Es ist etwas Besonderes passiert während der Recherche zu diesem Buch. Ich habe den Ekel vor Leichen verloren, die Angst vor dem Tod. Ich sehe Maden mit neugierigem Staunen, ich erschlage keine Fliegen mehr, und es graut mir nicht beim Anblick von verwesenden Lebewesen, egal, ob es sich dabei um Menschen oder Tiere handelt. Ganz im Gegenteil: Sie faszinieren mich.
Die vielen Gespräche und Begegnungen mit Christian Reiter für dieses Buch haben mich gelehrt, dass der Tod ein Teil des Lebens ist, dass die Verwesung ein natürlicher Vorgang, ein Mechanismus der Natur ist. Wir wenden uns wohl nur deshalb mit Graus von ihm ab, weil er unsere Endlichkeit demonstriert. In ihrem wunderbaren Essay »All that Remains« beschreibt die Gerichtsmedizinerin Sue Black den Tod als Frau, die uns eines Tages sehr nahekommen wird, existenziell nahe. Sie wird uns, wie eine Fee, zu Staub verwandeln, so wie es schon in der Bibel geschrieben steht.
Wir nähern uns dem Tod mit Trauer und Wut, manchmal mit schwarzem Humor und Sarkasmus. Wir tabuisieren und verdrängen ihn. Wir verarbeiten ihn in der Kunst. Aber viel zu selten begegnen wir ihm mit Neugierde und offenen Sinnen. Christian Reiter wollte als Kind wissen, wie die Leichen in den Gräbern aussehen, er stieg später hinab in die Grüfte, um zu sehen, wie es uns ergeht, wenn wir nicht mehr sind. Oder glauben, nicht mehr zu sein.
Die Gespräche mit dem Wissenschaftler Reiter zeigten mir nicht nur, wie Menschen der unterschiedlichen Epochen mit Toten verfuhren, wie sie Menschen ausstopften, mumifizierten, ihnen die Haare ausrupften, sie zerhackten, in Grüften verwahrten oder verbrennen ließen. Reiter legte mir auch dar, wie wichtig Empirie, akribische Forschung und wissenschaftliche Expertise bei der Suche nach den Ursachen des gewaltsamen Todes oder der Schuld von Tätern sind.
Wer schuldig ist oder nicht, das entscheidet zwar ein Gericht. Aber die Gerichtsmedizin hilft den Richtern dabei, ihre Entscheidungen zu treffen. Sie muss dabei standhaft und unabhängig sein, auch gegenüber der Politik oder den Zurufen der Straße. Dass der Gerichtsmedizin in Wien der Untergang droht, ist ein Missstand, den mir Reiter während der Recherchen wiederholt vor Augen führte. Sein Befund müsste — auch eingedenk der Kulturgeschichte der Gerichtsmedizin — die Politik alarmieren. Dieses Buch versteht sich daher auch als Weckruf für Entscheidungsträger, eine wissenschaftliche Disziplin in Zeiten von Fake News und Wissenschaftsfeindlichkeit nicht aussterben zu lassen.
Dieses Buch wäre ohne die Neugierde, das Wissen, die Erfahrung und die Erzählkunst des Physikus Reiter nie möglich gewesen. Dem »Professor«, mit dem während des Schreibens eine Freundschaft entstanden ist, gebührt daher mein größter Dank. In stundenlangen Gesprächen, auch für den Falter- Podcast »Klenk + Reiter«, aber auch in ausführlichen Begegnungen bei Gericht, am Institut oder in seinem Büro (akribisch transkribiert von Vera Hochschwarzer) gab er mir nicht nur Einblicke in seinen Erfahrungsschatz, sondern auch in sein Leben und das seiner Ahnen. Reiters Wissen, verstreut in vielen seiner wissenschaftlichen Aufsätze, bildet das Gerüst dieses Buches, das seine Fälle archivieren, sie aber auch in einen größeren medizinischen, historischen und biografischen Kontext setzen soll.
Nicht nur Reiters Privatissima, auch viele spannende Bücher haben mir bei dieser Reportage geholfen. Sie alle aufzuzählen, sprengte den Rahmen. Aber Ernst Hausners faszinierende Publikationen über den Narrenturm und das Gerichtsmedizinische Museum sind hier zu nennen. Ich konnte mich dank des viel zu wenig beachteten Romans »Der Pestarzt« von Barbara Büchner schnell in die »Pestexpedition nach Bombay« einlesen. Ingrid Arias exzellente Forschung über die Geschichte der Gerichtsmedizin in der NS-Zeit bot mir wertvolle Einblicke in die Rolle der Gerichtsmediziner im Hitler-Regime, etwa Leopold Breitenecker, dem es gelang, vom NS-Mediziner zum Rektor der Universität Wien aufzusteigen. Seine Enkel haben mir wertvolle biografische Details ihres Großvaters zur Verfügung gestellt. Dem Medizinhistoriker Herwig Czech danke ich für akribische Lektüre und viele wertvolle Korrekturen und Hinweise. Den Büchern des Schriftstellers Gerhard Roth, den ich kurz vor seinem Tod bei einem Besuch persönlich kennenlernen durfte, verdanke ich literarische Einblicke ins Graue Haus, den Narrenturm und die Sensengasse, Schauplätze, die auch in diesem Buch wichtig sind. Roths Reportagen waren Leitsterne für meine eigene Arbeit. Zsolnay-Verleger Herbert Ohrlinger danke ich für die wertschätzende Betreuung beim Schreiben dieses Buches und die gewissenhafte Redigatur. Heidi Reiter danke ich für das gewissenhafte Gegenlesen des Manuskripts.
Besonders bedanken aber möchte ich mich bei meiner Familie. Meine Mutter Christiane Klenk ist — so wie Christian Reiter — Ärztin mit offenem Herzen und Neugierde. Schon als Kind sah ich ihr dabei zu, wie sie als Landärztin Menschen nicht nur behandelte, sondern ihnen zuhörte, sie beobachtete, heilte und viele Leben rettete. Bei meiner Schwester Ines-Maria, Fachärztin für Augenheilkunde, beobachtete ich, wie knochenhart ein Medizinstudium ist und wie akribisch und gewissenhaft Ärzte arbeiten müssen, vor allem als Frauen. Ich hätte diesen Beruf nie bewältigt, aber mein Interesse für das Leben der Ärzte war geweckt. Dank gebührt auch meinem Vater Rudolf Klenk, der mir das Jus-Studium nahelegte und durch seinen kritischen Blick auf die Welt meine Neugier weckte. Auch für die Welt der Naturwissenschaft, der Physik und Mathematik.
Gewidmet ist dieses Buch vor allem aber meiner eigenen Familie, die mich an vielen Abenden und Wochenenden entbehren musste. Meine Frau Vroni, eine Kriminalsoziologin, und meine Kinder Anna und Leopold durften sich jeden einzelnen Fall immer wieder und wieder anhören, wieder und wieder. Sie teilen damit das Glück und Schicksal von Christian Reiters Familie.
Dem Falter-Verlag, insbesondere Siegmar Schlager und Miriam Hübl, danke ich dafür, dass sie den Falter-Podcast »Klenk + Reiter« ermöglichten bzw. betreuten, der auch für dieses Buch eine wertvolle Quelle war.
Dem Team des Zsolnay Verlags danke ich für die monatelange Betreuung dieses Buches. Christopher Mavrič hat wunderbare Fotos zu diesem Projekt beigesteuert.
Meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich, dass sie, wie Reiter, immer neugierig, mit scharfem Blick und offenem Herzen die Welt entdecken. Und zu dieser unserer Welt gehört eben auch der plötzliche und unerwartete Tod, manchmal auch der gewaltsame. Der eigene Tod aber geht uns, wie Epikur so schön formulierte, zum Glück nichts an. Zumindest ist das meine Hoffnung.