»Also, dann fasse ich noch mal zusammen«, sagte Marie, tupfte sich den Mund an einer Papierserviette ab und legte sie zu den Muschelschalen und Langustenkarkassen auf ihrem Teller. Es war ein klein wenig später geworden, bis alle eingetroffen waren, doch der Paella, die der Mietkoch bei ihnen zubereitet hatte, hatte es nicht geschadet. Der Mann verstand sein Handwerk, und das Beste war, dass er gleich noch das gesamte Geschirr und Besteck abholen würde. »Dieser gardien wollte auf einen Balkon klettern? Der Tätowierte aus dem Schlauchboot hat seltsame Kringel auf ein Blatt gezeichnet? Ist das wirklich alles, was ihr herausgefunden habt?« Sie sah in die Runde und erntete Schulterzucken.
»Mehr war eben nicht los«, sagte Isabelle entschuldigend. »Stimmt doch, Clément, oder?« Ihr Bruder nickte.
»Okay, und hat auch jemand diesen Wassertaxifahrer im Blick gehabt?«
»Nein.«
»Nein? Wieso nicht, Lucas, ich habe doch gesagt …«
»Er ist Taxi gefahren«, antwortete ihr Mann.
»Weiter nichts?«
»Weiter nichts. Gehört wohl doch nicht zu der Truppe.«
Marie Yolante schüttelte ratlos den Kopf. Sie hatte das Gefühl, dass dieses dürftige Rechercheergebnis der Unfähigkeit und Lustlosigkeit ihrer Familie zuzuschreiben war. Wahrscheinlich hätte sie doch selbst mitgehen und nicht einfach das Heft aus der Hand geben sollen. »Gut, und welchen Schluss ziehen wir jetzt daraus?«
»Für mich haben die einfach alle tierisch einen an der Waffel«, befand Clément.
Yves nickte. »Das schon. Aber irgendwie haben sie derart seltsame Sachen gemacht – mir war fast, als würden sie uns verarschen. Als Ablenkungsmanöver, versteht ihr?«
»So wie die Sache mit der Jacht, als sie bei uns eingedrungen sind?«, präzisierte Marie.
Yves zuckte mit den Achseln. »Könnte doch sein, oder?«
»Lasst uns mal kurz zusammenfassen: Diese Leute haben vor unserer Ankunft in unserem Haus Barral getötet, weil sie an unser Geheimnis heranwollten. Ob es ihnen gelungen ist, ihn vorher zum Reden zu bringen, wissen wir nicht. Sieht aber nicht danach aus. Dann haben sie uns ein Erpresserschreiben samt Foto vom Toten geschickt, sind aber später bei uns eingedrungen, um sich exakt dieses wiederzuholen. Stimmt ihr mir so weit zu?«
Die anderen nickten.
»Also verfolgen sie irgendeinen perfiden Plan, den wir bloß noch nicht kennen. Sonst würde das alles gar keinen Sinn ergeben.«
»Ich fand die eher total lost «, sagte Isabelle.
»Du meinst, als würden sie einer Spur folgen, hätten aber den Faden verloren?«, fragte ihr Onkel.
»So könnte man es vielleicht sagen.«
Henri machte ein nachdenkliches Gesicht. »Die werden schon wissen, was sie tun.«
»Passt irgendwie nicht dazu, dass sie den armen Barral einfach abgemurkst haben und uns erpressen wollen«, schob Isabelle noch nach. »Übrigens: Was, wenn einer von denen irgendwann nachts …«
»Ach was, Clément beschützt uns alle, stimmt’s?«, ätzte Yves, doch er erntete nur eine wegwerfende Handbewegung seines Cousins.
»Nur was genau haben sie vor? Ich meine, wenn man den Faden verloren hat, hat man ja zumindest irgendwann davor einmal einen gehabt, oder?«, versuchte Marie, ihr Gespräch wieder auf das eigentliche Thema zu bringen. »Und warum haben sie nie irgendeine Forderung geschickt? Es ist ja, als hätten sie die Erpressung bereut und wollten sie ungeschehen machen.«
»Jedenfalls müssen wir definitiv weiter dranbleiben«, fand Lucas. »Sie wissen offensichtlich mehr als wir, auch wenn sie den Schlüssel oder den entscheidenden Hinweis noch nicht gefunden haben.«
»Mir ist auch wirklich schleierhaft, wie die überhaupt zusammengehören«, erklärte Clément schließlich und schob seinen Teller ein Stück von sich. »Ich meine, was verbindet die? Und wer ist denn nun eigentlich alles dabei?«
Marie lächelte milde. »Das, mein Junge, hättet ihr heute herausfinden sollen.«