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Mein Handy läutet. Im ersten Moment bekomme ich es gar nicht mit, denn ich habe kürzlich den Klingelton geändert, damit mein Herz nicht bei jedem Läuten in der vergeblichen Hoffnung aussetzt, es könnte Nate sein. Der Anruf geht auf die Mailbox. Es läutet wieder. Eine mir unbekannte Festnetznummer. Ich liege in Amys Bett. Ich brauche einen Moment, um mich zu orientieren. Die blasse Sonne zwängt sich an dem Rechteck der Jalousie vorbei.
Ich nehme den Anruf an. »Hallo?«
»Elizabeth?«, fragt eine gut gelaunte Stimme.
»Wer ist da, bitte?«
Selbst in den besten Zeiten fällt es mir schwer, mir ins Gedächtnis zu rufen, wer wer ist und in welcher Beziehung ich zu ihm stehe. Ich brauche einen Kaffee und steige aus dem Bett, das Telefon immer noch fest in der Hand.
»Ich bin Lorraine«, fährt die Stimme fort. »Ihre neue Teammanagerin. Wir würden Sie gern zu einem Gespräch über Ihren Barbados-Flug einladen.«
»Hi, Lorraine. In der Arbeit verwende ich meinen zweiten Vornamen, Juliette. So wurde es ins System eingegeben. Ich habe das schon an alle möglichen Abteilungen weitergegeben, trotzdem tauche ich immer noch als Elizabeth auf. Könnten Sie das bitte ändern? Das ist wirklich sehr ärgerlich.« Ich habe mich in die Küche vorgearbeitet und schalte den Wasserkocher ein.
»Ich fürchte, das kann nur die Personalabteilung. Ich gebe Ihnen deren Mailadresse.«
»Nicht nötig, danke. Ich habe denen mindestens zehnmal geschrieben. Und was das Gespräch angeht, gern, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich noch mehr beizutragen habe, als ich bereits gesagt habe. Tut mir wirklich leid.«
Ich wünsche mir inständig, sie möge auflegen. Es gibt so vieles, was ich für mich klären muss. Ich muss ernsthaft überlegen und eingrenzen, wann ich Nate idealerweise anspreche. Ich muss meine Freundschaft mit Amy pflegen, ich muss meine Social-Media-Accounts auf dem neuesten Stand halten, und bald will mich auch Babs besuchen. Und zu alledem muss ich noch die Fahrstunden und die Wohnungssuche in meinen Terminplan quetschen. Meine Tage sind wirklich vollgepackt und anstrengend, inzwischen habe ich vollstes Verständnis für das Gequatsche über Work-Life-Balance, das ständig im Radio zu hören ist. Ich gieße Wasser auf das Kaffeegranulat. Ich bin kein Fan von Instantkaffee, doch Not kennt kein Gebot.
»Elizabeth? Verzeihung, ich meinte Juliette? Wir müssen drauf bestehen, dass Sie so bald wie möglich zu einem Gespräch vorbeikommen. Heute Nachmittag um vier oder morgen Vormittag um elf? Natürlich wird Ihre Arbeitszeit bezahlt, und ich bin sicher, dass sich der Weg für Sie lohnt.« Sie senkt die Stimme. »Ich will nicht zu viel am Telefon verraten, aber glauben Sie mir, Sie werden hocherfreut sein.«
Ich habe da meine Zweifel, doch je eher ich die Arbeit vom Hals habe, desto schneller kann ich mich wieder meinem eigentlichen Leben widmen.
»Ich werde um vier Uhr da sein«, höre ich mich zustimmen.
Ich nehme den Kaffee mit in Amys Zimmer und lege mich auf ihr Bett. Die Außengeräusche sind mir fremd. Der Müllwagen kommt hier an einem anderen Tag als bei mir, da kann man leicht die Orientierung verlieren. Ich fühle mich erschöpft und schließe die Augen. Es ist nicht allein der Job, es ist alles zusammen. Ich fühle mich wie eine Schauspielerin auf der Bühne, die es nicht erwarten kann, ihren Auftritt endlich hinter sich zu bringen. Immer wieder frage ich mich, ob ich nicht alles hinwerfen und weiterziehen sollte. Aber ich weiß nicht wie. Es ist immer eine ganz andere Situation, wenn dir etwas selbst widerfährt. Wie soll ich einfach vergessen? Aktion scheint der einzige Weg zu sein, der nach vorn führt. Außerdem liebe ich Nate aufrichtig. Und ist es wirklich so abwegig, was ich mir wünsche: einen Freundeskreis und einen Job, wenigstens für die nächste Zeit? Danach ein richtiges, erwachsenes, reifes Leben, das in ein komfortables Alter mündet, möglichst ohne dass ich in ein Altersheim abgeschoben werde, in dem es nach Schulkantine riecht? Das ist wirklich nicht viel verlangt.
Das bin ich mir schuldig.
Ich stehe auf, gehe unter die Dusche und ziehe mich um. Ich werde meinen Koffer in den Gepäckregalen im Crew-Center abstellen müssen, bevor ich mich in dieses mysteriöse Meeting begebe, denn hier kann ich ihn unmöglich lassen. Plötzlich blitzt ein Gedanke auf: Vielleicht soll ich auf einem Sonderflug eingesetzt werden, um den Premierminister zu einem Friedensgipfel zu bringen oder einen extrem öffentlichkeitsscheuen Prominenten auf eine abgeschiedene Insel. Meine Laune hebt sich.
Bevor ich gehe, kann ich nicht anders, ich muss den Wäschetrockenschrank aufräumen und dabei die Handtücher ordentlich gefaltet nach Farben sortieren. Das ist das Praktische an Mitbewohnern: Beide werden denken, dass die jeweils andere das getan hat, dabei sollten sie eigentlich mir danken. Ich gebe der Versuchung nach, die Wohnung zu erkunden, einfach nur, um ein besseres Gefühl für Amy zu entwickeln und zu verstehen, wie sie tickt. Sie fühlt sich so wohl in ihrer Haut, ist so selbstsicher. Ich möchte so sein wie sie und mir meine Gefühle nicht immer auf den ersten Blick ansehen lassen.
Geheimnisse lassen sich am ehesten im Schlafzimmer entdecken, und Amy ist da keine Ausnahme. Bestimmt freuen sich die Einbrecher über die Fantasielosigkeit der Normalbevölkerung. Die dritte Schrankschublade enthält eine kleine Sammlung von Sextoys, durchsichtigen Outfits und mehreren Perücken, aber es ist der Inhalt von Amys Nachttischschublade, der mich schockiert: Antidepressiva. Wer hätte das gedacht? Die Entdeckung versetzt mir einen kleinen Stich. Aber wenn ich es recht bedenke, ist es nicht normal, rund um die Uhr glücklich zu sein. Vielleicht sollte ich ein paar davon probieren? Ich drücke sechs Pillen aus dem Blister, wickele sie in ein Papiertaschentuch und versenke das Bündel in meiner Tasche.
Im Wohnzimmer lasse ich leise eine CD abspielen und dann noch eine. Einfach alles erinnert mich an Nate. Jeder Song könnte über uns und unsere Liebe geschrieben worden sein, fast als hätten die Musiker exakt den gleichen Schmerz gespürt, den ich jetzt erleiden muss. Was die Menschen doch für ein Chaos in ihrem Leben anrichten. So viel sinnlos verbrachte Zeit, voneinander getrennt, obwohl doch alles auch ganz anders sein könnte. Ich wähle ein letztes Stück aus und stimme in den Refrain ein.
Bevor ich mich zum Gehen zwinge, werfe ich zwei von Amys Pillen ein. Mit den Öffentlichen zu fahren wird mir allmählich lästig; ich fasse den Entschluss, meine Fahrstunden aufzustocken. Ich habe gelesen, dass es im Durchschnitt fünfundvierzig Stunden Theorie und zweiundzwanzig Fahrstunden braucht, um die Prüfung zu bestehen. Ich habe fest vor, wesentlich schneller zu sein.
Im Crew-Center werde ich an einer Reihe von Räumen vorbeigeleitet, die mir noch nie aufgefallen sind, und dann in den letzten geführt. Drei Menschen sitzen mir an einem Tisch gegenüber. Zwei Männer und eine Frau, das muss Lorraine sein. Sind drei gut oder schlecht? Von einem überdimensionalen Bildschirm leuchten Bilder der Nicht-Absturzstelle. Das Flugzeug sieht aus wie ein weißes Insekt mit grauen Beinen.
»Bitte setzen Sie sich.« Lorraine macht eine Pause und lächelt, während ich ihrer Aufforderung nachkomme. »Vielen Dank, dass Sie heute gekommen sind. Wir haben Sie hierhergebeten, weil wir Ihnen persönlich danken wollten. Wir haben viele lobende Botschaften von Passagieren bekommen, denen Sie während des jüngsten Vorfalls geholfen haben. Ich möchte, dass wir uns alle einen Moment Zeit nehmen, während ich ein paar der Begriffe vorlese, mit denen Sie beschrieben wurden. Ich zitiere: Ruhig. Professionell. Cool. Besonnen. Ermutigend. Tapfer. Ein Vorbild für Ihre Fluggesellschaft. Fähig. Eine Heldin.« Sie hält inne.
Alle starren mich an.
»Wow«, sage ich mit wachsendem Unbehagen.
»Darum möchten wir Ihnen nicht nur eine Auszeichnung für exzellente Leistungen im Job verleihen, sondern Sie auch zu unserer Sicherheitsbotschafterin ernennen. Der Safety Ambassador übernimmt eine brandneue, extrem wichtige Aufgabe, und kein Geringerer als Sie ist dafür vorgesehen: Sie werden in unserer Firmenfamilie eine besonders herausgehobene Position einnehmen. Das ist eine ganz erstaunliche Leistung für jemanden, der erst so kurz fliegt. Also, gut gemacht. Mit der neuen Aufgabe sind zahlreiche Vergünstigungen verbunden und …«
Ich kann ihr nicht länger zuhören. Ich will mir die Ohren zuhalten. Was für ein Desaster. Jede halbwegs brauchbare PR -Geschichte wird in der Firmenzeitung gnadenlos ausgeschlachtet. Bilder von vorbildlichen Kolleginnen mit sorgsam arrangierten Frisuren und breitem Grinsen schmücken das Cover. Scheiße. Schon greift der Mann rechts außen nach einer fetten Kamera mit langem Objektiv. Ich hebe die Hand vors Gesicht.
»Nicht so schnell! Bitte!«, werfe ich ein. »Das ist alles sehr nett, und ich fühle mich wirklich geschmeichelt, aber Ihnen ist schon allen bewusst, dass ich das Flugzeug nicht gelandet habe, oder? Liegt hier nicht vielleicht eine Verwechslung vor? Ich habe meinen Job erledigt, für den ich von unserer Firma extrem gut ausgebildet wurde. Und ich finde es wirklich unglaublich nett, dass Sie mich zur Sicherheitsbotschafterin ernennen wollen, aber ich muss Ihnen leider sagen, dass ich nicht die Frau dafür bin. Es gibt viele Kollegen und Kolleginnen, die sicherheitsbewusster sind als ich …«
Ich verstumme, weil ich mich plötzlich gelöster und abgehobener fühle als sonst. Ich frage mich, ob das was mit Amys Pillen zu tun hat.
Lorraine lächelt immer noch. »Genug, genug, Juliette. Vielleicht haben wir Sie ein wenig überrumpelt. Warum fahren Sie nicht nach Hause und überschlafen das Ganze? Ich rufe Sie dann morgen wieder an.«
Verfluchte Kacke. Alles hat sich verschworen, mir meine wertvolle Zeit und Energie zu rauben, dabei müsste ich gerade jetzt meine ganze Kraft auf wichtigere Dinge verwenden, wie beispielsweise meine Wiedervereinigung mit Nate.
Auf dem Heimweg gestatte ich mir eine kleine Tagträumerei. Es könnte funktionieren. Wenn wir wieder zusammen sind, könnte er neben mir stehen, wie bei einem Promi-Paar auf dem Cover von Hello! Ich sehe schon die Bildunterschriften vor mir: Nathan und Elizabeth in ihrem Apartment in Richmond. Nathan und Elizabeth in der First Class.
Nein, ich weiß nicht …
Mein Gefühl sagt mir, dass es noch zu früh ist, meine Tarnung auffliegen zu lassen, und Nate wird mich auf jeden Fall erkennen, wenn mein Bild überall im Briefing Center hängt, und zwar unabhängig davon, wie ich heiße oder wie ich mein Haar färbe. Er wollte Freiraum. Falls ich zu früh wieder in seinem Leben auftauche, besteht die Gefahr, dass er den sprichwörtlichen Braten riecht. Gleich morgen rufe ich Lorraine an und erfinde eine oder zwei Phobien, vielleicht Angst vor öffentlichen Auftritten, irgendwas in der Richtung. Ich weise sie darauf hin, wie tapfer Anya die Hand einer alten Dame hielt, als sie mit ihr gemeinsam auf die Notrutsche stieg. Sie werden begeistert sein.
Zu Hause feile ich weiter an meinem Aktionsplan. Ich buche ein paar zusätzliche Fahrstunden und arrangiere mehrere Wohnungsbesichtigungen.
Ehe ich mich versehe, ist es Mitternacht. Ich zwinge mich, ins Bett zu gehen. Ich brauche Energie für morgen früh, aber ich kann nicht schlafen, weil mir plötzlich einfällt, was ich zu fragen vergessen habe.
Am nächsten Morgen rufe ich Lorraine im Büro an.
»Falls ich mich einverstanden erkläre, Safety Ambassador zu werden, wann würde das dann in Kraft treten?«
»Wir planen, diese Position im August oder September einzuführen, ein genaues Datum habe ich noch nicht, aber wahrscheinlich würden Sie im Spätsommer zu einem Training eingeteilt werden.«
»Oh, in diesem Fall nehme ich Ihr Angebot liebend gerne an, vielen Dank.«
Vom Bahnhof in Bournemouth aus gehe ich geradewegs zu Bellas Fitnessclub. Ich habe einen Termin bei der Managerin gemacht, Stephanie Quentin.
Ich nenne dem Mädchen am Empfang meinen Namen und werde zu einem Sofa geführt. Während ich warte, behalte ich den Eingang genau im Blick, falls Bella hereinkommt. Unbekannte drängen durch die Drehkreuze, beladen mit Sporttaschen, Wasserflaschen oder Tennisschlägern.
»Elizabeth?«
Ich stehe auf, während Stephanie, Bellas Adjutantin, in mein Blickfeld marschiert kommt. Ihr Gang ist mir so vertraut.
»Stephanie? Das ist aber eine Überraschung! Ich hätte nie gedacht, dass du in einem Fitnessclub arbeitest. Nicht dass das irgendwie verkehrt wäre«, ergänze ich – reichlich großherzig angesichts der Beleidigungen, die sie mir damals an den Kopf geworfen hat.
Sie lächelt, doch ihre Augen verraten, dass ich einen wunden Punkt getroffen habe. Ich war wirklich überrascht, als ich mich in Bellas Welt vertiefte und Stephanies Name auftauchte, als Managerin des Fitnessclubs, in dem Bella ihren Körper in Schuss hält. Eigentlich schien Stephanies Weg vorgezeichnet, sie sollte Anwältin werden wie ihre Mutter.
»Lange Geschichte«, sagt sie. »Gehen wir in mein Büro?« Sie deutet auf einen Raum hinter der Glaswand.
Ich folge ihr und nehme vor ihrem Schreibtisch Platz. Ich entdecke mehrere Bilder eines Jungen, der etwa acht Jahre alt sein muss. Das oder besser er muss die lange Geschichte sein.
»Möchtest du vielleicht einen Tee oder Kaffee?«, fragt sie, während sie mir ein Klemmbrett mit einem Fragebogen überreicht.
»Einen Kaffee, schwarz bitte. Ich habe das Formular schon online ausgefüllt und dazugeschrieben, dass ich noch nicht weiß, welche Art von Mitgliedschaft am besten für mich wäre oder ob ich überhaupt beitrete.«
Sie zeigt eine bedauernde Miene. »Gut, aber du müsstest das hier trotzdem ausfüllen. Ich bin gleich wieder da, ich hole nur schnell deinen Kaffee.«
Stephanie verschwindet.
Ich atme ein. Und aus.
Weil mir bewusst ist, dass ich durch die Scheibe zu sehen bin, blicke ich mich möglichst unauffällig um, entdecke aber ansonsten nichts von Interesse. Keine Fotos von alten Schulfreundinnen – was auch wenig wahrscheinlich wäre –, aber falls es welche gäbe, wären mit Sicherheit sie, Bella, Lucy und Gemma darauf.
Das Quartett.
Bella durfte immer zwei Freundinnen mit zum jährlichen Familien-Winterurlaub bei ihrer Tante in Whistler mitnehmen. Stephanie war jedes Mal dabei, Lucy und Gemma mussten sich abwechseln. Ich gab immer vor, dass ich ebenfalls Skifahren würde. In Frankreich.
Das Formular verschwimmt vor mir. Ich kann mich nicht an die Fake-Adresse erinnern, die ich online angegeben habe. Nicht dass es wirklich wichtig ist, rufe ich mir ins Gedächtnis, denn Stephanie hat keine Macht mehr über mich.
Das erste Schulhalbjahr war noch erträglich. Ich kannte meinen Platz – und akzeptierte ihn, wenn auch widerstrebend. Ich wollte so gern richtig mit Bella befreundet sein. Doch mir war immer klar, dass ich es nie bis in den innersten Kreis schaffen würde, sondern mich mit einem Platz am Rand begnügen müsste.
Die Mädchen hatten alle den gleichen Hintergrund, sie wussten, wann sie was zu sagen und zu tun hatten, sie wussten, dass sie alle das Potenzial hatten, ohne allzu große Mühe zu glänzen. Sie konnten Skifahren, sprachen fließend Französisch und backten umstandslos ein Soufflé.
Ich versuchte, mich anzupassen – das Richtige zu sagen und zu tun –, aber je öfter ich dabei patzte, desto schlimmer wurde es. In ihrer Gegenwart wirkte ich tollpatschig und maulfaul. Nachts lag ich im Bett und stellte mich schlafend, während ich ihren Unterhaltungen über Jungs, Make-up, Mode, Musik und sympathische oder unsympathische Lehrer lauschte. Dabei malte ich mir aus, wie ich an ihrem Gespräch teilhaben könnte.
Und als das nicht funktionierte, begann ich damit, andere Optionen zu erwägen.
»Hier ist dein Kaffee.« Stephanie ist zurückgekehrt und stellt einen Becher auf den Schreibtisch. »Na schön, dann fangen wir an …«
»Wie lange arbeitest du schon hier?«, frage ich, beuge mich vor und nippe vorsichtig an meinem Kaffee.
»Ein paar Jahre. Erst musst du das hier fertig ausfüllen, dann gehe ich mit dir ein paar Punkte durch, und danach hole ich jemanden, der dir hier alles zeigt.«
»Kannst du das nicht machen? Vielleicht könnten wir dabei ein bisschen plaudern.«
»Na ja …«
»Du bist immerhin die Chefin«, sage ich lächelnd.
»Aber dann muss es schnell gehen, fürchte ich. Mein nächster Termin«, sie schaut kurz zur Wanduhr hoch, »ist in Kürze.«
Nachdem ich die Formulare ausgefüllt und unterschrieben habe, führt sie mich in die eigentliche Fitnesshalle, und ich nicke höflich, während sie mir die neuesten Geräte sowie spezielle Räume für die Fitnesskurse zeigt und etwas von individuellen Trainings- und Einführungsstunden schwafelt. Dann folge ich ihr die Treppe hinunter, um den Pool anzusehen. Ich könnte sie schubsen. Ich müsste mit aller Kraft zustoßen, aber wenn ich es richtig anstellen würde, würde sie sich bestimmt was brechen. Doch über uns starrt uns die dunkle, runde Linse der Überwachungskamera an.
»Hast du noch Kontakt zu Bella oder sonst jemandem von damals?«
»Schon.«
Ihre Absätze klackern auf den Holzstufen. Meine Turnschuhe geben keinen Laut von sich.
»Wie geht es Bella?«
Sie bleibt stehen und dreht sich um, so als versuchte sie, meine Reaktion abzuschätzen. »Gut.«
Ich zucke mit den Achseln. »Bin nur neugierig. Es ist so lange her.«
»Sie wird demnächst ihre Verlobung verkünden.«
Meine Hand schließt sich um den Handlauf. »Mit wem?«
»Mit Miles, einem Vermögensberater.«
Mir ist aufgefallen, dass er auf einigen Bildern von verschiedenen Veranstaltungen getaggt wurde. Der Optik nach ist er ein Totalversager.
Ich ziehe mein Handy aus der Handtasche und werfe einen Blick aufs Display. »Ach, Mist. Ich muss los. Aber ich finde mich schon zurecht, wenn ich eintrete. Lass uns in Verbindung bleiben.«
»Ja«, lächelt sie und macht kehrt, um wieder nach oben zu gehen.
»Deine Handynummer?« Vor ihrem Büro bleibe ich stehen.
»Ich bin immer über die Rezeption zu erreichen«, antwortet sie. »Falls es nötig sein sollte.«
»Wie ist es mit Facebook?« Ich suche nach ihr. »Ach, da bist du ja. Ich habe dir eine Freundschaftsanfrage geschickt.«
Ich bleibe stehen, sodass ihr nichts anderes übrig bleibt, als ihr Handy herauszuziehen und meine Anfrage anzunehmen. Ihre Hände beben leicht dabei.
»Wunderbar. Ist mir wirklich ein Vergnügen, Stephanie. War super, dich wiederzusehen.« Ohne einen Blick zurück gehe ich los.
Die Heimreise vergeht wie im Flug, während ich ihre Facebook-Seite durchsuche.
Dank Stephanie bekomme ich nun frischen Einblick in Bellas innere Welt. Ganz neue Möglichkeiten tun sich mir auf.
Ich liebe das Internet, es ist mein Freund.