Connor
Er wurde von Valens zuckenden Bewegungen geweckt. Sein Arm streifte Connors Schulter. Sofort beugte Connor sich über ihn, legte ihm die Hand auf die Brust und zeichnete mit dem Finger kleine Kreise auf dem Stoff seines Shirts.
»Shh«, sagte er leise. »Du bist sicher, Val. Ich bin hier.« Er wiederholte die immer gleichen Worte ein halbes Dutzend Mal, bis Valen aufwachte.
Seine Brust hob und senkte sich hastig und jetzt bewegte er sich gar nicht mehr.
»Alles okay?«, fragte Connor und hörte gleichzeitig nicht damit auf, Valen zu streicheln.
»Tut mir leid«, sagte Valen. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und holte tief Luft. »Ich wollte dich nicht wecken.«
»Ich weiß«, erwiderte Connor. »Ich weiß.« Er rutschte etwas näher zu Valen, der noch immer voll bekleidet war. Vorsichtig bettete er den Kopf auf Valens breiter Brust und wartete. Er vertraute darauf, dass Valen ihm sagen würde, wenn ihm die Nähe zwischen ihnen unangenehm wäre.
»Geht es dir gut?«, fragte Valen in die entstandene Stille hinein. Leise Regentropfen klopften auf das Dach des Trailers. Wenn es noch mehr regnete, müsste er morgen vielleicht nicht arbeiten. Patrick würde es ihm mitteilen.
»Sehr gut«, erwiderte Connor. Leise Geborgenheit umschloss ihn wie ein Kokon, gesponnen aus Valens Körperwärme, seinem Geruch und seiner Feinsinnigkeit.
»Das vorhin … als wir miteinander geschlafen haben … du hast geweint«, sagte Valen zögernd. »Du musst nicht darüber sprechen, ich wollte nur sagen, dass ich für dich da bin. So, wie du für mich da bist.«
Connor holte Luft und ließ sie nur langsam wieder aus seinem Körper entweichen. Eine Entspannungstechnik, die ihm jemand aus dem Kriseninterventionsteam beigebracht hatte, als seine Welt vollkommen aus den Angeln gehoben worden war.
»Du warst der erste Mann, mit dem ich geschlafen habe, seit … seit mein Ehemann sich umgebracht hat.« Connor presste die Lippen aufeinander. Er konnte die Male, an denen er diese Tatsache laut ausgesprochen hatte, an einer Hand abzählen.
Meist sagte er Dinge wie seit Gregorys Tod oder seit Gregory nicht mehr da ist. Aber sein Ehemann war nicht einfach nur weggegangen, hatte ihn zurückgelassen und führte jetzt woanders ein neues Leben. Nein. Er hatte sich umgebracht.
»Oh, verdammt, Connor …« Valen umfasste seine Hand und hielt sie fest, sodass er ihn nicht weiter streicheln konnte.
»Er hat sich erschossen. Wusstest du, dass die meisten weiblichen Suizidopfer sogenannte weiche Tötungsmethoden wählen? Sie greifen zu Medikamenten. Männer erschießen sich. Oder sie erhängen sich.«
Valen sagte nichts.
»Wie hättest du es gemacht?«, fragte Connor schließlich.
»Mich umgebracht?«
Die Tatsache, dass Valen sofort wusste, wovon er sprach, sprach Bände.
»Ja«, sagte Connor. »Damals, als ich dich vor dem Feuer gewarnt habe, da wäre es dir gleichgültig gewesen, wenn du gestorben wärst, oder?«
Valen räusperte sich. »Willst du wirklich über so etwas sprechen?«
»Ich will es verstehen.«
»Ich hätte mich nicht umgebracht«, sagte Valen. »Ich lebe seit vier Jahren hier oben, das sind mehr als tausend Tage, an denen ich meinem Leben ein Ende hätte setzen können. Aber offenbar … hänge ich wohl noch immer daran. Oder ich bin zu feige. Vermutlich beides ein bisschen.«
»Greg hatte schon lange mit Depressionen zu kämpfen. An dem Tag, an dem er sich das Leben genommen hat, war er gerade drei Wochen zurück aus der Klinik. Es ging ihm gut, verstehst du? Er besuchte die Termine bei seinem Psychologen, er nahm seine Medikamente, er lachte . Es ging ihm gut. Und dann hat er sich umgebracht. Einfach so. Ich kam nach Hause und da lag er.« Connor holte tief Luft. »Überall war Blut und sein Gehirn und … von seinem Kopf war kaum noch etwas übrig. Ich … ich habe geschrien. Ich weiß nicht, wie lange ich einfach nur geschrien habe. Irgendwann kam der Krankenwagen und die Polizei und ich habe weiter geschrien.« Connor schluckte schwer. »Tut mir leid. Ich glaube, das ist nicht unbedingt das beste Gesprächsthema, nachdem man gerade Sex miteinander hatte.«
Connor wollte sich aufrichten, Valen seinen Freiraum geben, doch Valen umfasste seine Schultern und drückte ihn an sich. »Bleib«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich hab dich.« Er wiederholte Connors Worte und brach damit seinen Widerstand. Connor ließ sich wieder zurück an Valens Brust sinken und strich mit der Nase über den Stoff seines Shirts. »Ich verstehe es bis heute nicht. Es gab keinen Brief oder sonst etwas. Wir hatten kurz zuvor noch Nachrichten miteinander geschrieben, weil ich mich verspätet hatte. Es gab keinen Hinweis, keine Warnung. Er ist einfach gegangen. Als ob … ich nicht wichtig gewesen wäre.«
»Connor …«
Connor begann wieder damit, Valens Brust zu streicheln. »Am Anfang war ich geschockt. Ich konnte es nicht fassen, dass Gregory nicht länger Teil meines Lebens war. Ich hatte mit der Beerdigung zu tun, dem Papierkram. Dann war ich leer. Kennst du das? Du bist innerlich so leer, du hast das Gefühl, du hast nicht mal mehr die Kraft zu atmen. Jeder Atemzug ist anstrengend, jedes Wort zu sprechen, ist so unfassbar schwer.
Und dann wurde ich wütend. Gott, ich bin noch immer so wütend auf ihn, dass er mich alleingelassen hat, dass er einfach so gegangen ist, dass er mir nicht mal die Gelegenheit gegeben hat, ihm zu helfen. Aber weißt du, auf wen ich am meisten wütend bin?«
»Auf wen?«
»Auf mich. Darauf, dass ich so ein ichbezogener, schlechter Ehemann war. Darauf, dass ich dachte, dass alles in Ordnung war, nur weil er gelächelt hat. Weil er über meine dummen Witze gelacht hat, weil er sich mit mir eine Komödie im Kino angesehen hat. Hätte ich nur besser aufgepasst, hätte ich hinter Gregs Fassade gesehen. Habe ich ihn überfordert? Habe ich seine Depressionen verstärkt? Ich hasse mich. Ich war ein blinder, egoistischer Optimist und ich habe die Krankheit gnadenlos unterschätzt.«
»Du warst Greg mit Sicherheit ein guter Ehemann, Connor. Ich kenne mich nicht damit aus, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Greg seine Entscheidung leichtfertig getroffen hat. Und ganz sicher wollte er dich nicht damit verletzen.«
Connor krallte die Finger in Valens Shirt. »Ja. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Tut mir leid, dass ich das alles bei dir abgeladen habe.«
»Ich habe vor einer Weile gehört, dass wir Freunde sind. Inzwischen sind wir miteinander ins Bett gegangen, und das gehört irgendwie nicht zu einer Freundschaft. Aber einander zuzuhören, das machen Freunde, oder?«
Connor lächelte. »Ja. Irgendwie schon.«
»Irgendwie schon.«

* * *
Als Connor am nächsten Morgen erwachte, war Valen weg. Die leere Hälfte seines Bettes war bereits kühl. Connor hatte nicht gehört, wie er gegangen war, und irgendwie fühlte es sich komisch an. Nach einer verpassten Gelegenheit. Nach unausgesprochenen Worten, nach einem fehlenden Abschluss.
Während er sich Kaffee aufkochte, starrte er aus dem Fenster seines Trailers. Es regnete noch immer, was bedeutete, dass er den Tag heute nicht im Turm verbringen würde.
Connor ging trotzdem nach oben, machte einen Logbucheintrag, ordnete seine Unterlagen für Patrick, dann ging er wieder nach unten. Er feuerte den Ofen an und las eine Weile in seinem aktuellen Buch, aber irgendwann konnte er sich nicht mehr konzentrieren. Seine Gedanken wanderten bereits den ganzen Morgen, waren zurückgekehrt in sein Haus in Seattle, in dem er mit Greg gelebt hatte.
Es war gefährlich, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, denn es gab Spiralen, aus denen es ihm schwerfiel, zu entkommen.
Entschlossen, die Gedanken an Greg im Zaum zu halten, erhob er sich, schlüpfte in seine Regenjacke und verließ den Trailer. Der Weg zu Valens Hütte war ihm mit jedem Mal, den er ihn ging, vertrauter.
Aus dem Kamin kam Rauch heraus, ansonsten war alles still. Von den Hunden war keine Spur zu sehen, weshalb Connor vermutete, dass sie drinnen bei Valen waren.
Er klopfte an das verwitterte Holz der Tür und wartete mit pochendem Herzen. Als Valen sie öffnete und vor ihm stand, da explodierte es. Sein verdammtes Herz explodierte und Connor wusste, dass Valen nicht nur Sex war. Er war keine Ablenkung, er war keine Unterhaltung, weil er Greg vergessen wollte. Er war Valen, ein verletzter, gebrochener Mann und er berührte sein Herz.
»Hey«, sagte Connor. Sein Herz stolperte, als Valen ihn anlächelte und dann zur Seite trat, um ihm den Weg freizumachen.
Connor betrat seine Hütte. Die Hunde lagen in der Nähe des Feuers, blieben zum Glück aber liegen.
»Heute hast du frei«, sagte Valen. Es war keine Frage, eher eine Feststellung.
»Ja. Es regnet.«
»Das habe ich bemerkt.«
Wie machte er das? Valens Blick war warm und sanft, als er über ihn glitt. Er war eine Umarmung und gleichzeitig ein Streicheln.
»Ich kann auch wieder gehen, ich will dich nicht stören.«
»Warum bist du denn hierhergekommen?«
»Ich … ich denke zu viel nach.«
Valen nickte. »Über Greg?«
»Ja. Auch. Über Greg, über dich, über uns … und dann habe ich mich gefragt, was du machst.«
»Ich …« Valen räusperte sich, dann sah er in den hinteren Teil der Hütte. Erst jetzt fiel Connor die Staffelei auf, auf der sich eine Leinwand befand.
»Du malst?«
»Äh … ja.«
»Wieder ein Versuch?«
»So ähnlich. Es ist noch nicht fertig«, fügte Valen schnell hinzu.
»Ist mir egal.« Neugierig trat Connor näher, ging um die Leinwand herum, dann betrachtete er das Bild. Für sein Auge sah das Gemälde schon ziemlich fertig aus. Den Hintergrund bildeten wilde Pinselstriche in Gelb, Orange und Rot, die willkürlich aussahen, sich in ihrer Erscheinung jedoch irgendwie ergänzten. Connor wusste nicht, wie Valen diesen Effekt erzeugt hatte, aber jeder Pinselstrich wirkte, als gehörte er genau dorthin.
Eine Spur aus sanftem Grau schlängelte sich über das Bild und Connor brauchte einen Augenblick, bis er erkannte, was die Spur darstellte. Einen Männerkörper, der sich auf dem Hintergrund räkelte.
»Wow. Das ist … sexy.«
Connor drehte sich zu Valen um und sah ihm ins Gesicht. Er konnte dabei zusehen, wie sich seine Wangen hinter dem Bart röteten.
»Äh … ja. Das warst du gestern auch.«
Connor grinste. »Versuchst du, mich gerade ins Bett zu kriegen?«
»Was? Nein!«, sagte Valen schnell. »So war es nicht gemeint. Eigentlich habe ich nicht erwartet, dass du das Bild jemals zu Gesicht bekommen würdest.«
»Ich bin froh, dass du es mir gezeigt hast. Und was die Sache mit dem Sex angeht …«
»Wir sind Freunde«, unterbrach Valen ihn.
Connor legte den Kopf schief. »Val …«
»Wir haben doch beschlossen, dass wir Freunde sind. Eigentlich hätten wir gar nicht im Bett landen sollen.«
»Nicht?«
Valen entfernte sich ein paar Schritte von ihm. Er wandte sich um und legte ein Holzscheit in den Ofen, dann drehte er sich wieder zu ihm um. »Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Was erwartest du jetzt von mir?«
»Ich erwarte gar nichts.«
Valen blinzelte. »Gar nichts?«
»Absolut gar nichts. Ich … es war schön gestern Abend. Oder?«
Valen nickte langsam.
»Ich hätte mir keinen besseren Partner für einen Neustart wünschen können.«
»Du hattest einen Neustart?«
Connor nickte. »Ja. Komplett neu. Ich kann nicht mehr zurück. Ich habe mich nicht getrennt. Greg hat mich zurückgelassen und gestern … bin ich weitergegangen. Mit einem anderen Mann. Mit dir. Und es hat mir sehr gefallen.« Er machte einen vorsichtigen Schritt auf Valen zu, der zum Glück nicht zurückwich. Er blieb stehen und dann standen sie voreinander.
»Ich bin … ich werde nicht … ich kann …«
Connor legte Valen die Hand an die Wange. »Du bist genau richtig, wie du bist. Du bist okay. Ich mag dich. Und ich bin nicht hier, um dich mit Erwartungen und Plänen zu bombardieren. Ich … hatte frei. Und es regnet und deine Hütte ist gemütlich und warm und ich habe gehofft, dass ich hier eine Weile mit dir abhängen kann.«
»Abhängen«, sagte Valen nachdenklich. Er sah über Connors Kopf hinweg auf einen Punkt hinter ihm, ehe er ihn wieder ansah. »Hättest du gern eine heiße Schokolade?«
Connor schnalzte mit der Zunge. »Siehst du? Das ist einer der Gründe, warum ich dich so gern mag. Wenn ich mit dir zusammen bin, ist immer dafür gesorgt, dass ich leckere Sachen bekomme. Eine heiße Schokolade klingt wunderbar.«
Es war wirklich ganz zauberhaft, wie Valens Wangen sich schon wieder röteten. Connor konnte auch nur einen kurzen Blick darauf werfen, denn dann wandte Valen sich schon ab und trat an die Anrichte, wo er schweigend Milch erwärmte und aus einer Schublade eine Tafel Schokolade herausholte.
Connor setzte sich auf einen bequem aussehenden Sessel, der seltsam winzig wirkte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Valen allzu oft darin saß. Die Hunde lagen am Feuer und schliefen, draußen lief der Regen in dünnen Rinnsalen an der Scheibe hinunter. Valens leises Hantieren war ein angenehmes Hintergrundgeräusch. In der Hütte roch es nach Kräutern und Heu. Connor mochte alles daran. Es war, als wäre er in einen gemütlichen, fluffig weichen Kokon gefallen, den Valen in liebevoller Handarbeit für ihn gesponnen hatte.
Er war ein sanfter Riese und Connors Herz blutete bei dem Gedanken, was er in seiner Vergangenheit erlebt hatte und was er noch immer erdulden musste.
»Eine heiße Schokolade«, sagte Valen und stellte eine Tasse vor Connor ab.
Connor legte den Kopf schief. »Und du?«
Valen legte die Hand an seinen Bauch und umfasste ein Stück Haut. »Ein anderes Mal.«
Connor verdrehte die Augen, ließ sich den Genuss jedoch nicht verderben. Natürlich schmeckte das Getränk vorzüglich. Es war nicht nur Milch mit Schokolade. Connor kam es vor, als könnte er Valens Zuneigung darin schmecken. Eine feine, sehr persönliche Note. Und das mochte er unglaublich gern.
»Kann ich dich etwas fragen?«, fragte Valen nach einer Weile. Er hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und streichelte geistesabwesend den Kopf von einem der Hunde, der zu ihm gekommen war und das Kinn auf seinem Bein abgelegt hatte.
»Sicher.«
»Du warst gestern wütend auf mich und ich weiß nicht warum.«
Connor presste die Lippen aufeinander und starrte in seine Tasse, erinnerte sich an die Aussagen der anderen Männer und an Patricks Anmachversuch.
»Es war einfach nur ein … blöder Abend.«
»Du warst in Addison.«
Connor sah auf und begegnete Valens Blick. »Du warst auch dort. Sonst bist du immer nur freitags in der Stadt.«
»Ich hatte etwas zu tun. Dabei habe ich zufällig Patrick und dich beobachtet und …« Valen bedeckte das Gesicht mit den Händen und rieb darüber. »Fuck.«
»Hey …«
»Ihr habt ziemlich vertraut miteinander ausgesehen und dann hast du aber mit mir geschlafen und … ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll.«
»Ich …«
»Bitte denk nicht, dass ich irgendwelche Ansprüche an dich stelle, denn das tue ich nicht. Ich versuche nur … zu verstehen.«
»Und was, wenn ich es mögen würde, wenn du Ansprüche stellen würdest?«
Valen schnalzte mit der Zunge. »Das passt irgendwie nicht zu mir. Sieh dich um. Ich bin weit entfernt von irgendwelchen Ansprüchen.«
»Vielleicht solltest du das ändern«, erwiderte Connor. »Vielleicht ist es Zeit für dich, ein paar Ansprüche zu stellen. Du hast nämlich ein Recht darauf, weißt du?«
Valen sagte nichts darauf und irgendwie hatte Connor das auch nicht erwartet.
»Wir sind kein Paar, wenn es das ist, was du denkst. Ich habe keine Gefühle für Patrick.«
»Aber er für dich, oder?«
Connor schwieg, denn es stand ihm nicht zu, etwas darüber zu sagen.
»Er will dich beschützen. Vor mir. Aber mich hast du in dein Bett geholt.«
Connor zuckte mit den Schultern. »Ich habe Entscheidungen getroffen, mit denen Patrick nichts zu tun hat. Nur du und ich.«
»Du denkst also wirklich, dass ich mich rasieren sollte?«
Connor brauchte einen Moment, bis er den Themenwechsel verstand, dann seufzte er. »Gestern habe ich offensichtlich eine Menge Dinge gesagt, die ich nicht mehr weiß. Du solltest nicht so viel darauf geben. Ich war wütend und frustriert und du warst gerade da. Es tut mir leid, Val.«
»Vielleicht hätten wir früher darüber nachdenken sollen.«
Connor legte den Kopf schief. »Und worüber?«
»Darüber, was wir miteinander tun. Es ist … es war einfach nicht die beste Idee.«
»Du meinst den Sex?«
Valen nickte bedächtig und wich gleichzeitig seinem Blick aus. »Ja. Und heiße Schokolade. Gespräche am Kaminfeuer. Flirten. Ich … hast du alles vergessen, was ich dir über mich erzählt habe?«
»Wovon sprichst du?«
»Gott, Connor, ich war im Knast, okay? Ich bin kein Typ für dich, werde ich nie sein. Du hast Val, den Arzt, verdient und nicht Valen, den Einsiedler.«
»Wer sagt das?«
»Ich, Herrgott!«, rief Valen und schlug mit der Faust auf den Tisch. Beide Hunde sprangen auf und sahen alarmbereit in Valens Richtung. »Ich sage das! Und ich sage dir auch, dass du gehen solltest, weil du mit mir nie das bekommen wirst, wonach du suchst.«
»Und was ist das deiner Meinung nach?«
Valen lachte verbittert auf. »Du verdienst einen Mann, der auf dich achtgibt, der dich vergessen lässt, dass du immer stark sein musst und dass schwach sein in Ordnung ist. Du verdienst jemanden, der dich jeden Tag bekocht, weil bei dir Liebe durch den Magen geht. Du verdienst einen Mann, der oft lacht und genauso gern liest wie du. Ich bin das alles nicht. Ich wache nachts schreiend auf, ich träume von Feuer und Tod, ich verstecke mich in meiner Hütte und ich lache sehr selten. Du bist hier falsch, Connor. Und du solltest gehen.«
Connor starrte Valen an, fragte sich, ob er wirklich nicht mitbekam, was er gerade gesagt hatte. Dass er genau der Mann war, den er soeben beschrieben hatte. Er hatte sich selbst beschrieben, ohne es zu merken. Wie konnte das sein?
Connor rutschte etwas weiter vor und griff nach Valens großer, rauer Hand. »Ich glaube, du solltest nicht entscheiden, was ich brauche oder verdiene. Ich glaube, dass du mich erst noch besser kennenlernen musst. Und ich weiß , dass die vergangene Nacht kein Fehler war. Sie war gut. Richtig gut. Es war ein tolles erstes Mal.« Er sah Valen tief in die Augen. »Vielleicht musst du mich erst noch kennenlernen. Und ich dich. Aber schick mich nicht einfach weg und zieh dich wieder in dein Schneckenhaus zurück, okay? Denn das habe ich definitiv nicht verdient.«
Valens Unterlippe bebte und er richtete den Blick zu Boden.
»Gehst du mit mir aus, Val?«
Jetzt hatte er Valens ungeteilte Aufmerksamkeit. Er starrte ihn an, mit einer Ungläubigkeit im Blick, die ihm fast schon wehtat.
»Du meinst …«
»Ein Date. Ich würde gern mit dir weggehen. In ein Restaurant oder ins Kino. Irgendwohin, wo wir Spaß haben können.«
»Aber …«
Connor drückte Valens Hand. »Warst du in den letzten vier Jahren mal woanders, als immer nur hier oben oder in Addison?«
Valen schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Möchtest du? Mit mir weggehen?«
»Ich … ich weiß nicht.«
Connor lächelte, weil er spürte, dass ein ich weiß nicht das einzige Zugeständnis war, das er in diesem Moment bekommen konnte. Und auch wenn es ihm schwerfiel, gab er sich damit zufrieden. Er erhob sich und trat auf Valen zu. Der Mann war wirklich riesig. Selbst wenn er saß, war sein Kopf auf Höhe von Connors Sternum.
»Überleg es dir«, sagte Connor und strich mit der Hand durch Valens dichtes Haar. »Ich habe wirklich Lust auf ein richtiges Date. Mit dir.«
Valen sah ihn von unten her an, in seinen Augen schimmerten Unsicherheit und eine Million Fragen. Connor beugte sich zu ihm hinab und gab ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Bevor sich ihre Berührung aber intensivieren konnte, trat er einen Schritt zurück. »Ich gehe jetzt und lasse dich nachdenken. Du weißt, wo du mich findest.«
Er war schon beinahe an der Tür angelangt, als Valens Stimme ihn zurückhielt. »Connor?«
»Hmm?«
»Was, wenn ich Nein sage?«
Connor lächelte. »Dann frage ich dich wieder.«