre Lächerlichkeit.
„Dann sieht es so aus, als hättest du falsch gedacht.“
„Beckett, kann ich dir eine Tasse Kaffee machen?“, ruft das junge Mädchen irgendwo aus dem Hintergrund. Als ich meinen Mund öffne, um bejahend zu antworten, da ich eine Tasse Gift ertragen würde, nur um Olivia unter die Haut zu gehen, antwortet sie für mich.
„Er bleibt nicht.“
„Tue ich das nicht?“
„Ich sehe, dass du mit meiner Praktikantin bereits beim Vornamen bist.“ Sie verschränkt die Arme, während sie mich anfunkelt. „Oder war es der Nachname? Ich scheine mich nicht erinnern zu können.“
„Ja, denn ich bin hier, nur um deine Angestellten zu infiltrieren und all deine Geheimnisse zu stehlen.“ Unser beider Blick fällt auf das Mädchen, das an dem Tisch sitzt, an den Olivia sich lehnt und deren Kopf zwischen uns hin und her geht, als wäre sie beim Endspiel in Wimbledon.
„Ihr könntet auf das Dach gehen“, schlägt sie vor, als sie bemerkt, dass sie erwischt wurde.
„Was für ein hilfreicher Vorschlag. Danke, …“
„Miranda“, ergänzt sie pflichtbewusst.
„Es ist nett, dich kennenzulernen, Miranda. Ich bin Beckett, ein Freund von Olivia.“ Ich hole eine Visitenkarte aus meinem Jackett, etwas, das ich normalerweise nicht tun würde, aber der Anlass macht es erforderlich. „Wenn du je nach einer interessanten Herausforderung suchst, was die Arbeit angeht, dann ruf bitte meine persönliche Assistentin an.“
„Hey, hör auf damit“, protestiert Olivia und versucht, mir die Karte aus der Hand zu reißen. „Du kannst nicht meine
Angestellten abwerben!“
„Es ist eine freie Marktwirtschaft“, erwidere ich ruhig und schiebe die Karte in die Hand ihrer Angestellten.
„JBW, die Risikokapital-Anleger?“ Ihr Blick hebt sich von der Karte, bevor er erneut zwischen Olivia und mir hin und her schießt, wobei allerhand Ideen in ihren Augen liegen. „Du solltest ihn für einen Kaffee mit nach nebenan nehmen“, fügt sie schnell hinzu.
„Ich nehme ihn nirgendwo hin mit“, beschwert sie sich stur.
„Natürlich tust du das. Ihr habt offensichtlich viel
zu bereden.“ Die Unterhaltung zwischen den beiden ist überwiegend stillschweigend und wie ein Kampf des stummen Willens, was in mir die Frage aufwirft, ob die Angestellten hier eingeweiht sind, wie kurz vor dem Kollaps das Geschäft steht.
Nein, entscheide ich. Sie ist zu stur. Sie schützt sie nicht aus Herzensgüte, sondern aus Sturheit. Nicht, weil sie nett ist. Wenn sie das wäre, würde sie die Verantwortung übernehmen, um ihre Jobs zu schützen.
„Okay“, murmelt sie schließlich und geht zu ihrem Tisch, als wäre sie auf dem Weg zur Guillotine. Ich unterdrücke ein Lächeln, als ihre Assistentin dasselbe tut und dabei hochgezogene Augenbrauen und ein leichtes Achselzucken hinzufügt.
„Aber ich tue das nur, um dich zum Gehen zu bewegen“, beschwert sie sich, als sie an mir vorbeistampft.
Ich folge ihr aus dem Büro und zwei Steintreppen hinunter und ihre Füße geben einen wütenden Rhythmus vor, als sie im Erdgeschoss die Tür aufstößt und sich nicht die Mühe macht, nachzusehen, ob ich ihr folge.
Das ist ein weniger als gesunder Teil von Hoxton. Heruntergekommen, nehme ich an. Sie ignoriert den altmodisch aussehenden Coffee-Shop nebenan, wo ich erwartungsvoll innehalte, dann vergrößere ich meine Schritte, um sie einzuholen, als sie nicht anhält.
„Du kannst mich nicht abhängen, weißt du.“
„Das habe ich nicht versucht“, murmelt sie. „Ich habe gehofft, den Rattenfänger zu spielen und dich dazu zu kriegen, mir zum Fluss zu folgen.“
„Oh?“ Sie braucht keine Flöte, das Schwingen ihrer Hüften ist Verlockung genug.
„Damit ich dich dort unten ertränken könnte“, fährt sie fort und ignoriert mich bewusst.
„Und wäre das ein Gnadentod?“
„Wenigstens für einen von uns.“
„Ich bezweifle, dass es viele gäbe, die um mich trauern würden.“ Nur meine Investoren, nehme ich an. „Aber du solltest mich definitiv zuerst heiraten. Denk an das Geld.“
„Ich glaube, das ist, was man das Leben von Einkünften aus gewerbsmäßiger Unzucht nennt.“ Ihr Blick schießt ihn meine Richtung, ihre Wangen sind pink und ihre Augen lodern. Es ist leicht zu sehen, was sie von meinem Angebot hält. „Hör auf, mich so anzusehen“, murmelt sie und wendet wieder den Blick ab.
„Du denkst, mich zu heiraten käme der Prostitution gleich? Wenn das der Fall ist, dann wäre der halbe Reichtum Englands in den Händen der Sittenlosen.“
Oligarchen und ihre Bordsteinschwalben, Earls und ihre Freier, äußerst erfolgreiche Geschäftsfrauen und ihre Callboys. Geld und Sex regieren die Welt, wie man sagt.
„Hör…einfach auf zu reden“, murmelt sie, als wir auf eine Bäckerei an einer Ecke zugehen, wo Kaffee zum Mitnehmen beworben wird. Sie schreitet direkt an dem Fenster vorbei.
„Du hast wirklich nicht gescherzt, oder? Ich bin sicher, es gibt einfachere Wege, mich zu ermorden. Es ist ein ziemlich weiter Weg zum Fluss. Ich kann mir vorstellen, dass diese Schuhe ziemlich zwicken.“
Ihre High Heels sind stahlblau, an den Zehen spitz und scharf am Absatz. Sie können für einen ausgedehnten
Spaziergang nicht bequem sein, aber ich beschwere mich nicht. Ich bin nicht derjenige, der sie trägt, aber ich bin derjenige, der ihren Anblick darin genießen kann. Die Art, wie sie ihren Rücken kerzengerade machen und die Auswirkung, die sie auf ihre geschmeidigen Waden haben. Die Art, wie sie auf den Bürgersteig schlagen, sie verlangen nach Aufmerksamkeit und werfen in einem die Frage auf, wie sie aussehen würde, wenn sie nur diese und sonst wenig tragen würde.
Ich genieße ebenfalls, wie sie sie ein wenig größer machen, sodass sie unter meinem Kinn ist. Ihr Rock schwingt um ihre nackten Beine, während sie läuft. Geblümt und leicht transparent, fällt der Stoff von einem dünnen blauen Gürtel, dessen Farbe zu ihrem Schuhwerk passt. Sie trägt eine weise Bluse mit mädchenhaften Puffärmeln und tiefem Ausschnitt, wobei die weiche Baumwolle das Heben und Senken ihrer Brüste mit jedem Schritt preisgibt. Wie immer sieht sie sehr hübsch aus. Sie bewegt sich nicht gerade mit Anmut, sondern eher mit Entschlossenheit. Aber etwas an ihrem Gesichtsausdruck sorgt dafür, dass ich sie umso mehr will.
Wir gehen an einem Dutzend Ladenfronten mit verblassten und verschlissenen Schildern vorbei. Es scheint einen eindeutigen Mangel an Käufern zu geben, auch wenn ein oder zwei Übeltäter, die aussehen, als wollten sie entweder Diebstahl begehen oder andere Straftagen begehen, herumlungern. Ich hatte mich gefragt, ob sie mich irgendwo hinführen würde, wo es ein wenig netter ist, aber jetzt sehe ich, dass ihre Absicht das genaue Gegenteil ist, als sie langsamer wird und die Tür von etwas aufdrückt, das ein Café zu sein scheint.
Anders als jedes Café, in dem ich seit langer Zeit war.
Die rote Farbe am Türrahmen ist verblasst und löst sich stellenweise, der überwältigend penetrante Geruch frittierten Pflanzenöls ist beinahe kriminell. Im Inneren ist die Speisekarte an die Wand geheftet und bietet die großen
britischen Grundnahrungsmittel an; ein volles englisches Frühstück—ein Herzinfarkt auf dem Teller—plus Burger und andere Dinge, alle serviert mit Pommes. Daher der Geruch.
„Tee?“, fragt Olivia, als sie die gläserne Ladentheke erreicht, dergleichen meines Wissens nach normalerweise in Metzgereien zu finden sind. Allerlei traurig aussehende Sandwiches schwitzen in Plastikfolie, während eine einzelne Fliege umherschwirrt und ihr Glück versucht. „Oder hättest du lieber Kaffee?“ Sie lässt eine Handvoll Münzen auf das Glas fallen.
„Du kannst dir diesen bösen Ausdruck vom Gesicht wichen und mir einen schwarzen Kaffee bestellen, vorzugsweise in einem Becher zum Mitnehmen.“
Sie hat die Frechheit, zu lachen. „Also bist du nicht wegen des Zustands unserer Umgebung besorgt?“
Ich sehe mich demonstrativ um. „Ich bin wegen des Zustands der Umgebung besorgt, in der ich mich momentan befinde. Aber ich bin mehr besorgt um den Zustand meiner körperlichen Verfassung. Und versuche, nichts Unerwünschtes in meinen Becher zu geben“, füge ich nachträglich über meine Schulter hinweg hinzu.
„Die Versuchung ist groß“, ruft sie zurück, was mich dazu veranlasst, mich bei ihrem Tonfall umzudrehen. „Aber laut meiner Freundin in der Apotheke kann sie mir legal nur Abführmittel anbieten.“
Ich schüttle den Kopf, bevor ich einen flüchtigen Blick auf einen der mit Plastik bedeckten Tische werfe. Ich ziehe einen klapprig aussehenden Stuhl heraus. Olivia folgt mir sogleich und schiebt eine halbwegs sauber aussehende Tasse in meine Richtung.
„Dein Gewissen mag sich keine Gedanken um Mülldeponien machen, aber meines schon.“ Sie ignoriert mich, während sie Tee aus einer Edelstahl-Teekanne in eine Tasse gießt, die auf einem dicken Unterteller balanciert. Dann macht sie sich
daran, ihren Tee mit Milch aus einem winzigen weißen Krug zu bearbeiten, bis er die ungefähre Farbe der dicken braunen Strümpfe hat, die mein Kindermädchen immer als Teil ihrer Uniform getragen hat.
„Ich sehe, du hast die große britische Tradition angenommen“, murmle ich und drehe meine Tasse mit Schwärze, bis der Henkel an der richtigen Stelle ist. Oder vielleicht suche ich nach Anzeichen, dass sie diesen bereits bearbeitet hat.
„Tee ist überwiegend indisch, oder nicht? Und sri-lankisch? Er hat wirklich nichts mit den Briten zu tun.“
„Das Nehmen von Tee ist eine Tradition.“
„Das Nehmen von allem ist eine britische Tradition“, murmelt sie beinahe unhörbar. „Frag jede der Kolonien.“
Ich seufze, als wäre ich gelangweilt. „Wirklich? Du willst über Geschichte reden?“
„Deine Schuld“, grummelt sie und hebt die dampfende Tasse an ihre Lippen. „Du hast damit angefangen.“
„Ich habe mich nur höflich unterhalten.“ Sie grummelt etwas hinter ihrer Tasse, das ich nicht wirklich hören kann. „Außerdem ist deine Großmutter britisch, oder nicht?“
Sie lächelt, als könnte sie nicht anders. „Sehr. Tee fließt vermutlich durch ihre Adern. Wegen ihr trinke ich ihn.“
„Du wurdest in jungen Jahren indoktriniert, nehme ich an.“
„Als ich ein kleines Mädchen war, vielleicht fünf oder sechs. Es hat als kleiner Leckerbissen angefangen, eine Tasse Tee in einer ihrer feinen Blumentassen, zusammen mit einem Keks oder zwei. Einem sehr englischen Keks“, fügt sie mit einem zärtlichen Lächeln hinzu. „Aber immer aus einem Päckchen. Mit Vanillecremefüllung oder mit Schokolade überzogen. Manchmal servierte sie Fünfuhrtee; Darjeeling und kleine Sandwiches mit abgeschnittener Kruste und kleine Kuchen, die sie nur für meine Besuche gemacht hat. Aber hauptsächlich war es einfach so.“ Sie neigt ihre Tasse ein wenig, um mir das ziegelsteinfarbige Getränk zu zeigen. „Builder’s tea
nennt sie ihn. Stark genug, dass dein Löffel darin stehenbleibt.“
„Sie klingt absolut bezaubernd.“
„Sie würde nicht dasselbe über dich sagen.“
„Es gibt nicht viele, die das tun würden.“
„Sie würde mit dir definitiv kurzen Prozess machen.“
„Versuchst du, mich um den Finger zu wickeln oder mich zu nerven? Es ist schwer zu sagen.“
Ihr Körper vibriert mit ihrem höhnischen Schnauben. „Ich sage es dir, wie es ist. Sie hat einen eisernen Willen, meine Gran.“
Ich glaube nicht, dass sie bisher je anders als amerikanisch geklungen hat. „Du musst sie sehr gern haben.“
„Habe ich. Sie ist der Hammer.“ Und dann wieder sehr amerikanisch.
Während sie sich wieder ihrem Tee zuwendet, schäle ich die Unterseite meiner Tasse von der blumigen Plastiktischdecke und nehme einen zögerlichen Schluck, wobei ich mir die Zunge mit dem beißenden Geschmack heißen Instant-Kaffees verbrühe. Olivia lacht über meine Grimasse. „Du musstest anscheinend kein Gift verwenden.“
„Es kann nicht so schlimm sein.“
„Du hast mich nur hierhergebracht, damit ich mich unbehaglich fühle.“
„Stimmt nicht“, murmelt sie wenig überzeugend, wobei ihr Blick zu der vergilbenden Decke und den dazu passenden Wänden wandert. „Also.“ Ihr Blick kehrt zu mir zurück.
„Da wären wir.“
„Bist du hier, um ‚Ich habe es dir doch gesagt’ zu sagen oder um an meine Güte appellieren?“
„Hast du sowas?“
„Vermutlich nicht, wenn es dich betrifft. Aber warum bist du hier?“
„Weil ich, so sehr es mich auch schmerzt, deine Hilfe
benötige.“
„Nicht das schon wieder“, murmelt sie niedergeschlagen. „Warum ich? Ich bin mir sicher, es gibt dutzende Frauen, die dich für ein paar Monate heiraten würden.“ Das klingt nicht einmal annähernd nach einem Kompliment, was sich bestätigt, als sie hinzufügt: „Wenn du ihnen genug bezahlst.“
„Einschließlich dir.“
„Was habe ich dir angetan? Abgesehen davon, dass ich über deinen Fuß gefallen bin und dir gegenüber abfällige Bemerkungen gemacht habe?“
„Du warst bereits in Schwierigkeiten, bevor du über meinen Fuß gefallen bist.“
„Also das ist es? Ich falle und ich bin es für dich? Leichte Beute. Wie eine Gazelle, die gestolpert und zum Mittagessen für den Löwen geworden ist.“
„Als du zu mir aufgestarrt hast, wusste ich, dass du nicht so nett bist, wie sie dich hingestellt haben. Ein nettes Mädchen mit einem bedingt interessanten Geschäft.“
„Was?“ Daraufhin fällt ihr Gesicht, verhärtet sich aber schnell wieder, als sie sich nach vorne lehnt. „Bedingt
interessant? Und wer hat gesagt, ich sei nett?“
„Ich scheine mich daran zu erinnern, dass du das gesagt hast.“
„Sie
, Beckett. Wer sind sie?“, fragt sie, die grünen Augen plötzlich zornig.
„Ich war bei einem Meeting, Luke ist mit uns die Verkaufspräsentation durchgegangen, die du per E-Mail geschickt hattest. Die Partner entschieden, dass es nicht interessant sei, aber Luke, um ihm volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, hat darum gekämpft, dir beim nächsten Meeting eine Chance zu einer betriebsinternen Verkaufspräsentation zu beschaffen. Es war Mark, sein Stiefvater, der erklärt hat, dass Luke mit dir auf die Uni gegangen war. Dass du ein nettes Mädchen wärst. Ich nehme
an, wir sollten daraus schlussfolgern, was wir wollten.“
„Was schlussfolgern? Dass er mir einen Gefallen tun und mir ein Meeting bewilligen sollte, weil ich nett bin?“
„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es so gelaufen ist. Es wurde offensichtlich, dass Luke irgendeine Art romantisches Interesse an dir hatte. Ich bin sicher, du wirst darauf kommen.“
„Du willst sagen, Mark Jones hat entschieden, mir einen Knochen zuzuwerfen…damit Luke mich vögeln könnte? Nein, sorry, das ist nicht glaubwürdig. Dass ein Haufen reicher Anzugträger ein Meeting ertragen würde, nur damit der Sohn des Chefs flachgelegt wird?“
„Du wärst überrascht, wie grausam die Leute in diesem Geschäft sein können. Aber unter den gegebenen Umständen waren außer Mark keine anderen Seniorpartner bei deiner Verkaufspräsentation anwesend.“
„Ernsthaft?“
„Ich bin im Dienstalter der Nächste. Ich war nicht offiziell dort.“
„Also war ich nie eine ernsthafte Option?“
„Für Luke warst du das.“
„Dieser…Scheißkerl! Wie—wie kann er es wagen! Er hat wirklich dieses Bild von mir gemalt? Dass ich sexuelle Gefälligkeiten vorenthalte, um ein Meeting zu bekommen, als wäre ich irgendein hinterhältiges Flittchen?“
„Ich bin sicher, dass es nicht so ausführlich erklärt wurde. Aber im Kern würde ich sagen, du hast gut verstanden, wie es abgelaufen ist.“
„Ich hatte nie eine wirkliche Chance“, flüstert sie benommen. Aber dann hebt sie den Kopf und ihr Blick ist stählern und hart. „Aber dann bin ich gestolpert und du hast entschieden, dass ich überhaupt nicht nett bin. Aber sie haben nicht wirklich gesagt, ich sei nett. Sie haben mich eine Hure genannt.“
„Du warst…unerwartet.“
Begehrenswert. Intelligent. Leidenschaftlich.
„Du kannst von jemandem nicht erwarten, dass er höflich ist, wenn er verletzt ist. Ich bin gestolpert—ich hatte einen Schock. Ich war in Eile und eindeutig eine Zicke zu dir.“
„Schock, ja. Du hattest keine Zeit, deine Antwort zu beschönigen. Was ich gesehen habe, war dein wahres Ich, und das ist, was ich will. Ich will, dass mir die wahre Olivia hilft, während sie auch sich selbst hilft.“
„Aber du irrst dich. Das bin nicht ich—nichts davon bin ich. Ich würde niemanden für finanziellen Gewinn vögeln. Ich versuche, mein Geschäft vor dem Untergang zu bewahren, weil sich Menschen auf mich verlassen. Ich war spät dran und ängstlich, und du hast mich aufgrund einer Begegnung beurteilt, die nicht länger als ein paar Sekunden gedauert hat.“
„Das ist alles, was nötig ist. Ich bin ein guter Menschenkenner.“ Und du bist hungrig genug, mir hierbei zu helfen.
„Du…hast eine sehr hohe Meinung von dir selbst.“ Sie lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und überkreuzt die Beine.
„Und du hast die Nase voll von all dem. Du willst dein Leben zurück.“
„Ich weiß nicht, woher du all das weißt, aber ja, das stimmt. Aber es macht mich nicht zu einem schlechten Menschen, zwanzig Pfund für Sushi zum Mittagessen ausgeben zu wollen, anstatt mich mit Styroporbehältern mit Suppennudeln zufrieden zu geben. Klar, ich möchte, dass mein Kontostand so aussieht wie zuvor, damit ich ein vierhundert Pfund teures Paar Schuhe kaufen kann, aus keinem anderen Grund als aus dem, dass ich es möchte. Aber es geht nicht nur um mich. Ich habe Angestellte, die sich auf mich verlassen.“
„Selbst wenn du die Verantwortung statt hast?“ Sie zuckt die Achseln. „Ich kann dir mit alldem helfen. Ich bin hier, um mein Angebot zu überarbeiten. Wie viel Geld auch immer du in E-
Volve gesteckt hast, ich werde es dir erstatten, direkt auf dein Konto. Tatsächlich werde ich dir mehr geben. Ich werde dir ebenfalls das Kapital geben, das du brauchst, um die Firma bis zu deinem Ausstiegsplan zu bringen. Und ich werde dir helfen, zu diesem Stadium zu kommen. Du kannst nicht verlieren, Olivia. Dein Kapital plus ein rentables Geschäft, das du davontragen kannst.“
„Alles für eine Provision von nur zwanzig Prozent, richtig?“
„Nein, ich biete dir keine Finanzierung in der üblichen Form. Ich werde nicht von dir erwarten, mir meine Investition zurückzuzahlen. Tatsächlich werde ich nicht einen Cent von dir annehmen. Nicht als Provision oder als Anteil oder als Zinsen. Ich werde dir dabei helfen, diese Firma dorthin zu bringen, wo sie sein muss, und dann verzichte ich auf meine Rechte auf alles, als Teil eines Ehevertrages, in dem ich Gelder zur Seite lege, um sie zu deinen Gunsten zu investieren. Eine neue Karriererichtung für dich, gewissermaßen. Ich werde dich zu einer sehr reichen Frau machen.“
„Ich verstehe nicht, warum du das tun solltest.“
„Aus mehreren Gründen.“ Und alle drehen sich um mich. „In erster Linie möchte ich JBW besitzen, wie ich gesagt habe.“
„Ich verstehe auch nicht, wie ich helfen kann, nicht dass ich sage, dass ich helfe oder dass ich dabei bin, aber was könnte ich schon tun? Ich habe keinerlei Verbindung zu all dem.“
„Mark Jones, Lukes Stiefvater, ist davon überzeugt, dass ich nicht der richtige Mann für den Job bin und weigert sich, mir zu erlauben, ein Kontrollpaket zu kaufen. Er ist der Meinung, dass ich unberechenbar bin, trotz meiner verblüffenden Fähigkeit, die Reichen noch reicher zu machen. Er denkt, es sei nur eine vorübergehende Phase für mich und dass meine Herkunft und mein persönlicher Reichtum eines Tages dazu führen werden, dass ich das Interesse verliere. Mich selbstgefällig macht. Was, offen gestanden, lächerlich ist und ein Abbild seiner Meinung über mein Privatleben.“
„Was ist falsch mit deinem Privatleben? Bist du ein Kokser oder so?“
„Was denkst du?“ Persönlich glaube ich, dass das ein Schuss ins Blaue war.
„Ich bin nicht sicher, ob du es bemerkt hast, aber ich weiß nicht, was zur Hölle ich denken soll.“ Letzteres zischt sie beinahe, während sie sich auf ihrem Stuhl nach vorne lehnt.
„Mein Privatleben gehört mir. Es beeinflusst nicht meine Nase für das Geschäft.“
„Also was würde es ändern, mich zu heiraten?“
„Erstens habe ich mich gefragt, ob es vielleicht deine Entscheidungen antreiben würde, dir ein paar Informationen zu deiner Verkaufspräsentation zu geben. Gesellschaftliches Privileg und all das.“ Ich wedle mit der Hand, als wäre mir all das zu hoch, obwohl die Wahrheit ist, dass mir nichts zu hoch oder zu niedrig ist, wenn es meinem Ziel im Weg steht.
„Wenn du denkst, ich werde dich aus irgendeinem Wunsch nach Rache heiraten, dann kennst du mich wirklich gar nicht.“
„Aber es ist Teil des Anreizes, oder nicht? Ehrlich.“ Ihr Blick wandert über mich, als wäre ich die schlimmste Kreatur, die sie je gesehen hat. Aber ihre Wut wird zweifellos einsetzen. Das heißt, die Wutreserven, die nicht auf mich gerichtet sind, sondern auf die, die die absolute Frechheit besitzen, sie von ihrem Ziel abzuhalten. Wut auf die, die unter der Illusion leiden, sie seien überlegen. Wenigstens haben wir das gemeinsam. „Versuch doch, damit aufzuhören, mich so finster anzusehen, ja? Diese Blicke mögen vielleicht bei anderen wirksam sein. Ich allerdings gewöhne mich an dein Repertoire aus Blicken aus zusammengekniffenen Augen. Ein kleiner Tipp; je mehr du sie verwendest, desto mehr verringert sich die Wirkung.“
Das hält sie nicht davon ab, mich über den Rand ihrer Teetasse hinweg anzufunkeln.
„Es gibt wirklich nichts—nichts
—Reizvolles an der
Vorstellung, dich zu heiraten.“
„Mit der Ausnahme von Zahlungsfähigkeit, dem Retten deiner Firma, Sushi und teurem Schuhwerk. Und ein wenig Rache. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, dein Potenzial zu nutzen, plus ein wenig Kultivierung, um dir dabei zu helfen, ein geschäftliches Machtzentrum zu werden. Die Art Frau, zu der andere Frauen aufsehen.“
„Keine Frau würde zu jemandem aufsehen, der erfolgreich geworden ist, indem er sich verkauft hat.“
„Ich kaufe dich nicht. Nur ein wenig deiner Zeit und deiner Kooperation.“
„Im Austausch für einen Teil meiner Seele.“
„Du wirst im Gegenzug so viel mehr zurückbekommen.“
„Vielleicht lasse ich es einfach darauf ankommen.“
„Auf Misserfolg oder Bankrott? Dieses Geschäft ist ein wenig inzestuös. Es tut mir leid zu sagen, dass die Stadtschreier bereits begonnen haben, es auszurufen.“
„Ich habe keine Ahnung, was du meinst.“
„Böser Klatsch. Die Tatsache, dass mein halbes Büro uns beim Küssen gesehen hat. Die allgemein verbreitete Ansicht, dass vorher recht offensichtlich etwas zwischen dir und Luke gelaufen ist. Aus welchem Grund und in welcher Form auch immer.“
„Es läuft nicht zwischen uns. So war es nicht“, protestiert sie hitzig. „Er hat eine schwangere Freundin. Du weißt das, und sie werden das auch bald tun.“
„Wenn ich es weiß, dann nur, weil ich dein Wort darauf habe. Währenddessen hat Luke es seinen Eltern gegenüber nicht erwähnt. Diesbezüglich ist alles still. Also wurdest du dabei gesehen, wie du mich geküsst hast, in Nachfolge deiner Handlungen nach deiner Verkaufspräsentation. Handlungen, über die Bemerkungen gemacht wurden.“
„Wovon sprichst du, Handlungen?“, fragt sie und sitzt plötzlich kerzengerade da. Vielleicht ist die Erinnerung so
unangenehm wie die Erkenntnis.
„Gewisse Berührungen, sehnsüchtige Blicke, sowas eben. Dazu noch die Gerüchte, die zweifelsohne durchdringen werden, nachdem du anschließend dabei erwischt wurdest, wie du einen seiner Vorgesetzten geküsst hast.“ Mit aufgerissenen Augen täusche ich ein wenig Erschütterung vor.
„Du bist ihm in keiner Weise oder Form vorgesetzt“, gibt sie zurück. „Mir scheint es, als wärt ihr aus demselben Stoff gemacht.“
Wenn das der Fall ist, dann kommt mein Stoff von Savile Row, und seiner ist von minderwertiger Qualität, erstanden auf irgendeinem Markt im East End.
Sie weigert sich, meinen Blick zu erwidern, da sie mich für die Dinge verachtet, die ich sage. Aber niemand hat je behauptet, dass das Geschäft einfach oder das Leben fair sei. Und ich werde tun, was ich tun muss, um sie dazu zu bringen, mir hierbei zu helfen. Niemand sonst ist akzeptabel.
„Wie läuft das Geschäft seither?“, frage ich monoton. „Hast du noch weitere Meetings oder Verkaufspräsentationen in Aussicht?“
„Du weißt, dass ich das nicht habe“, antwortet sie ruhig. Die Art gefährlicher Ruhe, die vor einem Sturm kommt. „Und jetzt weiß ich, warum.“
„Wer weiß? Vielleicht wird dir diese Arbeit in den nächsten Tagen zugutekommen. Du hast am Ende vielleicht endlos viele Menschen, die bereit sind, dich zu empfangen.“ Ihr Blick hebt sich, aber nicht ihr Kopf. „Besonders Männer.“ Ich erlaube der Schlussfolgerung, in der Luft zu schweben.
„Gott, ich hasse dich.“
„Manche würden sagen, dass deine Ehrlichkeit eine perfekte Basis für die Ehe ist. Und die meisten Ehen werden irgendwann sowieso zu Hass. Genauso, wie Wein nach gewisser Zeit zu Essig wird.“
„Ist das eine persönliche Beobachtung?“ Ich antworte nicht
auf ihre ekelhaft süßliche Frage. „Wie wäre es, wenn du aufhörst zu versuchen, mir das hier zu verkaufen, mir zu sagen, was meine Probleme sind und wie du sie lösen kannst. Wie wäre es, wenn du mir sagst, was du von dieser Abmachung hättest?“
Ich antworte fast dich
. Lächerlich, wirklich. Und auch teilweise wahr, stelle ich fest.
„Kurz gesagt, die Illusion, sesshaft geworden zu sein. Der Anschein eines stabilen Privatlebens. Und die ultimative Chance, die Inhaberschaft von JBW-Geschäften in die Finger zu kriegen.“
„Sesshaft werden mit der „netten“ Freundin seines Stiefsohnes, die, im Grunde genommen, seither als alles andere als nett beschrieben wurde? Bestimmt wird das nicht helfen.“
„Das hat keine Bedeutung.“
„Du hättest vielleicht lieber jemanden anvisieren sollen, der etwas weniger verdorben ist.“
„Und wo bliebe da der Spaß? Außerdem würde ich Mark einen Gefallen tun, seiner Meinung nach, indem ich seinen Sohn davon abhalte, einen Fehler mit einer Frau zu machen, die bereit ist, sich bei jedem Mann einzuschmeicheln, der ihr hilft.“
Sie blinzelt langsam und ich habe den Eindruck, dass sie mich in Gedanken erdrosselt.
„Also bei JBW heißt es, dass ich alles tun würde, um Geld in die Finger zu kriegen. Mich zu heiraten wird dir nicht helfen. Es scheint mir auch, dass es meinem
Ruf auch nicht helfen wird, dich zu heiraten. Die Leute werden immer noch munkeln ‚erst Luke und jetzt du’, was in Wirklichkeit ein wenig so ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera, nicht, das irgendjemand das sagen wird. Sie werden sagen, ich hätte dich wegen deines Geldes geheiratet. Wie kann das für dich schmeichelhaft sein? Wie kann es helfen?“
„Ich denke, du wirst überrascht sein. Erstens bist du ein hübsches Mädchen—jedenfalls wenn du nicht finster dreinschaust—und sehr einnehmend. Zweitens bist du eine gute Schauspielerin, also wirst du die Leute für dich gewinnen. Drittens hat mich noch nie jemand gesehen, wie ich von irgendjemand oder irgendetwas bezaubert war.“ Außer Geld. „Sie werden uns die Tatsache abkaufen, dass wir verliebt sind, besonders sobald wir die Runde gemacht haben, indem wir ein paar Abendessen und gesellschaftlichen Anlässen beigewohnt haben.“
„Warum sagst du das? Dass ich eine gute Schauspielerin wäre? Dass ich vortäusche?“
„Intuition.“
„Du liegst so falsch. Ich kann nicht verbergen, wer ich bin, also was du siehst, ist was du bekommst. Und deshalb kann ich nicht so tun, als würde ich dich mögen. Denn das tue ich nicht.
Ich wette, das kam dir nicht in den Sinn, oder? Dass ich gemein zu dir bin, weil du es verdienst und weil ich dich nicht mag.“
Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zu viel? Sie muss mich nicht mögen, nicht in diesem Sinne. Ich weiß, dass sie vor allen Dingen Erfolg begehrt. Genauso wie ich weiß, dass sie mich will. Und das ist genug.
„Ich bin sicher, die Leute werden ihre Freude am beinahe karmischen Spiel der Dinge haben. Dass ich es verdiene, an ein Mädchen gebunden zu sein, das auf meinem Herzen herumtrampeln wird.“
„Du hast keins. Wenn du das hättest, würdest du mich nicht dazu zwingen, das hier zu tun.“
Ich seufze schwer. „Da ist wieder dieser Hang zum Dramatischen. Niemand zwingt dich zu irgendetwas. Du hast einen freien Willen; du kannst tun, was du willst.“
„Siehe“, verkündet sie und wirft mir einen weiteren ihrer ausgesuchten Blicke zu. „Ich sende euch wie Schafe mitten
unter die Wölfe.“
„Was wird es sein, Olivia?“, frage ich und paraphrasiere den Rest des dramatisch verkündeten Bibelverses. „Wirst du dich entscheiden, so klug wie die Schlangen oder ohne Falsch wie die Tauben zu sein?“