»Soll ich es tun?«, fragt Tassitta van B. Dann presst sie sich die flache Hand vors Gesicht und brüllt hinein. Einen dumpfen, schrecklichen Schrei. Sie nimmt die Finger vom Gesicht, zittert und sagt: »Es war wie ein Hilferuf unter Wasser. Mehr konnte er nicht machen.«
Utrecht, 1999, ein trüber Tag im Herbst. Ich bin in die Niederlande geflogen, um die Zeugen einer Katastrophe zu interviewen. Tassitta van B., so lese ich in der damals erschienenen Reportage nach, ist so nervös, dass sie nicht einmal einen Kugelschreiber halten kann. Sie will aufzeichnen, wie nah sie damals im Flugzeug zu Marcus Omofuma gesessen ist, diesem damals 25-jährigen jungen Mann.
Vor ihren Augen wird er während seiner Abschiebung in der Balkan Air mit einem dicken Gaffa-Band geknebelt und wie eine Mumie eingewickelt, dann mit einem Gummiseil an den Sitz gefesselt und mit Ohrfeigen misshandelt.
Aus dem gerichtsmedizinischen Untersuchungsbericht von Christian Reiter: »Der Zeuge gab an, dass Omofuma Laute von sich gegeben habe, weshalb zusätzliche Klebebänder um dessen Mund angebracht wurden.« Ein anderer Zeuge, vermerkte Reiter, habe »in weiterer Folge beobachtet (…), dass Omofuma irgendein Rituallied vor sich hersang«. Eine dritte Zeugin sah, dass »zwischen der Verklebung des Oberkörpers bis zu den Schultern und der über den Kopf reichenden Verklebung an der Unterseite des Kinns der Hals frei und angeschwollen« war. Omofuma habe »sich immer mehr gewehrt und immer fester getreten«, so das Gerichtsprotokoll. Er sei deshalb »immer fester an den Sessel angeklebt worden«. Ein bulgarischer Passagier habe sich umgedreht und Omofuma »mit der flachen Hand einen ordentlichen Schlag auf den Kopf versetzt«. Der »N***«, so stand es damals ganz offiziell im Polizeiprotokoll, habe dann »vor sich hingeschaut«, »seine Augenpartien und der Hals waren, soweit sie frei von Klebebändern waren, angeschwollen. Er hat sehr geschwitzt.«
25 Minuten vor der Landung hat Marcus Omofuma die Augen für immer geschlossen. Eine Stewardess gab zu Protokoll, ihr sei befohlen worden, nach dem Aussteigen der Passagiere einen Arzt zu holen, »weil der Verdacht bestand, dass der Passagier bereits verstorben sei«.
Omofuma starb am 1. Mai 1999, am Tag der Arbeit und der internationalen Solidarität, in staatlicher Obhut während seiner Abschiebung. Der verantwortliche sozialdemokratische Innenminister Karl Schlögl erhielt noch am selben Abend einen Anruf von seinem Ministerkabinett, wie er mir damals erzählte. Es sei »etwas Schreckliches passiert«, teilten ihm die Beamten mit. Ein Teil von ihnen plädierte für maximale Offenheit. Die andere Fraktion riet zum Mauern und zum Gegenangriff. »Die drei Fremdenpolizisten dürfen wir nicht suspendieren. Das wäre ein Signal gegen 30.000 Polizisten«, riet Schlögls damaliger Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, der machtversessene Hofrat Michael Sika.
An jenem 1. Mai begleitet Tassitta van B. eine niederländische Kindertanzgruppe auf dem Flug nach Bulgarien. Die Maschine, die in Amsterdam startete und in Wien und Sofia zwischenlandete, soll Omofuma nach Lagos bringen. Beim Zwischenstopp in Wien-Schwechat tragen die Beamten den geknebelten Mann »wie ein erlegtes Tier« in den Flieger. Marcus Omofuma, Vater einer kleinen Tochter, Ehemann einer deutschen Staatsbürgerin, geflohen aus Nigeria, angeblich, weil er als Mitglied einer Sekte verfolgt worden sei, in Wahrheit aber auf der Suche nach einem besseren Leben. Ein Denkmal neben dem Wiener Museumsquartier erinnert heute an ihn, seine Familie holte den Leichnam in Wien ab und begrub ihn in Nigeria. Die Kinder der Tanzgruppe und ihre Begleiterinnen mussten nach den Geschehnissen im Flugzeug psychologisch betreut werden, wie mir Tassitta van B. erzählte, »um Albträume und Krämpfe zu überwinden«.
Rassismus und Brutalität zeichneten diesen Fall aus und die Frage, wie viel Zivilcourage jene Menschen besitzen, die sich als kritisch bezeichnen. Die aus dem alternativen Milieu stammende Tanztruppe aus den Niederlanden hatte gegen die vor ihren Augen stattfindende Folter nicht protestiert, selbst als der Passagier neben ihnen blau anlief und schrie. »Wir haben auf die Polizei vertraut«, sagt Tassita van B. in ihrer Wohnung in Utrecht.
»Der Fall Omofuma«, so notierte ich damals, »ist eine Art Milgram-Experiment.« Aber anders als bei diesem Test, bei dem die Probanden einen Mann auf Anweisung von angeblichen Wissenschaftlern mit Stromschlägen foltern, kommt Marcus Omofuma im Flieger wirklich zu Tode.
Über diesen Fall hatte ich gemeinsam mit meiner Kollegin Nina Weissensteiner ausführlich berichtet. Wir deckten auf, dass Knebeln gängige Polizeipraxis war, die Beamten trugen Gaffa-Bänder wie Handschellen bei sich, angeblich, weil sie Angst hatten, von HIV-infizierten »Schüblingen« gebissen zu werden, wie sie zu Protokoll gaben. Den höheren Beamten und den Sektionschefs war das bekannt. Es gab Verurteilungen wegen dieser Verklebungspraxis. Jeder konnte die Urteile in der Rechtsdatenbank des Bundeskanzleramts nachlesen. Die Kommandozentrale im Innenministerium kümmerte das kaum. Der mittlerweile pensionierte, damals verantwortliche Sektionschef gilt nach wie vor als Respektsperson.
Ich hatte nicht nur interne Polizeiakten zugespielt bekommen und mit Anwälten und Whistleblowern gesprochen, sondern auch Zeugen aufgesucht und mit Informanten gesprochen, etwa dem mir aus Studententagen bekannten Gerichtsmediziner Reiter.
Das Landesgericht Korneuburg bestellte ihn als Gutachter, und er versuchte, die Todesursache Omofumas zu rekonstruieren. Dieser Fall zählt zu jenen, die uns beide bis heute beschäftigen. Weil er nicht nur vom sinnlosen Tod eines jungen Menschen handelt, sondern auch von Herzlosigkeit und vom Zynismus mächtiger Medien, die sich von Behörden für dirty campaigning und victim blaming einspannen lassen. Der Fall zeigt auch die Mühen der Wissenschaft, sich zwischen den Fronten der erhitzten Gesellschaft zu behaupten. Die Causa Omofuma war so etwas wie die österreichische Variante von George Floyd: 2020 war in den USA die Black-Lives-Matter-Bewegung gegründet worden, nachdem der Afroamerikaner von Polizisten ermordet worden war. Seine letzten Worte, »I can’t breathe«, gingen in die Geschichte ein. Durch Omofuma wurde in Wien die afrikanische Community aufgewühlt und traumatisiert. Sie demonstrierte gegen einen strukturellen Rassismus, der kein Ende nehmen wollte.
Statt einzulenken und um Entschuldigung zu bitten, eskalierten hierzulande die Polizeihofräte. Das sozialdemokratisch geführte Innenministerium suchte nicht den Dialog, im Gegenteil, die Anwälte der Polizisten steckten der Kronen Zeitung Details über Omofumas angebliche Verfehlungen zu, um ihn zu desavoieren. »So tobte der Schübling«, titelte das Blatt. Generalsekretär Sika sagte damals zu mir: »Wenn man ständig in die Eier gehaut wird, wehrt man sich halt.«
Wenige Tage nach dem Tod Omofumas wurde eine Razzia in einem Asylheim massenmedial vermarktet, weil man dort eine »nigerianische Drogenmafia« vermutete. Tatsächlich versteckten sich im Heim der später berühmt gewordenen Erzieherin Ute Bock auch Dealer. Und tatsächlich fanden die Ermittler haufenweise Säckchen mit Kokain. Die Polizei setzte aber auch Unschuldige fest, etwa Charles Ofoedu, einen nigerianischen Schriftsteller, der gegen Polizeiübergriffe demonstriert hatte. Unter fadenscheinigen Vorwürfen wurde er den Medien als Mafiaboss vorgeführt; der Anthropologe Johann Szilvássy vermaß in der Folge dutzende junge Nigerianer, um zu klären, ob sie dem milden Jugendstrafrecht unterliegen. Durch Beurteilung der »Schamhaarstufe« erklärte er sie für erwachsen, entsprechend der Tradition der Schädel- und Körpervermesser. Anonyme Zeugen brachten die »Bimbos«, wie die Polizei die Beschuldigten sogar vor Gericht nannte, jahrelang ins Gefängnis.
Ich erlebte, wie wenig vonnöten ist, dass unsere Gesellschaft verroht, wie arglos wir Behörden und anderen sogenannten Autoritäten vertrauen. Omofuma wurde zur Chiffre, zum Symbol. Die Zivilgesellschaft, Linke, Liberale, kirchennahe Bürgerliche, beklagte den Niedergang humanitärer Asylpolitik, die es geschehen ließ, dass Fremdenpolizisten wie Schlägertrupps agieren. Rechte Rabauken wiederum stärkten der Polizei den Rücken, denn von »wildgewordenen Nigerianern« dürfe man sich keinen Aufenthaltstitel abpressen lassen.
Es war eine Zeitenwende: Wenige Monate nach Omofumas Tod bildete Jörg Haiders FPÖ — begleitet von Sanktionen der Europäischen Union — eine Regierung mit der ÖVP. Haider nutzte die Verunsicherung weiter Teile der Bevölkerung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und in der Folge der Zerfallskriege auf dem Balkan. Sein Redenschreiber Herbert Kickl, heute FPÖ-Chef, plakatierte »Machtlos gegen 1000 Nigerianer«. Am Stephansplatz, im Zentrum von Wien, hörte ich Haider im Oktober 1999 zu, wie er sein Publikum aufhetzte: »Omofuma, dieser, äh, Dealer«, log er, und die Masse johlte.
Vor einer solchen Kulisse hatte nun Christian Reiter die Todesursache des »Schüblings« zu klären. So nannte der Wiener Polizeichef den Toten. Eine Ursache, die für die mündige Öffentlichkeit schon bald feststand: Ersticken. Aber erstickte Omofuma wirklich? Oder war der Fall komplizierter? Und was würde das für das Strafverfahren und die persönliche Schuld der drei Angeklagten bedeuten?
Reiter sagt mir heute, 25 Jahre später, dass ihn dieser Fall traumatisiert hat. Er überlegt lange, ob er darüber noch einmal öffentlich reden will.
Weil er als Wissenschaftler zwischen die Fronten der Weltanschauungen geraten ist. Weil seine Arbeit, wie er sagt, »verzerrt dargestellt und Teile seiner Aussagen instrumentalisiert worden« seien. Weil man bis heute nicht verstanden hat, dass sein einst von vielen Kollegen massiv angegriffenes Gutachten zu einer viel härteren Strafe hätte führen können. »Wie ein Gehilfe der Polizei stand ich damals da«, sagt Reiter, »eine Sache, die mich bis heute bedrückt.«
Journalisten, auch ich, wollten Gewissheit, als wissenschaftlicher Gutachter musste er auch die Zweifel vortragen, die er hegte. Als die Beamten nach einem Strafverfahren zu lächerlichen acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden waren, schrieb ich in meiner Reportage, dass Reiter durch einen Wiener Neuropathologen und einen deutschen Gerichtsmediziner »an die Wand gespielt worden war«. Er, der niemals Sympathien mit rassistischen oder brutalen Polizisten hegte, stand als eine Art Komplize der Exekutive da, weil er den Fall anders beurteilte als seine Kollegen.
Er sah den Fall tatsächlich anders, und er nahm mir meine Worte damals sehr übel. Reiter sagt, er hätte ein strengeres Urteil für geboten erachtet. Das hätte man aus seinem Gutachten herauslesen müssen, anstatt sich vor den Karren der Anwälte spannen zu lassen.
Reiter sezierte den Leichnam, der aus Bulgarien kam und dort bereits zu verwesen begonnen hatte. Er stellte fest, dass in Bulgarien wichtige Beweissicherungen unterblieben seien, etwa die »Vergleichsanalyse der Blutgase zwischen linker und rechter Herzkammer«, die für die Diagnose eines Erstickungstodes wichtig gewesen wäre. Er untersuchte Schädel, Herz, Lungen und Gehirn und kam zu dem überraschenden Ergebnis: Ein Erstickungstod war nicht mehr zu beweisen, jedoch ein Sauerstoffmangel des Gehirns. Die Todesursache sei ein Herzversagen infolge einer vorbestehenden Herzmuskelentzündung in Kombination mit der massiven Anstrengung und Aufregung durch die Abschiebung gewesen.
Das empörte den Anwalt der Hinterbliebenen. Aber es freute die Anwälte der Polizisten, darunter ein ehemaliger freiheitlicher Justizminister. Sie vermarkteten Reiters Gutachten als Beleg dafür, dass die Beamten am Tode des Afrikaners unbeteiligt seien, dass man sie freisprechen müsse.
Genau das forderte Christian Reiter nicht. Ja, die Verklebung des Mundes sei nicht kausal für den Tod gewesen, war Reiter überzeugt. »Wir wissen aus einer Vielzahl von Fällen, etwa bei Home-Invasions, gewaltsamen Einbrüchen mit Knebelung der Opfer, dass Verklebungen des Mundes zwar zu einer Atemnot und daher auch zu einer Sauerstoffunterversorgung führen, aber dass die Leute dann durch den Sauerstoffmangel wegdämmern und einschlafen, bewusstlos werden. Dann fällt aber der Stress weg. Sie sind nicht mehr aufgeregt, und die Atmung stabilisiert sich wieder. Die Leute kommen wieder zu sich. Nur ganz selten sterben Menschen ohne Vorerkrankungen am Mundverkleben.«
Reiter untersuchte deshalb den Schädel von Omofuma und stellte fest, »dass seine oberen Atemwege gut durchgängig waren«. Er ließ sich damals sogar von jenem Moulageur, der Angelo Solimans Büste nachbildete, den Kopf Omofumas nachmodellieren. Nicht aus Gips, sondern aus Silikon. Er wollte dem Gericht genau vorführen, in welcher Weise der Mund verklebt worden war. Die Nase, sagt Reiter, war vollkommen frei.
Und er glaubte, eine andere Todesursache entdeckt zu haben: Während seiner Schubhaft litt Omofuma an einem grippalen Infekt, er hatte hohes Fieber. Die Grippe konnte er in der Gefängniszelle offenbar nicht optimal auskurieren, sein Herzmuskel wies an einigen Stellen Entzündungsherde auf. Solche Infektionen wiederum können die Herzelektrik schädigen und daher unter Stress zu einem plötzlichen Herztod führen. Man kennt das von jungen Männern, die während eines Fußballspiels plötzlich tot auf dem Spielfeld zusammenbrechen.
Omofuma, so lautete Reiters Befund, sei daher »im Zweifel« an einem Herzversagen gestorben. Die Polizisten konnten von dieser Vorerkrankung nichts wissen und das damit verbundene Risiko nicht kennen. Deshalb, so seine zweite Erkenntnis, seien sie für den Tod nicht verantwortlich zu machen. »Die Modalitäten der gegenständlichen Abschiebung (Aufregung, Traumatisierung, Verklebung und Fesselung)« seien aber »entscheidende Faktoren für das Ableben des Marcus Omofuma« gewesen.
Also Freispruch? Die Kronen Zeitung jubelte, Reiter, so schreiben die Medien, habe die Polizisten massiv entlastet. Das war nicht die Wahrheit. Reiter schrieb nämlich auch, dass das Verkleben des Mundes und die Modalitäten der Abschiebung »zweifellos einen qualvollen Zustand« dargestellt hätten. Er war — anders als das Gericht — der festen Überzeugung, dass die Beamten einen qualvollen Zustand des ihnen Anvertrauten billigend in Kauf genommen und diese Qualen den Tod zumindest mitverursacht hatten. Sie konnten zwar nicht wissen, dass Omofumas Herz schwach war. Sie wussten aber, dass er fürchterliche Qualen litt und während dieser Qualen starb. Mit anderen Worten: Er plädierte für die Verurteilung wegen »vorsätzlichen Quälens eines Gefangenen mit Todesfolge«, Strafrahmen bis zu zehn Jahren. Und nicht für »fahrlässige Tötung« unter besonders gefährlichen Verhältnissen, die mit nur drei Jahren zu bestrafen wäre.
Der Richter folgte allerdings zwei anderen Gutachtern, die ein Ersticken attestierten. Für die Öffentlichkeit wirkte das plausibler. »Einer von uns beiden bleibt über«, sagte der Richter zu Reiter, »und ich bin der vorsitzende Richter.«
Die Beamten wurden vom Vorwurf des vorsätzlichen Quälens eines Gefangenen mit Todesfolge freigesprochen, das Ersticken nur als Fahrlässigkeitstat angelastet. Dass sie ihn wie eine Mumie verklebten, mit Klebebändern am Sitz festzurrten, den Mund verschlossen, ja sogar den Kiefer am Schädel fixierten, das sei »kein Hinweis darauf, dass sie es ernsthaft für möglich hielten und sich damit abfanden, Omofuma zu quälen«, sprach der Richter. Und weil die Polizisten »nur Milderungsgründe« aufzuweisen hatten, bekamen sie acht Monate auf Bewährung. Der Fall Omofuma wurde im Grunde wie ein Verkehrsunfall mit Todesfolge sanktioniert.
An die Öffentlichkeit werde ein verheerendes Signal ausgesendet, schrieb ich damals: »Auch wenn ein renitenter Häftling von der Polizei wie ein Paket verschnürt wird, auch wenn er eine halbe Stunde mit zerstörtem, weil mit zu wenig Sauerstoff versorgtem Hirn neben den Beamten sitzt, auch wenn er zuvor um Hilfe röchelt und sein Hals so blau angeschwollen ist, dass sich Passagiere ernsthafte Sorgen um sein Leben machen, dann können die Polizisten weiter Dienst versehen, denn dann haben sie nur fahrlässig gehandelt.«
Die Richter sahen bei den Beamten »keinen Umstand als erschwerend an«. Nur Milderungsgründe fanden sie: Die Beamten seien unbescholten, warten schon drei lange Jahre auf ihr Urteil und »sind nicht allein schuldig«. Auch die Vorgesetzten, die Sektionschefs, die vom Verkleben wissen hätten müssen, hätten Verantwortung zu tragen. Doch »seltsamerweise« wurden sie nicht angeklagt, sagte der Richter. Die Justiz schob — so wie die Beamten — die Verantwortung nach oben, sanktionierte diese aber nicht.
Das Urteil, sagt Reiter, »quält und beschäftigt mich bis heute und ließ mich auch an der Justiz zweifeln, der ich immer mit Vertrauen und Begeisterung gedient habe«. Marcus Omofumas Hinterbliebene, so teilte mir deren damaliger Anwalt einmal mit, hätten im Grunde von der Republik Österreich keine Entschädigung bekommen. Seine Tochter lebe unter prekären Umständen in Deutschland.