Erinnerungen aufzuschreiben ist ein Bedürfnis alter Menschen, ein natürliches Bedürfnis, das von Historikern normalerweise geschätzt wird. Das Problem ist allerdings, dass die Vergangenheit verblasst. Was davon bleibt, sind nur Fragmente, manchmal vollkommen uninteressante, und selbst wenn diese Fragmente wertvoll oder wichtig genug sind, um sie festzuhalten, hat die Distanz bereits ihren Schatten auf sie geworfen. Wer schreibt, macht die Erfahrung, dass er oder sie aus einer völlig anderen Perspektive auf die Vergangenheit blickt und nicht in der Lage ist, ein authentisches Bild der eigenen Wahrnehmung wiederzugeben. Eine Vielzahl von Gestalten, Stimmen und Ereignissen erscheint nur als eine kaum sichtbare Spur … Kann ein Mensch den Nebel seines eigenen Vergessens durchdringen?

Dies war einer der Gründe, die meine Hand lähmten, als ich zur Feder griff. Aber es gibt nun einmal Dinge, die nicht nur bewahrenswert sind. Man sollte sie so laut hinausschreien, dass jeder die Schreie hören kann. Sie sind stets präsent und hängen uns noch immer wie ein Mühlstein um den Hals.

Es ist schwierig, nach Solschenizyns Buch über den Gulag zu schreiben. Es enthält einen solchen Reichtum an Faktenmaterial und bietet eine derart hervorragende Analyse, dass es noch lange Zeit die grundlegende Wissensquelle zu dieser merkwürdigen

Vor langer Zeit, als wir noch in den Lagern waren, haben wir uns gegenseitig versprochen, diese Zeit irgendwann mit einem Sinn für Humor als eine Welt kolossaler Absurdität zu beschreiben. Heute ist es schwieriger, diesen Humor zu bewahren, vielleicht weil ich das Ganze aus der Distanz betrachte. Ich bin nicht mehr der Akteur, sondern ein bewusster Zeuge der moralischen und physischen Verwüstung, die diese Jahre angerichtet haben. Dennoch unterläuft es mir mehr als einmal, dass sich Spott in meine Feder schleicht, weil Spott manchmal schärfer sieht und klarer zeichnet als bitterer Ernst.

Mein Buch bietet keine kompakte Gesamtkomposition. Die aus der Vergessenheit hervorgekramten Erinnerungen ließen sich nur schwer in eine thematische Ordnung bringen. Ich will ihnen keine neue, logische Struktur geben. Die Erinnerungen sollten einfach so fließen, wie sie aufgeschrieben wurden. Und das Schreiben dauerte lange! Ich habe dieses Buch vor etwa fünf Jahren begonnen. Aber ich habe die Arbeit daran mehrfach unterbrochen. Und wenn ich mich wieder daranmachte, tat ich das mit Gram. Ohne Freunde hätte ich dieses Buch wahrscheinlich nie vollendet. Wobei ich nicht weiß, ob man es überhaupt als vollendet bezeichnen kann. Ich könnte noch viel mehr schreiben, vielleicht genügt aber das, was das Buch bereits jetzt enthält?

 

Barbara Skarga, 1984