sich selbst fühlen? Oder der Abendhimmel, wenn er sich lodernd vom Tag verabschiedet?
Wie sind die Chinesen nur auf die Idee gekommen, das Universum sei quadratisch? Noch nie hat sie Ecken in der Natur entdeckt, zumindest keine exakten. Felsen und Steine haben Zacken oder Rundungen. Wasser ist formlos und passt sich allem an. Gerade das macht es so bedrohlich.
Könnte sie die Natur bewundern, wenn gewiss wäre, dass sie eingespannt ist in ein Quadrat? Würde sie die Natur noch mögen, wenn man sich den Kosmos als Schachtel vorstellen müsste oder als Kiste, in der die Welt sitzt? Der bloße Gedanke macht Atemnot.
Nur selten sehnt sie sich zurück nach dem Leben mit Bruno, fürchtet aber, dass man so etwas nicht denken darf.
Es ist, als befinde sie sich zum ersten Mal an einem frei gewählten Ort. Doch was heißt frei gewählt? Sie empfindet es so. Vielleicht musste alles so kommen, wie es gekommen ist. Vielleicht hat alles seine Richtigkeit gehabt. Vielleicht gibt es doch eine Vorsehung. Vielleicht erledigt das Schicksal einfach sein Geschäft.
Wenn einmal alles vorbei ist, bleibt keine Stille, es bleibt das Meer mit seinem Rauschen. Am Bodensee hat der Bach hinterm Haus sie in den Schlaf getragen und das Klappern von Bootsmasten. Hier schwappen vom Pier manchmal Musikwogen herüber oder es rattern ein paar letzte Mopeds ums Eck. Dann hallen nur noch verlorene Möwenrufe über die nächtliche Bucht und die Laternen werfen ihren gelblichen Schimmer über die Promenade.
Und jeden Morgen liegt es wieder da, das Meer, in seiner unendlichen Gleichgültigkeit. Und jeden Morgen macht sie sich auf zu den Klippen, bei jedem Wind und jedem Wetter. Und immer denkt sie, ich könnte springen, zur einen Seite die schäumende Gischt, zur andern grünes Land und Schafe und in der Ferne bräunlich aufragende Berge.