„Warum sind wir nochmal hier?“
Ich starre aus dem Beifahrerfenster des Mercedes auf das Haus, das ziemlich schick aussieht, aber nicht annähernd so wie das, das wir soeben verlassen haben. Wir sind knapp zwanzig Minuten zu spät, aber wenn man mich vor einer halben Stunde gefragt hätte, wie lange ich auf der Küchenanrichte gelegen habe, dann hätte ich mindestens drei Wochen geschätzt. Denn wenn Beckett vögelt, dann ist er voll und ganz dabei. Auch, wenn es nur ein Quickie ist.
Und wenn sich Beckett öffnet, auch nur für einen Moment, dann ist es schwer, ihm zu widerstehen. Es ist wie die Verlockung eines komplizierten Puzzles in meinem Schoß. Und obwohl ich Puzzles nicht einmal sonderlich mag, da mir die Geduld dafür fehlt, will ich diesen Mann sowas von ergründen. Von oben bis unten, ich will all seine Geheimnisse erfahren. Ich will ihn auseinandernehmen, um zu entdecken, was in ihm vorgeht.
„Wir sind hier, weil wir eingeladen wurden. Das ist die offizielle Geschichte. Inoffiziell sind wir hier, weil Mark Jones mir seinen Anteil an der Firma nicht verkaufen wollte, da er denkt, ich sei unberechenbar, trotz der Tatsache, dass ich ihn reicher gemacht habe, als er es je war. Er setzt meine Vorgeschichte und meinen persönlichen Reichtum mit etwas
gleich, das mich seiner Meinung nach schlussendlich selbstgefällig machen wird. Was natürlich alles Bullshit ist.“
„Ah, ja“, antworte ich und richte die Manschette meiner Bluse, während ich mich gleichzeitig frage, ob er von Becketts ehemaliger Sucht weiß. Ich bin mir sicher, dass dies auch als berechtigte Sorge gelten würde. Diesem Gedanken folgt schnell etwas Unangenehmes. Treulosigkeit, vielleicht?
„Geht es dir gut?“ Er neigt mein Kinn, um meinen Blick auf seinen zu richten.
„Ja, gut. Ich habe nur gedacht, es ist, als hätte uns der Kerl selbst verheiraten sollen.“
„Ich bin nicht sicher, ob ich folgen kann.“ Zwischen Becketts Augenbrauen bildet sich eine bekannte Falte. Zum ersten Mal will ich die Hand ausstrecken und sie glätten. Wie seltsam.
„Ich meine nur, dass er genauso dafür verantwortlich ist, dass wir verheiratet sind, wie es der Standesbeamte ist. Wenn er nicht gewesen wäre, dann hätten wir vielleicht unseren Spaß auf dieser Rückbank gehabt, bevor wir unserer Wege gegangen wären.“
„Denkst du wirklich, dass das passiert wäre?“, fragt er. Grunzt? Eines der beiden.
„Na ja, du magst deine Ausstiegspläne, und ich hatte eine Firma, die gerettet werden musste.“ Eine Firma, die mittlerweile floriert, dank der Entscheidungen, die zu treffen so schwer war. „Vielleicht hätten wir dem Kerl Blumen mitbringen sollen.“
„Manchmal habe ich Probleme mit deinem seltsamen Sinn für Humor.“
„Und ich habe manchmal Probleme mit deinem Mangel daran.“
Wir lächeln einander an; seines ist missgönnend, meines ist breit und stolz.
„Sind wir wieder auf derselben Wellenlänge?“
„Gleichgewicht wiederhergestellt“, stimmt er zu. „Wollen
wir?“
„Ja, lass uns irgendein Arschloch davon überzeugen, dass wir verliebt sind.“
Als wir aus dem Auto aussteigen, ist es offensichtlich, dass hinter den Eingangstüren eine Party bereits in vollem Gange ist. Der Geräuschpegel ist nicht der einer Studentenparty oder eines Raves, sondern etwas erwachsener. Ein wenig heidnischer. Musik ist zu hören, aus den offenen Fenstern dringt Gelächter und der Geruch von Zigarrenrauch wird mit einem Luftstoß hinausgetragen.
„Ich dachte, wir wären zum Abendessen hier.“ Ich blicke an meiner Kleidung hinab. Meine Hochzeitsschuhe, schmal geschnittene Hose und ein Shirt mit hohem Kragen und weiten Ärmeln, die an den Handgelenken enger werden. Mein Haar ist immer noch auf meinem Kopf aufgetürmt, wenn auch mit etwas mehr Elan als zuvor. Ich trage nicht besonders viel Make-up, denn der Sex mit Beckett hinterlässt bei mir ein seltsames Strahlen. „Ich bin sowas von nicht für eine Party angezogen.“
„Ich wusste nicht, dass wir zu einer eingeladen sind.“
„Beckett“, zische ich beinahe und ziehe an seiner Hand. „Ich kann nicht so gekleidet auf eine Party gehen.“ Ich wedle mit einer Hand vor meinem Körper, selbst als mir die Gewissheit seiner Antwort bewusst wird.
„Du hast den Tag damit verbracht, das T-Shirt-Kleid wie bei Des Kaisers neue Kleider
zu tragen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du ein Shirt und eine Hose tragen kannst, während du so tust, als wärst du mit Pailletten übersät.“
Ich wäre überhaupt nicht überrascht zu erfahren, dass wenn er dieses böse halbe Lächeln zeigt, es das Ergebnis des auf seiner Schulter sitzenden Teufels ist, der einen Haken benutzt.
Mistkerl.
„Hör zu.“ Ich ziehe an Becketts Hand und zwinge ihn erneut dazu, stehenzubleiben. „Du sollst wissen, dass ich heute
Abend mein Bestes versuchen werde, diese Ehe glaubhaft wirken zu lassen, aber ich muss dir sagen –“
„Dass du keine gute Schauspielerin bist?“
„Also hast du dich endlich dazu entschieden, mir zuzuhören?“ Ich schiebe meine Clutch unter meinem Arm höher, die Hüfte sofort zur Seite gedrückt.
„Sag mir, angesichts der Tatsache, dass du eine grauenvolle Schauspielerin bist, hast du vorhin in der Küche geplant, mich zu verführen, um unseren Gastgeber in die Irre zu führen?“
„Was?“ Ich merke, wie ich das Gesicht verziehe. „Inwiefern ergibt das überhaupt Sinn? Es ist nicht so, als hätten wir in seiner Küche Sex gehabt.“
„Wir könnten es versuchen. Denkst du, es würde helfen?“
„Ha. So lustig“, erwidere ich höhnisch.
„Komm schon.“ Er legt einen Arm um meine Schulter und zieht mich an seine Seite. „Ich habe nur versucht zu sagen, dass du nach dem Sex wesentlich umgänglicher bist. Sehr fühlbar, und gar nicht wie deine übliche Igel-Art.“
„Pass auf.“ Blitzschnell ziehe ich meine Clutch heraus und schlage ihm damit auf den Bauch. „Die Nadeln sind leicht zurückzuholen.“
„Stacheln, Liebling.“ Er lacht. „Igel haben keine Nadeln, sie haben Stacheln.“
„Was auch immer. Die Antwort ist immer noch dieselbe. Eine falsche Bewegung und ich werde eine Nervensäge sein. Aber als Antwort auf deine Frage: nein, ich habe nicht geplant, dich zu verführen
“, sage ich mit tiefer Stimme und mache mit den Händen Anführungszeichen, „um meinen Mangel an schauspielerischen Fähigkeiten aufzuwiegen.“ Das glaube ich nicht. Oder doch?
Nein, habe ich nicht. „Ich denke, die traurige Wahrheit ist, dass es mich heiß macht, dich zu nerven.“
Becketts tiefer Ausbruch von Gelächter besteht nur aus weißen Zähnen und tiefem Bariton. Und ist irgendwie verblüffend. „Das ist vermutlich das Ehrlichste, was du je zu
mir gesagt hast.“
„Ich bin immer ehrlich.“
„Eine andere Art von Ehrlichkeit“, erwidert er und küsst mich auf den Kopf. „Und es ergibt so viel Sinn. Also, legen wir los. Wer weiß, wer oder was vielleicht hinter diesen Vorhängen lauert und darauf wartet, uns zu erwischen.“
„Ich werde mein Bestes versuchen, aber ich habe das Gefühl, dass ich Probleme haben werde“, grummle ich, während wir über den Kiesweg mit der Formschnittgärtnerei gehen, der zur Eingangstür des Hauses führt. „Er hat mit mir gespielt, und das macht mich wütend. Ich hasse es, dass ich so viel Hoffnung an meine Verkaufspräsentation gehängt habe, und doch war es für ihn nichts. Ich war ein amüsanter Zeitvertreib, das ist alles. Ein Spielzeug. Na ja, scheiß auf ihn und sein reicher-Schwanz-Privileg.“ Nicht zu verwechseln mit großer-Schwanz-Energie.
Ich erwarte, dass seine Energie mehr dünner Schwanz ist, denn wer andere mit solcher Missachtung behandelt, dem muss es an etwas mangeln.
„Denkst du so von mir?“ Wir kommen zum Stehen und Beckett dreht sich langsam zu mir um. „Denkst du, dass ich meine Stellung ausgenutzt habe? Dich in deine gezwungen habe?“
„Ja.“ Meine Antwort kommt sofort. „Aber du warst von Anfang an aufrichtig.“ Mit der Ausnahme seiner anfänglich spärlichen Informationsausgabe.
Ich will, dass du mir dabei hilfst, JBW zu bekommen.
Ich will, dass du mir dabei hilfst, JBW zu bekommen, indem du mich heiratest.
Ich will, dass du mir dabei hilfst, JBW zu bekommen, indem du mich heiratest. Und indem du Sex mit mir hast.
„Ich wusste genau, was du wolltest.“ Irgendwann. „Und warum. Und auch, was du im Gegenzug zu geben bereit warst. Und man geht nicht wissentlich mit dem Teufel ins Bett und erwartet, dass er über Nacht zum Engel wird. Aber dieser
Mann. Ich kann einfach nicht in Worte fassen, wie –“
„Ich verstehe.“ Becketts große Hand spannt sich auf meiner Schulter an. „Aber was getan ist, ist getan, und es hat uns hierhergeführt, und dieser Abend ist sehr wichtig. Sehr
wichtig.“
„Ich weiß, aber –“
„Aber nichts. Ich habe selbst nichts für ihn übrig, ich stimme seinen Methoden nicht zu. Er ist ein schwacher Mann, ausschweifend und voll mit seiner eigenen Wichtigkeit. Aber es blendet ihn. Er hat dich unterschätzt, genauso wie er mich unterschätzt hat. Anstatt dieser ohnmächtigen Wut nachzugeben, denk daran, dass du jetzt das hast, was du willst, und steh bedingungslos dazu. Du schuldest ihm nichts als ein wenig Rache, und du kannst mir dabei helfen, ihm diese zu servieren.“
„Indem ich heute Abend hier bin.“
„Indem du deine Rolle spielst“, stimmt er zu. „Und ich werde bei jedem Schritt an deiner Seite sind.“
„Okay.“ Ich nicke, nicht weniger verletzt, aber vielleicht ein wenig besänftigt. „Ich kann das.“
„Eine Sache noch. Seine Arbeits- und seine private Fassade sind sehr unterschiedlich. Es wird dir vielleicht schwerfallen, ihn nicht zu mögen. Vielen geht es so.“
„Das bezweifle ich“, antworte ich mit einem Schnauben.
„Er ist sehr einnehmend. Eine schillernde Persönlichkeit. Ein Geschichtenerzähler und ein alter Lüstling.“
„Sprich Englisch, um Himmels willen.“ Ich habe keine Zeit, um diesen Mist zu googlen.
„Er ist eine Art Casanova, oder zumindest war er das. Mittlerweile ist er glücklich mit Lukes Mutter verheiratet.“
„Oh Gott. Wird Luke hier sein?“
„Das denke ich nicht. Aber auf der anderen Seite habe ich auch keine Party erwartet. Wäre das ein Problem?“
„Was, du meinst, wenn er hier ist?“ Mit aufgeblasenen
Wangen atme ich lautstark aus. Ich habe ihn seit dem Tag in Becketts Büro nicht mehr gesehen, als wir beim Küssen erwischt wurden. Ich weiß nicht, warum er so betrogen ausgesehen hat. Er war irgendwie seine Schuld, dass er überhaupt da war. Und zu denken, dass das Wort, mit dem ich ihn immer beschrieben habe, ‚ehrenhaft‘ war. „Ich nehme an, das hängt davon ab, was er zu sagen hat.“
„Er wird keine Szene machen“, antwortet Beckett mit einer kalten Gewissheit.
„Vielleicht nicht. Er hat größere Dinge als mich und meine Wut, auf die er sich konzentrieren muss.“ Zum Beispiel eine schwangere Freundin.
„Du wärst überrascht. Die meisten Männer wären gekränkt darüber, dich an jemand anders zu verlieren.“ In einer überraschend zärtlichen Geste streckt er die Hand aus und legt sie auf meine Wange.
„Er hatte mich nie.“ Daraufhin verdunkelt sich Becketts Blick und seine Mundwinkel zucken leicht. „Wenn er da drin ist und versucht, mit mir zu reden, dann werde ich ihn mit der Präzision einer Grande Dame im Almack’s absichtlich ignorieren.“
„Das klingt brutal.“
„Hör auf, zu lächeln. Es funktioniert in Regency-Liebesromanen.“ Und klingt so viel härter, als seine Anrufe zu ignorieren und seine Nachrichten und E-Mails zu löschen. „Also, Jones. Du willst sagen, dass er eine Art männliche Hure ist?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob er diesen Titel billigen würde. Vielleicht war er das einmal, aber er ist mehr wie der unanständige Großonkel, den jeder hat. Es scheint ihn bei den Menschen um ihn herum beliebt zu machen.“
„Okay. Also ist er ein dreckiger alter Mann mit einer schillernden Vergangenheit und mehr Geld als Krösus, und durch diese kleine Tatsache ist alles in Ordnung! Reiche Leute
sind so merkwürdig.“ Beckett zuckt sorglos die Achseln, während mein Blick wieder zum Haus gleitet; ein gläsernes und stählernes Mahnmal des persönlichen Reichtums. „Und wenn er so reich wie Krösus ist, dann nehme ich an, dass du damit so reich wie Gott bist?“
Aber nichts davon ist wichtig, nicht, wenn ich ein Hühnchen zu rupfen habe.
Die Tür wird von einem jungen Mädchen in dunklem Rock und weißem Shirt geöffnet. Sie trägt ihren Namen auf einem Anstecker, der die Catering-Firma kennzeichnet. Die Leute laufen in dem gewaltigen offenen Wohnbereich umher, das Licht der Decke lässt teuer gefärbtes Haar glänzen. Champagnergläser in der Hand, die Frauen tragen Gucci und Valentino dieser Saison, ihre rot besohlten Schuhe sind so hoch wie Stelzen. Gold glänzt und glitzert, während schmalhüftige Männer das Servicepersonal ignorieren, aber nicht die kostenlosen Drinks. Ich sehe an meiner Kleidung hinab, mehr Topshop als Top-Designer. Oh, was soll’s.
Bevor wir mehr als auch nur ein paar Meter in das Haus hineingelaufen sind, wird unsere Ankunft von unserem Gastgeber verkündet, dessen Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft ist. Ich übertreibe, aber aufgrund des Pelzes aus weißem Haar an der Öffnung ist es schwer zu sagen, wo die Knöpfe enden.
„Überraschung, Beckett, alter Junge!“
Die Wirkung ist ähnlich einer kratzenden Nadel auf Vinyl, der ganze Ort scheint zum Stillstand zu kommen, um das glückliche Paar zu betrachten. Natürlich scheint Beckett es nicht zu bemerken. Oder er spielt die Rolle des Sorglosen sehr gut.
„Und natürlich die reizende neue Mrs. Beckett.“ Mark Jones erscheint vor mir, hebt meine Hand und presst seine Lippen darauf und ich frage mich, ob er je die erste Mrs. Beckett kennengelernt hat. „Wie schön, Sie wiederzusehen.“
„Mr. Jones.“ Ich lächle, in der Hoffnung, dass es besser aussieht als es sich anfühlt, als er seinen silbrigen Kopf hebt, die blauen Augen scharf.
„Unsinn. Nenn mich Mark, Liebes.“ Wie wäre es, wenn ich dich viel schlimmer als das nennen würde, hm? Schlimmer als alter Lüstling, was auch immer zur Hölle das heißt.
„Was geht hier vor sich?“ Becketts Tonfall ist ganz geschäftlich, wie immer. „Das ist etwas mehr als eine Abendgesellschaft.“ Aber man bemerke die wärmere Note am Ende, als er echte Überraschung vortäuscht.
„Ja, na ja, Rosemary und ich haben entschieden, eine kleine Party zu schmeißen, um die Glückwünsche von JBW an das glückliche Paar zu erweitern.“
„Das ist so nett von Ihnen.“ Leider ist meine Antwort nicht ganz so glaubhaft wie Becketts. Über Mark Jones‘ Kopf hinweg schießt Becketts Augenbraue ein Stück in die Höhe.
„Kommt mit. Lasst alle das glückliche Paar sehen.“ Wie Affen in einem Zoo.
„Alle?“, frage ich und versuche nicht auf die Blicke zu reagieren, die auf uns gerichtet werden.
„Belegschaft, Partner, der ein oder andere Investor“, antwortet Jones, wobei er nicht die besitzergreifende Hand übersieht, die Beckett auf meinen unteren Rücken legt. Oder die Art, wie er mich mit so purer Zuneigung anlächelt und einen kleinen Kuss auf meinen Haaransatz drückt. Als könnte er einfach nicht widerstehen.
Wärme durchflutet meinen heimtückischen Körper und verwischt die Grenzen noch ein klein wenig mehr.
„Ah, junge Liebe. Wie entzückend.“ Ich glaube nicht, dass ich mir eingebildet habe, wie sein Blick soeben über meine Brüste gewandert ist. „Definitiv jung, aber ich glaube, dass es einen ziemlichen Altersunterschied zwischen euch beiden gibt, oder nicht? Du bist, glaube ich, mit meinem Stiefsohn auf die Universität gegangen, Olivia.“
Ich denke, du weißt das auch ohne meine Bestätigung, Mark, alter Kumpel, alter Junge.
„Das stimmt. Wie geht es Luke?“ Dem Mistkerl.
„Sehr gut. Ich werde bald Großvater, auch wenn ich mich für diese Bezeichnung viel zu jung fühle.“ Wenn das unser Stichwort war, sein Ego zu streicheln, dann kommt der Moment und verstreicht unbemerkt.
„Ist Luke heute Abend hier?“, hakt Beckett nach.
„Nein. Er hatte andere Pläne. Junge Leute. Treiben sich immer herum, finde ich.“ Mark Jones, die Heimversion, ist gänzlich anders als Mark Jones, die Stadtversion. Aber ich kann als Juniorpartnerin in diesem Plan den Abend über damit arbeiten.
„Wie schade.“ Also das
klang doch aufrichtig. Ein Hoch auf mich.
„Rosemary, sieh, wen ich gefunden habe.“
Vor uns dreht sich eine Gruppe von Frauen bei unserer Ankunft um und Mark Jones gesellt sich zu einer sehr attraktiven Frau unbestimmbaren Alters. Langes, beige-blondes Haar – die Frau könnte Elle Macphersons Doppelgängerin sein. Sie trieft förmlich vor Wohlstand und Kultiviertheit und hält ein Glas Rotwein zwischen den Fingerspitzen. Die Frauen um sie herum hatten leider nicht dasselbe Glück mit ihren eigenen Schönheitschirurgen. Aber sie scheinen eine Menge Diamanten zu haben, um diese Tatsache auszugleichen.
„Beckett. Wie reizend, dich zu sehen.“ Keine Australierin, ihrem sehr britischen Akzent nach zu urteilen, also nicht wirklich die
Elle, aber trotzdem wunderschön, auf dieselbe zeitlose Art wie das Supermodel.
„Rosemary“, antwortet Beckett mit kaum einem Hauch von Wärme in seinem Tonfall. Bin das nur ich, oder herrscht eine seltsame Stimmung zwischen den beiden? Fast eine Anspannung, während sie ihn anstarrt, sich gänzlich der
Unbehaglichkeit dieser Situation unbewusst. „Erlaube mir, dich meiner Frau Olivia vorzustellen. Olivia, Rosemary, Marks Frau.“
„Und Lukes Mutter“, fügt sie hinzu und streckt ihre Hand aus. Man beachte die Betonung hier.
„Es ist schön, Sie kennenzulernen. Vielen Dank, dass Sie heute Abend den Gastgeber spielen. Es ist sehr, sehr nett von Ihnen.“
„Gern geschehen.“ Wunderschön und in höchstem Maße gebotoxt, verändert sich ihr Gesichtsausdruck kaum, als sie antwortet.
„Sie haben ein wunderschönes Zuhause.“
„Danke.“ Ich sehe, die Frau hat die Kunst des Lächelns perfektioniert, ohne wirklich etwas zu bewegen. „Und Glückwunsch euch beiden.“ Ohne ihr Glas abzustellen, tritt sie näher, und mit einem lässig über Becketts Schulter gelegten Arm küsst sie beide seiner Wangen, bevor sie dasselbe bei mir wiederholt, wobei sie sich bückt und bewusst unseren Größenunterschied unterstreicht. Aber, hey, ich bin nicht diejenige, die mit einem Troll verheiratet ist. Ein reicher Troll ist immer noch ein Troll.
„Und wie bekommt euch das Eheleben?“, schnurrt sie und lässt ihren Blick zwischen uns hin- und herwandern.
„In einem Wort, wundervoll“, antwortet Beckett, der seine Augen auf mich gerichtet hat. „Wenn ich dich nur früher hätte finden können.“
Ich merke, wie ich rot werde und meine Hand auf seinem flachen Oberkörper ausbreite, während Rosemarys Augen die Bewegung verfolgen.
„Das ist richtig. Ihr zwei kanntet einander noch nicht sehr lang“, wirft ihr Mann ein.
„Ich trotze jedem, der mehr als ein paar Stunden braucht, um sich in Olivia zu verlieben.“
„Wie süß.“ Ihr angespannter Gesichtsausdruck deutet das
Gegenteil an, und ihrer Figur nach zu urteilen ist süß nichts, dem sie nachgibt. Niemals.
„Aber Liebling, sie haben keine Drinks“, tadelt sie ihn und schiebt die Unterlippe hervor.
„Das müssen wir eindeutig ändern!“
Und schon trotten wir hinter ihm her, während wir neugierige Blicke auf uns ziehen.
„Was sollte das denn“, flüstere ich, als Jones vorangeht.
„Was sollte was?“ Ich werfe ihm und seinem nichtssagenden Ausdruck einen gewichtigen Blick zu. Einen Blick, von dem ich hoffe, dass er verarsch mich nicht
mitteilt.
„Ich habe das seltsame Gefühl, dass du und die Dame des Hauses gevögelt habt.“ Ich fühle sein Lachen mehr, als dass ich es sehe. Aber ich lache nicht. Innerlich brenne ich.
„Dein Eindruck könnte nicht falscher sein.“
„Dann bemerke ich vielleicht die Tatsache, dass sie es gerne tun würde. Dich vögeln.“ Was mich denken lässt, dass ich ihr mit Freude die Augen auskratzen würde, bevor ich ihr perfektes Haar in Flammen stecke.
„Eifersüchtig, Liebling?“
Bin ich das? Ich sollte nicht eifersüchtig sein. Das ist alles nur Show. Wenn nur diese falschen Gefühle nicht so real wären.
„Das hättest du wohl gern“, antworte ich schließlich. Und das Gesicht, das ich ziehe? Es kann nicht attraktiv sein.
„Danke für die Aufklärung, denke ich, aber ich würde sie nicht einmal mit dem Schwanz ihres Mannes vögeln, geschweige denn meinem eigenen.“
„Ich ahne da eine Geschichte.“
„Keine sehr interessante.“
„Bist du sicher?“ An diesem Punkt ziehe ich ihn auf. Oder versuche verzweifelt die Tatsache zu verbergen, dass ich tatsächlich eifersüchtig bin. Eifersüchtig auf die beinahe besitzergreifende Art der Mutter meines ehemaligen Freunds meinem Mann gegenüber. Meinem vorübergehenden
Mann. „Ich habe das Gefühl, als steckte ich in einem Song der Neunziger fest; Luke’s mom has got it going on
.“
„Es ist vermutlich das Haus“, flüstert er zurück. „Es ist ein wenig altmodisch. Und ich bin mir sicher, dass dieser Basquiat eine Fälschung ist.“
„Bas was?“
„Das Kunstwerk, an dem wir soeben vorbeigegangen sind. Jones hat genug Geld, um das Original zu kaufen. Warum sich damit zufriedengeben?“ Sein Blick wandert auf eine Art über mich, die mir das Gefühl gibt, ein Schatz zu sein. Oh Gott. Noch mehr von dieser öffentlichen Liebe und ich werde dazu gezwungen sein, ihn für eine Liebe der anderen Art in die Büsche zu ziehen.
„Und was war mit den Frauen, die bei Lukes Mutter standen? Noch ein paar mehr Schönheits-OPs und sie hätten alle Bärte gehabt.“
Beckett verschluckt sich fast an seinem Gelächter.
Die Drinks werden gefunden, geistlose Unterhaltungen werden geführt und ich werde einem Dutzend Menschen vorgestellt, wobei jede Vorstellung glatter läuft als die letzte, dank meiner Welle der durch Wein ausgelösten Tapferkeit. Währenddessen verlässt Beckett nie meine Seite. Ich wünschte fast, ich könnte all die Blicke und kleinen Berührungen katalogisieren, die er mir zukommen lässt, während er unsere Geschichte für die Massen erfindet.
„Ich habe Olivia vor dem Büro getroffen. Sie ist gestolpert und mir wortwörtlich in die Arme gefallen.“
Stichwort für die liebestollen Blicke der Weibsbilder, begleitet von sehnsüchtigem Seufzen.
Show. Es ist nur Show. Lass dich nicht in die Geschichten hineinziehen, die er spinnt.
„Wir haben uns erneut auf einem Flug nach New York getroffen, wo ich ein Mitglied der Kabinenbesatzung dazu
überredet habe, ihr den Platz neben mir zuzuweisen. Acht Stunden in ihrer Gesellschaft waren alles, was nötig war, um uns ineinander zu verlieben, oder nicht, Liebling?“
Stichwort für meinen eigenen liebestollen Blick und eine geflüsterte Zustimmung.
„Wir waren uns so sicher, dass wir füreinander bestimmt sind, dass wir sofort unsere Heiratserlaubnis beantragt haben. Ich wollte sie nicht entwischen lassen.“
Jedenfalls nicht während der nächsten sechs Monate.
„Ohne überhaupt Sex gehabt zu haben?“ Ich überhöre die Bemerkung auf dem Weg zum Badezimmer. „Ich könnte das nicht – nicht ohne eine Gratisprobe der Ware.“
„Ah, also das treibst du an den Wochenenden“, gackert einer der Freunde des Finanzfuzzis. Vermutlich eher jemand von JBW als ein Investor.
„Ich meine, was ist, wenn sie schlecht im Bett ist?“
„Du bist so oberflächlich“, zischt eines der Mädchen in der Gruppe. „Hast du gesehen, wie er sie ansieht? Das ist Liebe.“
„Aber was ist mit Chemie?“
„Dasselbe. Du bist nur neidisch. Außerdem wette ich, dass neunzig Prozent der Frauen hier Beckett heiraten würden, ohne Hin und Her.“ Den Blicken nach zu urteilen, die er von allen Altersgruppen bekommen hat, seit wir angekommen sind, bezweifle ich das nicht.
„Ja, weil er stinkreich ist.“
„Lass mich das anders formulieren: Neunzig Prozent der Frauen hier würden ihn nageln. Ihn nageln, bis er ihm abfällt, und dann würden sie ihn aufheben und ihn weiter nageln.“
Scheint, als wäre ich Teil der Mehrheit. Nicht, dass ich will, dass er abfällt. Er hat einen sehr schönen –
Ja, na ja. Genug davon.
„Da bist du.“ Becketts Blick ist warm und ehrlich, als ich ihn im Garten finde, ein Glas Whisky in seiner Hand. „Ich habe dich vermisst.“ Er zieht mich an sich und seine Brust breitet
sich unter meinem Ohr mit einem zufriedenen Seufzen aus.
„Hast du das wirklich?“
Sanfte Blicke und warme Worte. Sein Finger hakt sich in die Rückseite meiner Hose ein, während er seine Lippen auf meinen Kopf presst. Es fühlt sich alles so echt an, dass ich mich daran erinnern muss, dass nichts davon wahr ist. Wir diskutieren und streiten nicht, wie wir es normalerweise tun. Wir spielen nur zugunsten anderer eine Rolle. Aber das Problem mit diesen Rollen und dem Lügen ist, dass es schwer ist, von all dem nicht selbst verführt zu werden, nachdem man es eine Weile lang getan hat.